Verwaltungsrecht

Besetzung des Prüfungsausschusses; Pflicht des Prüfers zur vollständigen Kenntnisnahme der Prüfungsleistungen; Beteiligung Dritter an Prüfung

Aktenzeichen  4 L 49/21

Datum:
22.3.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt 4. Senat
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:OVGST:2022:0322.4L49.21.00
Normen:
Art 19 Abs 4 GG
Art 12 Abs 1 GG
§ 8 Abs 1 KrPflAPrV 2004
§ 15 Abs 3 KrPflAPrV 2004
§ 4 Abs 4 KrPflAPrV 2004
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Spruchkörper:
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Leitsatz

1. Allein aus der Verfassungswidrigkeit des § 15 Abs. 3 KrPflAPrV (juris: KrPflAPrV 2004; nunmehr: § 16 Abs. 6 Satz 1 PflAPrV) folgt kein Anspruch auf erneute Zulassung zur Prüfung; das Gericht hat zur Vermeidung einer verfassungsferneren Regelungslücke und Wahrung der Berufsfreiheit eine sich in sachgerechter Weise an der Praxis des Beklagten orientierende Übergangsregelung zu treffen.(Rn.39)
2. Der Prüfer hat die Prüfungsleistungen persönlich, unmittelbar und vollständig zur Kenntnis zu nehmen (hier: verneint bei seinem Aufenthalt in anderem Zimmer bei angelehnter oder geschlossener Tür).(Rn.41)
(Rn.42)
3. Art und Ausmaß der Beteiligung Dritter an einer Prüfung müssen insbesondere prüfungsrechtlichen Vorgaben genügen und dürfen keine Möglichkeiten zu unzulässiger Einflussnahme auf das Prüfungsergebnis eröffnen.(Rn.52)

Verfahrensgang

vorgehend VG Magdeburg, 25. November 2020, 7 A 268/18 MD, Urteil

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg – 7. Kammer – vom 25. November 2020 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Beklagte wendet sich gegen ein verwaltungsgerichtliches Urteil, mit dem er zur Zulassung der Klägerin zu einem erneuten Prüfungsversuch im praktischen Teil der staatlichen Prüfung für Gesundheits- und Krankenpfleger verpflichtet wurde.
Vom 1. September 2014 bis 31. August 2017 absolvierte die Klägerin in der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege am A. Institut O. in C-Stadt eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin.
Sie fertigte im Rahmen der staatlichen Prüfung drei schriftliche Aufsichtsarbeiten und nahm an der mündlichen sowie praktischen Prüfung teil. Die schriftlichen Arbeiten und der mündliche Teil der Prüfung wurden jeweils mit der Note „ausreichend“ bewertet. Die am 4./5. Juli 2017 durchgeführte praktische Prüfung, an der die Zeugin D. und Frau J. (geb. C.; im Folgenden der besseren Verständlichkeit halber: Frau C.) als Fachprüferinnen teilnahmen, wurde mit der Note „mangelhaft“ bewertet.
Nachdem der Beklagte mit Bescheid vom 29. August 2017 festgestellt hatte, dass die Klägerin die Prüfung nicht bestanden habe, wiederholte sie die praktische Prüfung am 22./23. November 2017. Fachprüferinnen waren die Zeuginnen D. und E., die die klägerischen Prüfungsleistungen jeweils mit der Note „5“ bewerteten. Den unwidersprochenen Einlassungen der Klägerin zufolge war zudem Frau C. während der gesamten Prüfung anwesend und antwortete auch im Rahmen des Abschlussgesprächs auf eine Frage der Zeugin D..
Der Beklagte teilte der Klägerin mit Bescheid vom 23. November 2017 das in der Wiederholungsprüfung erzielte Ergebnis mit und stellte fest, dass sie die staatliche Prüfung mangels Bestehens eines der vorgeschriebenen Prüfungsteile endgültig nicht bestanden habe und eine Wiederholung der Prüfung nicht möglich sei.
Hiergegen erhob die Klägerin am 29. November 2017 Widerspruch, da bereits die unparteiische Bewertung ihrer Leistungen durch die Prüfer zweifelhaft sei. Die Zeuginnen E. und D. hätten ausweislich ihrer Protokolle die bis zum Zehntel einer Notenstufe übereinstimmende Gesamtnote 4,6 vergeben. Auch beständen Anhaltspunkte dafür, dass die – erst seit Mai 2017 als zentrale Praxisanleiterin tätige und im November 2017 zur Prüfungsabnahme unzureichend erfahrene – Zeugin E. keine eigenständige Bewertungsleistung erbracht, sondern ihr Protokoll und ihre Bewertung im Nachhinein der Bewertung der Zeugin D. angepasst habe. Sie beanstande überdies die Bewertung der praktischen Prüfung. Insbesondere seien verschiedene ihrer vertretbaren Maßnahmen als fehlerhaft, unangemessen schlecht und von ihrer Bedeutung überbewertet worden und Fehler nicht nur aufgrund ihres Verhaltens entstanden.
Zu den klägerischen Einwendungen nahmen die Zeugin E. am 4. Juni 2018 und die Zeugin D. am 5. Juni 2018 Stellung; beide hielten an ihrer Bewertung fest. Unter anderem führte die Zeugin E. aus, bezüglich der Körperpflege bei Patientin 2 zu weiteren Details im Bad keine Auskunft geben zu können, und die Zeugin D. gab an, Frau C. während des Prüfungsverlaufs zur Handhabung im Stationsalltag befragt und ihre Bewertung an der Aussage der Frau C. ausgerichtet zu haben.
Der Beklagte wies den klägerischen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. August 2018 zurück. Zur Begründung führte er insbesondere aus, die Bewertung sei verfahrensfehlerfrei erfolgt. Anhaltspunkte für eine parteiische Bewertung lägen nicht vor. Insbesondere hätten sich die Prüfer nicht zur Notenbildung abgesprochen. Zweifel bezüglich der Kompetenz der Zeugin E. hätte die Klägerin spätestens bei Prüfungsende und Bewertungseröffnung äußern müssen. Auch inhaltlich sei das Prüfungsergebnis nicht zu beanstanden. Es seien grundsätzliche Defizite beim strukturierten Arbeiten, bei der Körperpflege der Patientinnen, Einhaltung der Hygienevorschriften, Schmerzversorgung und im verbalen sowie nonverbalen Kommunikationsverhalten aufgetreten. Eine obligatorische Prüfungsaufgabe (Blutentnahme) habe die Klägerin delegiert. Die Patientendokumentation sei fehlerhaft erfolgt. Im 55-minütigen Abschlussgespräch, das üblicherweise 15 bis 20 Minuten dauere, sei ihre mangelnde Selbstreflexion aufgefallen.
Herr Dr. W., Schulleiter Pflegeberufe des A. Institut O., schätzte am 9. August 2019 die Kompetenzen der Zeuginnen E. und D. als Prüferinnen ein. Beide Fachprüferinnen nahmen am 6. Juni 2018 und 12. August 2018 nochmals zur streitbefangenen Prüfung Stellung.
Die Klägerin hat am 21. September 2018 Klage beim Verwaltungsgericht Magdeburg erhoben und ergänzend zum Widerspruchsverfahren vorgetragen, die Zeugin E. hätte nicht als Fachprüfer bestellt werden dürfen, da sie sie nicht im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 KrPflAPrV überwiegend ausgebildet habe. Zudem sei die Zeugin D. ihr gegenüber seit Beginn der Ausbildung negativ eingestellt gewesen. Den im Widerspruchsbescheid dargestellten Geschehensabläufen trete sie entgegen. Insbesondere bestreite sie, nicht genug Arbeitsflächen am Bett der Patientin 1 geschaffen zu haben und dass die Entfernung des Wäschewagens eine vermeidbare Gefährdung der Patientin nach sich gezogen habe. Sie habe trotz Platzenge am Nachttisch eine übersichtliche Ordnung geschaffen, die ein korrektes Arbeiten ermöglicht habe, und die Patientin 1 rechtzeitig auf den Entlassungszeitpunkt vorbereitet. Diese habe sich den Oberkörper eigenständig und selbstbestimmt gewaschen, was sie respektiert habe. Die Zahnpflege habe die Patientin ebenfalls selbstbestimmt durchgeführt. Sie, die Klägerin, habe beide Gesäßhälften der Patientin einschließlich der Analfalte zu 100 % gewaschen und die Dekubitusprophylaxe mit der patienteneigenen Lotion durchgeführt. Bei der Dauerkatheterpflege sei ihr nur beim Trockenwischen ein kleiner Fehler unterlaufen. Sie habe das von der Patientin 2 auf den Boden gelegte Inkontinenzmaterial aufgehoben, der Patientin 2 Unterstützung beim Entkleiden angeboten und deren Signale wahrgenommen. Die Schmerzversorgung der Patientin 2 sei noch rechtzeitig erfolgt. Zum Vorhalt, die Nierenschale ohne Schutzhandschuhe angereicht zu haben, sei anzumerken, dass die Patientin 1 vor dem Entlassen gestanden habe, also keimarm gewesen sei. Die Verwendung von zwei Kanülen für die Entnahme von Medikament und Injektion sei ihr nicht beigebracht worden.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 23. November 2017 und den Widerspruchsbescheid vom 21. August 2018 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, sie zu einem erneuten Wiederholungsversuch des praktischen Teils der staatlichen Wiederholungsprüfung in der Gesundheits- und Krankenpflege zuzulassen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vertiefend geltend gemacht, § 15 Abs. 3 KrPflAPrV könne als verfassungskonform angesehen werden. Selbst im Fall seiner Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht könnten die Prüfungen für eine Übergangszeit – entsprechend seiner Praxis – weiterhin durch zwei Fachprüfer abgenommen werden. Zumindest habe die Klägerin eine fehlerhafte Besetzung des Prüfungsausschusses entgegen ihren Mitwirkungspflichten nicht rechtzeitig gerügt. Die zur Prüfungsabnahme ausreichend erfahrene Zeugin E. habe die Klägerin in mehrstündigen Einzelanleitungen unterwiesen und ihr die in der Prüfung nachzuweisenden Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt.
Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 25. November 2020 unter Aufhebung seines Bescheides vom 23. November 2017 und Widerspruchsbescheides vom 21. August 2018, soweit diese das Nichtbestehen der staatlichen Wiederholungsprüfung in der Gesundheits- und Krankenpflege sowie des praktischen Prüfungsteils feststellen, verpflichtet, die Klägerin zu einem erneuten Prüfungsversuch im praktischen Teil der Prüfung als Wiederholungsprüfung zuzulassen. Die Bewertung der Prüfung mit „mangelhaft“ sei wegen der nicht ordnungsgemäßen Besetzung der Prüfungskommission rechtswidrig. § 15 Abs. 3 Satz 1 KrPflAPrV sei verfassungswidrig, da sich der Norm nur eine Mindest-, jedoch keine konkrete Zahl der Prüfer im praktischen Prüfungsteil entnehmen lasse; die konkrete Anzahl der Prüfer werde nicht vorab und vorhersehbar festgelegt, sondern dem Prüfungsausschuss ein Ermessensspielraum belassen.
Der Senat hat die Berufung mit Beschluss vom 26. Juli 2021 wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassen.
Der Beklagte macht zur Begründung seiner fristgerecht begründeten Berufung geltend, das Verwaltungsgericht hätte bis zur Herstellung verfassungsgemäßer Zustände eine Übergangsregelung treffen und die Klage abweisen müssen. Andere Rechtsfehler als die nicht ordnungsgemäße Besetzung der Prüfungskommission habe es nicht festgestellt. Die Prüfungsentscheidung sei nicht aufzuheben, da sich der Verfahrensfehler nicht zum Nachteil der Klägerin auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt habe. Die Zeugin E. erfülle als Krankenschwester mit erfolgreich absolvierter Weiterbildung zur Praxisanleiterin § 4 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 2 Abs. 2 KrPflAPrV und habe die Klägerin im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 KrPflAPrV überwiegend ausgebildet, wobei von dieser Sollvorschrift ohnehin in atypischen Fällen abgewichen werden könne. Die Zeugin E. habe die Klägerin gezielt auf die Prüfung vorbereitet und begleite sämtliche Auszubildende am Klinikum mit regelmäßigen Anleitungen. Sie habe ein umfassendes Bild des Leistungsvermögens aller Auszubildenden und die Klägerin habe sich hinreichend mit ihren Anforderungen vertraut machen können.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 25. November 2020 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt ergänzend vor, die Zeugin E. habe sie mit 20 Zeitstunden in der Schlussphase der Ausbildung unmittelbar vor dem Ablegen der praktischen Wiederholungsprüfung nicht überwiegend ausgebildet. Trotz deren dauerhafter Erkrankung habe eine Bestellung von Frau R. als Prüferin im November 2017 nahegelegen; der Beklagte habe nicht dargelegt, weshalb diese nicht hätte prüfen können. Von Krankenschwestern verkehrt gezeigte Vorgehensweisen seien später an ihr kritisiert worden.
Das Gericht hat Beweis erhoben zur Kenntnisnahme der von der Klägerin im Patientenbad erbrachten Prüfungsleistungen durch beide Fachprüferinnen durch Vernehmung der Zeuginnen E. und D.. Hinsichtlich des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie den vom Beklagten beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten im Ergebnis zu Recht verpflichtet, die Klägerin zu einem erneuten Prüfungsversuch im praktischen Teil der Prüfung als Wiederholungsprüfung zuzulassen. Der Bescheid des Beklagten vom 23. November 2017 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 21. August 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Rechtlicher Anknüpfungspunkt für die vom Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid getroffene Feststellung, die Klägerin habe den praktischen Teil der Wiederholungsprüfung in der Gesundheits- und Krankenpflege endgültig nicht bestanden, ist § 8 Abs. 1, 2 und 3 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege vom 10. November 2003 (BGBl. I 2263) in der Fassung vom 18. April 2016 (BGBl. I 886) – im Folgenden: KrPflAPrV –. Denn die Rechtmäßigkeit der Durchführung einer berufsbezogenen Prüfung und deren Bewertung sowie die darauf beruhende Feststellung ihres endgültigen Nichtbestehens sind anhand der zum Zeitpunkt der Erbringung der Prüfungsleistung maßgebenden Sach- und Rechtslage zu beurteilen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 – 6 C 19.18 -, juris Rn. 9). Die streitbefangene staatliche Prüfung und deren Wiederholungsprüfung sind den Zugang zum Beruf eröffnende staatliche Prüfungen im Sinne eines berufsqualifizierenden Abschlusses und unterliegen deshalb gerichtlicher Kontrolle am Maßstab von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2020 – 6 C 8.19 -, juris Rn. 11). Das Führen der Berufsbezeichnung Gesundheits- und Krankenpfleger im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des mit Wirkung vom 1. Januar 2020 aufgehobenen Krankenpflegegesetzes – KPflG – bedarf nämlich der Erlaubnis. Die Erteilung der Erlaubnis setzt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 KPflG unter anderem das Bestehen der staatlichen Prüfung voraus. Der hier streitbefangene praktische Teil der Prüfung wird gemäß § 3 Abs. 1 KrPflAPrV von der staatlichen Prüfung zum Gesundheits- und Krankenpfleger umfasst. Danach ist die zum 31. Dezember 2019 außer Kraft getretene KrPflAPrV vorliegend anzuwenden, da die Klägerin ihre Ausbildung zur Krankenpflegerin vor dem 31. Dezember 2019 begonnen hat und gemäß § 61 Abs. 1 Pflegeberufe-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung vom 2. Oktober 2018 (BGBl. I 1572) für Ausbildungen, die nach dem Krankenpflegegesetz vor Ablauf des 31. Dezember 2019 begonnen wurden, bis zum 31. Dezember 2024 die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung anzuwenden ist.
Gemäß § 8 Abs. 1 KrPflAPrV ist die Prüfung bestanden, wenn jeder der nach § 3 Abs. 1 KrPflAPrV vorgeschriebenen Prüfungsteile bestanden ist. Über die bestandene staatliche Prüfung wird ein Zeugnis nach dem Muster der Anlage 3 erteilt (§ 8 Abs. 2 Satz 1 KrPflAPrV). Über das Nichtbestehen erhält der Prüfling nach Satz 2 der Regelung von dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses eine schriftliche Mitteilung, in der die Prüfungsnoten anzugeben sind. Jede Aufsichtsarbeit der schriftlichen Prüfung, jeder Themenbereich der mündlichen Prüfung und die praktische Prüfung können gemäß § 8 Abs. 3 KrPflAPrV einmal wiederholt werden, wenn der Prüfling die Note „mangelhaft“ oder „ungenügend“ erhalten hat. Die Klägerin hat die Wiederholungsprüfung in der Gesundheits- und Krankenpflege mit dem praktischen Teil bereits einmal wiederholt und diese Wiederholungsprüfung nicht bestanden. Die KrPflAPrV hält für sie keinen weiteren Prüfungsversuch bereit, da sie sich bereits zweimal erfolglos der vorgeschriebenen praktischen Prüfung unterzogen hat.
Gleichwohl steht ihr auf der Grundlage des prüfungsrechtlichen Rechtsverhältnisses ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Folgenbeseitigung (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 500 m. w. N.) – hier: in Gestalt eines Anspruchs auf erneute Zulassung zur Wiederholungsprüfung im praktischen Teil der Prüfung – zu.Dieser gewohnheitsrechtlich anerkannte und letztlich auf dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) und der Abwehrfunktion der Grundrechte beruhende Anspruch setzt unter anderem voraus, dass durch einen hoheitlichen Eingriff ein subjektives Recht des Betroffenen verletzt und dadurch ein noch andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 1993 – 4 C 24.91 -, juris Rn. 24 m. w. N.). Der Folgenbeseitigungsanspruch zielt dabei auf die Wiederherstellung des Zustandes, der im Zeitpunkt vor Beginn des Eingriffs bestand. Er dient nicht dem allgemeinen Ausgleich von Schäden, die durch rechtswidriges Verwaltungshandeln – auch in Form pflichtwidrigen Unterlassens – verursacht worden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 2000 – 2 C 5.99 -, juris Rn. 73). Seine Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Die Bewertung der klägerischen Prüfungsleistungen im praktischen Teil der Wiederholungsprüfung mit der Note „mangelhaft“ erweist sich als rechtswidrig, da sie an durchgreifenden Fehlern leidet. Aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 1 GG folgt für den Rechtsschutz des Prüflings gegen berufsbezogene Prüfungsentscheidungen, dass dem Prüfungsteilnehmer eine wirkungsvolle gerichtliche Nachprüfung ermöglicht werden muss. Die Gerichte sind berechtigt und verpflichtet, Prüfungsentscheidungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht uneingeschränkt nachzuprüfen, sofern es nicht um die Bewertung der Prüfungsleistungen geht. Insoweit steht den Prüfern ein Bewertungsspielraum zu, der nur der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle dahingehend unterliegt, ob die Prüfer dessen Grenzen überschritten haben. Davon ist auszugehen, wenn sie oder die Prüfungsbehörden Verfahrensfehler begehen, anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzen oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 – 1 BvR 419/81 und 213/83 -, juris Rn. 56; BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2020 – 6 C 8.19 -, a. a. O. Rn. 11; jeweils m. w. N.).
Unter Zugrundelegung dessen weist die streitbefangene Prüfung Fehler auf, die den klägerischen Anspruch auf erneute Zulassung zum praktischen Teil der Wiederholungsprüfung begründen. Dies folgt zwar – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – nicht bereits aus der Verfassungswidrigkeit des § 15 Abs. 3 KrPflAPrV betreffend die Besetzung des Prüfungsausschusses (dazu nachstehend 1.). Jedoch leidet die Prüfung an weiteren durchgreifenden Mängeln (dazu nachstehend 2.).
1. Weil das Bestehen der staatlichen Prüfung der Klägerin – wie zuvor dargelegt – den Zugang zum Beruf der Gesundheits- und Krankenpflegerin eröffnet, die einschlägigen Normen der KrPflAPrV demgemäß in ihre durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Berufswahlfreiheit eingreifen und einer den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG genügenden Rechtfertigung bedürfen, müssen Regelungen über das Verfahren der Bewertung der Prüfungsleistungen, die Bestehensvoraussetzungen und Notenvergabe rechtssatzmäßig festgelegt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 – 6 C 19.18 -, a. a. O. Rn. 11 m. w. N.; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23. Juli 2014 – 3 L 243/13 -, juris Rn. 24) und diese dem prüfungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 1 GG) genügen. Der Normgeber muss dafür Sorge tragen, dass für alle Teilnehmer vergleichbarer Prüfungen so weit wie möglich gleiche Prüfungsbedingungen und Bewertungsmaßstäbe gelten und einheitlich angewandt werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Oktober 2020 – 6 C 8.19 -, a. a. O. Rn. 21, und vom 10. April 2019 – 6 C 19.18 -, a. a. O. Rn. 12).
Dies umfasst auch die konkrete Zahl der Prüfer. Diese betrifft nicht nur das Prüfungsverfahren, indem sie die Größe der gegenüber dem Prüfling auftretenden Prüfungskommission bestimmt, sondern gewährleistet – vor allem zur Verwirklichung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit – so weit wie möglich gleiche Erfolgschancen für alle Prüfungsteilnehmer. Denn sie beeinflusst die Grundlage für die endgültige Bewertung der Prüfungsleistung. Eine Kollegialprüfung bietet gegenüber der Prüfung durch einen einzelnen Prüfer eine erhöhte Richtigkeitsgewähr für die zu treffende Bewertungsentscheidung. Dies liegt in der Natur der Bewertungsentscheidung des Prüfers. Der jeweilige Prüfer nimmt die Bewertung anhand von Maßstäben vor, die er in Bezug auf die konkrete Prüfungsaufgabe autonom erstellt. Sie beruhen auf einem Bezugssystem, das vor allem durch seine persönlichen Erfahrungen, Einschätzungen und Vorstellungen gebildet wird. Diese Maßstäbe muss der Prüfer aus Gründen der Chancengleichheit auf die Bewertung aller Bearbeitungen derselben Prüfungsaufgabe anwenden. Auf ihrer Grundlage trifft er eine Vielzahl fachlicher und prüfungsspezifischer Wertungen, die er nach der Bedeutung, die er ihnen aufgabenbezogen beimisst, in ein Verhältnis zueinander setzt. Aufgrund der Gewichtung der einzelnen Vorzüge und Nachteile der Prüfungsleistung und deren Vergleich mit anderen Bearbeitungen vergibt der Prüfer die Note, das heißt er ordnet die Prüfungsleistung in eine normativ vorgegebene Notenskala ein (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 – 1 BvR 419/81 und 213/83 -, a. a. O. Rn. 52 – 54, und vom 16. Januar 1995 – 1 BvR 1505/94 -, juris Rn. 16; BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 – 6 C 19.18 -, a. a. O., und Beschluss vom 5. März 2018 – 6 B 71.17 -, juris).
Die konkrete Zahl der Prüfer ist deshalb wesentlich für das Prüfungsergebnis, weil bei einer Bewertung der Prüfungsleistung durch mehrere Prüfer sich die Bewertung als Ergebnis von auf verschiedenen subjektiven Wertungen und Gewichtungen beruhenden Bewertungsentscheidungen der jeweiligen Prüfer darstellt. Durch die Einschaltung mehrerer Prüfer wird das Ergebnis objektiviert, was Bevorzugungen und Benachteiligungen einzelner Prüflinge minimiert (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2020 – 6 C 8.19 -, a. a. O. Rn. 22; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, a. a. O. Rn. 547 ff., 26). Hängt das Resultat der Prüfung aber maßgeblich von der gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Ausübung des Beurteilungsspielraums durch den jeweiligen Prüfer ab, ist die Zahl der Prüfer wesentlich für das Prüfungsergebnis und muss diese für alle Teilnehmer einer berufsbezogenen Abschlussprüfung vorab und vorhersehbar festgelegt sein; ihre Bestimmung darf nicht der Verwaltungspraxis überlassen bleiben (vgl. BVerwG, Urteile vom 10. April 2019 – 6 C 19.18 -, a. a. O. Rn. 15 und 17, und vom 28. Oktober 2020 – 6 C 8.19 -, a. a. O. Rn. 22; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 5. Juni 2020 – 9 S 149/20 -, juris Rn. 30).
Diese Anforderungen erfüllt § 15 Abs. 3 Satz 1 KrPflAPrV (vgl. hierzu auch BR-Drs. 578/03, S. 36 f. sowie den ab 1. Januar 2020 geltenden § 16 Abs. 6 Satz 1 PflAPrV) nicht, weil sich der Norm die konkrete Zahl der Prüfer in dem praktischen Prüfungsteil nicht entnehmen lässt, sondern sie lediglich vorsieht, dass der praktische Teil der Prüfung von mindestens einem Fachprüfer nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) KrPflAPrV und einem Fachprüfer nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 KrPflAPrV abgenommen werden. Die Norm legt damit nicht vorab und vorhersehbar die konkrete Anzahl an Prüfern fest (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 – 6 C 19.18 -, a. a. O. Rn. 15 ff. [19] mit Anm. von Tegethoff, jurisPR-BVerwG 24/2019 Anm. 2; VG Lüneburg, Beschluss vom 16. Oktober 2020 – 5 B 21/20 -, juris Rn. 11; VG Hamburg, Urteile vom 15. Juni 2020 – 2 K 4808/17 -, juris Rn. 31, 35 ff., und – 2 K 1996/17 -, juris Rn. 38 ff. und 49 ff.; zum vergleichbaren § 18 Abs. 3 Satz 1 NotSan-APrV: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 5. Juni 2020 – 9 S 149/20 -, a. a. O. Rn. 32; BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2020 – 6 C 8.19 -, a. a. O. Rn. 23).
Der Klägerin ist diesbezüglich kein Verstoß gegen ihre Rügeobliegenheiten vorwerfbar. Der Prüfling ist zwar trotz einer insoweit fehlenden normativen Bestimmung zur dahingehenden Mitwirkung verpflichtet, dass er Mängel des Prüfungsverfahrens grundsätzlich unverzüglich rügen muss. Die Obliegenheit des Prüflings, Mängel und Störungen des Prüfungsverfahrens, sobald sie erkannt worden sind, unverzüglich geltend zu machen, ist nämlich Teil seiner auf dem Prüfungsrechtsverhältnis beruhenden Pflicht, im Prüfungsverfahren mitzuwirken, die ihren Rechtsgrund in dem auch im Prüfungsrechtsverhältnis geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hat. Der Anspruch des Prüflings auf Beseitigung des Mangels und dessen Folgen erlischt, wenn er trotz Kenntnis des Fehlers die ihm zumutbare Rüge unterlässt und sich auf das fehlerhafte Prüfungsverfahren einlässt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. April 2017 – 5 B 9/16 -, juris Rn. 60). Dies soll verhindern, dass er sich mit einer späteren Rüge eine zusätzliche, ihm im Verhältnis zu den anderen Prüflingen nicht zustehende Prüfungschance verschafft, indem er in Kenntnis des Verfahrensmangels zunächst die Prüfung fortsetzt und das Prüfungsergebnis abwartet. Überdies soll es der Prüfungsbehörde eine eigene zeitnahe Überprüfung mit dem Ziel schnellstmöglicher Aufklärung und gegebenenfalls noch rechtzeitiger Behebung oder zumindest Kompensation des Mangels ermöglichen, um die Chancengleichheit mit den anderen Prüflingen zu wahren (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juni 1994 – 6 C 37.92 -, juris Rn. 18; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Juni 2019 – 9 S 1209/18 -, juris Rn. 24 m. w. N.; OVG Sachsen, Urteil vom 25. Oktober 2016 – 2 A 308/15 -, juris Rn. 15 f. m. w. N.; VG Lüneburg, Beschluss vom 16. Oktober 2020 – 5 B 21/20 -, a. a. O. Rn. 17; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, a. a. O. Rn. 213 ff. m. w. N.).
Eine nicht unverzügliche Rüge kann der Klägerin nur entgegengehalten werden, wenn sie den geltend gemachten Mangel vor der Prüfung gekannt und seine Bedeutung für die Leistungskontrolle erfasst hat (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, a. a. O. Rn. 217; BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2003 – 6 C 22.02 -, juris). Die hier betroffene fehlerhafte Besetzung der Prüfungskommission beruht jedoch auf den von ihr als nicht hinreichend beanstandeten Rechtsgrundlagen der Prüfung, auf die die Rügeobliegenheit grundsätzlich nicht anwendbar ist. Denn die Prüfungsbehörde ist dafür verantwortlich, dass der Prüfung in ihrer konkreten Form eine hinreichende Rechtsgrundlage zugrunde liegt und eine rechtmäßige Bestimmung der zuständigen Prüfer erfolgt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 26. Juni 2019 – 9 S 1209/18 -, a. a. O. Rn. 25, und vom 10. März 2015 – 9 S 2309/13 -, juris Rn. 35; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. März 1989 – 22 A 688/88 -, juris Rn. 27; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, a. a. O. Rn. 217 und 401 m. w. N.). Hier kann grundsätzlich auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Prüfungsbehörde im Fall einer Rüge zur rechtzeitigen Behebung oder Kompensation des Mangels willens oder in der Lage gewesen wäre. Bei dieser Sachlage ist dem Prüfling eine entsprechende Rüge schwerlich zuzumuten und begründet eine unterlassene Rüge kein widersprüchliches Verhalten des Prüflings (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 10. März 2015 – 9 S 2309/13 -, a. a. O. Rn. 35, und vom 26. Juni 2019 – 9 S 1209/18 -, a. a. O. Rn. 26).
Gleichwohl folgt aus der verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht genügenden Regelung in § 15 Abs. 3 Satz 1 KrPflAPrV nicht der vom Verwaltungsgericht zugesprochene klägerische Anspruch auf Zulassung zur erneuten Wiederholung des praktischen Teils der Prüfung. Vielmehr ist das Gericht aufgrund des auf der Ebene der Prüfungsordnung bestehenden Regelungsdefizits zur Vermeidung einer verfassungsferneren Regelungslücke und Wahrung der Berufsfreiheit gehalten, bis zur Herstellung verfassungsgemäßer Zustände durch den Verordnungsgeber eine Übergangsregelung zu treffen, damit den aus Art. 12 Abs. 1 GG resultierenden Gewährleistungen der Prüflinge Rechnung getragen wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Oktober 2020 – 6 C 8.19 -, juris Rn. 24 und 68, vom 10. April 2019 – 6 C 19.18 -, a. a. O. Rn. 20 m. w. N., und vom 15. März 2017 – 6 C 46.15 -, juris Rn. 29, unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 1976 – 1 BvR 2325/73 -, juris Rn. 36; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 5. Juni 2020 – 9 S 149/20 -, a. a. O. Rn. 33; VG Lüneburg, Beschluss vom 16. Oktober 2020 – 5 B 21/20 -, a. a. O. Rn. 12). Die Übergangsregelung hat sich in sachgerechter Weise an der Praxis des Beklagten zu orientieren, der mit Schriftsätzen vom 23. November 2020 und 25. März 2021 dargelegt hat, dass bei ihm schriftliche, mündliche und praktische Prüfungen stets – so auch im streitbefangenen Verfahren – von zwei Fachprüfern abgenommen werden. Die Vorgehensweise im vorliegenden Verfahren entspricht mithin seiner ständigen Praxis. Entsprechend dieser ständigen Praxis sind die praktischen Prüfungen übergangsweise bis zum Erlass einer verfassungsgemäßen Bestimmung (weiterhin) durch zwei Fachprüfer abzunehmen und zu bewerten.
2. Die streitbefangene Prüfung vom 22./23. November 2017 leidet allerdings an weiteren durchgreifenden Fehlern, die den klägerischen Anspruch auf erneute Zulassung zum praktischen Teil der Wiederholungsprüfung zu begründen vermögen. Diese liegen zum einen in der unvollständigen Kenntnisnahme der klägerischen Prüfungsleistungen durch die Zeugin E. (dazu nachstehend a.) und zum anderen in der Art und Weise der im konkreten Fall erfolgten Beteiligung der Frau C. an der streitbefangenen Prüfung (dazu nachstehend b.).
a. Die Klägerin ist bereits deshalb zu einem erneuten Prüfungsversuch im praktischen Teil der Prüfung als Wiederholungsprüfung zuzulassen, weil nicht beide Fachprüferinnen sämtliche bewertungsrelevanten Prüfungsleistungen der Klägerin vollständig zur Kenntnis genommen haben. Ausschließlich die Zeugin D., nicht hingegen die Zeugin E. war während des Prüfungsgeschehens im Patientenbad anwesend und hat die erbrachten klägerischen Prüfungsleistungen zur Körperpflege der Patientin 2 zur Kenntnis genommen. Die Fachprüfer/innen müssen indes während des gesamten Prüfungsteils anwesend sein, damit sie die ihnen obliegenden Aufgaben der Bewertung der Prüfungsleistungen wahrnehmen können (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, a. a. O. Rn. 527). Denn jeder, der nach der Prüfungsordnung eine Prüfungsleistung zu bewerten hat, muss die Leistung persönlich, unmittelbar und vollständig zur Kenntnis nehmen und eine selbständige, eigenverantwortliche Bewertungsentscheidung treffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 1995 – 1 BvR 1505/94 -, a. a. O. Rn. 17; BVerwG, Urteil vom 16. März 1994 – 6 C 1.93 -, juris Rn. 9, 33, und Beschlüsse vom 19. Mai 2016 – 6 B 1.16 -, juris Rn. 12, vom 10. Juni 1983 – 7 B 48.82 -, juris Rn. 6, und vom 2. April 1979 – 7 B 61.79 -, juris Rn. 2). Das Gebot der eigenen, unmittelbaren und vollständigen Kenntnisnahme der Prüfungsleistungen macht es unumgänglich, dass alle für die Bewertung verantwortlichen Personen (hier: sowohl die Zeugin D. als auch die Zeugin E.) während der gesamten Prüfung im Prüfungsraum anwesend sind und das Prüfungsgeschehen verfolgen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 1995 – 1 BvR 1505/94 -, a. a. O.).
Dies war vorliegend indes nicht der Fall. Nach seiner aus dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung gewonnenen Überzeugung steht für den Senat im Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeuginnen D. und E. unter Berücksichtigung des Verwaltungsvorganges des Beklagten sowie der weiteren von den Beteiligten in das Verfahren eingeführten Unterlagen fest, dass die Zeugin E. nicht das gesamte Prüfungsgeschehen selbst, unmittelbar und vollständig zur Kenntnis genommen hat. Sie hat die im Patientenbad erbrachten klägerischen Prüfungsleistungen nicht mitverfolgt, da sie sich während dieser Zeit bei geschlossener oder zumindest angelehnter Badezimmertür im Patientenzimmer aufgehalten hat. Beide Zeuginnen, bezüglich deren Glaubwürdigkeit das Gericht aufgrund ihres authentischen Auftretens und Aussageverhaltens keinerlei Zweifel hegt, bekundeten übereinstimmend, dass sich die Zeugin E. während des Prüfungsgeschehens im Patientenbad nicht mit in diesem aufgehalten hat. Der Aussage der Zeugin E. zufolge bekam diese von der Prüfung im Bad nichts mit, weil die Tür entweder angelehnt oder geschlossen gewesen sei. Der Senat erachtet diese Aussagen auch als glaubhaft, da sie inhaltlich in Einklang stehen mit den schriftlichen Ausführungen der Zeuginnen aus dem Jahr 2018. So führte die Zeugin D. in ihren Stellungnahmen vom 5. Juni und 12. August 2018 aus, dass sich aufgrund der baulich beengten Situation im Bad nicht die gesamte Prüfungskommission im Patientenbad habe aufhalten können; die Patientin habe sich am Waschbecken, die Klägerin zeitweise in Patientenumgebung und die Zeugin D. auf dem geschlossenen WC-Deckel sitzend befunden. Die Zeugin E. äußerte in ihren Stellungnahmen vom 4./6. Juni 2018 ebenfalls, dass sie zu weiteren Details im Bad keine Auskunft geben könne; nur die Zeugin D. habe als Prüfer mit ins Bad gekonnt. Daraus ergibt sich für den Senat, dass die Zeugin E. die klägerischen Prüfungsleistungen im Patientenbad nicht zur Kenntnis genommen hat.
Vom Erfordernis der unmittelbaren und vollständigen Erfassung des Gegenstandes der Bewertung durfte im konkreten Fall auch nicht wegen Platzmangels oder aus Rücksicht auf die Intimsphäre der Patienten abgewichen werden. Zwar führte Frau E. in ihren Stellungnahmen aus, dass das Bad für mehr Personen keinen Platz biete und aus Rücksicht auf die Intimsphäre der Patientin auf den zweiten Prüfer und den Beobachter verzichtet werden könne. Auch die Zeugin D. merkte in ihren Stellungnahmen an, dass es in Situationen, die in die Intimsphäre der Patientin eingreifen, zur Wahrung der Intimsphäre sinnvoll sei, die Anwesenheit der Prüfungskommission zu hinterfragen und gegebenenfalls situationsgerecht anzupassen. Eine solch situative Vorgehensweise widerspricht indes den klaren Vorgaben, wonach der praktische Teil der Prüfung von zwei Fachprüfern abgenommen wird, und ist nicht vereinbar mit dem prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit. Auch erschließt sich bereits nicht, weshalb den begrenzten räumlichen Kapazitäten im Patientenbad vorliegend nicht dadurch hätte begegnet werden können, dass der zweite Fachprüfer in der Tür stehend in das Bad schauend die dortigen Vorgänge unmittelbar mitverfolgt. Darüber hinaus enthält der Verwaltungsvorgang im Hinblick auf die weiterhin thematisierte Intimsphäre der Patienten keine Dokumentation eines diesbezüglich zum Ausdruck gebrachten Patientenwillens. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass und inwiefern sich die Körperpflegesituationen der streitbefangenen Prüfung in Bezug auf die Betroffenheit der Intimsphäre von Patientin 1 und 2 voneinander unterschieden haben sollten.
Hat die Zeugin E. damit im Ergebnis fehlerhaft die klägerischen Prüfungsleistungen nicht vollständig zur Kenntnis genommen, kann dieser Mangel auch nicht etwa dadurch behoben werden, dass der entsprechende Prüfungsteil bei der Bildung der Gesamtnote ausgeklammert wird. Hierdurch würden nämlich die Prüfungsanforderungen verändert (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, a. a. O. Rn. 558), was wiederum ebenfalls nicht in Einklang stehen würde mit dem prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit.
Dieser bei der Abnahme der Prüfung unterlaufene Fehler ist zudem erheblich für die abschließende Prüfungsentscheidung. Ein Verfahrensfehler kann nur dann zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung führen, wenn er wesentlich ist und somit ein Einfluss auf das Prüfungsergebnis nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. § 46 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 VwVfG LSA). Dieselben Grundsätze gelten für die Feststellung materieller Prüfungsfehler (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 1997 – 6 C 11.96 -, juris Rn. 21). Sind die genannten Auswirkungen mit der erforderlichen Gewissheit auszuschließen, besteht kein Anspruch auf Neubewertung, weil sich die Prüfungsentscheidung im Ergebnis als zutreffend und damit als rechtmäßig darstellt. Einer speziellen untergesetzlichen Regelung über die Unbeachtlichkeit eines derart unerheblichen Prüfungsfehlers bedarf es angesichts der bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 12 Abs. 1 GG nicht. Die Gerichte unterliegen bei der Überprüfung der Kausalität eines Verfahrens- oder Prüfungsfehlers denselben Grenzen, die sie bei der Überprüfung zu beachten haben, ob ein solcher vorliegt. In den prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum der Prüfer darf auch die gerichtliche Kausalitätsprüfung nicht eindringen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 1997 – 6 C 11.96 -, a. a. O. Rn. 22). Die Beweislast für die Kausalität eines Prüfungsfehlers auf das Prüfungsergebnis trägt dabei nicht der Prüfling (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. September 1984 – 7 C 57.83 -, juris Rn. 44).
In Anwendung dieser Grundsätze rechtfertigt der festgestellte Fehler die Aufhebung der Prüfungsentscheidung, weil sein Einfluss auf das Ergebnis der Prüfungsentscheidung nicht mit der erforderlichen Gewissheit objektiv ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. November 1971 – VII B 71.70 -, juris Rn. 3; BVerwG, Urteil vom 4. Mai 1999 – 6 C 13.98 -, juris Rn. 48; VGH Bayern, Urteil vom 8. September 1999 – 7 B 99.292 -, juris Rn. 31; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, a. a. O. Rn. 488). Es lässt sich vorliegend nicht ausschließen, dass sich der Fehler auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt hat, er also (wenigstens) möglicherweise von Einfluss auf das Prüfungsergebnis gewesen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Oktober 2020 – 6 C 8.19 -, a. a. O. Rn. 12, und vom 18. Dezember 1987 – 7 C 49.87 -, juris Rn. 21; Brehm/Zimmerling, Der Prüfungsprozess. Überdenkungsverfahren. Klageverfahren. Vorläufiges Rechtsschutzverfahren, 2004, Rn. 232). Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass der hier gegebene Verfahrensfehler einer unzureichenden Ermittlung der Fähigkeiten und Kenntnisse der Klägerin zugleich dem inhaltlichen Bewertungsvorgang eine wesentliche Grundlage entzieht.
Danach ist vorliegend nicht abzusehen, wie die am 22./23. November 2017 von den Fachprüferinnen getroffene Prüfungsentscheidung ausgefallen wäre, wenn die Zeugin E. dergestalt an der gesamten klägerischen Prüfung teilgenommen hätte, dass sie auch die klägerischen Prüfungsleistungen im Patientenbad beobachtet und bewertet hätte. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass die Klägerin bessere Noten erzielt hätte, wenn die Zeugin E. auch die klägerischen Prüfungsleistungen im Patientenbad zur Kenntnis genommen hätte. Denn zum einen beruht die Prüfungsentscheidung auf dem Fehler, da Herr Dr. W. die Prüfungsnote für den praktischen Teil der Prüfung aus den Noten der Fachprüferinnen (Gesamtnote jeweils 4,6) gebildet und die Zeugin E. ihre Note ohne eine Bewertung der klägerischen Prüfungsleistungen im Patientenbad gebildet hat. Zum anderen vermag das Gericht nicht festzustellen, dass das Prüfungsergebnis ohne den festgestellten Fehler nicht anders ausgefallen wäre.
Letzteres ist beispielsweise anzunehmen, wenn der Fehler sich in seinen Auswirkungen auf einen Teil der Prüfung beschränkt und ein Prüfungserfolg schon wegen der schlechten Leistungen in den anderen Prüfungsteilen ausgeschlossen ist (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, a. a. O. Rn. 490, 492; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Februar 2012 – 9 S 2793/10 -, juris Rn. 11 ff.; VG Ansbach, Urteil vom 31. Januar 2020 – AN 2 K 18.01544 -, juris Rn. 35 f.). Dies erscheint klar und eindeutig, wenn die Noten rechnerisch aus Teilleistungen ermittelt werden und die übrigen Teilleistungen schon rechnerisch eine Verbesserung durch eine Nachkorrektur ausschließen. So liegen die Dinge hier indes nicht. Die Fachprüferinnen bewerteten die einzelnen klägerischen Prüfungsleistungen am Patienten vielmehr nicht für sich genommen, sondern bildeten Teilnoten für die Kategorien „Pflegeanamnese und Pflegemaßnahmenplanung“, „Fachkompetenz“, „Methodenkompetenz“, „Sozial-kommunikative Kompetenz“, „Personale Kompetenz“ sowie „Prüfungsgespräch“ und ließen diese in ihre Bewertung der Prüfungsleistungen einfließen. Der festgestellte Fehler stellt sich darüber hinaus auch nicht als bloße Belanglosigkeit ohne jedes wirkliche Gewicht dar, weil die Versorgung der Patientin 2 einen nicht unerheblichen zeitlichen Umfang der Prüfung ausmachte und bei der Vergabe fast aller Teilnoten eine Rolle spielte. Das Prüfungsgeschehen im Bad dauerte den glaubhaften Bekundungen der Zeugin E. zufolge zwischen 20 und 45 Minuten der insgesamt sechsstündigen praktischen Prüfung. Dies stellt einen mehr als nur unerheblichen Anteil der Prüfungszeit dar, berücksichtigt man überdies, dass der Prüfling für die Erstellung einer Pflegedokumentation bereits zwei Stunden aufwendet.
Entgegen der Argumentation des Beklagten folgt eine evidente Unerheblichkeit des festgestellten Fehlers schließlich nicht aus der Erwägung, dass bereits die außerhalb der Badsituation aufgetretenen Fehler zum Nichtbestehen der Prüfung geführt hätten. Ob hinreichend sicher auszuschließen ist, dass ohne den festgestellten Fehler im Prüfungsverfahren ein besseres Prüfungsergebnis erzielt worden wäre, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten. Dabei sind an einen solchen Ausschluss strenge Anforderungen zu stellen (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 29. September 2015 – 2 ME 234/15 -, juris Rn. 12; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Januar 2019 – 14 A 2042/18 -, juris Rn. 31). Im Hinblick auf den eingreifenden Grundrechtsschutz durch Verfahren sind nämlich angesichts der nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte die damit einhergehenden Defizite des Grundrechtsschutzes soweit wie möglich durch verbindliche Regelungen des Prüfungsverfahrens zu kompensieren. Vor diesem Hintergrund hätten selbst dementsprechende Bekundungen der Fachprüferinnen, dass allein die übrigen Fehler zu einem Nichtbestehen der Prüfung geführt hätten, nicht für einen Nachweis der Unerheblichkeit des festgestellten Fehlers genügt. Vielmehr sind in der vorliegenden Fallgestaltung keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Fachprüferinnen unter Ausschluss jeglichen vernünftigen Zweifels im Rahmen ihrer Bewertung bei einer vollständigen Kenntnisnahme der klägerischen Prüfungsleistungen durch die Zeugin E. nicht auch zu einer anderen Benotung hätten gelangen können. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin bestreitet, eine Vielzahl der ihr vom Beklagten zur Last gelegten Fehler begangen zu haben. Abgesehen davon lassen die ihr nachgewiesenen Mängel nicht auf ein derart krasses Versagen der Klägerin schließen, dass es für die Notenvergabe auf ihr gesamtes Prüfungsverhalten im Patientenbad nicht mehr angekommen wäre. Den Protokollen und Stellungnahmen der Fachprüferinnen lassen sich auch keine Anhaltpunkte dafür entnehmen, dass diese hiervon ausgegangen wären. Derartiges wird im Zweifel nur in Fällen des annähernd völligen Versagens in Betracht kommen, also nur bei einem schwachen „mangelhaft“ oder „ungenügend“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Mai 1999 – 6 C 13.98 -, a. a. O. Rn. 51). Ein derart eindeutiger Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Vielmehr lagen die Bewertungen der Fachprüferinnen mit Gesamtnoten von 4,6 im Grenzbereich zwischen einem besseren „mangelhaft“ und einem schwachen „ausreichend“. Danach ist es nicht auszuschließen, dass die Benotung der Zeugin E. anders ausgefallen wäre, hätte sie auch den Prüfungsteil im Patientenbad unmittelbar und vollständig zur Kenntnis genommen und in die Bewertung einfließen lassen. Immerhin gelangte sie bereits ohne Berücksichtigung der klägerischen Prüfungsleistungen im Patientenbad zu einer Gesamtnote von 4,6. Bereits bei einer Gesamtnote von 4,2 ergäbe sich aber ein Durchschnitt der Gesamtnoten beider Fachprüferinnen von 4,4 und die Klägerin hätte bei Bildung der Note „4“ durch Herrn Dr. W. die Prüfung bestanden.
b. Ein weiterer durchgreifender Mangel liegt in der Art und Weise der erfolgten Beteiligung der Frau C. am praktischen Teil der streitbefangenen Prüfung. Aufgrund des intensiven Eingriffs berufsbezogener Prüfungen in die Freiheit der Berufswahl sind Regelungen über die Auswahl der Prüfer, ihre Zahl und ihr Verhältnis zueinander – wie zuvor ausgeführt – aufgrund des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts dem Gesetzgeber vorbehalten. Der Grundentscheidung über die Zuständigkeit für die jeweilige Prüfung kommt auch im Hinblick auf den Grundsatz der Chancengleichheit und das Wesen der Beurteilungsermächtigung der Prüfer eine hervorgehobene Bedeutung zu. Denn die durch den Prüfer vorzunehmende Leistungsbeurteilung beruht auf seiner höchstpersönlichen Einschätzung und Wertung, die von zahlreichen Unwägbarkeiten bestimmt ist und nur einer begrenzten gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Eine nicht zu den Prüfern zählende Person hat sich deshalb jeder Einwirkung auf die Prüfung zu enthalten. Dies folgt aus den verfahrensmäßigen Regelungen der Besetzung des Prüfungsausschusses und der Auswahl der Fachprüfer in §§ 4, 15 KrPflAPrV, denen im Hinblick auf das Wesen der Beurteilungsermächtigung eine hervorgehobene Bedeutung zukommt. Denn die durch den Prüfer vorzunehmende Leistungsbeurteilung beruht auf seiner höchstpersönlichen Einschätzung und Wertung, die von zahlreichen Unwägbarkeiten bestimmt ist und nur einer begrenzten gerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31. Januar 1995 – 14 S 2867/93 -, juris Rn. 36). Es widerspricht aber dem Wesen der Beurteilungsermächtigung und dem rechtsstaatlichen Gebot sachlicher Unabhängigkeit der Prüfer, außenstehende Dritte in einer Weise zu beteiligen, dass ihnen ein bestimmender Einfluss auf das Prüfungsergebnis eingeräumt wird (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Januar 1990 – 9 S 3071/88 -, juris Rn. 36).
Den unwidersprochenen Einlassungen der Klägerin zufolge nahm Frau C. als prüfungsfremde Person an der gesamten praktischen Prüfung teil. Sie war weder Fachprüferin i. S. d. § 15 Abs. 3 KrPflAPrV noch sonst nach der KrPflAPrV zur Teilnahme an der Prüfung berechtigt. Die Teilnahme eines Beobachters ist zwar nach der Prüfungsverordnung möglich. Dass vorliegend eine Entsendung der Frau C. zur Teilnahme an der Prüfung als Beobachterin durch den Beklagten als zuständiger Behörde gemäß § 4 Abs. 4 KrPflAPrV erfolgte, vermochte indes weder der Beklagtenvertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestätigen, noch enthält der von ihm als vollständig vorgelegte Verwaltungsvorgang eine dahingehende Annahme rechtfertigende Anhaltspunkte.
Unbeschadet dessen ergibt sich aus den in das Verfahren eingeführten Unterlagen, dass Frau C. im Prüfungsverlauf tatsächlich nicht lediglich die Rolle einer Beobachterin eingenommen hat, sondern ihr vielmehr überdies Möglichkeiten der Einflussnahme auf das Prüfungsergebnis eingeräumt wurden, obwohl sie in der Prüfung am 22./23. November 2017 nicht zu den Fachprüferinnen zählte. Beispielsweise führte die Zeugin D. in ihren Stellungnahmen vom 5. Juni und 12. August 2018 aus, dass sie Frau C. im Prüfungsverlauf hinsichtlich der fehlenden Ablagefläche im Patientenbad befragt habe, wie dies im Stationsalltag gehandhabt werde, um die Situation bewerten zu können. Ihren Angaben zufolge bewertete sie die fehlende Bereitstellung von Ablageflächen negativ und nicht den Patientenbedürfnissen angemessen, weil nach Aussage der Frau C. als Ablagefläche bei Bedarf ein Hocker oder Stuhl bereitgestellt werde, was mit der Klägerin auch geübt worden sei. In ihrer Widerspruchsbegründung führte die Klägerin zudem aus, dass Frau C. auch in dem abschließenden Fachgespräch geantwortet haben soll. Es ist ferner nicht auszuschließen, dass Frau C. als hierzu nicht berufene Dritte neben dieser expliziten Einflussnahme auf das Prüfungsergebnis zu einem wesentlichen Teil auch unbewusst, das heißt nicht als solches wahrgenommen, auf die Prüfung einwirkte (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 31. Januar 1995 – 14 S 2867/93 -, a. a. O. Rn. 36, und vom 16. Januar 1990 – 9 S 3071/88 -, a. a. O. Rn. 37). Es kommt noch hinzu, dass Frau C. über eine eigene Prüferqualifikation verfügt und in der ebenfalls nicht bestandenen klägerischen Prüfung am 4./5. Juni 2018 als Fachprüferin eingesetzt war. Die Beteiligung der Frau C. in dem konkret erfolgten Umfang steht damit weder in Einklang mit den vom Gesetzgeber zu treffenden Regelungen über Auswahl und Zahl der Prüfer sowie ihr Verhältnis zueinander, noch mit der Praxis des Beklagten, nach der in seinem Geschäftsbereich die praktischen Prüfungen stets von zwei Fachprüfern abgenommen werden.
Die Klägerin hat diesbezüglich auch nicht gegen Rügeobliegenheiten verstoßen. Denn der Fehler steht im Zusammenhang mit der Frage einer ordnungsgemäßen Besetzung der Prüfungskommission. Wie zuvor dargelegt, ist die Prüfungsbehörde dafür verantwortlich, dass der Prüfung in ihrer konkreten Form eine hinreichende Rechtsgrundlage zugrunde liegt und eine rechtmäßige Bestimmung der zuständigen Prüfer erfolgt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 26. Juni 2019 – 9 S 1209/18 -, a. a. O. Rn. 25, und vom 10. März 2015 – 9 S 2309/13 -, a. a. O. Rn. 35; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. März 1989 – 22 A 688/88 -, juris Rn. 27; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, a. a. O. Rn. 217 und 401 m. w. N.).
Schließlich ist auch dieser Mangel erheblich, weil er sich auf das Ergebnis der Leistungsbeurteilung ausgewirkt haben kann. Es lässt sich nicht ausschließen, dass die Klägerin bei einer Vermeidung der unzulässigen Mitwirkung der Frau C. bessere Noten erzielt hätte. Die von Frau C. erteilten Auskünfte und Antworten haben jedenfalls den Rahmen mitbestimmt, innerhalb dessen die Bewertung durch die Fachprüferinnen erfolgte, weil sie bestimmte Bewertungsgesichtspunkte aufgezeigt und möglicherweise andere unerwähnt gelassen haben. Obgleich der genaue Umfang der Einflussnahme der Frau C. auf das Prüfungsergebnis im Einzelnen nicht feststellbar sein mag, lässt auch dieser Umstand die Kausalität des Fehlers für die Prüfungsentscheidung im Ergebnis nicht entfallen, weil sich eventuelle Unklarheiten insoweit nicht zulasten des Prüflings, sondern des Beklagten auswirken.
Offenbleiben kann danach, ob nicht schon aufgrund der bloßen Teilnahme der Frau C. an der gesamten Prüfung von einem durchgreifenden Prüfungsfehler auszugehen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung betreffend die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.000,- Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG sowie in Anlehnung an Nr. 36.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NVwZ-Beilage 2013, S. 58 ff.), die für Streitigkeiten über eine den Berufszugang eröffnende abschließende staatliche Prüfung einen Streitwert in Höhe des festgesetzten Betrages vorsieht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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