Verwaltungsrecht

Asylverfahren, Abschiebung, Asylberechtigter, Bescheid, Beschwerde, Herkunftsland, Migration, Leistungen, Abschiebungsverbote, Abschiebungsverbot, Bundesamt, Familie, Anerkennung, Heimatland, Anerkennung als Asylberechtigter, Kosten des Verfahrens, Furcht vor Verfolgung

Aktenzeichen  RO 11 K 21.30761

Datum:
3.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6539
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist nämlich rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Kläger hat im gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 des Asylgesetzes (AsylG) maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Es liegen auch keine Gründe für die Zuerkennung subsidiären Schutzes bzw. nationaler Abschiebungsverbote vor. Die von der Beklagten getroffenen Entscheidungen sind nicht zu beanstanden. Das Gericht folgt zunächst den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf diesen Bezug, § 77 Abs. 2 AsylG. Im Übrigen wird auf Folgendes hingewiesen:
A. Die Klage auf die Anerkennung als Asylberechtigter ist bereits deshalb unbegründet, weil der Kläger nach seinen eigenen Angaben aus Österreich kommend in das Bundesgebiet eingereist ist. Ein aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat in Deutschland einreisender Ausländer ist von der Berufung auf Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ausgeschlossen, vgl. Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG. Der Kläger wird gemäß § 26a Abs. 1 Satz 2 AsylG nicht als Asylberechtigter anerkannt. Die Anerkennung als Asylberechtigter scheidet ferner auch deshalb aus, weil er sein Heimatland nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat und ihm bei einer Rückkehr nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine solche droht (s.u.).
B. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Diese kann ihm nicht zuerkannt werden, da er sich nach der Überzeugung des Gerichts nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe außerhalb Jordaniens befindet, § 3 Abs. 1, 4 AsylG. Er hat sein Heimatland nicht wegen Verfolgung im Sinne dieser Vorschrift verlassen. Ferner droht ihm bei einer Rückkehr nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine solche.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Die Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG ausgehen von
1. dem Staat,
2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen oder
3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
Die Flüchtlingseigenschaft wird nicht zuerkannt, wenn eine interne Schutzmöglichkeit besteht, vgl. § 3e AsylG.
I. Der Kläger behauptet nicht, dass er in Jordanien Probleme mit staatlichen Stellen hatte. Vielmehr begründet er seinen Asylantrag im Wesentlichen mit einer angeblichen Verfolgung seiner Person durch die Familie seiner Ex-Freundin wegen einer Beziehung mit dieser. Dieses Vorbringen kann unabhängig davon, ob es – infolge der zum Teil widersprüchlichen Angaben – überhaupt glaubhaft ist, nicht zu einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen. Von einer vorverfolgten Ausreise aus Jordanien ist nicht auszugehen. Die – angeblichen – Verfolgungshandlungen des Stammes seiner Ex-Freundin und seiner eigenen Familie knüpfen nämlich an kein flüchtlingsschutzrelevantes Merkmal an. Dieser Stamm ist auch kein Akteur, von dem eine flüchtlingsrelevante Verfolgung ausgehen kann. Auch erreichen die Drohungen nicht die erforderliche Eingriffsintensität.
1. Hinsichtlich der beschriebenen Bedrohung durch den Stamm seiner Ex-Freundin und seiner eigenen Familie fehlt es im Falle einer hypothetischen Rückkehr bereits an einem relevanten Verfolgungsgrund i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b AsylG, da diese nicht wegen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Tatbestandsmerkmalen der Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, sondern allenfalls wegen des Verstoßes gegen tradierte Beziehungsregeln erfolgte.
Bei dem Kläger, seiner Ex-Freundin, seiner Familie und der Familie der Ex-Freundin handelt es sich gerade nicht um eine soziale Gruppe i.S.d. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG. Demnach gilt eine Gruppe insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten (Buchst. a) und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (Buchst. b). Bei einer Familie allgemein (und bei dem Kläger, seiner Ex-Freundin und deren Familie im Speziellen) handelt es sich nicht um eine bestimmte soziale Gruppe, die in der jordanischen Gesellschaft eine Gruppe mit deutlich abgegrenzter Identität darstellt. Eine Partnerschaft ist vielmehr üblich. Durch Traditionen gebildete Segmentierungsphänomene führen daher nicht zur Annahme einer Vielzahl von Gruppen, deren mögliche Rivalitäten asylrechtlich relevant sind (vgl. auch VG München bei irakischen Stämmen, U. v. 12.02.2020 Az. M 19 K 16.31342). Die Zugehörigkeit des Klägers, seiner Ex-Freundin und ihrer Familie zu einer Gruppe beruht allenfalls auf einer willkürlichen Zuschreibung durch die jeweilige Gegenpartei eines Konflikts, welche selbst entscheidet, wie weit sie den Kreis derjenigen zieht, welche sie als in den Konflikt aufgrund von Verwandtschaft involviert ansieht.
Zudem unterliegt diese Betroffenheit auch Veränderungen. Es fehlt dem Personenkreis der von Blutfehden bzw. Familienkonflikten betroffenen Gruppen unter anderem aus diesen Gründen auch an einer hinreichend deutlich abgegrenzten Identität. Zudem wird dieser Personenkreis – schon wegen der Relativität eines solchen Konflikts – von der umgebenden Gesellschaft nicht als andersartig angesehen. Dafür, dass die von dem Kläger befürchtete Verfolgung an ein anderes als die in § 3b AsylG genannten Merkmale anknüpft oder dem Kläger ein solches Merkmal zugeschrieben wird (§ 3b Abs. 2 AsylG) ist nichts ersichtlich. Die behaupteten Auseinandersetzungen mit der Familie haben keinen flüchtlingsrelevanten Hintergrund. Straftaten in diesem Zusammenhang sind als kriminelles Unrecht zu werten und führen zu keinem Verfolgungsgrund im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG.
2. Außerdem handelt es sich bei dem Stamm der Ex-Freundin nicht um einen Akteur im Sinne des § 3c AsylG, von dem eine flüchtlingsrelevante Verfolgung ausgehen kann.
Eine Verfolgung kann gemäß § 3c Nr. 3 AsylG von nichtstaatlichen Akteuren nur ausgehen, sofern der Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, einschließlich internationaler Organisationen, erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Zwar lässt sich den vorliegenden Erkenntnisquellen entnehmen, dass es in Jordanien vereinzelt zu sogenannten „Ehrenmorden“ kommen kann. Jedoch werden diese im Normalfall von den jordanischen Behörden verfolgt und geahndet (vgl. Auskunft von Amnesty International an das VG Darmstadt vom 30.05.2013). Die Wirksamkeit des Tätigwerdens seitens staatlicher jordanischer Behörden wird im Strafrecht als generell hoch eingeschätzt. Angesichts in der Regel großer medialer Aufmerksamkeit bei sogenannten „Ehrenmorden“ aus Gründen der Familienehre kann angenommen werden, dass eine erhöhte Wirksamkeit des Tätigwerdens seitens staatlicher Behörden in solchen Fällen gegeben ist (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amts an das VG Darmstadt vom 20.01.2014).
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der jordanische Staat im vorliegenden Fall nicht in der Lage oder willens ist, Schutz im Sinne des § 3d Abs. 2 AsylG zu gewährleisten, wurden nicht substantiiert geltend gemacht. So ist der Kläger nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung zur Polizei gegangen und hat sie um Hilfe gebeten. Diese ist nach seinen Angaben auch tätig geworden und hat seine Aussage protokolliert. Ihm wurde sogar ein Anwalt zur Seite gestellt. Dass die Behörden dem Kläger nicht tatsächlich helfen können und wollen ist daher nicht einmal ansatzweise glaubhaft gemacht. Zudem kommen „Ehrenmorde“ zumeist nur bei Frauen vor, die z.B. Ehebruch begehen oder vor der Ehe schwanger werden. Auch diese werden von den jordanischen Gerichten verfolgt (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Regensburg vom 09.09.2002). Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das jordanische Parlament im Juli 2017 § 98 des Strafgesetzbuches abgeschafft hat, nach welchem eine mildere Strafe für Männer bei sogenannten „Ehrenmorden“ vorgesehen war (vgl. Amnesty Report Jordanien 2017/2018).
3. Die vorgebrachten Drohungen des Stammes seiner Ex-Freundin erreichten auch nicht die erforderliche Eingriffsintensität im Sinne des § 3a AsylG.
Als Verfolgung im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG gelten nur Handlungen, die nach § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder die nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Verfolgungshandlungen müssen also ein gewisses Maß an Schwere aufweisen. Verfolgungshandlungen nach § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG müssen die begrifflichen Kriterien einer Foltermaßnahme oder einer unmenschlichen Behandlung oder Bestrafung erfüllen. Weniger schwerwiegende Beeinträchtigungen werden von diesem Begriff nicht erfasst. Die von dem Kläger geschilderten Vorfälle wie Drohungen, Beschimpfungen oder der einmalige körperliche Übergriff durch den Bruder seiner Ex-Freundin erreichen – auch aufgrund der insoweit sehr oberflächlich und damit nur schwer zu gewichtenden Angaben – die notwendigen Anforderungen an die Intensität von Verfolgungshandlungen nicht.
4. Anderweitige (Vor-)Verfolgungshandlungen wurden vom Kläger nicht geltend gemacht. Wie er selbst vorbrachte, hat er in Jordanien zunächst studiert und später als Taxifahrer und Automechaniker gearbeitet. Es ging ihm nach eigenen Angaben – bis auf die private Auseinandersetzung – gut.
II. Dem Kläger droht auch bei einer Rückkehr nach Jordanien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG.
Die begründete Furcht vor Verfolgung kann gemäß § 28 Abs. 1a AsylG auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist. Auch insoweit knüpfen die von dem Kläger geschilderten Vorkommnisse – diese als wahr unterstellt – nicht an flüchtlingsschutzrelevante Merkmale an. Vielmehr handelt es sich um einen Konflikt zwischen Familien (s.o.). Das Gericht geht im Übrigen davon aus, dass der Kläger in anderen Landesteilen – insbesondere in Großstädten Jordaniens wie z.B. Irbid und Russeifa – eine inländische Fluchtalternative im Sinne des § 3e AsylG hat. Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass er in diesen Gebieten keine begründete Furcht vor Verfolgung haben muss sowie sicher und legal dorthin reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, § 3e Abs. 1 AsylG. Zumutbar ist eine Rückkehr dann, wenn der Ort der inländischen Fluchtalternative ein wirtschaftliches Existenzminimum ermöglicht, zum Beispiel durch zumutbare Beschäftigung oder durch Leistungen humanitärer Organisationen. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn den Asylsuchenden dort ein Leben erwartet, das zu Hunger, Verelendung und zum Tod führt oder, wenn er dort nichts anderes zu erwarten hat als ein „Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums“ (vgl. BVerwG, B. v. 17.05.2006 Az. 1 B 100/05).
Die Voraussetzungen für eine inländische Fluchtalternative sind gegeben. Konkrete Anhaltspunkte, dass Mitglieder der Familie seiner Ex-Freundin nach einer Rückkehr Kenntnis erlangen würden, wurden nicht überzeugend vorgebracht. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser Stamm als nichtstaatlicher Akteur unschwer in der Lage wäre, den Kläger bereits bei der Einreise und dann außerhalb der Herkunftsregion aufzuspüren und zu verfolgen. Es lässt sich selbst aus der Aufzählung angeblich wohnhafter Familienangehöriger des Stammes in einigen Städten keine landesweite Gefahr einer Verfolgung im Falle einer Rückkehr und ein entsprechendes Interesse hieran ableiten. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Stamm in einer derartigen Weise über das gesamte Staatsgebiet Jordaniens vernetzt ist oder diesem ein dementsprechender starker Einfluss zugesprochen werden kann und alle Mitglieder der Familie ein entsprechendes Verfolgungsinteresse haben, dass sie nach einer Rückkehr des Klägers in einen anderen Landesteil Jordaniens hiervon Kenntnis erlangen und Verfolgungsmaßnahmen einleiten würden, wurden nicht zur Überzeugung des Gerichts vorgetragen. Es ist dem Kläger daher zuzumuten, sich in einem anderen Gebiet Jordaniens niederzulassen. Es handelt sich bei ihm um einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann mit Abitur und begonnenem Studium, weshalb davon auszugehen ist, dass es ihm möglich sein wird, für sich ein existenzsicherndes Einkommen zu erwirtschaften. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass es in Jordanien einige Städte gibt, die weit über 100.000 Einwohner haben, in denen der Kläger Schutz suchen kann. Soweit der Kläger darauf Bezug nimmt, dass ihm aufgrund seiner Ausreise nunmehr Probleme im Zusammenhang mit jordanischen Behörden drohen, hat er dies nicht mal im Ansatz konkret glaubhaft gemacht. Es ist zudem darauf hinzuweisen, dass mögliche Probleme bei einer Rückkehr nach einem längeren Zeitraum keine politische Verfolgung darstellen, weil sie nicht an asylrelevante Merkmale anknüpfen. Eine Ausbürgerung, die lediglich eine ordnungsrechtliche Sanktion für die Verletzung einer alle Staatsbürger gleichermaßen treffende Pflicht darstellt, kann ebenfalls nicht als flüchtlingsrelevante Verfolgung angesehen werden (vgl. BVerwG, U. v. 26.02.2009 Az. 10 C 50/07).
C. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG.
I. Abschiebungsschutz nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AsylG steht dem Kläger nicht zu. Gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Abs. 1 AsylG bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1) bzw. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2). Voraussetzung ist, dass eine konkrete individuelle Gefahr ernsthaft droht. Eine allgemeine Bedrohung genügt nicht. Anhaltspunkte für die Gefahr der Verhängung der Todesstrafe, der Folter oder der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung des Klägers in Jordanien sind hier weder glaubhaft vorgetragen noch erkennbar (s.o.). Es ist nicht erkennbar, warum der Kläger inhaftiert und gefoltert werden sollte, zumal ihm nichts strafrechtlich relevantes vorgeworfen wird. Außerdem besteht eine inländische Fluchtalternative, vgl. § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG.
II. Der Kläger kann sich auch nicht auf § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG berufen. Danach gilt als ernsthafter Schaden eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Die allgemeine Gefahr, die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgeht, kann sich individuell so verdichten, dass sie eine ernsthafte individuelle Bedrohung darstellt. Voraussetzung hierfür ist eine außergewöhnliche Situation, die durch einen so hohen Gefährdungsgrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein auf Grund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer solchen Bedrohung ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U. v. 14.07.2009 Az. 10 C 9.08). In Jordanien liegt kein solcher bewaffneter Konflikt vor.
D. Es liegen auch keine nationalen Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Insoweit wird ergänzend noch einmal auf die ausführliche und überzeugende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen.
I. Auf § 60 Abs. 5 AufenthG kann sich der Kläger nicht berufen.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 04.11.1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685; EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Humanitäre Verhältnisse im Zielstaat verletzten Art. 3 EMRK nur in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Die Annahme einer unmenschlichen Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen setzt ein sehr hohes Gefährdungsniveau voraus. In Konstellationen wie der Vorliegenden, in der gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, weshalb in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind (vgl. BVerwG, U. v. 31.01.2013 Az. 10 C 15/12).
Das erforderliche hohe Gefährdungsniveau liegt bei dem Kläger nicht vor. Dieser ist ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann, dem es in Jordanien möglich war und ist, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Nach eigenen Angaben lebte er in guten wirtschaftlichen Verhältnissen. Er kann zumindest durch Gelegenheitsarbeiten ein kleines Einkommen erwirtschaften, um sein Überleben zu sichern. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass ein abgeschobener Asylbewerber in Jordanien mangels jeglicher Lebensgrundlage grundsätzlich in eine extreme Gefahrenlage geriete und dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert wäre.
II. Dem Kläger steht auch kein Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren im Sinne dieser Vorschrift, denen die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG nur bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung liegt im Fall des Klägers bei einer Rückkehr nach Jordanien nicht vor (s.o.).
Eine Not- und Gefahrenlage, der die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, ist nach § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG nämlich grundsätzlich bei Anordnungen nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen, d.h. im Wege einer generellen politischen Leitentscheidung der obersten Landesbehörden und nicht durch Einzelfallentscheidungen des Bundesamts. Fehlt es – wie hier – an einem solchen Abschiebestopp-Erlass oder einem sonstigen vergleichbar wirksamen Abschiebungshindernis, ist die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG bei verfassungskonformer Auslegung ausnahmsweise dann unbeachtlich, wenn dem Ausländer auf Grund der allgemeinen Verhältnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit extreme Gefahren drohen. Eine Abschiebung muss dann ungeachtet der Erlasslage ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. z.B. BVerwG, B. v. 14.11.2007 Az. 10 B 47/07 m.w.N.). Eine extreme Gefahrenlage in diesem Sinn ist indes grundsätzlich auch dann anzunehmen, wenn dem Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage in seiner Heimat landesweit der alsbaldige sichere Hungertod drohen würde. Eine solche Situation liegt hier jedoch nicht vor. Auch Anhaltspunkte für ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot haben sich nicht ergeben.
E. Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind rechtmäßig, da die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 AsylG vorliegen. Die Abschiebung nach Jordanien oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat durfte dem Kläger angedroht werden. Die Ausreisefrist beruht auf § 38 Abs. 1 AsylG.
F. Die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots begegnen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Das Bundesamt ist gemäß § 75 Nr. 12 AufenthG bei Abschiebungsandrohungen nach den §§ 34, 35 AsylG für die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG zuständig. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG von Amts wegen zu befristen. Über die Länge der Frist wird nach Ermessen entschieden, § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten, § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Die tatbestandlichen Voraussetzungen liegen hier vor. Die Zeitdauer der Befristung hält sich im gesetzlich vorgegebenen Rahmen und lässt bei dem erwachsenen Kläger keine Ermessensfehler erkennen. Insoweit wird auch auf den Bescheid Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.
Die Höhe des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 30 Abs. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG).


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