Verwaltungsrecht

Ausweisung, Straftaten, Drogenabhängigkeit, Bedingte Ausweisung (verneint), Asylfolgeantrag

Aktenzeichen  M 10 K 20.2179

Datum:
16.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31812
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 53 Abs. 1
AufenthG § 53 Abs. 4

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 12. Mai 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
1. Die Ausweisungsverfügung in Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids ist rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Rechtsgrundlage für die Ausweisung ist § 53 Abs. 1 AufenthG. Die Einschränkungen des § 53 Abs. 3 oder Abs. 3a, b AufenthG greifen im vorliegenden Fall nicht ein.
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
b) Die Ausweisung vom 12. Mai 2020 ist rechtmäßig. Der Beklagte hat § 53 Abs. 1 AufenthG in zutreffender Weise auf den konkreten Fall angewandt.
Die behördliche Entscheidung über die Ausweisung ist durch das Gericht in vollem Umfang überprüfbar (vgl. BayVGH‚ B.v. 21.3.2016 – 10 ZB 15.1968 – juris Rn. 9 m.w.N.). Entscheidungserheblich für die Überprüfung ist der Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung oder der Entscheidung des Gerichts (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 9.12 – juris Rn. 8).
aa) Die von § 53 Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den Kläger ist nach Auffassung des Gerichts gegeben.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei einer spezialpräventiven Ausweisungsentscheidung und ihrer gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z.B. BVerwG‚ U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 18). Bei der Prognose‚ ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht‚ sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen‚ insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat‚ die Umstände ihrer Begehung‚ das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH‚ U.v. 28.6.2016 – 10 B 13.1982 – juris Rn. 32 m.w.N.; B.v. 2.11.2016 – 10 ZB 15.2656 – juris Rn. 10 m.w.N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18; BayVGH, U.v. 8.3.2016 – 10 B 15.180 – juris Rn. 31).
Gemessen an diesen Vorgaben muss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, dass der Kläger erneut Straftaten begehen wird und er damit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Bei den vom Kläger begangenen Straftaten handelt es sich überwiegend um Betäubungsmitteldelikte. Da der Schutz vor derartigen Delikten eine wichtige Aufgabe des Staates ist und ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. zu diesem Gedanken: EGMR, U.v. 19.3.2013 – 45971/08 – juris Rn. 47), sind an die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Schadenseintritts im vorliegenden Fall geringere Anforderungen zu stellen.
Zwar hat der Kläger Reue gezeigt und seine Taten in den Strafverfahren gestanden. Zudem hat er sich entschuldigt und eingeräumt, Fehler gemacht zu haben. Seine Führung in der Haft war und ist grundsätzlich gut (vgl. die Führungsberichte v. 13.2.2020 und 13.9.2021).
Aber für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr spricht hier, dass der Kläger wiederholt einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, wobei er bereits kurz nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland die erste Straftat beging und die Rückfallgeschwindigkeit im Weiteren hoch war. Zudem beging der Kläger die Straftaten teils während noch laufender Bewährungszeiten. Auch die Untersuchungshaft in den Jahren 2015 und 2018 hielt den Kläger nicht von der Begehung weiterer Straftaten ab. Das Gleiche gilt für die bis 10. Juni 2020 dauernde Strafhaft. Vielmehr beging der Kläger am 18. November 2020 und damit kurz nach seiner Entlassung aus der Haft erneut ein Betäubungsmitteldelikt, weswegen er mit Urteil vom 24. Februar 2021 wiederum zu einer empfindlichen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.
Dies zeugt von einer hohen kriminellen Energie und einem fehlenden Unrechtsbewusstsein des Klägers. Drogenhandel ist eine schwere Straftat, wie sich auch in der Verhängung der nicht unerheblichen Freiheitsstrafen zeigt. Zudem handelt es sich bei den abgeurteilten Straftaten auch um Delikte der Beschaffungskriminalität. Ausweislich der widerspruchsfreien Feststellungen der Strafgerichte ist der Kläger seit langen Jahren drogenabhängig und beging die Betäubungsmitteldelikte, um sich auch für den Eigenkonsum Drogen zu beschaffen (vgl. nur Strafurteil vom 15.11.2018, Bl. 232 und 234 Behördenakte). Werden jedoch aufgrund von Betäubungsmittelabhängigkeit Straftaten begangen, kann von einem Wegfall der konkreten Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange der Kläger nicht eine Therapie erfolgreich abgeschlossen und darüber hinaus die damit verbundene Erwartung künftigen drogen- und straffreien Verhaltens auch nach dem Therapieende glaubhaft gemacht hat (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2014 – 10 ZB 13.71 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Eine solche Therapie hat der Kläger nicht absolviert (vgl. hierzu die Führungsberichte v. 13.2.2020 und 13.9.2021). Zwar hat er in der mündlichen Verhandlung angegeben, in den Jahren 2015 bis 2017/2018 eine Drogentherapie gemacht zu haben (wohl bei Condrobs) und seit drei Jahren drogenfrei zu sein. Aber abgesehen davon, dass er hierfür keine Nachweise vorgelegt hat, dürfte es sich hierbei wohl lediglich um Beratungsgespräche, nicht aber um eine abgeschlossene Therapie handeln. Selbst wenn der Kläger tatsächlich bis 2017/2018 eine Therapie absolviert haben sollte, war diese nicht (dauerhaft) erfolgreich. Denn nach den Feststellungen des Strafgerichts vom 24. Februar 2021 konsumiert der Kläger nach wie vor täglich Marihuana, wenn er das Geld dazu hat. Ausweislich des Führungsberichts vom 13. September 2021 verlief eine nach der Inhaftierung am 19. November 2020 durchgeführte Suchtmittelkontrolle positiv auf THC und der Kläger räumte auch hier einen „gelegentlichen Konsum von Betäubungsmitteln, insbesondere THC“, ein.
Für eine Wiederholungsgefahr spricht außerdem, dass der Kläger nach seiner Haftentlassung nicht in einen verlässlichen sozialen Empfangsraum zurückkehren würde, da er weder Familie noch sonstige wesentliche soziale Kontakte in Deutschland hat. Auch eine konkrete Arbeitsstelle hat er nicht in Aussicht.
Vor diesem Hintergrund ist zur Überzeugung des Gerichts von einer Wiederholungsgefahr auszugehen, zumal dem Kläger auch im Führungsbericht vom 13. September 2021 keine ausreichend günstige Sozialprognose gestellt wurde.
bb) Auch fällt im konkreten Fall die gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG vorzunehmende Abwägung der gegenläufigen Interessen anhand der Ausweisungs- und Bleibeinteressen zulasten des Klägers aus.
Nach § 53 Abs. 2 AufenthG sind bei der Abwägung nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.
Beim Kläger liegt ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 1b AufenthG vor, da er jedenfalls am 15. November 2018 und am 24. Februar 2021 durch rechtskräftige Urteile des Amtsgerichts München jeweils zu Freiheitsstrafen von mindestens einem Jahr wegen Betäubungsmitteldelikten verurteilt worden ist.
Diesem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht kein gesetzlich typisiertes schwerwiegendes oder besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers nach § 55 AufenthG gegenüber. Auch abgesehen von den nicht abschließend aufgeführten schwerwiegenden Bleibeinteressen nach § 55 Abs. 2 AufenthG ist ein solches weder erkennbar noch vorgetragen.
Es ist vorliegend rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte in seiner Güter- und Interessenabwägung den öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung des Klägers gegenüber seinen persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet den Vorzug gegeben hat.
Auf Seiten des öffentlichen Interesses ist – im Einklang mit dem Beklagten – zu berücksichtigen, dass der Kläger massiv straffällig geworden ist. Es besteht auch eine erhebliche Wiederholungsgefahr (s. hierzu bereits ausführlich oben). Zudem ist eine schützenswerte soziale, familiäre und wirtschaftliche Verwurzelung im Bundesgebiet nicht feststellbar. Der Kläger hält sich erst seit dem Jahr 2014 im Bundesgebiet auf und verfügt kaum über Deutschkenntnisse. In der Haft erhielt er weder Besuche noch führte er Telefongespräche (vgl. hierzu die Führungsberichte v. 13.2.2020 und 13.9.2021). In Deutschland hat er bisher nicht gearbeitet. Zwar möchte er nach seiner Haftentlassung arbeiten, aber einen Nachweis für ein konkretes Stellenangebot konnte er in der mündlichen Verhandlung nicht vorlegen.
Demgegenüber sind keine Umstände erkennbar, weshalb es dem gesunden und arbeitsfähigen Kläger nicht möglich sein sollte, sich im Senegal alleine (möglicherweise auch ohne die Unterstützung von Verwandten) zurechtzufinden. Er hat dort über 20 Jahre lang gelebt und ist daher mit Sprache und Gepflogenheiten vertraut. Die von ihm im Senegal befürchtete Verfolgung wegen seiner sexuellen Orientierung ist ein zielstaatsbezogener Umstand, der in diesem Verfahren nicht entscheidungserheblich, sondern vielmehr asylrechtlich geltend zu machen ist.
cc) Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass die Ausweisung des Klägers nicht unter der Bedingung nach § 53 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erlassen worden ist, dass sein Asylfolgeverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes abgeschlossen wird.
Gemäß § 53 Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird nach § 53 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 AufenthG insbesondere abgesehen, wenn eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.
Auch ein – wie hier gestellter – Folgeantrag löst grundsätzlich den Schutz des § 53 Abs. 4 Satz 1 AufenthG aus (vgl. ausführlich hierzu: VGH Mannheim, U.v. 15.4.2021 – 12 S 2505/20 – BeckRS 2021, 14599 Rn. 76 ff.; VG Augsburg, U.v. 19.9.2006 – Au 1 K 06.346 – BeckRS 2006, 30789 zur früheren Regelung in § 56 Abs. 4 AufenthG), da dies Sinn und Zweck der Regelung gebietet. Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, über den aber noch nicht bestandskräftig entschieden worden ist, soll vor Ausweisung geschützt sein. Dieser Gedanke greift auch bei einem Folgeantrag.
§ 53 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ist auch einschlägig, wenn der Folgeantrag – wie hier – zeitgleich mit dem Erlass der Ausweisungsverfügung gestellt wird. Wenn bis zur mündlichen Verhandlung des Gerichts ein Asylfolgeantrag vorliegt, muss die Ausweisung den Anforderungen des § 53 Abs. 4 Satz 1 AufenthG genügen (vgl. auch: VGH Mannheim, U.v. 15.4.2021, a.a.O., Rn. 76 und Rn. 93; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 53 AufenthG Rn. 102; aA VG Augsburg, U.v. 19.9.2006, a.a.O.), zumal vorliegend der Asylfolgeantrag, der bereits im März 2020 bei dem Beklagten einging, von diesem erst am 12. Mai 2020 an das Bundesamt weitergeleitet wurde.
Jedoch ist im konkreten Fall nach § 53 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 AufenthG die Bedingung entbehrlich, da die nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist. Die Abschiebungsandrohung im Asylbescheid des Bundesamts vom 17. Januar 2019 ist am 5. Februar 2019 vollziehbar geworden. Hieran ändert der Folgeantrag des Klägers im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nichts mehr, da das Bundesamt diesen zwischenzeitlich abgelehnt hat, wenn auch diese Entscheidung noch nicht bestandskräftig ist. Gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG darf die Abschiebung bei Stellung eines Folgeantrags erst nach einer Mitteilung des Bundesamts, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Abs. 3 Verwaltungsverfahrensgesetz nicht vorliegen, vollzogen werden. Die Voraussetzungen des § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG liegen hier vor, weil das Bundesamt über den Folgeantrag mit Bescheid vom 9. Juni 2021 negativ entschieden, dies dem Beklagten mitgeteilt hat und der Kläger hiergegen nur Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben, nicht aber einen Eilantrag gestellt hat (vgl. hierzu auch der Umkehrschluss aus § 71 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 8 AsylG). Aufgrund der Mitteilung des Bundesamtes über die ablehnende Entscheidung endet die Aussetzungswirkung des Wiederaufgreifensantrages; die unbeschränkte Ausreisepflicht aktualisiert sich (vgl. Dickten in BeckOK Ausländerrecht, 30. Ed. 1.7.2021, § 71 AsylG Rn. 29; Bergmann in ders./Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 71 AsylG Rn. 33; s. zum Ganzen auch: VGH Mannheim, U.v. 15.4.2021, a.a.O., Rn. 97f.).
dd) Schließlich sprechen, wie auch der Beklagte im angegriffenen Bescheid zu Recht festgestellt hat, generalpräventive Aspekte für eine Ausweisung des Klägers aus der Bundesrepublik.
Das Ziel einer generalpräventiven Ausweisung besteht darin, mit der Ausweisung des straffälligen Ausländers andere Ausländer davon abzuhalten, Straftaten zu begehen. Die generalpräventive Ausweisung ist unionsrechtlich gegenüber Unionsbürgern und sonstigen Freizügigkeitsberechtigten unzulässig, begegnet ansonsten aber keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG, B.v. 17.1.1979 – 1 BvR 241/77 – NJW 1979, 1100).
Eine Ausweisung ist allerdings nur dann geeignet, eine generalpräventive Wirkung zu erzielen, wenn die Anlasstat nicht derart singuläre Züge aufweist, dass die an sie anknüpfende Ausweisung keine abschreckende Wirkung entfalten könnte, und wenn angesichts der Schwere der Straftat ein dringendes Bedürfnis auch für eine ordnungsrechtliche Prävention besteht (BVerwG, B.v. 2.2.1979 – 1 B 238/78 – juris Rn. 18). Grundsätzlich müssen daher auch bei einer generalpräventiv motivierten Ausweisung die konkreten Umstände der Straftat und die Lebensumstände des Ausländers individuell gewürdigt werden (BVerfG, B.v. 10.8.2007 – 2 BvR 535/06 – juris Rn. 24 f.).
Vorliegend besitzen die Anlasstaten mit Blick auf die von ihr angegriffenen Rechtsgüter hohes Gewicht und bedürfen der ordnungsrechtlichen Prävention. Die Ausweisung ist hier mangels singulärer Züge auch geeignet, abschreckende Wirkung für andere Ausländer zu entfalten. Unter Würdigung der konkreten Lebensumstände des Klägers ist seine Ausweisung auch aus generalpräventiven Gründen nicht unverhältnismäßig.
2. Die Befristung der Wirkungen der Ausweisung in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids auf 6 Jahre ab der Ausreise begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen worden ist, ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen, welches von Amts wegen zu befristen ist, § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist über die Länge der Frist nach Ermessen zu entscheiden. Sie darf gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 11 Abs. 5 Satz 1 AufenthG 5 Jahre insbesondere nur überschreiten und bis zu 10 Jahre betragen, wenn der Ausländer – wie hier – auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist.
Da es sich um eine behördliche Ermessensentscheidung handelt, kann gerichtlich nach § 114 Satz 1 VwGO nur überprüft werden, ob überhaupt Ermessen ausgeübt worden ist, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
Der Beklagte hat im vorliegenden Fall sein Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt; Ermessensfehler sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass bei der Bestimmung der Länge der Frist der erheblichen Straffälligkeit des Klägers und der bestehenden Wiederholungsgefahr ein besonderes Gewicht zugemessen worden ist, zumal der Kläger weder soziale, familiäre noch wirtschaftliche Bindungen im Bundesgebiet hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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