Verwaltungsrecht

Berücksichtigung des Elterngeldes bei Kita-Gebühren

Aktenzeichen  4 ZB 16.948

Datum:
26.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NWB – 2016, 3439
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KitaGebS § 6 Abs. 1
EStG § 3 Nr. 67, § 22 Abs. 1
BEEG § 1
VwGO § 124 Abs. 2

 

Leitsatz

Elterngeld gehört zu den “sonstigen regelmäßig wiederkehrenden Bezügen” nach der Kindertageseinrichtungsgebührensatzung (§ 6 Abs. 1 KitaGebS) und ist deshalb bei einem Antrag auf Gebührenermäßigung zu berücksichtigen. Maßgeblich ist nicht der Einkommensbegriff des Einkommenssteuergesetzes. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

10 K 15.23 2016-01-21 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1.884 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 21. Januar 2016 hat keinen Erfolg, da keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegt.
a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Solche Zweifel sind nur gegeben, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts beruht auf der Annahme, dass der Bezug von Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz zu den „sonstigen regelmäßig wiederkehrenden Bezügen“ nach § 6 Abs. 1 Buchst. d Satz 1 der Kindertageseinrichtungsgebührensatzung (KitaGebS) gehöre und daher – anders als das in Satz 2 der Vorschrift explizit ausgenommene Erziehungsgeld – bei dem hier gestellten Antrag auf Gebührenermäßigung nach § 5 Abs. 5 KitaGebS als Teil der Einkünfte des Gebührenschuldners zu berücksichtigen sei. Die Klägerin hält dem entgegen, die Regelungssystematik des § 6 Abs. 1 KitaGebS knüpfe an den Einkommensbegriff des Einkommensteuergesetzes an, das damit den Kontext für den Begriff „Bezüge“ bilde. Da § 6 Abs. 1 Buchst. d KitaGebS die „sonstigen regelmäßig wiederkehrenden Bezüge“ durch das Wort „oder“ in Beziehung setze zum vorangehenden Begriff „Renten“, seien damit nur sonstige Leistungen der Altersvorsorge zu verstehen; das Einkommensteuergesetz verstehe unter „wiederkehrenden Bezügen“ insbesondere Leibrenten (§ 22 Abs. 1 EStG). Da das Elterngeld nach § 3 Nr. 67 EStG nicht steuerbar sei, falle es nicht unter den einkommensteuerlichen Begriff der „wiederkehrenden Bezüge“ und könne deshalb auch keinen wiederkehrenden Bezug nach § 6 Abs. 1 Buchst. d KitaGebS darstellen. Eine gegenteilige Auslegung sei mit dem Wortlaut der Satzung unvereinbar.
Mit diesen Einwänden wird das vom Verwaltungsgericht gefundene Auslegungsergebnis nicht ernstlich in Frage gestellt. Schon die Grundannahme der Klägerin, wonach bei der „Einkünfte“-Definition des § 6 Abs. 1 KitaGebS der Einkommensbegriff des Einkommensteuergesetzes maßgebend sein soll, findet im Normtext der Satzung keinerlei Stütze. Eine ausdrückliche Verweisung auf die einkommensteuerrechtliche Terminologie findet sich allein in § 6 Abs. 1 Buchst. a KitaGebS, während in der nachfolgenden Aufzählung auf allgemeine steuer- und betriebswirtschaftliche Begriffe (Buchst. b), sozialrechtliche Ansprüche (Buchst. c) und sonstige monetäre Dauerleistungen (Buchst. d) Bezug genommen wird. Der in die letztgenannte Fallgruppe aufgenommene Zusatz („soweit diese nicht bereits in den Einkünften nach Buchstabe a) bis c) enthalten sind“) lässt klar erkennen, dass regelmäßig wiederkehrende Bezüge auch dann Einkünfte im Sinne des § 6 Abs. 1 KitaGebS sind, wenn sie nicht zu dem in Buchst. a genannten „Gesamtbetrag der Einkünfte“ im einkommensteuerrechtlichen Sinne gehören.
Nicht nachvollziehbar ist auch die Argumentation der Klägerin, aus der Konjunktion „oder“ in § 6 Abs. 1 Buchst. d Satz 1 KitaGebS ergebe sich, dass mit den „sonstigen regelmäßig wiederkehrenden Bezügen“ nur Altersrenten gemeint sein könnten. Der in der ersten Alternative der Vorschrift verwendete Rechtsbegriff der „Rente“ umfasst neben den gesetzlichen oder vertraglichen Ansprüchen auf Altersversorgung eine Vielzahl anderer in Rentenform erbrachter Geldleistungen (vgl. z. B. §§ 520, 759, 843, 912 BGB). Die zweite Alternative des § 6 Abs. 1 Buchst. d Satz 1 KitaGebS geht, wie das Wort „sonstige“ zeigt, über diesen weiten Anwendungsbereich hinaus und erfasst damit alle nicht als „Renten“ zu qualifizierenden Einkünfte in Geld oder Geldeswert, die regelmäßig wiederkehrend gezahlt werden. Hierzu gehören auch alle zur Deckung des laufenden Lebensbedarfs bestimmten staatlichen Dauerleistungen, soweit sie nicht bereits unter die in § 6 Abs. 1 Buchst. c genannten sozialrechtlichen Unterstützungsleistungen fallen. Das Elterngeld, das seit dem 1. Januar 2007 an die Stelle des bis dahin gezahlten Erziehungsgelds getreten ist (Art. 3 des G.v. 5.12.2006, BGBl I S. 2748) und die geburtsbedingten laufenden Einkommenseinbußen junger Familien ausgleichen soll (vgl. BVerfG, B.v. 9.11.2011 – 1 BvR 1853/11 – NJW 2012, 214 Rn. 17), fällt damit nach Wortlaut und Regelungssystematik eindeutig unter die genannte Vorschrift.
Da bei § 6 Abs. 1 Buchst. d KitaGebS – anders als bei Buchst. a der Vorschrift – die einkommensteuerrechtliche Bewertung keine Rolle spielt, ist hier auch die bundesgesetzlich angeordnete (Einkommen-)Steuerfreiheit der im Katalog des § 3 EStG genannten Einnahmen ohne Bedeutung. Der Satzungsgeber hat diese Rechtsfolge beim Erlass der Kindertageseinrichtungsgebührensatzung erkannt und daher zu der Frage, welche regelmäßig wiederkehrenden Bezüge bei der Ermittlung der Einkünfte der Gebührenschuldner anrechnungsfrei bleiben sollen, in § 6 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 KitaGebS eine eigene Regelung getroffen, die nur das (nach § 3 Nr. 24 EStG einkommensteuerfreie) Kindergeld und das (nach § 3 Nr. 67 Buchst. a EStG einkommensteuerfreie) Erziehungsgeld umfasst. Das ab 2007 gezahlte Elterngeld wurde dagegen, wie sich aus den Erläuterungen zur damaligen Beschlussvorlage ergibt (https://www.ris-muenchen.de/RII/RII/DOK/SITZUNGSVORLAGE/933320.pdf, S. 12), schon beim erstmaligen Erlass der Kindertageseinrichtungsgebührensatzung wegen seiner Einkommensersatzfunktion als anrechenbar angesehen; auch bei der kurz darauf erfolgten Satzungsänderung vom 29. Juli 2007 (MüABl S. 201) wurde an dieser Bewertung festgehalten. Auch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift lässt sich somit belegen, dass sich der Satzungsgeber gegen die von der Klägerin beanspruchte Anrechnungsfreiheit des Elterngeldes entschieden hat.
b) Die Klägerin hat nicht dargetan, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Dieser Zulassungsgrund ist nur dann den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt, wenn der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, ihre Entscheidungserheblichkeit und Klärungsbedürftigkeit erläutert und darüber hinaus darlegt, warum der genannten Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2011 – 4 ZB 11.832 – BayVBl 2011, 761 Rn. 20). Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen der Klägerin nicht, da sie auch insoweit lediglich vorträgt, das Verwaltungsgericht habe die streitgegenständliche Satzung unzutreffend ausgelegt und sich in der Frage der Anrechenbarkeit des Elterngeldes über den „Nichtgebrauch der Regelungskompetenz“ der Beklagten in unzulässiger Weise hinweggesetzt.
Als klärungsbedürftig im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO können im Übrigen nur solche Fragen angesehen werden, die nicht ohne weiteres aus dem Gesetz zu lösen sind (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 38). Dies ist aber hier der Fall, weil sich – wie dargelegt – aus dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 1 Buchst. d Satz 1 KitaGebS, dem Umkehrschluss aus Satz 2 der Vorschrift sowie dem unveränderten Fortgelten der Regelung nach Inkrafttreten des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes zweifelsfrei ergibt, dass auch das Elterngeld zu den „Einkünften“ im Sinne der Kindertageseinrichtungsgebührensatzung der Beklagten zählt und daher bei Entscheidungen über eine Gebührenermäßigung nach § 5 Abs. 5 KitaGebS zu berücksichtigen ist.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.
Dr. Zöllner Dr. Peitek Dr. Schübel-Pfister


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