Verwaltungsrecht

Asylrecht (Sierra, Leone)

Aktenzeichen  9 ZB 21.30485

Datum:
4.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 10937
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 30 K 20.31544 2021-03-09 VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Kläger ist nach seinen Angaben Staatsangehöriger Sierra Leones und wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig sowie die Feststellung, dass keine Abschiebungshindernisse vorlägen, durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 22. April 2020. Mit Urteil vom 9. März 2021 hat das Verwaltungsgericht seine Klage hiergegen abgewiesen. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Zudem liegt weder eine Abweichung von obergerichtlicher Rechtsprechung (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) noch ein Verfahrensmangel (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) vor.
1. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 13.11.2020 – 9 ZB 20.32156 – juris Rn. 3 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
a) Die im Zulassungsvorbringen aufgeworfene Frage, „ob der Ausbruch einer Pandemie mit weltweiten daraus folgenden Veränderungen als neue Tatsache im Sinn von § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zu werten ist“, ist weder klärungsfähig noch klärungsbedürftig.
Abgesehen davon, dass das Zulassungsvorbringen nicht darlegt, inwieweit eine weltweite Pandemie überhaupt zur Begründung einer Asylberechtigung geeignet sein soll, ist geklärt, dass aktuelle Enwicklungen im Zusammenhang mit einer Pandemie im Rahmen der Abschiebung von der Ausländerbehörde zu berücksichtigen und gegebenfalls im Wege eines Folgeantrags geltend zu machen wären (vgl. BayVGH, U.v. 17.12.2020 – 13a B 20.30957 – juris Rn. 40; B.v. 26.1.2021 – 9 ZB 21.30109 – juris Rn. 12). Die Frage ist darüber hinaus auch nicht entscheidungserheblich, weil das Verwaltungsgericht hier hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungshindernissen im Urteil vom 9. März 2021 unter Bezugnahme gem. § 77 Abs. 2 AsylG auf den Beschluss vom 13. Juli 2020 Ausführungen zur Covid-19-Pandemie und zum Coronavirus gemacht hat. Unabhängig davon ist eine Beschränkung der Prüfung des Antrags auf das, was der Kläger als Wiederaufnahmegrund vorträgt, zulässig (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2000 – 2 BvR 39/98 – juris Rn. 31). Entsprechendes lässt sich dem Antrag des Klägers aber nicht entnehmen.
b) Die Frage, „ob der Kläger im Falle seiner Rückkehr mit der Unterstützung seiner Familie oder Freunde rechnen kann bzw. darf“ ist nicht entscheidungserheblich.
Das Verwaltungsgericht hat in den Urteilsgründen unter Bezugnahme auf den Beschluss vom 13. Juli 2020 nach § 77 Abs. 2 AsylG und unter Würdigung der schwierigen wirtschaftlichen Situation darauf abgestellt, dass es dem jungen und erwerbsfähigen Kläger mit einer vierjährigen Schulbildung und späterer Arbeit in der Landwirtschaft möglich sein wird, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Dem tritt das Zulassungsvorbringen nicht substantiiert entgegen und setzt sich nicht mit den vom Verwaltungsgericht eingeführten Erkenntnismitteln auseinander. Stützt sich das Verwaltungsgericht – wie hier – bei seiner Entscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel oder gerichtliche Entscheidungen, ist erforderlich, dass das Zulassungsvorbringen zumindest einen überprüfbaren Hinweis auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- oder Erkenntnisquellen enthält, etwa entsprechende Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten oder Presseberichte, die den Schluss zulassen, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf (vgl. BayVGH, B.v. 13.11.2020 – 9 ZB 20.32156 – juris Rn. 4). Abgesehen davon ist die aufgeworfene Frage auch nicht verallgemeinernd, sondern nur nach jeweiliger Würdigung der Verhältnisse im Einzelfall zu beurteilen (vgl. BayVGH, B.v. 30.3.2020 – 9 ZB 20.30689 – juris Rn. 4).
2. Die Berufung ist nicht wegen Divergenz nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG zuzulassen.
Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil von einer Entscheidung eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung der genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben oder einer inhaltsgleichen Rechtsvorschrift ausdrücklich oder konkludent abrückt. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. Im Zulassungsantrag muss daher ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet werden und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden (vgl. BayVGH, B.v. 27.10.2020 – 9 ZB 20.32008 – juris Rn. 6). Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen, das sich in der bloßen Benennung des Zulassungsgrundes erschöpft, nicht gerecht.
3. Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden. Das Gericht hat sich mit den wesentlichen Argumenten des Klagevortrags zu befassen, wenn sie entscheidungserheblich sind. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann jedoch nur dann festgestellt werden, wenn sich aus besonderen Umständen klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 9 ZB 16.30023 – juris Rn. 10). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist allerdings nicht schon dann verletzt, wenn der Richter zu einer unrichtigen Tatsachenfeststellung im Zusammenhang mit der ihm obliegenden Tätigkeit der Sammlung, Feststellung und Bewertung der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen gekommen ist. Auch die bloße Behauptung, das Gericht habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen oder das Gericht habe es versäumt, Beweis zu erheben, vermag einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu begründen (vgl. BVerfG, B.v. 15.2.2017 – 2 BvR 395/16 – juris Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, B.v. 27.10.2020 – 9 ZB 230.32008 – juris Rn. 8).
Abgesehen davon, dass der Vortrag, das Verwaltungsgericht habe die Coronapandemie nicht weiter gewertet und im Zusammenhang mit dem vorgelegten Attest einer Hepatitis B Erkrankung der Frage nachgehen müssen, ob der Kläger einer Risikogruppe hinsichtlich Covid-19 angehöre, nicht zutrifft, weil das Verwaltungsgericht hierzu – unter Bezugnahme auf den Beschluss vom 13. Juli 2020 (§ 77 Abs. 2 AsylG) – Ausführungen gemacht hat, scheidet ein Gehörsverstoß jedenfalls deswegen aus, weil der Kläger nicht von dem ihm verfahrensrechtlich eingeräumten Möglichkeiten Gebrauch gemacht hat, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl. HessVGH, B.v. 2.1.2019 – 10 A 1758/17.Z.A – juris Rn. 3). Die Bevollmächtigte des Klägers hat hier mit Schriftsatz vom 24. Februar 2021 gegenüber dem Verwaltungsgericht auf mündliche Verhandlung verzichtet und auch schriftsätzlich keinen entsprechenden Vortrag gemacht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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