Aktenzeichen 9 ZB 22.30170
VwGO § 108 Abs. 1 und 2
Leitsatz
Verfahrensgang
M 5 K 17.40909 2021-12-09 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 11.1.2021 – 9 ZB 19.30413 – juris Rn. 3 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Die vom Kläger formulierte Frage, ob „zur Glaubhaftmachung einer homosexuellen Neigung zwingend erforderlich [ist], dass ein ‚inneres Ringen‘ zwischen den gesellschaftlichen Konventionen und der Erkenntnis bzw. dem Nachgeben der eigenen sexuellen Veranlagung besteht“, war in dieser Form weder entscheidungserheblich noch ist sie einer allgemeingültigen Klärung im Berufungsverfahren zugänglich. Der Kläger führt zur Entscheidungserheblichkeit nichts aus und kommt daher seinen Darlegungsanforderungen nicht nach. Das Verwaltungsgericht hat in seinen Entscheidungsgründen plausibel erörtert, warum es den klägerischen Vortrag, homosexuell zu sein und deshalb in Uganda Verfolgung befürchten zu müssen, als unglaubhaft bewertet. Dabei kam es – entgegen der Behauptung im Zulassungsantrag – nicht zwingend darauf an, dass beim Kläger ein „inneres Ringen“ zwischen den gesellschaftlichen Konventionen und der Erkenntnis bzw. dem Nachgeben der eigenen sexuellen Veranlagung besteht (bzw. bestand), sondern vielmehr darauf, ob er nachvollziehbare und glaubhafte Angaben zu seiner vermeintlichen sexuellen Orientierung und zu den vorgetragenen (homophoben) gesellschaftlichen Konventionen in seinem Heimatland gemacht hat, was vom Verwaltungsgericht hier mit nachvollziehbarer Begründung verneint wurde. Dies ergibt sich klar aus den Entscheidungsgründen, die nicht zuletzt auf einen Aufsatz zur Glaubwürdigkeitsprüfung bei Asylklagen Bezug nehmen, in dem hervorgehoben wird, dass bei entsprechenden Fragestellungen nicht die „richtige“ Antwort, sondern die „Kohärenz“ der Darstellung entscheidend ist (Berlit/Dörig/Storey, ZAR 2016, 332/333). Hinzu kommt, dass die Unglaubhaftigkeit nicht allein auf die Angaben des Klägers zum Spannungsfeld zwischen eigener sexueller Ausrichtung und fehlender gesellschaftlichen Akzeptanz gestützt wird, sondern vielmehr auf die Gesamtschau seines Vortrags zur Homosexualität (einschließlich der Schilderung der Ausreise sowie nicht hinreichend erklärbarer Widersprüche zwischen den Angaben bei der behördlichen und der gerichtlichen Anhörung) und dass das Gericht dabei im Wege des § 77 Abs. 2 AsylG auch auf den angefochtenen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge Bezug nimmt. Die Frage danach, wann ein bestimmter Vortrag für eine Glaubhaftmachung ausreicht und welche Ausführungen im Einzelfall für eine schlüssige Schilderung entscheidungserheblicher Umstände erforderlich sind, ist zudem keiner allgemeinen Klärung zugänglich. Vielmehr bedarf es einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls, die hier dem streitgegenständlichen Urteil auch zugrunde liegt.
2. Soweit sich der Kläger mit der im Hintergrund stehenden Kritik daran, dass das Gericht sein Vorbringen unter anderem wegen oberflächlicher und aufgesetzt wirkender Antworten als unglaubhaft bewertet hat, in der Sache gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) wendet, liegt auch sonst kein Berufungszulassungsgrund im Sinn von § 78 Abs. 3 AsylG vor (vgl. BayVGH, B.v. 25.7.2018 – 8 ZB 18.31802 – juris Rn. 7; B.v. 31.10.2018 – 8 ZB 17.30339 – juris Rn. 9 ff.). Durch Mängel der gerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann allenfalls der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt sein, wenn ein besonders schwerwiegender Verstoß vorliegt, insbesondere wenn die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Gerichts auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Erfahrungssätze missachtet (vgl. BVerwG, B.v. 12.3.2014 – 5 B 48.13 – NVwZ-RR 2014, 660 = juris Rn. 22; B.v. 31.1.2018 – 9 B 11.17 – juris; BayVGH, B.v. 7.5.2018 – 21 ZB 18.30867 – Rn. 4). Dass ein solcher Mangel hier gegeben wäre, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.
3. Soweit der Kläger sich darüber hinaus darauf beruft, dass das angefochtene Urteil den Charakter einer den Gehörsgrundsatz verletzenden Überraschungsentscheidung habe (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG), muss dem Zulassungsantrag der Erfolg bereits deshalb versagt bleiben, weil er auch insofern die Darlegungsvoraussetzungen nicht erfüllt. Wird ein Gehörsverstoß geltend gemacht, muss substantiiert dargelegt werden, was bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen worden wäre und inwiefern dieser weitere Vortrag entscheidungserheblich gewesen wäre (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.2017 – 6 B 52.17 – juris Rn. 5 m.w.N). Diese Erfordernisse verfehlt der Kläger mit seiner bloßen Behauptung eines Überraschungsurteils.
Eine Überraschungsentscheidung liegt zudem nur vor, wenn das Gericht, das auf den Inhalt der beabsichtigten Entscheidung regelmäßig nicht vorab hinweisen muss, auf eine rechtliche Sichtweise oder auf eine bestimmte Bewertung des Sachverhalts abstellt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (BVerwG, B.v. 18.12.2017 – 6 B 52.17 – juris Rn. 6 m.w.N.; vgl. auch BVerfG, B.v. 13.2.2019 – 2 BvR 633/16 – juris Rn. 24 m.w.N.). Auch insofern fehlt es an einer hinreichenden Darlegung. Ausweislich des angefochtenen Bescheids hat im Übrigen schon das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Verfolgungsgeschichte des Klägers nicht geglaubt, worauf in der Klagebegründung auch eingegangen wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).