Verwaltungsrecht

Ausweisung wegen Verstoßes gegen Rechtsvorschriften und wegen Falschangaben gegenüber der Ausländerbehörde, Unwahre Erklärung über Zusammenleben mit Ehepartner, Strafgerichtliche Verurteilung, Rücknahme der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis, Ablehnung der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis

Aktenzeichen  M 27 K 17.797

Datum:
16.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 164267
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 11 Abs. 1
AufenthG § 53
AufenthG § 54 Abs. 2
BayVwVfG Art. 48 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I.Soweit das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.Von den Kosten des Verfahrens hat der Kläger 5/6 und die Beklagte 1/6 zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Gründe

Soweit die Beteiligten die Klage für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Die im Übrigen aufrecht erhaltene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom … Januar 2017 in Gestalt der Fassung der mündlichen Verhandlung vom 16. November 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat insbesondere auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1.) Die Ausweisung des Klägers in Nr. 1 des angefochtenen Bescheids ist rechtmäßig, da ein öffentliches Ausweisungsinteresse besteht, das nicht von einem Bleibeinteresse des Klägers überwogen wird. Die diesbezüglich gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG vorzunehmende Interessenabwägung, die die Beklagte im vorliegenden Fall vorgenommen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
1.1.) Die Beklagte hat zu Recht das Vorliegen eines schwerwiegenden Auswei sungsinteresses nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG aufgrund eines nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoßes des Klägers gegen Rechtsvorschriften angenommen. Sie konnte sich hierbei auf die strafgerichtliche Verurteilung des Klägers vom 5. Juli 2016 stützen, der der Erlass eines entsprechenden Strafbefehls vom 7. Oktober 2015 vorausgegangen war. In diesem Strafurteil des Amtsgerichts München waren der Kläger und seine frühere Ehefrau, die Zeugin D., zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt worden. Dass das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, steht der Annahme eines hierauf gestützten Ausweisungsinteresses seitens der Beklagten nicht entgegen, da nicht einmal das Vorliegen einer strafgerichtlichen Verurteilung an sich Voraussetzung für das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals zum Ausweisungsinteresse ist, sofern hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen des entsprechenden Rechtsverstoßes bestehen (vgl. Bauer/Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 54 Rn 78; BVerwG, U.v. 17.6.1988 – 1 C 27.96 – BVerwGE 107, 58 – juris Rn. 30 zu § 46 Nr. 2 AuslG a.F.).
1.2.) Die Beklagte konnte insbesondere aufgrund dieser strafgerichtlichen Verurtei lung davon ausgehen, dass die Trennung des Klägers von seiner Ehefrau bereits am 1. Juli 2013 erfolgt war und er deshalb am 17. September 2013 auf dem entsprechenden Formblatt der Beklagten wahrheitswidrige Angaben gemacht hat, indem er dort erklärt hat, er lebe (zu diesem Zeitpunkt) mit der Klägerin in der gemeinsamen Ehewohnung „G* …-Ring 68“ zusammen. Gestützt wird diese Annahme zum einen durch die Erklärung der Ehefrau des Klägers vom 20. Januar 2015 – und damit eineinhalb Jahre nach ihrem Operationstermin aufgrund einer Krebserkrankung – gegenüber dem Familiengericht im Scheidungsverfahren, sie und der Kläger würden seit dem 1. Juli 2013 getrennt leben, zum anderen durch die Bestätigung dieser Angabe durch den Kläger selbst im Scheidungstermin am 10. Februar 2015. Hiervon ist auch das Strafgericht in seinen Urteilsgründen ausgegangen und hat den nunmehr anderslautenden Angaben des Klägers und seiner früheren Ehefrau keinen Glauben geschenkt. Es ist unplausibel und unglaubwürdig, wenn die Zeugin D. vorträgt, sie sei aufgrund der anstehenden Operation der Krebserkrankung so durcheinander gewesen, dass sie auch eineinhalb Jahre später aus diesem Grund das falsche Datum zur Trennung von ihrem Ehemann angegeben habe. Auch das Strafgericht ist in seinen Urteilsgründen davon ausgegangen, dass diese im Strafverfahren ebenfalls vorgetragene Einlassung der dort angeklagten früheren Ehefrau des Klägers, der Zeugin D., nicht geglaubt werden kann.
1.3.) Da die Zeugin D. in der mündlichen Verhandlung am 16. November 2017 zu Protokoll gegeben hat, sie sei Anfang Juli 2013 wegen einer schweren Krebserkrankung operiert und von ihrem damaligen Mann – dem Kläger – „in der Zeit zwischen Juli und November 2013 im Krankenhaus immer wieder besucht“ worden, brauchte dem in der mündlichen Verhandlung unbedingt gestellten Beweisantrag zur Einvernahme von Personen, die nach dem Vorbringen des Klägers gut mit ihm und seiner damaligen Ehefrau befreundet gewesen seien, über das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft für den Zeitraum zwischen Juli und November 2013 nicht entsprochen werden.
Der Beweisantrag war mangels hinreichender Substantiierung abzulehnen. Zum einen liegen zu der Tatsache des Bestehens einer ehelichen Lebensgemeinschaft über den 1. Juli 2013 hinaus unzweideutige Aussagen des Klägers und der ehemaligen Ehegattin Frau D. in einem familiengerichtlichen Verfahren vor. Die ehemalige Ehegattin Frau D. hat in ihrem Scheidungsantrag vom 8. September 2014 rechtsanwaltlich vertreten angegeben, dass sie und der Kläger bereits ab dem 1. Juli 2013 getrennt lebten. Dies hat der Kläger in der Sitzung vor dem Familiengericht am 10. Februar 2015 bestätigt. Ferner war speziell das Bestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft über den 1. Juli 2013 hinaus Gegenstand eines strafgerichtlichen Verfahrens. Nach den Feststellungen in dem Strafurteil des Amtsgerichts München waren der Kläger und die ehemalige Ehegattin Frau D. ab dem 1. Juli 2013 getrennt. Der Kläger und die ehemalige Ehegattin Frau D. haben sich in dem Strafverfahren darauf zurückgezogen, die Anklage diesbezüglich zu bestreiten. Zeugen in diesem Strafverfahren hatten weder der Kläger noch seine ehemalige Ehefrau, die Zeugin D., aufgeboten, insbesondere nicht die nunmehr erstmalig in der mündlichen Verhandlung am 16. November 2017 benannten Zeugen. Der Kläger war in jenem Verfahren durch zwei Verteidiger rechtsanwaltlich vertreten. Des Weiteren setzt sich die Tatsache des Bestehens einer eheliche Lebensgemeinschaft über den 1. Juli 2013 hinaus aus einer Vielzahl von konkreten Anknüpfungstatsachen zusammen, die einerseits im privaten Raum zwischen den ehemaligen Eheleuten ihren Grund haben, andererseits nach außen hin getreten sein müssen. Im Übrigen befand sich die ehemalige Ehegattin Frau D. ab dem 1. Juli 2013 nach eigenen Angaben bis November 2013 im Krankenhaus. Die erstmalig in der mündlichen Verhandlung am 16. November 2017 benannten Zeugen sollen sich jedoch vor allem durch Besuche in der A* …str. 114 und im G* …Ring 68 hervorgetan haben. Schließlich konnte sich die ehemalige Ehegattin Frau D. in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht augenscheinlich gar nicht von selbst an die Namen der nunmehr erstmalig benannten Zeugen erinnern. Bei der Befragung durch den Bevollmächtigten des Klägers stockte sie nach „freundschaftliches Verhältnis“. Der Bevollmächtigte des Klägers musste ihr die Namen einsagen.
Angesichts all dieser Umstände hätte der Bevollmächtigte substantiiert Anknüpfungstatsachen darlegen müssen, welche die Unrichtigkeit der bisherigen Feststellungen und die Annahme der Tatsache des Vorliegens einer ehelichen Lebensgemeinschaft über den 1. Juli 2013 hinaus nahelegen, und zwar in Form von konkreten Begebenheiten wie etwa konkreten Treffen und konkreten Gesprächen zwischen den erstmalig in der mündlichen Verhandlung am 16. November 2017 benannten Zeugen und dem Kläger beziehungsweise der ehemaligen Ehegattin Frau D. Ohne diese Anknüpfungstatsachen gleicht der gestellte Beweisantrag einem verfahrensverzögernden Beweisantrag ins Blaue hinein.
1.4.) Für das Vorliegen getrennter Wohnungen des Klägers und seiner damaligen Ehefrau jedenfalls seit dem 1. Juli 2013 sprechen ferner die unterschiedlichen Adressen ihrer in den Akten enthaltenen Gehaltsnachweise. Diejenigen des Klägers wurden spätestens ab Juni 2013 an dessen Wohnung „M* … Straße 17“gesandt, die er allein angemietet hatte, während die Gehaltsnachweise seiner damaligen Ehefrau spätestens ab Januar 2013 an die Adresse „G* …Ring 68“ und damit an die Wohnung gesandt worden waren, welche die Zeugin D. als damalige Ehefrau des Klägers alleine angemietet hatte. Die Größe der angeblichen Ehewohnung „G* …Ring 68“ (ca. 50 m²) spricht ebenfalls dafür, dass in dieser Wohnung allein die Zeugin D., nicht aber der Kläger gewohnt hat. Dafür, dass dieser jedenfalls ab 1. Juli 2013 – zumindest auch – unter der Adresse „M* … Straße 17“ gewohnt hat, spricht vor allem die Nähe dieses Anwesens zur Adresse seines Arbeitgebers („M* … Straße 32 b“). Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, zumindest im Winter die Wohnung wiederholt für sich selbst in einem Umfang genutzt zu haben, aufgrund dessen er nach Auffassung der Kammer verpflichtet gewesen wäre, sie gegenüber der Beklagten als weiteren Wohnsitz anzugeben. Dass er diese Wohnung, wie er in der mündlichen Verhandlung behauptet hat, zu anderen Zeiten gelegentlich an fremde Personen gegen Geld vermietet hat, steht dem nicht entgegen, zumal er über diese Fremdvermietungen keine schriftlichen Nachweise vorgelegt hat.
1.5.) Als weiteres öffentliches schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im vorlie genden Fall ist § 54 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) AufenthG erfüllt, da der Kläger – wie oben ausgeführt – gegenüber der Beklagten in einem Verwaltungsverfahren zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels falsche Angaben zum Zeitpunkt der Trennung von seiner damaligen Ehefrau gemacht hat (hierzu BayVGH, B.v. 7.12.2017 – 19 CS 16.2529 – juris Rn. 9). Gemäß § 8 Abs. 1 AufenthG finden die Vorschriften zur Erteilung eines Aufenthaltstitels auch auf deren Verlängerung Anwendung.
1.6.) Die Beklagte hat zu Recht das Vorliegen eines Bleibeinteresses i.S.v. § 55 AufenthG verneint. Insoweit wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen.
1.7.) Die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Abwägung zwischen Ausweisung- und Bleibeinteresse gemäß § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG ist rechtlich nicht zu beanstanden. Gemäß § 117 Abs. 5 VwGO wird insoweit auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen.
2.) Die gemäß Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG im angefochtenen Bescheid in Gestalt der Fassung der mündlichen Verhandlung vom 16. November 2017 unter Nr. 3 vorgenommene Rücknahme der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Klägers am 17. September 2013 ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Auch insoweit wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die Ausführungen im Bescheid Bezug genommen. Das gilt in gleichem Maße für die Ablehnung der Erteilung der Niederlassungserlaubnis in Nr. 4 des angefochtenen Bescheids. Einer solchen Erteilung steht aufgrund der Ausweisung des Klägers jedenfalls § 11 Abs. 1 AufenthG entgegen, selbst wenn der Kläger – wie er vorträgt – aufgrund unstrittigen Zusammenlebens mit seiner damaligen Ehefrau zumindest bis zum 1. Juli 2013 ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erworben hätte. Auch die vom Kläger in der vorliegenden Klage hilfsweise beanspruchte Aufenthaltserlaubnis kann aus diesem Grund nicht erteilt werden.
3.) Auch im Hinblick auf die im Bescheid enthaltene Ausreisefrist unter Androhung einer Abschiebung des Klägers nach Aserbaidschan ist rechtlich nichts zu erinnern. Die Klage ist deshalb, soweit sie nicht wegen Erledigung in der Hauptsache eingestellt wurde, mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO sowohl im Hauptwie auch im Hilfsantrag abzuweisen. Die Kostenfolge betreffend die Einstellung des Verfahrens aufgrund der Erledigungserklärungen der Beteiligten ergibt sich aus § 161 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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