Verwaltungsrecht

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Aktenzeichen  Au 1 S 22.9

Datum:
21.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 15351
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, ein am … geborener indischer Staatsangehöriger, wendet sich im Rahmen des Eilrechtsschutzes gegen die Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Er reiste mit einem durch das deutsche Generalkonsulat in M. am 22. Dezember 2020 ausgestellten Schengen-Visum zu Besuchszwecken am 24. Dezember 2020 in das Bundesgebiet ein. Nach Vorlage diverser Atteste hinsichtlich einer psychischen Erkrankung seiner Lebensgefährtin, welche die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, wurde das Visum am 9. März 2021 bis zum 19. Juni 2021 verlängert. Am 17. Juni 2021 verlängerte der Antragsgegner aufgrund der Covid 19-Situation in Indien das Visum erneut bis zum 17. September 2021.
Am 7. September 2021 beantragte der damalige Bevollmächtigte des Antragstellers die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären, familiären bzw. unionsrechtlichen Gründen und beantragte Eilrechtsschutz (Au 9 E 21.1924). Nach Ausstellung einer ausdrücklich so genannten „Verfahrensduldung“ lehnte der Antragsgegner mit formlos zur Post gegebenem Bescheid vom 18. November 2021 den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (Ziffer 1), familiären Gründen (Ziffer 2) bzw. europarechtlichen Gesichtspunkten (Ziffer 3) ab und erlegte dem Antragsteller die Kosten in Höhe von 100 € hierfür auf (Ziffern 4, 5). Der Antragsteller lebe zusammen mit seiner Lebensgefährtin, welche an einer komplexen psychischen Störung leide, in Buchloe. Nach den vorgelegten Attesten sei für die weitere Genesung und Stabilisierung der Lebensgefährtin die Anwesenheit des Antragstellers sehr günstig und empfehlenswert, jedoch nicht unabdingbar. Beiden sei bewusst gewesen, dass die Voraussetzungen einer ehelichen Aufenthaltserlaubnis nicht vorlägen, weshalb sie mit Petitionen an den Bundestag bzw. Bayerischen Landtag eine besondere Aufenthaltserlaubnis begehrt hätten. Es bestehe der dringende Verdacht, dass der Antragsteller bereits seit längerem einen längerfristigen Aufenthalt plane und daher falsche bzw. unvollständige Angaben zur Erlangung eines Schengen-Visums bzw. deutschen Aufenthaltstitels gemacht habe. Auch nach Einreise seien falsche und unvollständige Angaben aufrechterhalten bzw. wiederholt worden, um eine Aufenthaltsverfestigung zu erwirken.
Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Bereits die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG seien nicht erfüllt, da der Antragsteller lediglich mit einem Schengen-Visum für einen Besuchsaufenthalt (Kurzaufenthalt) und damit nicht mit dem erforderlichen Visum für einen längerfristigen Aufenthalt in das Bundesgebiet eingereist sei. Es bestehe der dringende Verdacht von falschen Angaben zur Aufenthaltsverfestigung. Ein Absehen von der Pflicht zur Visumnachholung komme nicht in Frage, da auch die übrigen Voraussetzungen nicht vollumfänglich erfüllt seien. Der Antragsteller befinde sich nicht in einer Ausnahmesituation, die sich deutlich von der Lage vergleichbarer Ausländer unterscheide, sodass das Visumverfahren zur Steuerung und präventiven Kontrolle der Zuwanderung einzuhalten sei. Soweit der damalige Bevollmächtigte des Antragstellers geltend gemacht habe, dass diesem in Indien die Zwangsheirat drohe, müsse der erwachsene Mann dem nicht Folge leisten. Hinsichtlich der psychischen Beeinträchtigungen der Lebensgefährtin sei auszuführen, dass diese sich auch bis zur Einreise des Antragstellers trotz ihrer Krankheit zurechtfinden habe können. Zudem sei sie für einen Besuchsaufenthalt nach Indien geflogen. Ausnahmen von der Visumpflicht nach § 39 AufenthV seien nicht einschlägig, insbesondere sei die ausgestellte Verfahrensduldung von § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV ausdrücklich nicht umfasst. Zudem lägen die speziellen Erteilungsvoraussetzungen nicht vor. Entgegen des Tatbestands von § 25 Abs. 5 AufenthG sei die Ausreise des Antragstellers nach Indien durchaus möglich. Sämtliche angesprochenen Hinderungsgründe könnten lediglich als Unannehmlichkeiten bewertet werden. Auch § 25 Abs. 4 AufenthG sei nicht einschlägig, da der Antragsteller nach eigenen Angaben nicht nur einen vorübergehenden Aufenthalt, sondern einen Daueraufenthalt beabsichtige.
Auch ein Anspruch aus familiären Gründen sei nicht ersichtlich, da der Anwendungsbereich des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht eröffnet sei. Der Antragsteller und seine Lebensgefährtin seien nicht verheiratet, die geltend gemachte Beziehung sei keine schützenswerte familiäre Bindung im Sinne des Aufenthaltsrechts. Ein spezielles Recht auf Aufenthalt zum Zweck der Herstellung einer Lebensgemeinschaft zwischen nicht verheirateten Partnern werde nach geltender Rechtslage bewusst nicht eingeräumt. Letztlich habe der Antragsteller keinen Anspruch nach § 3 bzw. 3a FreizügG/EU, da entgegen § 1 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU kein Unionsbürger im Sinne des Gesetzes ersichtlich sei. Die Lebensgefährtin des Antragstellers sei deutsche Staatsangehörige, der Antragsteller selbst besitze die indische Staatsangehörigkeit.
Nach Bescheidserlass erklärten die Beteiligten das Verfahren Au 9 E 21.1924 übereinstimmend für erledigt, woraufhin es durch das Gericht mit Beschluss vom 15. Dezember 2021 eingestellt wurde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers am 3. Januar 2022 Klage (Au 1 K 22.8), über welche noch nicht entschieden worden ist. Zugleich begehrt er einstweiligen Rechtsschutz. Der Antragsgegner gehe fehlerhaft davon aus, dass die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG nicht vorlägen. Er verkenne, dass die Norm gerade von einer vollziehbaren Ausreisepflicht des Ausländers ausgehe und somit gar nicht im Visumverfahren beansprucht werden könne. Voraussetzung sei somit lediglich der geduldete Aufenthalt im Bundesgebiet. Zudem sei von einer rechtlichen Unmöglichkeit der Ausreise auszugehen, da Abschiebehindernisse aus Art. 8 EMRK zu berücksichtigen seien. Der Antragsteller habe seine Lebensgefährtin am 6. Dezember 2021 in den USA ohne eine Ausreise geheiratet. Zu diesem Zeitpunkt habe er sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, was sich aus der Kostenentscheidung des vorhergegangenen Verfahrens ergebe. Dort sei das Gericht von einer bestehenden Fiktionswirkung ausgegangen. Soweit der Antragsgegner auf ein bestehendes Ausweisungsinteresse verweise, könnten aufgrund der einer Migrationsstraftat grundsätzlich fehlenden Wiederholungsgefahr allenfalls generalpräventive Erwägungen gelten. Ein solches generalpräventives Ausweisungsinteresse könne der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis jedoch nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (U.v. 19.11.2020, 8 K 5232/19) nicht entgegengehalten werden. Der Antragsgegner verneine zudem unzutreffend europarechtliche Erwägungen. Die Ehefrau des Antragstellers sei als deutsche Staatsangehörige auch Unionsbürgerin. Da die Ehefrau eine Trennung nicht verkraften könne, sei sie gezwungen, die Europäische Union als Ganzes zu verlassen, sodass der Anwendungsbereich des Unionsrechts eröffnet sei. Wolle man dem nicht folgen, liege eine nicht gerechtfertigte Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG vor, da der Antragsteller und seine Ehefrau im Vergleich zu einem Ehepaar mit grenzüberschreitendem Sachverhalt schlechter gestellt würden. Letztlich seien die europarechtlichen Erwägungen auch unabhängig von einer Eheschließung zu betrachten, da der europäische Gerichtshof die Rechtsposition von nahen Angehörigen gestärkt habe. Angesichts der zahlreichen rechtlichen Erwägungen bedürfe es der aufschiebenden Wirkung, um im Rahmen des Hauptsacheverfahrens den Sachverhalt mit der gebotenen Sorgfalt überprüfen zu können.
Dem Antrag war unter anderem eine beglaubigte Kopie eines „Certificate of Marriage“ vom 7. Dezember 2021 beigefügt, wonach der Antragsteller seine Lebensgefährtin am 6. Dezember in … (Utah) unter Einhaltung des Rechts des US-Bundesstaats Utah geheiratet habe.
Der Antragsteller beantragt,
Die aufschiebende Wirkung dieser Klage wird angeordnet.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, da die Ausländerbehörde nach erfolgter Überprüfung der Urkunde über die Eheschließung davon ausgehe, dass die Ehe in der Bundesrepublik nicht anerkannt werden könne und daher nach deutschem Recht nicht rechtswirksam sei.
Selbst bei gegenteiliger Ansicht ändere dies nichts an der Notwendigkeit einer Ausreise und der Nachholung des Visumverfahrens. Der Antragsteller könne sich insbesondere nicht auf § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV berufen, da ihm lediglich eine Verfahrensduldung ausgestellt worden sei und zudem ein Ausweisungsinteresse vorliege. Darüber hinaus liege kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen vor, da kein Ausreisehindernis vorliege und die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen wie Lebensunterhaltssicherung, fehlendes Ausweisungsinteresse sowie das fehlende Visum nicht vorliegen würden.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakte und der Gerichtsakte.
II.
Der Antrag ist nicht erfolgreich, da er unzulässig und unbegründet ist.
1. Gegenstand des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ist die kraft Gesetzes (§ 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) sofort vollziehbare Ablehnung des am 7. September 2021 gestellten Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
2. Der Antrag ist unzulässig, insbesondere nicht statthaft. Der Antragsteller kann sein Ziel – die Wiederherstellung der Fiktionswirkung – nicht mehr erreichen, da durch den Antrag vom 7. September 2021 keine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG eingetreten ist. Zwar wurde der Antrag des Antragstellers am 7. September 2021 und somit vor Ablauf des bis zum 17. September 2021 verlängerten Visums gestellt, jedoch ist die Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG für diesen Aufenthaltstitel ausgeschlossen, da der Antragsteller mit einem SchengenVisum nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in das Bundesgebiet einreiste. Hierbei ist irrelevant, dass der Antragsgegner das Visum in der Folge nach den Vorgaben des § 6 Abs. 2 AufenthG (vgl. Bl. 34, 55, 63, 68 d. Behördenakte) zweifach verlängerte, da auch nach dieser Norm verlängerte Visa vom Ausschlusstatbestand des § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG umfasst sind. Zwar bezieht sich der Gesetzeswortlaut insoweit nur auf Visa nach § 6 Abs. 1 AufenthG, jedoch sprechen Systematik und Intention des Gesetzgebers für einen umfassenden Einbezug von Schengen-Visa in § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG. Systematisch ist insbesondere zu berücksichtigen, dass in § 6 AufenthG in den Absätzen 1, 3 und 4 Legaldefinitionen verschiedener Visatypen enthalten sind, während die Absätze 2 und 2a lediglich verfahrensrechtliche Besonderheiten statuieren, sodass durch den Verweis des § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG auf das dort legaldefinierte Schengen-Visum in § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG dieses auch in seiner nach § 6 Abs. 2 AufenthG verlängerten Form mit umfasst ist. Zudem hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung bei der Einfügung der Norm des § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG klargestellt, dass er die Fiktionswirkung lediglich bei nationalen Visa nach § 6 Abs. 3 AufenthG erhalten will und SchengenVisa in Korrektur anderweitiger obergerichtlicher Rechtsprechung ausdrücklich ausgeschlossen sein sollen (BT-Drs. 17/13022, S. 30; BT-Drs. 17/13536, S. 15).
3. Darüber hinaus ist der Antrag unbegründet.
a) Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen sofort vollziehbaren oder für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakt auf Antrag eines Betroffenen ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Dabei trifft das Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Anordnung bzw. die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Es hat dabei das Aussetzungsinteresse des Antragstellers und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen (Kopp/Schenke, VwGO, 27. Auflage 2021, § 80 Rn. 152; Schmidt in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 68). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung voraussichtlich erfolglos bleiben wird; ergibt eine vorläufige Überprüfung der Hauptsacheklage dagegen, dass diese voraussichtlich erfolgreich sein wird, so überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Sind die Erfolgsaussichten offen, so ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. Schmidt: in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 73ff.).
b) Die auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung einer Aufenthaltserlaub nis gerichtete Klage wird aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben, da dem Antragsteller ein solcher Anspruch nicht zusteht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
aa) Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Demnach ist dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat.
(1) Er hat bereits nicht glaubhaft gemacht, mit einer deutschen Staatsangehöri gen verheiratet zu sein. Die durch den Antragsteller und seine Lebensgefährtin am 6. Dezember 2021 durchgeführte Online-Trauung vor einem Standesbeamten in … (Utah) ist aufgrund von Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB formunwirksam, da sie nicht persönlich bei beidseitiger Anwesenheit vor einem deutschen Standesbeamten erklärt wurde (§§ 1310 Abs. 1 Satz 1; 1311 Satz 1 BGB) und zudem kein Ehefähigkeitszeugnis (§ 1309 BGB) vorlag.
Für die am 6. Dezember 2021 durchgeführte Online-Trauung ist deutsches Recht anwendbar, da der Eheschließungsort nach Ansicht der Kammer im Bundesgebiet liegt. Das anzuwendende Eheschließungsrecht bestimmt sich nach dem Eheschließungsort (Art. 11 Abs. 1 EGBGB). Die Frage des Eheschließungsorts einer Trauung, bei welcher sich die Trauungsperson einerseits in einem Staat und die Verlobte andererseits in einem anderen Staat mittels Videokonferenztechnik aufhalten, ist – soweit ersichtlich – noch nicht obergerichtlich geklärt. Nach der Literatur liegt der Eheschließungsort im Falle einer förmlichen Trauungszeremonie dort, wo in Anwesenheit der Trauungsperson die Zeremonie stattfindet, gleichviel, ob die Trauungsperson kraft eigener Zuständigkeit oder kraft Delegation agiert, und gleichgültig, ob die Nupturienten persönlich anwesend sind oder ob sie ihre Erklärung durch Mittler (sog. Handschuhehe) abgeben lassen (Coester, in: Münchner Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, Rn. 133 zu Art. 13 EGBGB; Rentsch, in: BeckOGK, Stand: 1.6.2020, Rn. 243 zu Art. 13 EGBGB; Andrae, in Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB AT / EGBGB, Rn. 100 zu Art. 13 EGBGB; Hausmann, Internationales und Europäisches Familienrecht, 2. Auflage 2018, Teil A. Ehesachen, Rn. 611 ff.). Vereinzelt wird die Möglichkeit einer Ferntrauung angenommen (Coester, a.a.O., Rn. 133 zu Art. 13 EGBGB).
Nach diesen Maßstäben liegt im Falle des Antragstellers keine wirksame Trauzeremonie unter Anwesenden vor (so im Ergebnis auch: VG Düsseldorf, B.v. 15.2.2022 – 7 L 122/22). Die Bild-/TonÜbertragung in die USA stellt keine Trauung unter persönlicher Anwesenheit dar, da die maßgeblichen Willenserklärungen physisch im Bundesgebiet geäußert und anschließend mittels eines technischen Hilfsmittels in die Vereinigten Staaten übertragen werden. Wenngleich die Wirkungen der Willenserklärungen des Antragstellers und seiner Lebensgefährtin im Ausland bezweckt wurden, wurden die Eheschließungserklärungen selbst dennoch im Bundesgebiet abgegeben (so auch: Kriewald, BeckOGK BGB, Stand: 1.1.2022, Rn. 99 zu § 1310). Damit unterscheidet sich diese Form der Eheschließung auch von der allgemein anerkannten sog. „Dänemark-Ehe“, bei welcher beide Verlobte persönlich physisch anwesend sein müssen und damit zweifelsfrei die Eheschließungserklärungen im Ausland abgeben.
Darüber hinaus liegt auch keine wirksame Trauzeremonie unter Abwesenden vor. Die sogenannte „Handschuhehe“ ist nicht einschlägig, da weder der Antragsteller noch seine Lebensgefährtin einen Stellvertreter zur Eheschließung bevollmächtigt haben. Das übermittelnde Videosystem stellt mangels Abgabe einer eigenen Willenserklärung (in fremden Namen) keinen Stellvertreter dar. Soweit vereinzelt eine Ferntrauung als möglich erachtet wird, betraf dieses Instrument eng umgrenzte gesetzlich geregelte Ausnahmefälle von Soldaten im Zweiten Weltkrieg, wonach der Soldat seine Eheeinwilligung vor seiner militärischen Dienststelle, die Frau hingegen vor dem die Ehe schließenden Standesamt abgab (vgl. BGH, U.v. 5.4.1978 – IV ZR 71/77 – juris Rn. 9). Selbst wenn man diesen Rechtsgedanken als verallgemeinerungsfähig erachtet, so liegt im hier zu beurteilenden Einzelfall des Antragstellers und seiner Lebensgefährtin keine vergleichbare Sachlage vor, da sich beide zum Zeitpunkt der Eheschließung am selben Ort aufhielten und nur die Trauperson sich an einem anderen Ort befand.
Selbst wenn man eine wirksame Eheschließung unter Anwesenden mittels Videokonferenztechnik bzw. eine Ferntrauung in den Vereinigten Staaten annehmen würde, steht der Anerkennung dieser Eheschließung im Bundesgebiet der Vorbehalt des Art. 6 EGBGB (ordre public) entgegen. Demnach ist eine Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist.
Durch den Online-Eheschluss des US-Bundesstaats Utah in der vorliegenden Konstellation wird ein wesentlicher Grundsatz des deutschen Eherechts aus Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB, wonach eine Ehe im Inland nur in der hier vorgeschriebenen Form – d.h. nach §§ 1310 Abs. 1 Satz 1; 1311 Satz 1 BGB höchstpersönlich bei gleichzeitiger Anwesenheit vor einem Standesbeamten – geschlossen werden kann, verletzt. Die Norm bezweckt den Schutz der Ernstlichkeit des Eheschließungswillens und die Freiheit der Willensbestimmung und soll Personenverwechslungen sowie unklare Schwebezustände ausschließen. Damit dient die Norm des § 1311 Satz 1 BGB der Statusklarheit, -beständigkeit und -typizität (Kriewald, BeckOGK BGB, Stand: 1.1.2022, Rn. 2 ff. zu § 1311) und somit einem wesentlichen Grundsatz des deutschen Eherechts. Mit diesem Grundsatz ist es offensichtlich unvereinbar, ein nicht dem nationalen Recht entsprechendes konkurrierendes Eheschließungsrecht zuzulassen, welches trotz vollumfänglichen Inlandsbezugs (Eheschließungserklärungen im Bundesgebiet) nicht dessen strenge, die o.g. Rechtsgüter schützenden Formvorschriften erfüllt. Das deutsche Eheschließungsrecht würde hierdurch ohne den üblicherweise zu fordernden lokalen Anknüpfungspunkt im Ausland faktisch wirkungslos.
(2) Selbst wenn man von einer rechtsgültigen Ehe des Antragstellers mit seiner Lebensgefährtin, einer deutschen Staatsangehörigen, ausgeht, steht der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zumindest die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG entgegen, nachdem der Antragsteller nicht mit dem erforderlichen Visum zum Daueraufenthalt bzw. Familiennachzug in die Bundesrepublik eingereist ist.
(a) Der Antragsteller ist dabei auch nicht nach den auf § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG beruhenden Regelungen der §§ 39 ff. AufenthV ausnahmsweise berechtigt, den Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einzuholen. Er war zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht im Besitz eines nationalen Visums im Sinne des § 6 Abs. 3 AufenthG (§ 39 Satz 1 Nr. 1 AufenthV). Zudem liegt kein Fall des § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV vor. Zwar ist der Antragsteller derzeit nach § 60a AufenthG geduldet (zur Gleichstellung der Verfahrensduldung zu anderen Duldungsgründen vgl. BVerwG, U.v. 18.12.2019 – 1 C 34/18 – Rn. 28 ff. juris), jedoch hat er keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf Grund einer Eheschließung im Bundesgebiet erworben. Aufgrund der Regelung des Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB kann eine Ehe im Inland nur in der hier vorgeschriebenen Form geschlossen werden, sodass im Falle der Annahme eines Eheschließungsorts in der Bundesrepublik eine Online-Trauung mangels Erklärung vor einem deutschen Standesbeamten formunwirksam und damit nichtig wäre (s.o.). Liegt der Eheschließungsort dagegen in den Vereinigten Staaten, liegt zwar eine Eheschließung, aber keine Eheschließung im Bundesgebiet vor, sodass die Anwendung des § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV ausscheidet.
(b) Zwar kann nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG von der Visumpflicht abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Der Antragsteller hat vorliegend aber keinen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner von der Visumpflicht absieht. Vielmehr steht die Entscheidung des Antragsgegners in dessen Ermessen, welches mit Bescheid vom 18. November 2021 auch ausgeübt wurde (Bl. 5 ff. d. Bescheids). Im Übrigen ist die Nachholung des Visumverfahrens im vorliegenden Fall auch nicht unzumutbar (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG). Es sind im Fall des Antragstellers unter Berücksichtigung der von ihm vorgetragenen Gesichtspunkte keine Umstände erkennbar, die eine Ausreise des Antragstellers in sein Heimatland unzumutbar erscheinen lassen. Der Schutz aus Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 8 EMRK steht vorliegend der Verpflichtung zur Nachholung eines Visumverfahrens nicht entgegen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, B.v. 4.12.2007 – 2 BvR 2341/06 – juris Rn. 7 m.w.N.) verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Art. 6 GG entfaltet ausländerrechtliche Schutzwirkungen jedoch nicht schon aufgrund formalrechtlicher familiärer Bindungen. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern. Dabei kommt es allerdings nicht darauf an, ob eine Haushaltsgemeinschaft vorliegt und ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Hilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte (BVerfG, B.v. 9.1.2009 – 2 BvR 1064/08 – juris Rn. 15).
Dies zugrunde gelegt steht vorliegend die vorgebrachte Ehe des Antragstellers einer Ausreise nicht entgegen. Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen. Das Visumverfahren bietet Gelegenheit, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu überprüfen. Das Aufenthaltsgesetz trägt dabei dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung, indem es unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Einzelfall erlaubt, von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Einreise mit dem erforderlichen Visum abzusehen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begehrt, regelmäßig hinzunehmen (BVerfG, B.v. 17.5.2011 – 2 BvR 2625/10 – juris Rn. 13f. m.w.N.). Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die vorherige Durchführung eines Visumverfahrens wichtigen öffentlichen Interessen dient. In Fällen wie dem vorliegenden soll die vorherige Durchführung des Visumverfahrens gewährleisten, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug vor der Einreise geprüft werden können, um die Zuwanderung von Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, von vornherein zu verhindern (BayVGH, B.v. 21.2.2013 – 10 CS 12.2679 – juris Rn. 35).
Im Fall des Antragstellers sind keine Umstände erkennbar, die eine Ausreise zur Durchführung des Visumverfahrens aus familiären Gründen unzumutbar erscheinen lassen. Der Antragsteller und seine Lebensgefährtin haben die vorgebrachte Ehe unter dem Eindruck eines bislang nicht bestehenden Aufenthaltsrechts geschlossen. Sie befinden sich somit in keiner anderen Lage wie ein vergleichbares Paar mit unterschiedlicher Staatsangehörigkeit, welches nach einer Auslandstrauung nunmehr im Bundesgebiet seinen gemeinsamen Aufenthalt begründen möchten und auf ein ordnungsgemäßes Visumverfahren verwiesen wird. Zudem waren der Antragsteller und seine Lebensgefährtin auch zuvor über einen längeren Zeitraum getrennt und haben sich wechselseitig immer wieder in ihren jeweiligen Heimatländern besucht. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die deswegen eintretenden Belastungen auch die Lebensgefährtin des Antragstellers treffen. Allerdings begründet auch dies keine Unzumutbarkeit des Visumverfahrens. Unabhängig von der Tatsache, dass sämtliche vorgelegten Atteste nicht den Anforderungen von § 60a Abs. 2c AufenthG entsprechen, ergeben sich daraus auch keine Anhaltspunkte, wonach die Anwesenheit des Antragsstellers im Bundesgebiet ohne Unterbrechung dauerhaft notwendig ist. Das ärztliche Attest vom 29. Januar 2021 (Bl. 6 d. Behördenakte) stellt lediglich fest, dass der Aufenthalt des Antragstellers empfehlenswert sei, um eine Verbesserung der Krankheitssituation der Lebensgefährtin zu erreichen. Auch das fachärztliche Attest vom 1. Februar 2021 (Bl. 5 d. Behördenakte) stellt nur fest, dass eine Unterstützung durch den Antragsteller sehr günstig und empfehlenswert sei.
Im Attest vom 25. August 2021 (Bl. 278 f. d. Behördenakte) wird zwar beschrieben, dass die Lebensgefährtin zur Verhinderung einer Verschlechterung der gesundheitlichen Situation auf die wirksame Unterstützung des Antragstellers angewiesen sei, zugleich berichtet das Attest jedoch auch von einer seit 2015 andauernden und somit bis 2018 ohne die Anwesenheit des Antragstellers bewältigten Krankheitshistorie. Zugleich haben sich der Antragsteller und seine Lebensgefährtin nach eigenen Aussagen in den Jahren 2018 und 2019 des Öfteren voneinander vorübergehend physisch ohne weitere Folgen getrennt (Bl. 8 f. d. Behördenakte). Die Stellungnahme der EUTBTeilhabeberatung vom 3. September 2021 (Bl. 280 ff. d. Behördenakte) geht dagegen noch davon aus, dass der Antragsteller und seine Lebensgefährtin unverheiratet sind und ist somit in der nunmehr geprüften Alternative überholt. In der Summe müssen der Antragsteller und seine Lebensgefährtin die ausländerrechtlichen Folgen, in deren Wissen sie die vorgebrachte Ehe im Ausland möglicherweise schlossen, hinnehmen, weil im zugrundeliegenden Fall die öffentlichen Interessen an einer Nachholung des Visumverfahrens die privaten Interessen des Antragstellers und seiner Familie – auch unter Berücksichtigung der Schutzwirkungen von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK – deutlich überwiegen.
Zu keinem anderen Ergebnis führt der Umstand, dass derzeit bei der Durch führung des Visumverfahrens bei der Deutschen Botschaft im Heimatland des Antragstellers mit einer längeren Bearbeitungszeit zu rechnen ist. Diese Situation trifft ihn zusammen mit allen anderen Familien, die derzeit das Visumverfahren vom Heimatland des Antragstellers aus betreiben. Nach einer aktuellen Auskunft des Generalkonsulats Mumbai vom 16. Februar 2022 (Bl. 33 d. Gerichtsakte) beträgt die Wartezeit auf einen Visumtermin zum Familiennachzug neun bis zehn Wochen. Die anschließende Bearbeitungszeit des Antrags wird je nach Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde und einem ggf. durchzuführenden Urkundenüberprüfungsverfahren mit einem bis sechs Monaten Dauer angegeben. Im ungünstigsten Fall wären der Antragsteller und seine Lebensgefährtin daher neun Monate voneinander getrennt. Angesichts der früheren Trennungen mit ähnlichen Zeiträumen, dem vorgebrachten Eheschluss unter dem Eindruck eines nicht bestehenden Aufenthaltsrechts sowie der Möglichkeit, den Kontakt für die Dauer des Visumverfahrens über Fernkommunikationsmittel bzw. kurzfristige Besuchsaufenthalte aufrecht zu erhalten, handelt es sich hierbei nicht um einen unzumutbar langen Zeitraum. Zuletzt ist zu berücksichtigen, dass – im Gegensatz zu kleineren Kindern – die Lebensgefährtin des Antragstellers die vorübergehende Trennung nicht als endgültigen Verlust begreifen wird. Für den Fall einer unzumutbar langen Bearbeitungsdauer im Visumverfahren, die die Schutzwirkungen der familiären Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet verletzt, steht diesem zudem auch im Visumverfahren ein effektiver Rechtsschutz – ggf. im Wege des Eilrechtsschutzes – zur Verfügung.
Die Unzumutbarkeit des Visumverfahrens ergibt sich letztlich auch nicht aus europarechtlichen Erwägungen. Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers ausführt, dass durch die Versagung der Aufenthaltserlaubnis die Lebensgefährtin des Antragstellers in ihrem Kernbereich der Unionsbürgerschaft nach Art. 20 AEUV verletzt sei, da sie gezwungen wäre, die Union als Ganzes zu verlassen, stellt der Europäische Gerichtshof in der durch den Bevollmächtigten zitierten Entscheidung selbst klar, dass der bloße Wunsch eines familiären Zusammenlebens oder wirtschaftliche Erwägungen für sich genommen nicht die Annahme begründet, dass der Unionsbürger gezwungen wäre, die Union als Ganzes zu verlassen (EuGH, U.v. 15.11.2011 – C-256/11 – Rn. 68). Auch die geltend gemachten gesundheitlichen Erwägungen der Lebensgefährtin des Antragstellers ändern diese Beurteilung nicht, da eine (vorübergehende) Trennung zur Durchführung eines Visumverfahrens nicht unzumutbar ist (s.o.). Soweit sich der Bevollmächtigte im Weiteren auf eine Diskriminierung nach Art. 3 Abs. 1 GG beruft, liegt bereits keine Ungleichbehandlung vor, da auch im Falle eines das Freizügigkeitsrecht ausübenden Ehepaars der Drittstaatsangehörige nach § 2 Abs. 4 Satz 2 FreizügG/EU in Umsetzung von Art. 5 Abs. 2 Unterabsatz 1 Satz 1 der RL 2004/38/EG ein Visum zur Einreise in das Bundesgebiet benötigt.
bb) Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist.
(1) Da sich der Antragsteller ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel im Bundes gebiet aufhält, ist er vollziehbar ausreisepflichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Zudem liegt kein die Fiktionswirkung auslösender Antrag im Sinne des § 81 Abs. 4 AufenthG vor (s.o.).
(2) Die Ausreise des Antragstellers ist jedoch nicht aus rechtlichen oder tatsäch lichen Gründen unmöglich im Sinne von § 25 Abs. 5 AufenthG. Rechtliche Unmöglichkeit liegt unter anderem auch dann vor, wenn der Ausreise Gründe entgegenstehen, welche diese als unzumutbar erscheinen lassen (Bergmann/Röcker in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 25 Rn.106). Insbesondere ergibt sich eine Unzumutbarkeit der Ausreise und anschließenden Wiedereinreise mit dem erforderlichen Visum für den Fall einer wirksamen Eheschließung nicht aus Art. 6 GG i.V.m. Art. 8 EMRK. Wie bereits oben dargestellt, ist es ist mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie grundsätzlich vereinbar, den Antragsteller und seine Familie auf die Einholung des erforderlichen Visums zur Familienzusammenführung zu verweisen. Darüber hinaus ergibt sich die Unzumutbarkeit auch nicht aus der psychischen Erkrankung der Lebensgefährtin des Antragstellers (s.o.).
Etwas anderes gilt auch nicht, wenn lediglich von einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft auszugehen ist. Es kann offen bleiben, ob starke Bindungen zwischen zwei nicht verheirateten Personen überhaupt unter den Schutzbereich des Art. 8 EMRK fallen, da die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein Aufenthaltsrecht regelmäßig verneint, wenn die Entstehung des Familienlebens in einen Zeitraum fällt, zu dem sich die beteiligten Personen ihres prekären Aufenthaltsrechts und der damit einhergehenden aufenthaltsrechtlichen Unsicherheit für ein Familienleben im Aufnahmestaat bewusst waren (Hailbronner, Ausländerrecht, 122. Ergänzungslieferung, Stand: Oktober 2021, Rn. 201 zu § 25 AufenthG). Dies ist beim Antragsteller und seiner Lebensgefährtin der Fall, da der Antragsteller im Dezember 2021 mit einem kurzfristigen Besuchsvisum in das Bundesgebiet einreiste und auch die jeweiligen Verlängerungen lediglich für kurze Zeiten aus nicht familiär bedingten, gesundheitlichen Gründen erfolgten.
c) Angesichts der geringen Erfolgsaussichten in der Hauptsache fällt die vorliegend anzustellende Interessenabwägung zu Ungunsten des Antragstellers aus. Überwiegende Interessen, die trotz der geringen Erfolgsaussichten in der Hauptsache eine Entscheidung zu seinen Gunsten rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Teil hat der Antragsteller die Verfahrenskosten zu tragen. Die Streitwertfestsetzung folgt den Vorgaben der §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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