Verwaltungsrecht

Asylverfahren: Herkunftsland Afghanistan, Ostregion (Nangarhar)

Aktenzeichen  M 25 K 14.30918

Datum:
21.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4, § 38 Abs. 1, § 77 Abs. 2
EMRK EMRK Art. 3
AufenthG AufenthG § 59, § 60
RDGEG RDGEG § 3, § 5
VwGO VwGO § 60 Abs. 2, § 67 Abs. 4 S. 4 S. 7, § 107, § 154 Abs. 1
ZPO ZPO §§ 708 ff.

 

Leitsatz

1. In der östlichen afghanischen Provinz Nangarhar lag hochgerechnet für das Jahr 2015 (1.646 Tote und Verletzte) das Risiko, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, bei 0,0457% und damit immer noch weit unter der vom Bundesverwaltungsgericht (BeckRS 2012, 45614) gebilligten Wahrscheinlichkeit von 0,12%. Es ist auch nicht anzunehmen, dass sich die allgemeine Gefahr beim Kläger durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zugespitzt hat. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
2. Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG aufgrund unzureichender wirtschaftlicher Verhältnisse, die in Ausnahmefällen eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Asylbewerbers darstellen können, kommt nicht in Betracht. In Afghanistan ist die Lage nicht so ernst, dass durch eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK droht (vgl. BVerwG BeckRS 2013, 49252; BayVGH BeckRS 2015, 43779). (Rn. 49 – 59) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Oktober 2016 entschieden, obwohl die Beklagte nicht erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Beklagte ist form- und fristgerecht geladen worden.
Die Klage ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Klageverfahren rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).
Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) nach der derzeit geltenden Fassung des Aufenthalts- und Asylgesetzes keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG, auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG oder die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG. Auch die vom Bundesamt nach Maßgabe des § 34 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung ist rechtmäßig.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG.
1.1. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine Verfolgung kann dabei gemäß § 3c AsylG ausgehen von einem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Weiter darf für den Ausländer keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehen, § 3e AsylG.
Das Gericht muss sowohl von der Wahrheit – und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit – des vom Schutz suchenden behaupteten individuellen Schicksals als auch von der Richtigkeit der Prognose drohender politischer Verfolgung bzw. Gefährdung die volle Überzeugung gewinnen. Auf die Glaubhaftigkeit der Schilderung des Klägers und die Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher gesteigerte Bedeutung beizumessen. Der Schutzsuchende muss die persönlichen Umstände seiner Verfolgung und die Furcht vor einer Rückkehr hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen, er muss kohärente und plausible wirklichkeitsnahe Angaben machen (vgl. BVerfG (Kammer), B.v. 7.4.1998 – 2 BvR 253/96 – juris). Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstand und Alters muss der schutzsuchende im Wesentlichen gleichbleibende, möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu seinem behaupteten Verfolgungsschicksal machen.
1.2. In Anwendung dieser Grundsätze ist beim Kläger keine Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG festzustellen. Es lässt sich auch nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung nicht feststellen, dass der Kläger vor seiner Ausreise aus Afghanistan oder im Falle einer Rückkehr dorthin von im oben genannten Sinne relevanter Verfolgung betroffen war bzw. betroffen sein wird. Das Vorbringen des Klägers hinsichtlich der geltend gemachten Verfolgung ist nicht glaubhaft. Das Gericht folgt insoweit der überzeugenden Begründung des Bescheids, auf den nach § 77 Abs. 2 AsylG verwiesen wird. Auch das Vorbringen des Klägers im Klageverfahren führt nicht zum Erfolg der Klage.
Der Kläger hat trotz vielfacher Nachfragen seitens des Gerichts in Bezug auf den Vorfall mit den Taliban ausweichend geantwortet. Eine kohärente Schilderung des Geschehens und eine wenigstens ansatzweise Lokalisierung und zeitliche Einordnung des schon beim Bundesamt ohnehin nur detailarm geschilderten Geschehens hat er nicht gegeben. Dabei war indes auffallend – wie dies auch bereits das Bundesamt festgestellt hat –, dass der Kläger andere Fragen beantwortet bzw. Angaben gemacht hat, z.B. dass er Schreinermeister gewesen sei und dass seine Schwester von ISIS als Geisel genommen und seine Nichte vor vier bis fünf Monaten ermordet worden sei. Angeben konnte er auch, dass er seine Tazkira beim Bundesamt abgegeben, seinen Reisepass hingegen im Iran verloren habe. Der Verweis auf Nichtwissen bzw. die Unfähigkeit einen Vorfall zu schildern, war ersichtlich selektiv.
Der Kläger konnte auch seinen widersprüchlichen Vortrag hinsichtlich des Reisepasses nicht auflösen: Bei der Regierung von Oberbayern hatte er angegeben, nie einen Reisepass besessen zu haben, in der mündlichen Verhandlung trug er vor, seinen Reisepass im Iran verloren zu haben.
Auch der Vortrag zum fluchtauslösenden Geschehen und zur Flucht beim Bundesamt erscheint unglaubhaft. Zunächst begegnet die Behauptung, innerhalb von 24 Stunden ein iranisches Visum erhalten zu haben, Bedenken. Des Weiteren ist unschlüssig, weshalb einem Analphabeten Drohbriefe geschrieben werden. Unlogisch ist auch das behauptete geplante Vorgehen der Taliban, sie würden den Kläger anrufen, wenn er die Kinder für die Selbstmordattentate ausgewählt habe. Auch die Behauptung, der Arzt habe ihn nach dem Krankenhausaufenthalt zu sich nach Hause genommen, weil es dort unsicher sei, überzeugt nicht, wenn der Kläger in nächsten Satz vorträgt, es sei auf der Intensivstation sicher gewesen.
Der Umstand, dass der Oberkörper des Klägers ausweislich des in der mündlichen Verhandlung übergebenen ärztlichen Attests vom … Oktober 2016 multiple Narben aufweist, belegt nicht, dass diese dem Kläger durch Verletzungen durch die Taliban – wie von ihm vorgetragen – verursacht worden sind.
Die Summe der aufgezeigten Unzulänglichkeiten und Unstimmigkeiten im Vorbringen des Klägers stellen dessen persönliche Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit seines gesamten für die vorliegende Entscheidung relevanten Vortrags infrage. Dies gilt auch unter Berücksichtigung seines Bildungsstand, seines Alters und seiner intellektuellen Fähigkeiten.
Der nach alledem unverfolgt ausgereiste Kläger hat daher bei seiner Rückkehr nicht mit relevanter Verfolgung zu rechnen.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Zuerkennung von subsidiärem Abschiebungsschutz nach § 4 AsylG.
Subsidiärer Abschiebungsschutz ist einem Ausländer zuzuerkennen, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 AsylG die Verhängung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Die §§ 3c bis 3e AsylG gelten entsprechend (§ 4 Abs. 3 AsylG).
2.1. Die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG liegen nicht vor. Dem Kläger droht auch eigenen Angaben zufolge nicht die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe.
2.2. Dem Kläger droht auch kein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG.
Wann eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“ vorliegt, hängt vom Einzelfall ab. Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG insoweit identischen Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird (vgl. Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 60 AufenthG Rn. 35). Dies gilt gemäß § 4 Abs. 3 AsylG i.V.m. §§ 3c, 3d AsylG auch dann, wenn die Gefahr von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht und kein ausreichender staatlicher oder quasistaatlicher Schutz zur Verfügung steht. Es müssen konkrete Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe dafür glaubhaft gemacht werden, dass der Ausländer im Fall seiner Abschiebung einem echten Risiko oder einer ernsthaften Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 1.11.2012, § 60 AufenthG Rn. 124 zur Vorgängerregelung des § 60 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz a.F.).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Vorbringen hinsichtlich einer Bedrohung durch die Taliban ist nicht glaubhaft (s.o.).
2.3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass er in seinem Herkunftsland einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt wäre.
Vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist auszugehen, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des betreffenden Gebiet herrschenden Grad an Gewalt ist (EuGH, U.v. 30.1.2014 – C-285/12 – Diakité, zur identischen Regelung des Art. 15c der Richtlinie 2004/83/EG vom 29.4.2004).
Dabei ist zu überprüfen, ob sich die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende – und damit allgemeine – Gefahr in der Person des Klägers so verdichtet hat, dass sie eine erhebliche individuelle Gefahr i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG darstellt.
Eine allgemeine Gefahr kann sich insbesondere durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zuspitzen. Solche Umstände können sich auch aus einer Gruppenzugehörigkeit ergeben. Der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt muss ein so hohes Niveau erreichen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson würde bei ihrer Rückkehr in das betreffende Land oder in die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet tatsächlich Gefahr laufen, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 – Elgafaji, Slg. 2009, I-921).
Die Frage, ob die in Afghanistan oder in Teilen Afghanistans stattfindenden gewalttätigen Auseinandersetzungen nach Intensität und Größenordnung als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zu qualifizieren sind, kann dahinstehen, weil der Kläger nach Überzeugung des Gerichts keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wäre.
Zur Feststellung der Gefahrendichte ist eine jedenfalls annäherungsweise qualitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung erforderlich (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377). Bezüglich der Gefahrendichte ist zunächst auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen, in die ein Kläger typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C9/08 – BVerwGE 134, 188).
Der Kläger stammt nach seinen Angaben aus … in der Provinz Nangahar, so dass hinsichtlich der Gefahrensituation primär darauf abzustellen ist.
Die Provinz Nangarhar wird von der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA, Internet: www.unama.unmissions.org) der Ostregion Afghanistans (Provinzen: Nangarhar, Laghman, Kunar und Nuristan) zugeordnet.
Der Jahresbericht der UNAMA (UNAMA, Afghanistan Annual Report 2016 Protection of Civilians in Armed Conflict, Februar 2016) geht für das Jahr 2009 von 785 getöteten oder verletzten Zivilisten in der Ostregion aus. Bei einer Einwohnerzahl von 3,6 Millionen betrug das Risiko für Zivilpersonen, Opfer eines Anschlags zu werden, somit 0,0218%. Hochgerechnet auf das Jahr 2015 (1646 Tote und Verletzte) betrug das Risiko, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, 0,0457%. Das Risiko, als Zivilperson in der Provinz Nangarhar Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, liegt damit immer noch weit unter der vom Bundesverwaltungsgericht (U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/10 – juris Rn. 22) gebilligten Wahrscheinlichkeit von 0,12%. Hinzukommt, dass nach dem UNAMA Midyear Report 2016 die Opferzahlen im ersten Halbjahr von 2016 gegenüber dem ersten Halbjahr von 2015 zurückgegangen sind (von 952 auf 738).
Es ist auch nicht anzunehmen, dass sich die allgemeine Gefahr beim Kläger durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zuspitzen. Die vorgebrachte Bedrohung durch die Taliban ist nicht glaubhaft (s.o.).
3. Der Abschiebung des Klägers steht auch kein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegen.
3.1. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz liegt nicht vor.
Eine Abschiebung ist gemäß § 60 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz unzulässig, wenn sich dies aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt.
Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen werden. Wann eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“ vorliegt, hängt vom Einzelfall ab. Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird (Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 60 AufenthG Rn. 35 f.). Es müssen konkrete Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe dafür glaubhaft gemacht werden, dass der Ausländer im Fall seiner Abschiebung einem echten Risiko oder einer ernsthaften Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre. Dabei sind lediglich zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen.
Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch dann infrage, wenn die umschriebenen Gefahren nicht durch den Staat oder eine staatsähnliche Organisation drohen oder dem Staat zuzurechnen sind (U.v. 13.6.2013 – 10 C 13/12 – BVerwGE 147, 8 ff., juris Rn. 24).
3.2. Eine derartige menschenrechtswidrige Schlechtbehandlung hat der Kläger weder erlitten noch bei seiner Rückkehr zu befürchten.
3.2.1. Die vorgebrachte Verfolgung durch die Taliban ist nicht glaubhaft (s.o.).
3.2.2. Eine unmenschliche Behandlung droht dem Kläger auch nicht aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen in Afghanistan.
Unzureichende wirtschaftliche Verhältnisse im Herkunftsland können in Ausnahmefällen, in denen die schlechten humanitären Verhältnisse eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Asylbewerbers darstellen, ein Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG begründen. In ganz außergewöhnlichen Fällen können auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind. Dies gilt in den Fällen, in denen die schlechten Bedingungen überwiegend auf die Armut oder die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen, zurückzuführen sind.
Wenn jedoch die Aktionen von Konfliktparteien zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur führen, ist zu berücksichtigen, ob es den Betroffenen gelingt, die elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft zu befriedigen (EGMR, U.v. 28.6.2011 – 8319/07 – Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich – NVwZ 2012, 681 ff.; U.v. 27.5.2008 – 26565/05 –N/Vereinigtes Königreich; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris). Unter Berücksichtigung sämtlicher Gegebenheiten des Einzelfalls ist von einem sehr hohen Niveau hinsichtlich des Gefährdungsgrads auszugehen (BayVGH, U.v. 21.10.2014 – 13a B 14.30285 – juris Rn. 19).
In Afghanistan ist die Lage indes nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK wäre (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 26; BayVGH, U.v. 21. 11. 2014 – 13a B 14.30107 – juris Rn. 25).
Besondere individuelle Umstände, aufgrund derer der Kläger einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung unterworfen (vgl. dazu BayVGH, U.v. 21. 11. 2014 – 13a B 14.30107 – juris Rn. 25) wäre, liegen nicht vor.
Die wirtschaftliche Lage in Afghanistan ist zwar weiterhin schlecht (vgl. Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: November 2016, Seite 23 f.). Soziale Sicherungssysteme existieren praktisch nicht. Die soziale Absicherung liegt bei den Familien- und Stammesverbänden. Der Kläger kann dennoch bei einer Rückkehr nach Afghanistan auf die Unterstützung seiner in … lebenden Familienangehörigen zurückgreifen, Aufnahme und Unterstützung bei seinem Schwager finden und wie bisher durch eigene Arbeit den Lebensunterhalt sichern. Dies gilt auch, wenn man den Vortrag des Klägers, dass seine Schwester und sein „Ziehvater“ mittlerweile verstorben sind, zu Grunde legt.
Der Kläger war vor seiner Ausreise nach seinen Angaben vier Jahre lang als Schreinermeister beschäftigt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass es ihm wieder gelingen wird, entweder in diesem Beruf oder mit anderweitiger Beschäftigung seinen Lebensunterhalt zu sichern. Im Übrigen hat der Kläger – nur – vorgetragen, dass seine Schwester und sein „Ziehvater“ verstorben seien. Die Familie seiner Schwester (also sein Schwager mit den beiden Kindern) müsste sich somit noch in Afghanistan aufhalten. Denn der Kläger hat beim Bundesamt angegeben, dass seine Schwester mit ihrer Familie in … lebe und bei der Regierung von Oberbayern, dass seine Schwester verheiratet sei und einen Sohn und zwei Töchter habe. In der mündlichen Verhandlung hat er, angesprochen auf seine Familie in Afghanistan, lediglich von der Entführung seiner Schwester und der Ermordung seiner Nichte berichtet. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Kläger in seiner Heimatstadt mit familiärer Unterstützung rechnen kann. Dies gilt umso mehr, als der Kläger beim Bundesamt vorgetragen hat, ein Grundstück in Afghanistan verkauft zu haben, um einen Sicherheitsdienst für seine Schwester zu bezahlen. Es ist damit davon auszugehen, dass in der Familie des Klägers finanzielle Reserven vorhanden sind und sich die Familie auch des Klägers annehmen wird. Nicht zuletzt war der Kläger in der Lage, die nicht unerhebliche Summe von nach seinen Angaben 3.000 Euro für die Schleusung aufzubringen.
Aber auch ohne Unterstützung durch Familie oder Stammesverband droht dem volljährigen und arbeitsfähigen Kläger bei einer Abschiebung nach Afghanistan keine konkrete Gefahr für Leib und Leben aufgrund der humanitären Lage. Der Kläger kann jedenfalls unter Inanspruchnahme internationaler Hilfe und der Aufnahme von Gelegenheitsarbeiten zumindest das für das Existenzminimum Erforderliche erzielen, um sein Überleben zu sichern (vgl. BayVGH, B.v. 27.7.2016 – 13a ZB 16.30051 – juris Rn. 4).
Der Umstand, dass der Kläger derzeit laut ärztlichem Attest vom … Oktober 2016 die Medikamente Dulexitin und Risperidon einnimmt, steht dem nicht entgegen. Der Kläger befindet sich offenbar nicht in fachärztlicher Behandlung. Auch die vorläufige, befristete Bestellung eines Betreuers wurde offenbar nicht verlängert. Das Gericht ist vorliegend davon überzeugt, dass der Gesundheitszustand des Klägers ihm erlaubt zu arbeiten. Trotz der bestehenden Amtsermittlungspflicht ergibt sich aus § 86 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 VwGO die Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken, was in besonderem Maße für Umstände gilt, die, wie etwa eine Erkrankung in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen. Den sich hieraus ergebenden Anforderungen an einen substantiierten Vortrag einer Erkrankung an einer PTBS genügen die vorgelegten Atteste nicht.
Angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik gehört zu Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung an PTBS – sowie eines entsprechenden Beweisantrags – nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 17/07 – juris) regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Diesen Anforderungen genügt keines der vorgelegten Atteste.
Das älteste Attest, das eine schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen und mit Symptomen einer PTBS diagnostiziert, datiert vom … Dezember 2014, ist unvollständig und nicht unterschrieben. Aus ihm ergibt sich, dass der Kläger wegen eines angedrohten Suizidversuchs nach dem Unterbringungsgesetz in die Klinik zur Behandlung verwiesen worden sei. Der Kläger zeige sich völlig uneinsichtig und dränge auf rasche Entlassung. Er lehne das Therapiekonzept ab und wolle die Medikamente nicht wie verordnet nehmen, er verhalte sich gegenüber dem Pflegepersonal und den behandelnden Ärzten aggressiv.
Das weitere Attest vom … Januar 2015, das eine schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen und eine akute Belastungsreaktion beim Kläger diagnostiziert, sagt – ebenso wie das noch ältere Attest vom … Dezember 2014 – nichts über den aktuellen Gesundheitszustand des Klägers aus. Aus ihm ergibt sich, dass die Diagnose auf den Schilderungen des Klägers beruht, und im Wesentlichen, dass der Kläger vorträgt, wenn er nach Afghanistan zurückgehen müsse, wolle er nicht mehr leben. Im Hinblick auf den Behandlungserfolg führt das Attest aus, dass der Aufenthalt des Klägers durch Forderungen, man müsse ihm helfen, dass er in Deutschland bleiben könne, geprägt worden sei. Er werde sich nur umbringen, wenn er nach Afghanistan zurück müsse. Diese Problematik lasse sich auch durch eine stationäre Behandlung nicht lösen. Eine weitere nervenärztliche Behandlung werde empfohlen.
Das Attest vom … April 2016 ist – wie das Attest vom … Dezember 2014 – unvollständig und nicht unterschrieben. Es diagnostiziert ein Alkoholentzugssyndrom, eine Anpassungsstörung onA und eine posttraumatische Belastungsstörung. Der Kläger sei von der Polizei nach einem Streit aus der Asylbewerberunterkunft in die Klinik gebracht worden. Er habe angegeben, seine Familie sei schwer verletzt worden, manche seien umgebracht worden. Deshalb habe er massive Angst entwickelt und habe extreme seelische Leiden. Er sei der Überzeugung, dass sein Leben keinen Sinn habe. Der Kläger habe sich bereits vom 24. Juli 2015 bis zum 28. Juli 2015 wegen Depressionen und Suizidalität in der Klinik befunden. Der Kläger sei mit Lorazepam überwacht worden und habe keine relevanten Entzugssymptome entwickelt.
Die beiden jüngsten Atteste vom … September 2016 und vom … Oktober 2016 stammen von einer Allgemeinmedizinerin. Im Attest vom … September 2016 erachtet sie den Umzug des Klägers in ein ruhigeres Zimmer als ärztlich dringend notwendig, weil der Kläger nicht schlafen könne aufgrund der Lautstärke.
Im Attest vom … Oktober 2016 benennt die Ärztin als den Behandlungsbeginn April 2016 und stellt folgende Diagnosen: posttraumatische Belastungsstörung, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Symptomen, Schlafstörung, Anpassungsstörung, rez. depressive Störung.
Der Kläger habe sich wiederholt mit multiplen Schmerzen am gesamten Körper und starken Kopfschmerzen vorgestellt. Er klage über schlechte Träume und Wahnvorstellungen und sei schon mehrmals aufgrund dieser Beschwerden in der …-Klinik gewesen. Er berichte, in der Heimat von den Taliban misshandelt worden und sehr depressiv zu sein. Er habe multiple Narben am Oberkörper, am Oberbauch eine große, tiefe Narbe, an der linken Schulter ausgeprägte Narbenbildung und Narben am Kopf. Er berichte auch von Folter an den Geschlechtsteilen. Der Kläger nehme regelmäßig zwei Psychopharmaka Dulexitin und Risperidon ein.
Einen Hinweis darauf, seit wann, in welchem Umfang und für welche Dauer die Einnahme erforderlich ist, enthält das Attest nicht. Das Attest enthält auch keine Angaben, ob und welche eigenen Untersuchungen die attestierende Ärztin durchgeführt hat. Die unreflektierte Übernahme der Aussagen des Klägers genügt nicht den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts.
Auch im Hinblick auf die anderen Diagnosen (chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Symptomen, Schlafstörung, Anpassungsstörung, rez. depressive Störung) ergibt sich aus der Amtsermittlungspflicht des Gerichts keine Pflicht zur Beweiserhebung. Denn diese Krankheiten werden – soweit ersichtlich – weder medikamentös noch auf anderem Wege aktuell behandelt, jedenfalls ergibt sich Derartiges weder aus dem Attest, aus der Akte, noch aus dem Vortrag des anwaltlich vertretenen Klägers.
Die Ausführungen in den ärztlichen Attesten deuten darauf hin, dass die Beschwerden jedenfalls ihre Ursache auch in der derzeitigen Lebenssituation und damit in inlandbezogenen Umständen haben. Die vorgelegten ärztlichen Atteste zeichnen insgesamt das Bild eines Klägers, der sich mittels Suizidandrohung ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet erstreiten möchte, gelegentlich Aggressionen entwickelt und sich offenbar keiner stringenten fachärztlichen Therapie unterziehen möchte. Das Verhalten des Klägers lässt trotz der in der Vergangenheit mehrfach angeordneten befristeten Unterbringung durch Gerichtsbeschlüsse zwischen Anfang November 2014 und Anfang Februar 2015 und die zeitweilige befristete Betreuung bis Mai 2015 nicht erkennen, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan derzeit nicht in der Lage sein sollte, sich seinen Lebensunterhalt durch Arbeit zu erwirtschaften. Inlandsbezogene Abschiebungshindernisse müssen im Rahmen des Vollzugs berücksichtigt werden, begründen jedoch kein zielstaatsbezogenes nationales Abschiebungsverbot.
Da bereits das Vorliegen einer psychischen Erkrankung nicht glaubhaft gemacht ist, kommt es auf die Verfügbarkeit der im ärztlichen Attest vom … Oktober 2016 genannten Medikamente in Afghanistan nicht an. Die Heimatstadt des Klägers … verfügt jedoch neben Kabul und Herat über psychiatrische Einrichtungen (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: November 2015, S. 25).
3.3. Der Abschiebung des Klägers steht auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegen.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
3.3.1. Individuelle nur dem Kläger drohende Gefahren liegen nicht vor. Das Vorbringen hinsichtlich der Verfolgung durch die Taliban ist nicht glaubhaft (s.o.).
3.3.2. Der Kläger kann auch im Hinblick auf die geltend gemachten Erkrankungen kein Abschiebungsverbot erreichen.
3.3.2.1. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Sätze 2 und 3 AufenthG). Nicht gravierende oder nicht hinreichend wahrscheinliche Gefahren sind dabei nicht ausreichend.
Eine konkrete Gefahr liegt dann vor, wenn die Verschlechterung alsbald nach der Rückkehr ins Herkunftsland eintreten würde, weil der Ausländer auf die dort unzureichende Möglichkeit der Behandlung angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. BVerwG, U.v. 9 und 20 der 7. 1999 – 9 C 2/99 – juris). Eine nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation im Herkunftsstaat zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. BayVGH, U.v. 23.11.2012 – 13a B 12.30061 – juris; U.v. 8.3.2012 – 13a B 10.30172 – juris).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Das Vorbringen des Klägers ist nicht geeignet, Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Bundesamts zum Nichtvorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG mit Blick auf die angeblich beim Kläger vorliegenden Erkrankungen zu begründen. Der Kläger hat das Vorliegen einer PTBS schon nicht glaubhaft gemacht (s.o.). Daneben enthält keines der vorgelegten Atteste die Aussage, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers auch in Bezug auf die übrigen diagnostizierten Erkrankungen bei einer Rückkehr in die Heimat alsbald wesentlich oder lebensbedrohlich verschlechtern würde.
3.3.3. Der Kläger kann auch kein Abschiebungsverbot in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erreichen.
Im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog wurde bislang die Frage geprüft, ob bei Gefahren, die der Bevölkerung oder der Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein drohen und bei denen eine politische Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG fehlt, ausnahmsweise Verfassungsrecht in Fällen einer extremen Gefahrenlage ein Abschiebungsverbot erforderlich macht. In diesem Zusammenhang wurde auch die schlechte wirtschaftliche Lage im Herkunftsland berücksichtigt (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5/01 – juris Rn. 15 ff.). Nachdem diese Frage aufgrund der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG geprüft wird, wird diesbezüglich auf die Erwägungen zu § 60 Abs. 5 AufenthG verwiesen.
4. Die nach Maßgabe der §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nach Afghanistan ist in rechtlicher Hinsicht gleichfalls nicht zu beanstanden. Der Kläger besitzt keinen Aufenthaltstitel und ist auch nicht als Asylberechtigter anerkannt. Nach § 59 Abs. 3 Satz 2 Aufenthaltsgesetz zu bezeichnende Staaten, in die eine Abschiebung nicht erfolgen darf, sind nicht ersichtlich. Die Ausreisefrist von 30 Tagen ergibt sich unmittelbar aus § 38 Abs. 1 AsylG.
5. Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 107 60 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen