Verwaltungsrecht

Beweisverwertungsverbot im Entlassungsverfahren (verneint), persönliche (charakterliche) Eignung, Anschein ausländerfeindlicher Tendenzen, fremdenfeindliche Beleidigungen, sexistische Bemerkungen, Folgepflicht, Verfassungstreuepflicht

Aktenzeichen  B 5 S 21.416

Datum:
16.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 25032
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BPolBG § 2 i.V.m. § 37 Abs. 1 und 2 BBG
VwVfG § 28
BBG § 61 Abs. 1 S. 3
BBG § 60 Abs. 1 S. 3
BBG § 62 Abs. 1 S. 2
BBG § 66
VwGO § 80 Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Anträge werden abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 6.306,97 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist Bundespolizeimeisteranwärter im Dienste der Antragsgegnerin im Beamtenverhältnis auf Widerruf. Er begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Widersprüche gegen die Entlassung aus dem Beamtendienst auf Widerruf und das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte, deren sofortige Vollziehung jeweils angeordnet wurde.
1. Der am …1992 geborene Antragsteller, der bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung zum Dachdecker absolviert hat, begann am 01.03.2019 seine Ausbildung zum Polizeimeister im mittleren Polizeivollzugsdienst unter Ernennung zum Beamten auf Widerruf (Polizeimeisteranwärter – PMA) bei der Bundespolizei. Die Ausbildung fand beim Bundespolizeiaus- und Fortbildungszentrum (BPOLAFZ) in … statt.
Mit E-Mail vom 15.06.2020 wurde die Stabsstelle Ermittlungen des BPOLAFZ … darüber in Kenntnis gesetzt, dass es in der Lehrgruppe … möglicherweise zu Beleidigungen mit rassistischem Hintergrund gegen PMA D* … gekommen sei.
Am 22.06.2020 fand durch den Ermittlungsführer beim BPOLAFZ … eine Anhörung des PMA D* … im Rahmen von Verwaltungsvorermittlungen statt (Verwaltungsakte Bl. 20 ff). Dabei gab dieser an, dass er ab September 2019 bis zum 20.05.2020, als die Lehrgruppe wegen der Coronapandemie ins Homeoffice gegangen sei, mehrmals in der Woche wegen seiner Herkunft von Mitauszubildenden beleidigt worden sei. Beispielsweise habe der Antragsteller ihn beleidigt mit den Worten “Scheiß Türke“, „Geh in dein Land zurück“, „Drecks Türke“. Außerdem habe er zu ihm gesagt, dass die Eltern von PMA D* … PMAin C* … für Ziegen abkaufen würden. Der Hintergrund sei gewesen, dass er sich mit dieser gut verstehe und sich des Öfteren mit ihr unterhalte. Der Antragsteller habe dies öfter geäußert und es auch sehr witzig gefunden. PMAin C* … habe dies ebenfalls mitbekommen, auch andere aus der Lehrgruppe wie beispielsweise PMA V*, PMAin O* … und PMA E* … Anfangs habe PMA D* … noch mitgegrinst und manchmal auch zurückbeleidigt. PMA D* … denke, dass der Antragsteller der Meinung gewesen sei, dass er es auch lustig finde und der Antragsteller deshalb weitergemacht habe. Der Antragsteller habe außerdem auch PMA B* … mit Worten wie „Eselficker“ oder „Ziegenficker“ betitelt. Des Weiteren hätten auch PMA H* …, PMA K* … sowie PMA Bu* … solche Äußerungen vorgenommen. PMA Bu* … habe auch einmal die Sache mit dem Abkaufen von PMAin C* … für Ziegen gesagt. Die anderen drei hätten solche Äußerungen jedoch viel weniger häufig getätigt als der Antragsteller. Diese Äußerungen seien beispielsweise in der Pause gefallen, wenn man zusammen diskutiert habe. Auf Frage, warum er so spät damit komme, führte PMA D* … aus, dass er im Januar 2020 in der Prüfungsphase gewesen sei und im März dann Urlaub gehabt habe. Am 04.05.2020 habe er dann das Gespräch mit Polizeioberkommissar (POK) K* … gesucht und dabei den Eindruck gehabt, dass er anfangs nicht ernst genommen worden sei.
Am 25.06.2020 hörte Polizeihauptkommissar (PHK) T* … PMAin C* … zu diesem Sachverhalt an. Ausweislich des Anhörungsprotokolls bestätigte diese, dass der Antragsteller gegenüber PMA D* … die von diesem bereits geschilderten Äußerungen getätigt habe. Mit Tränen in den Augen habe PMAin C* … auch die Äußerung mit dem Ziegenkauf bestätigt. Beide hätten sich miteinander unterhalten und Scherze gemacht. Auch andere aus der Lehrklasse seien auf das Thema eingestiegen, sie könne sich nicht mehr genau erinnern, wer. Entweder sei es PMA H* … oder PMA Bu* … gewesen. Auch an die Umstände könne sie sich nicht mehr erinnern. Der Antragsteller, PMA H* …, PMA Bu* … und PMA K* … hätten auch den Begriff „Scheiß Türke“ verwendet. Aus diesem Grund seien im ersten und zweiten Dienstjahr von den Lehrgruppenleitern noch mehrfache Ansprachen an die Klasse erfolgt. Als Wortführer der Anfeindungen schätze sie den Antragsteller und PMA Bu* … ein. Die Äußerungen müssten ihren Angaben zufolge zwischen Oktober bzw. November 2019 und März bzw. April 2020 gefallen sein. Die Beleidigungen seien manchmal vermehrt aufgetreten, dann wieder weniger. Die Äußerungen seien immer dann gefallen, wenn miteinander gescherzt worden sei. Das hätte sich jedoch immer hochgeschaukelt und PMA D* … habe nie gezeigt, dass ihn das eigentlich belaste. Das habe er ihr aber öfter im Nachgang mitgeteilt. Er habe dann auch nicht entgegengewirkt, sondern eher mitgemacht und zurück beleidigt. Das Verhältnis in der Lehrklasse schätze sie so ein, dass es Zusammenhalt gebe, wenn es hart auf hart komme. Generell gebe es auch in dieser Klasse – wie überall – eine Grüppchenbildung, aber nicht etwa verhärtete Fronten.
Am 10.07.2020 hörte PHK T* … PMA B* … zu dem geschilderten Sachverhalt an. Ausweislich des dazu gefertigten Protokolls habe dieser die Aussprüche nicht als rassistische Beleidigungen aufgefasst. Für ihn seien es einfach blöde Sprüche gewesen, die in Bezug auf PMA D* … vor allem mit dessen krankheitsbedingtem Ausfall zu tun gehabt hätten. Jemand habe zu ihm gesagt: „Warum machst du denn schon wieder nicht mit, geh mal zum Arzt.“ Rassistischen Hintergrund oder einen Zusammenhang mit dem Migrationshintergrund des PMA D* … hätten die Äußerungen, die er gehört habe, nicht gehabt. Der Antragsteller habe einen eigenen Charakter. Wenn er aber etwas sage, was andere vielleicht falsch auffassen könnten, gehe er hin und entschuldige sich gleich dafür. Der Antragsteller, PMA K* …, PMA H* … und PMA Bu* … seien gut befreundet. PMAin C* … gehöre da nicht dazu. PMA D* … gehöre nicht eng in diese Gruppe, gehöre aber zur Klassengemeinschaft und sei allgemein akzeptiert. Weitere Aussagen, die man als rassistische Beleidigungen hätte auffassen können, habe er nie gehört. Einmal habe er nur gehört, dass der Antragsteller und PMA D* … sich gegenseitig hochgeschaukelt hätten. Der Antragsteller habe dann „Scheiß Türke“ gesagt. Das sei aber nicht irgendwie rassistisch oder böse gemeint gewesen, sondern mehr im Spaß. Der Antragsteller habe dies auch einmal zu ihm gesagt. Direkt im Anschluss habe er aber gesagt, dass es nur Spaß gewesen sei. Er habe zu ihm dann auch im Spaß „Scheiß Deutscher“ gesagt. Einmal seien nach einer Party, bei der PMA B* … von einem Mädchen einen Korb bekommen habe, vom Antragsteller ihm gegenüber die Begriffe „Eselficker“ oder „Ziegenficker“ gefallen. Dies habe der Antragsteller aber nur im Spaß gemeint und er auch so verstanden. Gegenüber PMA D* … könnte eine solche Äußerung möglicherweise auch einmal gefallen sein. Die Sache mit dem Verkauf von PMAin C* … habe er mitbekommen. Er gehe davon aus, dass das spaßig gemeint gewesen sei, habe aber auch vermutet, dass diese das auf einer anderen Ebene aufgenommen habe, weil sie da etwas empfindlicher sei und auch öfter wegen Kleinigkeiten weine. Seiner Meinung nach habe PMA D* … solche Äußerungen teils lustig gefunden, teilweise aber auch nicht gewollt und nicht gesagt, dass der Antragsteller das lassen solle. Von PMA Bu* … habe er so etwas nie gehört. PMA H* … habe zu ihm mal im Spaß „Scheiß Türke“ gesagt, was er als Spaß aufgefasst habe. Von PMA K* … habe er sowas auch nicht gehört.
Mit Schreiben vom 31.07.2020 wandte sich die Antragsgegnerin an den Antragsteller und teilte ihm mit, dass sie gemäß § 17 Abs. 1 des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) ein Disziplinarverfahren wegen des Verdachts eines Dienstvergehens gegen ihn einleite.
Nach den Bemerkungen seines Praxisausbilders Polizeimeister (PM) K* … zu seinem Praktikum „Bahnpolizeiliche Aufgaben“ an der Dienststelle … Hauptbahnhof (Disziplinarakte Bl. 50) vom 15.08.2020 habe sich der Antragsteller im Umgang mit den Kollegen sowie der Kundschaft stets professionell und höflich verhalten.
Bis zum 02.11.2020 bzw. 09.11.2020 erfolgten weitere schriftliche Anhörungen der PMAinnen J* … und K* …, der Anwärter M* …, L* … und B* … sowie des Polizeihauptmeister (PHM) S* …, auf die Bezug genommen wird.
In ihrer schriftlichen Anhörung zu den Äußerungen des Antragstellers gegenüber PMA D* … und PMA B* … gab PMAin K* … an (Disziplinarakte Bl. 108), dass es in der Lehrgruppe häufiger zu Äußerungen gekommen sei, die nicht angebracht gewesen seien. Allerdings habe es sich um Späße innerhalb der Lehrgruppe gehandelt (Disziplinarakte Bl. 107). Sie habe einen türkischen Migrationshintergrund. Bei Vorträgen oder Fragen im Unterricht habe nach einiger Zeit der Mut gefehlt, denn man habe genau gewusst, es würde wieder irgendein Spruch fallen. Deshalb habe man dies unterdrückt. So sei es auch den anderen gegangen. Sie habe häufiger mit den Mädels darüber gesprochen und jeder habe sich darüber aufgeregt, ab und zu seien auch Tränen geflossen. Die meisten Sprüche seien vom Antragsteller gekommen. Man habe im Klassenzimmer gesessen und von hinten sei der Spruch gekommen „Oh …, heute mal geschminkt, für wie viel Euro kann man dich denn die Nacht haben?“. Es seien weitere Sprüche gefallen. Weil sie das nach einiger Zeit sehr belastet habe, sei sie auch zum Psychologen im BPOLAFZ gegangen, dies sei aber nicht der einzige Grund gewesen.
Zu der Äußerung des Antragstellers „Oh …, heute mal geschminkt, für wie viel Euro kann man dich denn die Nacht haben“ und zu der Äußerung des PMA K* … „… bitte nehm den … nicht zu tief in deinen Hals“ wurden in der Zeit vom 11. bis 13.11.2020 Zeugen (Verwaltungsakte Bl. 87 ff.) angehört, auf deren Äußerungen Bezug genommen wird.
Polizeikommissar (PK) F* … erstellte unter dem 06.07.2020 ein Persönlichkeits- und Leistungsbild über den Antragsteller (Disziplinarakte Bl. 35). Darin wurde u.a. festgehalten, dass er sich in manchen Situationen als „Sprücheklopfer“ hervortue. Diese Sprüche gingen auch mal in sarkastischer Weise zu Lasten eines oder einer anderen. Dieses Persönlichkeits- und Leistungsbild sei aufgrund der kurzen Zeit nicht sehr aussagekräftig. Er sei für den Beruf des Polizeivollzugsbeamten bei der Bundespolizei charakterlich und aufgrund seiner erbrachten Leistungen geeignet. POK D* … erstellte unter dem 30.07.2020 ebenfalls ein Persönlichkeits- und Leistungsbild über den Antragsteller (Disziplinarakte Bl. 31). Darin stellte er abschließend fest, dass der Antragsteller gegenüber allen PMA und PMAinnen ein normales Verhältnis im täglichen Umgang pflege und insbesondere mit PMA und PMAinnen mit Migrationshintergrund keine Probleme aufgetreten seien. Er werde als geeignet für den Polizeiberuf gesehen.
Mit Schreiben vom 11.12.2020 wurde dem Antragsteller vor dem Hintergrund einer beabsichtigten Entlassung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Mit Schreiben vom 16.12.2020 räumte der Antragstellerbevollmächtigte die Äußerung gegenüber PMAin K* … ein, jedoch sei keine „sexistische“ Erklärungstendenz damit verbunden gewesen (Gerichtsakte Bl. 67 unter 3.). Sie habe maßgeblich zu dieser unüberlegt-spontanen Äußerung beigetragen. Denn sie habe sich an dem betreffenden Morgen im Aus- und Fortbildungszentrum in auffallend stark geschminktem „aufgedonnertem“ Zustand eingefunden und habe weit vernehmbar intensiv nach Parfüm geduftet. Dies sei sonst auch unter den weiblichen Lehrgangsteilnehmern im Aus- und Fortbildungszentrum unüblich. Der üblicherweise unter Anwärtern gepflegte Umgangston sei von saloppen und in vielfacher Hinsicht grenzwertigen Äußerungen geprägt gewesen. Eine abgegebene Einverständniserklärung zur schriftlichen Einvernahme weiterer Zeugen werde zurückgenommen.
Mit Schreiben vom 23.12.2020 (Verwaltungsakte Bl. 156), gerichtet an die Bundespolizeiakademie, beantragte der Antragstellerbevollmächtigte die Mitwirkung des Personalrats gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 2 des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG). Der Gesamtpersonalrat der Bundespolizeiakademie teilte mit Schreiben vom 03.03.2021 mit, dass keine Einwände gegen die beabsichtigte Entlassung des Antragstellers erhoben worden seien (Verwaltungsakte Bl. 214).
Mit Bescheid vom 24.09.2020 wurde dem Antragsteller gegenüber ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte unter Anordnung des Sofortvollzugs ausgesprochen. Dagegen legte der Antragsteller über seinen Bevollmächtigten am 08.10.2020, eingegangen bei der Bundespolizeiakademie am 12.10.2020, Widerspruch ein (Verwaltungsakte Bl. 67).
Mit Bescheid vom 15.03.2021 wurde das zwischen dem Antragteller und der Bundesrepublik Deutschland am 01.03.2019 begründete Beamtenverhältnis auf Widerruf wegen mangelnder persönlicher (charakterlicher) Eignung gem. § 37 Abs. 1 Bundesbeamtengesetz (BBG) i.V.m. § 2 Bundespolizeibeamtengesetz (BPolBG) widerrufen und der Antragteller aus der Bundespolizei entlassen. Die Antragsgegnerin ordnete darüber hinaus die sofortige Vollziehung der Entlassungsverfügung gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) an. Mehrere Vorfälle hätten in der Summe zu Zweifeln an seiner charakterlichen Eignung für den Beruf eines Polizeivollzugsbeamten geführt. Der Antragsteller habe rassistisch beleidigende Äußerungen gegenüber PMA D* … sowie PMA B* … sowie despektierliche Äußerungen gegenüber weiblichen Auszubildenden getätigt. Die rassistischen Äußerungen führten zu erheblichen Zweifeln an der charakterlichen Eignung des Antragstellers für seinen Beruf. Im Falle des Bekanntwerdens könne der Bundespolizei der Vorwurf gemacht werden, sie würde derartigem Umtreiben junger Polizeibeamter, die eine Nähe zu rassistischem Gedankengut vermuten ließen, nicht entschieden entgegentreten, sondern dulden. Es bestehe die Gefahr, dass er im polizeilichen Alltag gegenüber Mitmenschen mit Migrationshintergrund einen solchen Sprachgebrauch wähle, dadurch das Ansehen der Bundespolizei erheblich schädigen könne und sich möglichen strafrechtlichen Beleidigungsvorwürfen ausgesetzt sehe. Der Antragsteller sei zum Thema Mobbing durch POK D* … zusätzlich sensibilisiert worden. Dennoch habe er die Aussagen nicht unterlassen. Sein Verhalten habe PMA D* … belastet und bei ihm nachweisbar zu Krankheitssymptomen und -fehlzeiten geführt. Das Verhaltens- und Sprachgebrauchsmuster stelle einen Charakterzug des Antragstellers dar.
Gegenüber PMAin K* … habe der Antragsteller eine sexuelle Belästigung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) begangen und dadurch gegen die Wohlverhaltenspflicht verstoßen. Das Verständnis des Antragstellers Frauen gegenüber könne zu Problemen im Vollzugsdienst führen. Ein weiterer Verbleib führe zu einem erheblichen Ansehensverlust für die Bundespolizei. Es könnte dem Eindruck Vorschub geleistet werden, die Bundespolizei dulde in ihren Reihen Personen, die ein sexistisches und rassistisches Verhalten gegenüber den eigenen Kolleginnen und Kollegen zeigten. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller den Betriebsfrieden innerhalb der Lehrgruppe gefährden werde.
Der Sofortvollzug sei anzuordnen, weil sich ein weiterer Verbleib auf den Ausbildungsbetrieb erheblich störend auswirke. Eine möglichst effektive und reibungslose Ausbildung liege im öffentlichen Interesse. Durch den Sofortvollzug werde der Antragsteller nicht im Unklaren gelassen und könne sich neu orientieren, sodass er auch in seinem Interesse ergehe. Dies ergebe sich auch aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn wegen künftiger möglicher Rückforderungsansprüche, die das finanzielle Leistungsvermögen des Antragstellers übersteigen könnten. Der Öffentlichkeit sei nicht zu vermitteln, dass ein Beamter mit charakterlichen Mängeln weiterhin monatelang alimentiert werde und die Gelegenheit erhalte, die Laufbahnbefähigung für einen Beruf im öffentlichen Dienst zu erwerben.
Die Gleichstellungsbeauftragte habe keine auf das Bundesgleichstellungsgesetz bezogenen Einwände erhoben.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers legte am 08.04.2021 Widerspruch gegen die Entlassungsverfügung vom 15.03.2021 ein, der bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht verbeschieden wurde.
2. Mit Schriftsatz vom 09.04.2021, eingegangen per Fax beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, ließ der Antragsteller über seinen Bevollmächtigten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Widersprüche des Antragstellers vom 08.04.2021 gegen die Entlassungsverfügung der Antragsgegnerin vom 15.03.2021 sowie vom 08.10.2020 gegen die Verbotsverfügung vom 24.09.2020 wird wiederhergestellt.
Zur Begründung führte er aus, dass sämtliche dem Antragsteller gegenüber erhobenen relevanten disziplinarrechtlichen Vorwürfe durch die Zeugenvernehmungen widerlegt worden seien. Die Verfügung sei formell rechtswidrig. Dem Antragsteller sei rechtswidrig die Teilnahme an dem Zeugeneinvernahmetermin am 21.10.2020 versagt worden. Für einen Widerruf reiche es nicht, dass während des Vorbereitungsdienstes ernsthafte oder begründete Zweifel an Befähigung und Eignung aufkämen. Der Beamte müsse seine Dienstpflichten so nachhaltig verletzt haben, dass daraus auf eine charakterliche Nichteignung für eine spätere Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit geschlossen werden könne. Die Entlassung dürfe nicht willkürlich erfolgen. Eine charakterliche Nichteignung des Antragstellers habe sich nicht bestätigt. Die Vorwürfe beleidigenden Verhaltens seien, bis auf die Spontanäußerung gegenüber PMAin K* …, widerlegt. Die Verfügung gründe auf der widerlegten Behauptung des Zeugen D* … Er verwies auf die Beweiswürdigungen der Antragstellerseite in den Schriftsätzen vom 02.11.2020 und 16.12.2020. Diese seien bei der Bescheidsbegründung gänzlich außer Betracht gelassen worden. Der Antragsteller habe dem Hauptbelastungszeugen D* … seine eigenen Lernmittel und Mitschriften zur Prüfungsvorbereitung zur Verfügung gestellt, was gegen eine ausländerfeindliche Tendenz oder rassistisch geprägte Einstellung spreche. Dieser Aspekt sei bei der Entscheidungsfindung auf Antragsgegnerseite unterschlagen worden.
Ein derber Umgangston sei nicht von vornherein disziplinarisch relevant. Gerade im Rahmen einer ausgelassenen, kumpelhaften Atmosphäre könne ein ungewöhnlich derber Umgangston herrschen. Die gegenüber dem Zeugen D* … getätigten Äußerungen seien lediglich eine Reaktion auf dessen Äußerungen. Im Verhältnis zum Zeugen B* … seien von ihm keine rassistischen Beleidigungen ausweislich des Vernehmungsprotokolls vom 10.07.2020 bestätigt worden. Der Antragsteller habe sich nachdrücklich von den Begriffen „Ziegenficker“ und „Eselficker“ distanziert. Solche Äußerungen habe er nie getätigt. Die spontan gegenüber Zeugin PMAin K* … getätigte Bemerkung „für wieviel Euro man sie für diese Nacht haben könnte“ sei dem Antragsteller spontan beim morgendlichen Auftritt der Zeugin über die Lippen gekommen, da sie, entgegen der sonstigen Gepflogenheiten – auch der weiblichen Anwärter -, stark geschminkt, die Haare nach oben gesteckt und weit vernehmbar nach Parfüm duftend erschienen sei. Der Antragsteller habe sofort bemerkt, dass er zu weit gegangen sei und sich bei nächster Gelegenheit noch am selben Tag bei der Kollegin entschuldigt.
Nach Kenntnis des Antragstellers seien gegen den Zeugen D* … keine Maßnahmen getroffen worden. Es bestehe der begründete Eindruck und Verdacht der Bevorzugung von Anwärterkollegen allein wegen deren Migrationshintergründen.
Es bestehe ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Der Antragsteller müsse dringend wieder an bisherige Ausbildungsinhalte anknüpfen und seine Ausbildung endlich abschließen. Die belegbaren Vorwürfe seien im Ergebnis noch tolerabel und marginal.
Hinsichtlich des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte liege ein Rechtsschutzinteresse vor. Es ergebe sich aus der wiederherzustellenden aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der Entlassungsverfügung.
Mit Schriftsatz vom 19.04.2021 beantragt die Bundespolizeiakademie für die Antragsgegnerin, den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.
Zur Begründung wurde vollumfänglich auf die Ausführungen des streitgegenständlichen Bescheids vom 15.03.2021 Bezug genommen.
Mit Schriftsätzen vom 29.04.2021 und 21.05.2021 machte der Antragstellerbevollmächtigte weitere Ausführungen.
In einem Schreiben vom 29.04.2021 teilte die Antragsgegnerin ergänzend mit, dass die Einstellung des Disziplinarverfahrens nach rechtskräftiger Entscheidung über die Entlassung verfügt werde.
3. Zu den weiteren Einzelheiten wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Behördenakte und die Disziplinarakte verwiesen.
II.
Die Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche haben keinen Erfolg. Hinsichtlich der Entlassungsverfügung ist der Antrag unbegründet (dazu 1.), hinsichtlich des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte ist der Antrag bereits unzulässig (dazu 2.).
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen. Bei dieser Entscheidung hat es entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Lässt sich schon bei summarischer Prüfung eindeutig feststellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, sodass ein Widerspruch oder eine Klage wohl Erfolg haben werden, kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts bestehen. Kann im summarischen Verfahren noch keine eindeutige Antwort auf die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts gegeben werden, weil z.B. der der Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt noch weiterer Aufklärung bedarf oder weil sich die Erfolgsaussichten nicht ohne die Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens usw. beurteilen lassen, bedarf es einer Abwägung der öffentlichen Interessen am Sofortvollzug gegenüber den Interessen des Betroffenen an der eigentlich von Gesetzes wegen grundsätzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs. Erweist sich eine angefochtene Verfügung bereits bei summarischer Überprüfung im Aussetzungsverfahren als offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt in der Regel das Interesse an ihrem sofortigen Vollzug. Zeigt sich im Rahmen der Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für oder gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts, kann auch dies zur Gewichtung der betroffenen Interessen herangezogen werden.
1. Der Bescheid der Bundespolizeiakademie vom 15.03.2021 erweist sich bei summarischer Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren als rechtmäßig.
a) Die Anordnung des Sofortvollzuges erfolgte in formell rechtmäßiger Weise (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Die Begründung der Vollzugsanordnung der Antragsgegnerin vom 15.03.2021 genügt diesem gesetzlichen Erfordernis. Zur Begründung wurde angeführt, dass wegen der dem Antragsteller zur Last gelegten Verfehlungen sowie des Umstandes, dass ein Beamter mit rassistischer und sexistischer Gesinnung eine erhebliche Ansehensschädigung für die Bundespolizei darstelle, ein weiterer Verbleib in der Ausbildung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Entlassungsverfahrens nicht zu rechtfertigen sei. Ein weiterer Verbleib würde sich erheblich störend auf den Ausbildungsbetrieb auswirken, da etliche Mitauszubildende vom Antragsteller in das Verfahren involviert worden und weitere Mitauszubildende vor seinem Verhalten zu schützen seien. Eine möglichst effektive und reibungslose Ausbildung von Polizeivollzugsbeamten liege im öffentlichen Interesse. Der Vorbereitungsdienst diene zudem nicht der Unterhaltssicherung des Beamten. Durch den Sofortvollzug werde der Antragsteller nicht im Unklaren gelassen und könne sich neu orientieren, sodass er auch in seinem Interesse ergehe. Dies ergebe sich auch aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn wegen künftiger möglicher Rückforderungsansprüche, die die Leistungsfähigkeit des Antragstellers übersteigen könnten. Der Öffentlichkeit sei nicht zu vermitteln, dass ein Beamter mit charakterlichen Mängeln weiterhin monatelang alimentiert werde und die Gelegenheit erhalte, die Laufbahnbefähigung für einen Beruf im öffentlichen Dienst zu erwerben.
Die Begründung ist nicht lediglich formelhaft, sondern lässt erkennen, dass die Behörde eine Einzelfallprüfung vorgenommen und die unterschiedlichen, einander widerstreitenden Interessen der Beteiligten gegeneinander abgewogen hat. Insbesondere hat die Behörde nicht nur einseitig auf die Interessenlage der öffentlichen Hand abgestellt, sondern auch die Interessen des Antragstellers berücksichtigt. Auch hinsichtlich der Gründe, die auf den Zweck des Vorbereitungsdienstes und die Schwierigkeiten bei etwaiger Rückzahlung abstellen, ist nichts zu erinnern. Bei gleichartigen Tatbeständen können den genannten Erfordernissen auch gleiche oder gruppentypisierte, gegebenenfalls auch formblattmäßige Begründungen genügen. Es muss stets gewährleistet sein, dass auch die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt werden (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO Kommentar, 25. Auflage 2019, § 80, Rn. 84 m.w.N.). Gemessen daran setzt sich die Antragsgegnerin mit den Umständen des Einzelfalls auseinander und schildert die tragenden Erwägungen der Sofortvollzugsanordnung. Dadurch wird dem Antragsteller die Chance gegeben, seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels abzuschätzen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 25. Aufl. 2019, § 80, Rn. 85 m.w.N.). Eine ordnungsgemäße Begründung liegt somit vor.
b) Auch die Entlassungsverfügung selbst ist nach summarischer Prüfung sowohl formell als auch materiell rechtmäßig.
aa) Die Entlassungsverfügung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Der Antragsteller ist ordnungsgemäß nach § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) angehört worden. Der Personalrat wurde auf Antrag des Antragstellers gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 2 BPersVG beteiligt und hat mit Schreiben vom 03.03.2021 mitgeteilt, dass keine Einwände erhoben werden. Die Gleichstellungsbeauftragte der Bundespolizeiakademie wurde beteiligt und erhob keine auf das Bundesgleichstellungsgesetz bezogenen Einwände.
bb) Rechtsgrundlage für die Entlassung des Antragstellers ist § 2 BPolBG i.V.m. § 37 Abs. 1 BBG. Danach können Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Der gesetzliche Begriff „jederzeit“ hat nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine sachliche Komponente. Es genügt zur Rechtfertigung der Entlassung jeder sachliche, das heißt nicht willkürliche Grund (BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48.78 – BVerwGE 62, 267/268).
Das dem Dienstherrn bei einem Beamtenverhältnis auf Widerruf allgemein eingeräumte weite Entlassungsermessen ist durch § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG dahingehend eingeschränkt, dass Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit gegeben werden soll, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen. Diese Vorschrift schränkt die Möglichkeit der Entlassung nicht nur dort ein, wo der Vorbereitungsdienst als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu qualifizieren ist (etwa OVG RhPf, B.v. 30.7.2004 – 2 B 11152/04 – NVwZ-RR 2005, 253 zur Entlassung eines Studienreferendars aus dem Vorbereitungsdienst), sondern auch dort, wo ein Vorbereitungsdienst – wie hier – für eine Beamtenlaufbahn abgeleistet wird, dessen Abschluss nicht den Zugang zu einer Beschäftigung außerhalb des Beamtenverhältnisses ermöglicht (z.B. OVG NW 18.2.2019 – 6 B 1551/18 – juris Rn. 17 m.w.N. zur Entlassung eines Kommissaranwärters). Die Sollvorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG erlaubt allerdings Ausnahmen im Einzelfall. Voraussetzung hierfür ist, dass die Entlassungsgründe mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Einklang stehen (BVerwG, B.v. 26.1.2010 – 2 B 47.09 – juris Rn. 6).
Die Entlassung ist mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes vereinbar, wenn der Beamte aufgrund mangelnder Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung den Anforderungen der Laufbahn – mit Blick auf den Antragsteller also des (mittleren) Polizeivollzugsdienstes – nicht gerecht wird. Insoweit genügen entgegen der Ansicht der Antragstellerseite bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung (i.S.v. § 9 Satz 1 BBG) für ein Amt in der angestrebten Laufbahn besitzt (BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48.78 – BVerwGE 62, 267/268; BayVGH, B.v. 13.11.2014 – 3 CS 14.1864 – juris Rn. 22; OVG Bremen, B.v. 13.7.2018 – 2 B 174/18 – juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 18.2.2019 – 6 B 1551/18 – juris Rn. 20). Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist daher nicht von dem Nachweis eines Dienstvergehens abhängig (vgl. BayVGH, B.v. 2.5.2019 – 6 CS 19.481 – juris Rn. 14).
Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der Dienstherr seine Annahme, es lägen Eignungszweifel vor, auf einen zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt gestützt, er den Rechtsbegriff der Eignung nicht verkannt und bei der von ihm zu treffenden Prognoseentscheidung allgemeingültige Wertmaßstäbe beachtet und auch sonst keine sachwidrigen Erwägungen angestellt hat (OVG NW, B.v. 27.9.2017 – 6 B 977/17 – juris Rn. 4).
In Anwendung dieser Maßstäbe ist die Entlassung des Antragstellers nach summarischer Prüfung rechtlich nicht zu beanstanden. Die Bundespolizeiakademie ist weder von einem unzureichend oder unzutreffend ermittelten Sachverhalt ausgegangen, noch hat sie mit der Annahme von begründeten Zweifeln an der persönlichen Eignung des Antragstellers für ein Amt als Polizeivollzugsbeamter die Grenzen ihres Beurteilungs- und Ermessensspielraums überschritten.
Zunächst ist bezüglich des Übergangs vom Disziplinarzum Entlassungsverfahren nichts zu erinnern. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung kommt es nicht darauf an, wie das Disziplinarverfahren fortgeführt wurde. Ersteres ist für das zweitgenannte Verfahren vorgreiflich, da sich die Sanktion im Disziplinarverfahren danach richtet, ob es zu einer Entlassung kommt. Es reicht, den Vorgang aktenkundig zu machen und dem Beamten bekannt zu geben (vgl. Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, 32. Update April 2021, 12.2 Wechsel der Verfahrensarten, Rn. 51). Diese Voraussetzungen wurden erfüllt. Spätestens mit dem Entwurf der Anhörung zur Entlassung vom 11.12.2020 (Verwaltungsakte Bl. 128) wurde dieser Wechsel aktenkundig gemacht. Dem Antragsteller wurde der Verfahrenswechsel mit dem Anhörungsschreiben vom selben Tag bekannt gegeben (Verwaltungsakte Bl. 137).
Vorliegend bedurfte es keiner besonderen oder weitergehenden Sachverhaltsaufklärung nach disziplinarrechtlichen Vorschriften. Die Entlassungsvorschrift des § 37 BBG verlangt – anders als § 34 Abs. 3 Satz 2 BBG für die Entlassung von Beamten auf Probe wegen eines Dienstvergehens, das im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte – nicht die entsprechende Anwendung der §§ 21 bis 29 des BDG. Die Entlassungsbehörde hat vielmehr nach dem allgemeinen verfahrensrechtlichen Untersuchungsgrundsatz des § 28 Abs. 1 VwVfG den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, wobei sie Art und Umfang der Ermittlungen von Amts wegen bestimmt und nicht an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten gebunden ist (so BayVGH B.v. 2.5.2019 – 6 CS 19.481 – juris Rn. 17). Nach dem im Entlassungsverfahren anwendbaren § 26 VwVfG gilt der Grundsatz des Freibeweises, d.h. die Behörde darf sich nach pflichtgemäßem Ermessen sämtlicher ihr zur Verfügung stehender Beweismittel, soweit erforderlich, bedienen (BVerwG, B.v. 26.8.1998 – 11 VR 4.98 – juris Rn. 10; BayVGH B.v. 23.10.2017 – 6 ZB 17.941 – juris Rn. 9: zur Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe im mittleren Polizeivollzugsdienst).
Der gerügte Verfahrensfehler, dass dem Antragsteller rechtswidrig die Teilnahme an dem Zeugeneinvernahmetermin am 21.10.2020 versagt worden sei, ist, wenn überhaupt, lediglich im Rahmen des Disziplinarverfahrens zu beachten. Denn das Disziplinarverfahren ist darauf gerichtet, dienstliches Fehlverhalten zu sanktionieren, wofür der Gesetzgeber ein ausdifferenziertes Verfahren mit besonderen Verfahrensrechten im BDG geschaffen hat. Das Entlassungsverfahren ist nicht auf die Verhängung einer Sanktion, sondern auf die Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtet. Die Entlassung eines Widerrufsbeamten durch ein Disziplinarverfahren ist ohnehin nicht möglich, da § 5 Abs. 3 BDG dem entgegensteht. Diese Norm verweist ihrerseits darauf, dass für die Entlassung von Widerrufsbeamten wegen eines Dienstvergehens § 37 BBG gilt. Im Gegensatz zum Disziplinarverfahren hat der Gesetzgeber für die Entlassung eines Widerrufsbeamten, ausweislich des Wortlauts des § 37 BBG, kein besonderes Verfahren geschaffen. Es verbleibt bei dem allgemeinen Verwaltungsverfahren des VwVfG, insbesondere dem Freibeweisverfahren. Eine Fortwirkung etwaiger Beweisverwertungsverbote widerspräche zudem dem o.g. Zweck des Entlassungsverfahrens. Der Dienstherr soll die Möglichkeit haben, umfassend den Sachverhalt zu ermitteln, der zu etwaigen berechtigten Zweifeln an der Eignung des Antragstellers führen kann. Denn nur so wird gewährleistet, dass eine materiell rechtmäßige Entscheidung im öffentlichen Interesse an einer effektiven Verwirklichung der Verwaltungsaufgaben getroffen wird. Eine Nichtverwertbarkeit des Sachverhalts liefe dem zuwider. Daraus folgt, dass die Zeugenaussagen, ungeachtet etwaiger Beweiserhebungs- oder -verwertungsverbote vollumfänglich verwertet werden durften. Überdies stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme dar, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24.02.2011 – 2 BvR 1596/10 – juris Rn. 10; Hessischer VGH, U.v. 27.2.2018 – 6 A 2148/16 – juris Rn. 26). Für das Verwaltungsverfahren nach dem VwVfG gibt es keine entsprechende ausdrückliche Vorschrift (vgl. Hessischer VGH, U.v. 27.2.2018 – 6 A 2148/16 – juris Rn. 26; Schleswig-Holsteinisches VG, B.v. 19.4.2021 – 11 B 15/21 – juris Rn. 32: zu einem ausländerrechtlichen Sachverhalt), das Verfahrensrecht für das Disziplinarverfahren, in dem es Beweisverwertungsverbote geben kann, findet hier keine Anwendung. Übergeordnete wichtige Gründe, die es ausnahmsweise gebieten könnten, es zu unterlassen, die Ergebnisse der Zeugenbefragung zu verwerten, sind nicht ersichtlich. Vielmehr überwiegt das öffentliche Interesse an einer materiell rechtmäßigen Entlassungsentscheidung. Denn Beamte sind im öffentlichen Interesse tätig und werden aus öffentlichen Geldern alimentiert. Demgegenüber muss das private Interesse an der Nichtverwertung von Zeugenaussagen zurückweichen.
Die Bundespolizeiakademie ist von einem zureichend und zutreffend ermittelten Sachverhalt ausgegangen. Die Sachverhaltsaufklärung der Bundespolizeiakademie, hinsichtlich der in der Entlassverfügung im Einzelnen geschilderten Vorfälle bzw. des Verhaltens des Antragstellers, ist nicht zu beanstanden. Die Bundespolizeiakademie hat hinsichtlich der Vorfälle alle beteiligten Personen angehört. Namentlich finden sich in den Verwaltungs- und Disziplinarakten die Anhörungsprotokolle von PMA D* …, PMA B* … und PMAin K* …, sowie die Einlassung des Antragstellers zu seinem Verhalten gegenüber PMAin K* … Darüber hinaus wurden weitere Zeugen angehört, die zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen haben. Sie konnten übereinstimmend vortragen, dass sich die Mitglieder der Lehrgruppe regelmäßig gegenseitig beleidigt haben. PMAin O* … konnte sich an beleidigende Äußerungen gegen PMA D* … erinnern, z.B. das Wort „Kanacke“ (Disziplinarakte Bl. 68 – Nr. 2 Frage 1). Außerdem konnten PMA V**(Disziplinarakte Bl. 75 – 4. Frage: „Bruce Lee“) und PMAin K* … (Disziplinarakte Bl. 107 – Frage 2.20.) bestätigen, dass hinsichtlich ihres Migrationshintergrundes Sprüche gefallen sind. PMA V* führte aus, dass der Antragsteller PMA D* … im Rahmen gegenseitiger Beleidigungen „Kanacke“ genannt habe (Disziplinarakte Bl. 74). Auch ist hervorzuheben, dass sich die Aussagen des PMA D* …, des PMA B* … und der PMAin C* … im Verwaltungsvor- und Disziplinarverfahren im Kern weitgehend gedeckt haben, obwohl zwischen den Vorermittlungen und der Vernehmung im Disziplinarverfahren vier Monate lagen. Hinsichtlich seines Verhaltens gegenüber PMAin K* … räumt der Antragsteller über seinen Bevollmächtigten selbst ein, PMAin K* … in der ihm vorgeworfenen Art und Weise angesprochen zu haben. Ähnliches gilt für das dem Antragsteller vorgeworfene Verhalten gegenüber seinen Kolleginnen. Insoweit wurden seitens der Bundespolizeiakademie sämtliche Beteiligte vernommen. PMAin Ca* … (Disziplinarakte Bl. 189 f.), PMAin C* … (Disziplinarakte Bl. 194 f.) und PMAin O* … (Disziplinarakte Bl. 198) gaben an, sich an Wortfetzen erinnern zu können, die eine starke Nähe zum vorgeworfenen Satz gehabt hätten. Die PMAinnen K* … (Disziplinarakte Bl. 181 ff.), Ca* … (Disziplinarakte Bl. 189 f.), C* … (Disziplinarakte Bl. 196) und O* … (Disziplinarakte Bl. 200) legten außerdem dar, dass immer wieder Sprüche u.a. zum äußeren Erscheinungsbild der weiblichen Auszubildenden getätigt worden seien, teilweise vom Antragsteller. Die Aussagen sind widerspruchsfrei vorgetragen, decken sich im Kern und geben ein einheitliches Gesamtbild wieder. Deshalb liegt ein glaubhafter Sachverhalt vor. Zudem geht aus zwei Kontaktgesprächen vom 30.04.2020 mit den PMAinnen K* … und J* … (Disziplinarakte Bl. 175 und 176) hervor, dass es Kommentare, unter anderem von männlichen Mitauszubildenden gäbe, die unpassend gewesen seien. In diesen Gesprächen wird der Antragsteller zwar nicht explizit genannt, jedoch ergibt sich daraus ein Gesamtbild, dass auch er unpassende Bemerkungen an die PMAinnen gerichtet hat.
Die vom Antragstellerbevollmächtigten vorgetragene Beweiswürdigung kann die Tragfähigkeit der ermittelten Tatsachengrundlage nicht in Frage stellen.
Die Argumentation, dass kein Ausbilder die Äußerungen des Antragstellers wahrgenommen habe und diese deshalb außerdienstlich erfolgt seien, verfängt nicht (Gerichtsakte Bl. 44). Denn zum einen kommt es für die Annahme eines innerdienstlichen Bezuges nicht auf die Wahrnehmung der Ausbilder an. Zudem sind die Beleidigungen innerhalb der Lehrgruppe, auch während des Unterrichts und der Pausen (Disziplinarakte u.a. Bl. 15, 18, 20, 21, 28, 98 f.), gefallen. Der Bevollmächtigte räumt darüber hinaus selbst ein, dass ein gegenseitiges Necken oder „kleine Sticheleien“ üblich gewesen seien. Wie der betroffene PMA D* … die streitgegenständlichen Äußerungen (nach außen hin) aufgenommen hat, hat keinen Einfluss auf deren rechtliche Bewertung. Auch verfängt die Behauptung nicht, dass PMAin C* … wegen ihrer landsmannschaftlichen Verbundenheit und ihrer emotionalen Nähe die Unwahrheit gesagt habe. Aus ihrer Zeugenbefragung (Disziplinarakte Bl. 86 und 87) und der Befragung des PMA D* … (Disziplinarakte Bl. 98) geht hervor, dass sie ein gutes Verhältnis zu PMA D* … hatte und sich nicht von ihm beeinflusst fühlte. Der Kontakt sei im Laufe der Zeit schlechter geworden. Außerdem hat sie auch zu Verhaltensweisen des PMA D* … in einer Weise vorgetragen, die ihn belasten und zu seiner Entlassung führen könnten. Auch kann dahinstehen, ob der Antragsteller gegenüber PMA D* … grundsätzlich freundlich aufgetreten ist, da die streitgegenständlichen Äußerungen davon unabhängig zu bewerten sind. PMA D* … war als glaubwürdig einzuschätzen, da er zum einen seine Zeugenaussage aus den Verwaltungsvorermittlungen im Kern weitgehend deckungsgleich im Rahmen der Anhörung im Disziplinarverfahren wiederholt hat. Zudem hat er eingeräumt, dass er selbst den Antragsteller beleidigt hat und sich damit selbst belastet.
Auch wenn die rassistischen Beleidigungen innerhalb der Lehrgruppe seitens des Antragstellers bestritten werden, ergibt sich doch ein einheitliches Gesamtbild der Geschehnisse. Damit liegt eine tragfähige Tatsachengrundlage für die Entlassung vor, da sie von allen einvernommenen Zeugen in den wesentlichen Grundzügen übereinstimmend geschildert wurde. Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der umfangreichen Zeugenbefragungen den Sachverhalt vollständig ermittelt. Insbesondere durfte die Antragsgegnerin diese Aussagen als glaubhaft ansehen, weil die Zeugen erkennbar bemüht waren, dem Antragsteller nicht zu schaden und über den fehlenden Belastungseifer hinaus positive Verhaltensweisen und eine fehlende ausländerfeindliche Haltung des Antragstellers explizit hervorhoben. In ihrem Bescheid hat sich die Antragsgegnerin mit den Einlassungen des Antragstellers durch seinen Bevollmächtigten auseinandergesetzt. Die Durchführung weiterer Ermittlungen war nicht angezeigt. Dasselbe gilt auch für die Äußerung des Antragstellers gegenüber PMAin K* … und weiteren Kolleginnen.
Die Bundespolizeiakademie durfte aufgrund der tatsächlichen Feststellungen, die sie in nicht zu beanstandender Weise getroffen und in der Entlassungsverfügung aufgeführt hat, berechtigte Zweifel an der persönlichen Eignung des Antragstellers für ein Amt des Polizeivollzugsdienstes in der Bundespolizei haben. Die charakterliche Eignung ist ein Unterfall der persönlichen Eignung. Hierfür ist die prognostische Einschätzung entscheidend, inwieweit der Betreffende der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird (BVerwG, B.v. 20.7.2016 – 2 B 18.16 – juris Rn. 26). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Eignung nicht nur an den Anforderungen des Vorbereitungsdienstes, sondern auch an denen der angestrebten Laufbahn zu messen ist (BVerwG, U.v. 17.12.1959 – 6 C 70.50 – BVerwGE 10, 75 [79]; BayVGH, B.v. 12.12.2011 – 3 CS 11.2397 – juris Rn. 34). Von den Polizeivollzugsbeamten ist in diesem Sinne eine gewisse soziale Kompetenz zu erwarten; es wird von ihnen verlangt, zugleich einerseits deeskalierend und andererseits die polizeilichen Ziele verfolgend auf andere Menschen einzuwirken (vgl. NdsOVG, B. 7.2.2009 – 5 ME 25/09 – juris Rn. 32).
Im Rahmen der Vorfälle zeigte der Antragsteller ein dienstpflichtwidriges Verhalten im Umgang mit seinen Ausbildungskollegen, von dem davon auszugehen ist, dass es nicht situativ bedingt, sondern Folge seines Charakterzuges ist.
Bereits die zeitliche Dauer, während der das angeschuldigte Verhalten offenbar stattgefunden hat, spricht für den von der Antragsgegnerin dargelegten charakterlichen Mangel. Das dem Antragsteller zur Last gelegte Verhalten hat dieser nach den Ermittlungsergebnissen der Antragsgegnerin für die Dauer von fast einem Jahr an den Tag gelegt. Zwar hat der Zeuge PMA D* … erstmals im Juni 2020 den betreffenden Sachverhalt einer Ermittlungskommission zur Kenntnis gebracht. Den Ausbildern sind die hier gegenständlichen Äußerungen gemeldet worden. Dies hat in der Konsequenz auch zu einer allgemeinen Ansprache vor der gesamten Klasse geführt (Disziplinarakte Bl. 12). Danach seien die Äußerungen zunächst unterblieben, hätten sich danach aber wieder gehäuft.
Auch inhaltlich handelt es sich bei den durch die Zeugen vorgetragenen Äußerungen des Antragstellers unzweifelhaft um Ausdrücke, die einen fremdenfeindlichen bzw. rassistischen Einschlag haben. Im Rahmen der Zeugenbefragung stellte sich heraus, dass der Antragsteller, der der Anführer der Gruppe war, in mehreren Fällen die betreffenden Ausdrücke und Formulierungen verwendet hat. So gab PMA D* … in seiner Vernehmung an, u.a. der Antragsteller hätte neben PMA K* …, PMA H* … und PMA Bu* … Äußerungen wie „Scheiß Türke“, „Geh in dein Land zurück“, „Drecks Türke“, „Eselficker“ oder „Ziegenficker“ getätigt. Gegenüber PMA B* … sei der Begriff „Scheiß Türke“ durch den Antragsteller gefallen.
Mit diesem Auftreten innerhalb der Lehrgruppe hat der Antragsteller die Anforderungen an das inner- und außerdienstliche Verhalten eines (künftigen) Bundespolizisten erheblich verletzt. Namentlich hat der Antragsteller gegen seine inner- und außerdienstlichen Verhaltenspflichten nach § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG verstoßen. Die diesbezügliche wertende Würdigung des Verhaltens des Antragstellers, die einen Rückschluss auf die für seine charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulässt, ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar und im Ergebnis nicht zu beanstanden (vgl. BVerwG, B.v. 20.7.2016 – 2 B 17.16 – juris Rn. 26; OVG Bremen, B.v. 14.7.2018 – 2 B 174.18 – juris Rn. 10).
Dabei ist es unerheblich, welche Motivation den Antragsteller zu den getätigten Äußerungen veranlasst hat. Den Akten ist zu entnehmen, dass von den „Belastungszeugen“ lediglich PMA D* … glaubt, dass der Antragsteller eine rassistische Grundeinstellung habe (Disziplinarakte Bl. 95). Im Übrigen wird dem Antragsteller keine ausländerfeindliche Haltung unterstellt (s.o.).
Es ist ein legitimes Interesse der Antragsgegnerin, bereits den Anschein rechtsradikaler, rassistischer oder ausländerfeindlicher Tendenzen in der Bundespolizei zu vermeiden. Auch bei Anwärtern für den Polizeivollzugsdienst ist ein absolut korrektes Verhalten gegenüber der Rechtsordnung und im Umgang miteinander unabdingbar, vor allem auch unter Beachtung des Ansehens der Polizei in der Öffentlichkeit (BayVGH, B. v. 12.10.2017, Az.: 6 CS 17.1722 – BeckRS 2017, 131749 Rn. 14). Der Dienstherr darf und muss von einem Polizeibeamten erwarten, dass er stets deeskalierend und besonnen auftritt und sich auch im innerdienstlichen Bereich nicht fremdenfeindlich oder rassistisch äußert (vgl. VG Ansbach, U. v. 22.3.2017, Az.: 11 K 16.90, BeckRS 2017, 133326 Rn. 25, beck-online). Im Fall des Bekanntwerdens der Vorgänge in der Öffentlichkeit könnte der Antragsgegnerin nämlich der Vorwurf gemacht werden, sie würde derartigen Umtrieben junger Polizeibeamter, die eine Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut vermuten ließen, nicht entschieden entgegentreten, sondern sie vielmehr dulden. Solche Vorwürfe können in den Medien erfahrungsgemäß negative Schlagzeilen bewirken, die, ohne Rücksicht auf die näheren Umstände und Hintergründe des Vorfalls zu nehmen, das Ansehen der Polizei beschädigen können (VG Augsburg, U. v. 14.1.2016, Az.: 2 K 15.283, BeckRS 2016, 42516 Rn. 23, beck-online). Hinzu kommt, dass aufgrund der zeitlichen Dimension des Verhaltens des Antragstellers nicht ausgeschlossen werden kann, dass er sich im Dienst gegenüber Bürgerinnen und Bürgern entsprechend äußert und sie dadurch beleidigt. Dieses Risiko muss der Dienstherr nicht sehenden Auges hinnehmen.
Die Antragsgegnerin durfte in Anbetracht der obigen Ausführungen auch Zweifel an der Verfassungstreue des Antragstellers als Unterfall der charakterlichen Eignung gem. § 60 Abs. 1 Satz 3, § 7 Abs. 1 Nr. 2 BBG haben. Gem. § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG gehört es zu den Grundpflichten eines Beamten, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten. Die Verfassungstreuepflicht ist ein hergebrachter und zu beachtender Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG und zudem ein Merkmal der persönlichen Eignung im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG (vgl. BayVGH, B.v. 2.5.2019 – 6 CS 19.481- juris Rn. 19 m.w.N.). Diesbezüglich genügt bereits das zurechenbare Setzen eines Anscheines einer verfassungsfeindlichen Gesinnung, die hier infolge der seitens des Antragstellers geäußerten rassistischen Beleidigungen vorliegt.
Zurecht ging die Antragsgegnerin ferner davon aus, dass der Antragsteller auch gegen die Folgepflicht aus § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG verstoßen hat, weil er trotz entsprechender Belehrungen im Zuge einer Ansprache des POK D* … vor der Lehrklasse (Disziplinarakte Bl. 95 und 165) die Beleidigungen wiederholt und in vollem Bewusstsein ausgesprochen hat. Indem der Antragsteller die Worte seines Lehrgangsleiters missachtet und nach seinen Hinweisen sein ursprüngliches Verhalten fortgesetzt hat, hat er vorsätzlich und schuldhaft gegen diese Folgepflicht verstoßen. Nach Ziff. 4.2. der „Werte und Verhaltensregeln für Dienstanfängerinnen und Dienstanfänger an der BPOLAK, der HS Bund, den BPOLAFZ und den Sportschulen“ sei kein Platz für Intoleranz und Anfeindungen jeglicher Art (Gerichtsakte Bl. 193). In diesem Werk wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass entsprechendes Fehlverhalten konsequent geahndet wird und zur Entlassung führen kann. Gegen diese Verhaltensanforderungen hat der Antragsteller jeweils verstoßen, indem er PMA D* …und PMA B* … fremdenfeindlich beleidigt hat – ungeachtet eines möglicherweise grundsätzlich rauen Tons innerhalb der Lehrgruppe. Soweit der Antragsteller vorträgt, er kenne die „Verhaltensregeln“ nicht, ist das nicht glaubhaft, die Kammer geht insoweit von einer Schutzbehauptung aus.
Hinzu treten weitere berechtigte Zweifel der Antragsgegnerin an der charakterlichen Eignung des Antragstellers für den Polizeivollzugsdienst wegen seines Verhaltens gegenüber PMAin K* … und den weiteren weiblichen PMAinnen. Diese stellen einen selbstständig tragenden Entlassungsgrund dar, auf den sich die Bundespolizeiakademie im Rahmen der Ausdehnung ihres Disziplinarverfahrens nach summarischer Prüfung ohne Rechtsfehler gestützt hat.
Die Argumentation, die Äußerung sei dem Antragsteller spontan beim morgendlichen Auftritt der Zeugin über die Lippen gekommen, da sie, entgegen der sonstigen Gepflogenheiten – auch der weiblichen Anwärter -, stark geschminkt war, die Haare nach oben gesteckt hatte und weit vernehmbar nach Parfüm duftend erschienen war, verfängt nicht. Denn der Antragsteller ist für seine Wortwahl selbst verantwortlich. Seine nachträgliche Entschuldigung zeigt zwar seine Reue, ändert aber nichts an dem Umstand, dass er nicht in der Lage war, sich zu kontrollieren. Die Kammer hält es aufgrund der Zeugenaussagen zudem für glaubhaft, dass sich der Antragsteller gegenüber einzelnen weiblichen Mitauszubildenden über einen längeren Zeitraum sexistisch über ihr Erscheinungsbild geäußert hat.
Durch sein Verhalten verletzt er seine Pflicht innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die der Beruf des Antragstellers erfordert, § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG. Sein Verhalten weist auch einen innerdienstlichen Bezug auf, da sich seine Sprüche an seine Kolleginnen gerichtet haben und teilweise während des Unterrichts gefallen sind; den Satz gegenüber PMAin K* … hat er in der Klasse vor Angehörigen der Lehrgruppe geäußert (Disziplinarakte Bl. 182). Von Polizeibeamten ist zu erwarten, dass sie sich besonnen, kontrolliert und absolut korrekt verhalten. Ein wesentlicher Charakterzug des Polizisten ist die Fähigkeit zur Zusammenarbeit, die durch derartige Äußerungen erheblich gestört wird. Die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht bezweckt auch die Erhaltung des Betriebsfriedens, um eine effektive Verwaltungsarbeit zu gewährleisten. Die Aussage des Antragstellers war geeignet, den Betriebsfrieden zu stören, wofür auch der Umstand spricht, dass PMAin K* … u.a. wegen der Kommentare den Psychologen im Aus- und Fortbildungszentrum konsultierte (Disziplinarakte Bl. 109). Im Rahmen seiner Fürsorgepflicht muss der Dienstherr seine Beamten vor derartigen Übergriffen schützen, vgl. § 78 Satz 1 BBG. Ähnliches gilt für die Aussprüche des Antragstellers gegenüber seinen weiteren Kolleginnen.
Dass der Antragsgegnerin infolge des festgestellten Sachverhalts berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers für den Polizeiberuf erwachsen sind, begegnet nach summarischer Prüfung keinen rechtlichen Bedenken. Die Ereignisse belegen exemplarisch den Umgang des Antragstellers mit seinen Mitmenschen. Auch die teils positiven Persönlichkeits- und Leistungsbilder können nichts daran ändern, zumal aus diesen auch hervorgeht, dass sich der Antragsteller in manchen Situationen als Sprücheklopfer hervorstellt und seine Sprüche auch mal in sarkastischer Weise zu Lasten eines oder einer anderen gingen. Aufgrund ihrer Vorbildfunktion ist ein freundlicher, kollegialer und respektvoller Umgang unter Polizisten zu erwarten. Seine Aussagen lassen zu Recht daran zweifeln, dass er den nötigen Respekt gegenüber seinen Kolleginnen und Kollegen aufweist und teamfähig ist. Hinzu kommt, dass er im polizeilichen Alltag gegenüber Mitmenschen mit Migrationshintergrund einen solchen Sprachgebrauch wählen könnte, wodurch er sich möglichen strafrechtlichen Beleidigungsvorwürfen ausgesetzt sehen würde. Hinsichtlich seines Verhaltens gegenüber PMAin K* … und seinen weiteren Kolleginnen ist zu befürchten, dass es zu entsprechenden Problemen im Polizeivollzugsdienst führen könnte. Seine Verhaltensweise gegenüber seinen Kolleginnen ist weder vorbildlich, noch mit dem Berufsbild eines Polizeivollzugsbeamten zu vereinbaren.
Zum einen hat der Antragsteller PMA D* … über fast ein Jahr beleidigt und ist auf seine Gegenbeleidigungen eskalierend eingegangen. Hier hätte er, wie es die Antragsgegnerin vorträgt, deeskalierend diesen Beleidigungen Einhalt gebieten müssen, indem er sie u.a. nicht erwidert. Zum anderen hat er seine Kollegin PMAin K* …, ohne dass es dafür einen Grund gegeben hat, als Reaktion auf ihr Erscheinungsbild beleidigend angesprochen. Da sein Verhalten in seinem Charakter angelegt ist, hat die Antragsgegnerin zu Recht befürchtet, dass der Antragsteller Mitbürger in entsprechender Weise beleidigen könnte. Da er die Wirkung seines Verhaltens auf andere nicht angemessen einzuschätzen wusste und insofern davon auszugehen war, dass er dieses fortführen und weiterhin den Betriebsfrieden innerhalb der Lehrgruppe gefährden wird, war es gerechtfertigt, seinen Vorbereitungsdienst zu beenden. Die Prognoseentscheidung der Antragsgegnerin ist deshalb nicht zu beanstanden.
Ein Verstoß gegen das in § 37 Abs. 1 BBG angelegte Willkürverbot oder gegen die Fürsorgepflicht liegt ebenfalls nicht vor. Der Vorwurf, der Antragsteller würde ungleich dem Zeugen PMA D* …behandelt, verfängt nicht. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 1, § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 24 Nr. 1 AGG ist nicht ersichtlich. Denn insofern ist es dem Dienstherrn vorbehalten, ob und wie er gegen PMA D* … vorgehen will. Dahingehend hat er ein eigenes Entschließungs- und Auswahlermessen. Zudem hat er noch keine positive oder negative Entscheidung zur Entlassung des PMA D* … getroffen, wodurch im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entlassungsverfügung keine Benachteiligung vorliegen kann.
Die Antragsgegnerin durfte aus diesen Gründen ohne Rechtsfehler von begründeten Zweifeln an der persönlichen (charakterlichen) Eignung des Antragstellers für den Polizeivollzugsdienst ausgehen, die seiner Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe oder Lebenszeit entgegenstehen würden. Deshalb war es gerechtfertigt, ihn in Ausnahme zu der Sollvorschrift des § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf zu entlassen, ohne ihm die Möglichkeit zu geben, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen.
c) Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der angefochtenen Entlassungsverfügung überwiegt das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Dies ist seitens der Antragsgegnerin einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet worden. Aufgrund der die fristlose Entlassung rechtfertigenden Zweifel an der persönlichen Eignung des Antragstellers für die angestrebte Laufbahn wird der Sofortvollzug insbesondere gerechtfertigt durch das öffentliche Interesse an einem ungestörten Dienstbetrieb, der Vermeidung eines Ansehensverlust in der Öffentlichkeit und auch innerhalb der eigenen Reihen sowie durch das fiskalische Interesse, einen wohl ungeeigneten Anwärter nicht bis zum rechtskräftigen Abschluss des voraussichtlich erfolglosen Hauptsacheverfahrens zu alimentieren.
2. Der weitere Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte ist bereits unzulässig. Der Antragsteller hat kein Rechtsschutzbedürfnis (insofern wird auf 2. verwiesen).
3. Die Anträge waren deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
4. Der Streitwert richtet sich hinsichtlich der Entlassung nach § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57). Anzusetzen war insoweit die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Anwärterbezüge nach §§ 59 ff. des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) i.V.m. Anlage VIII des BBesG (Anwärtergrundbetrag für Eingangsamt der Besoldungsgruppe A 7 – Polizeimeister – von 1.268,99 €); dieser Betrag war für das Verfahren des Eilrechtsschutzes nochmals zu halbieren. Daraus ergibt sich ein Betrag i.H.v. 3.806,97 Euro. Der Streitwert hinsichtlich des Dienstgeschäfteführungsverbots richtet sich nach § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57). Dieser Betrag war für das Verfahren des Eilrechtsschutzes nochmals zu halbieren. Daraus ergibt sich ein Betrag i.H.v. 2.500,00 Euro. Der Streitwert beträgt deshalb insgesamt 6.306,97 Euro, § 39 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.1.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, da die Streitgegenstände einen selbstständigen materiellen Gehalt haben.


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