Verwaltungsrecht

Disziplinarklage, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Mehrmonatige sexuelle Beziehung eines Gymnasiallehrers zu einer minderjährigen Schülerin

Aktenzeichen  DK 22.1065

Datum:
22.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 17877
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 11
BayDG Art. 14 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt (Art. 11 Bayerisches Disziplinargesetz – BayDG).
1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Solche wurden von dem Beklagten auch nicht geltend gemacht.
2. Das Gericht legt seiner Entscheidung die Vorwürfe aus der Disziplinarklage, ergänzt um das Vorbringen des Beklagten, zugrunde. Danach bestand zwischen ihm und der am … … 2000 geborenen Schülerin P.K. seit dem Schulball im Februar 2017 eine freundschaftliche Beziehung mit privatem Wh-A.-Kontakt und gemeinsamen Tanzübungsstunden in den Räumen des J.-H.-Gymnasiums. Dieser Kontakt intensivierte sich ab Juni 2017. Ende Juli 2017 entwickelte sich eine sexuelle Beziehung zwischen dem Beklagten und der minderjährigen Schülerin, bei dem es anfangs zum Austausch von Intimitäten und später zum Geschlechtsverkehr kam. Zwischen September 2017 und April 2018 fanden zwei- bis dreimal wöchentlich Treffen statt, bei denen es regelmäßig zum Geschlechtsverkehr kam. Die Schülerin beendete die Beziehung zu dem Beklagten im April 2018.
Während des Zeitraums von Februar 2017 bis April 2018 besuchte die Schülerin P.K. nicht mehr das J.-H.-Gymnasium, an dem der Beklagte unterrichtete. Sie nahm als externe Schülerin an dem von ihm abgehaltenen Begabungsstützpunkt teil und erhielt hierfür im Schuljahr 2016/17 eine Teilnahmebescheinigung, nicht aber für das Schuljahr 2017/18, in dem sie lediglich den sog. „deciso-Status“ hatte. Ein Abhängigkeitsverhältnis zum Beklagten bestand für die Schülerin jedenfalls im Schuljahr 2017/18 nicht mehr.
Die gemeinsame Zeit erfolgte im gegenseitigen Einvernehmen. Die Schülerin brachte tatsächlich und in einer Vielzahl von Wh-A.-Nachrichten ihr Interesse an der Aufrechterhaltung der Beziehung zum Ausdruck und vermittelte dem Beklagten den Eindruck, es gehe ihr sehr gut mit ihm. Sie legte ihm offen, dass sie ihre Sexualität auch mit anderen Männern auslebte.
Ein strafbares Verhalten wird dem Beklagten nicht vorgeworfen.
3. Mit seinem Verhalten hat der Beklagte gegen beamtenrechtliche Pflichten verstoßen. Abzustellen ist in erster Linie auf die in § 34 Abs. 3 BeamtStG (in der bis zum 6.7.2021 geltenden Fassung) geregelte Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten. Danach muss das Vertrauen des Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordern. Bezogen auf das Amt eines Lehrers verlangt die Wohlverhaltenspflicht die Einhaltung strikter körperlicher Distanz zu Schülerinnen und Schülern.
Es gehört zu den Pflichten eines verbeamteten Lehrers, die Integrität der Schüler zu wahren, ihre behutsame Entwicklung zu gewährleisten und dem Anspruch und Vertrauen der Schüler und ihrer Eltern darauf gerecht zu werden, dass Lehrer das Obhuts- und Näheverhältnis zu den Schülern nicht zur Verfolgung eigener Bedürfnisse nutzen. Daraus folgt, dass beim Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern körperliche Distanz zu wahren ist, auch dann, wenn ein Schüler mit deren Aufgabe einverstanden ist. Diese Pflicht betrifft den Kernbereich der pädagogischen Pflichten (OVG NRW, U.v. 14.4.2021 – 3d A 1050/20.O – juris Rn. 71).
Sexuelle Kontakte sind darüber hinaus im Interesse der Funktionsfähigkeit des Schulbetriebs aus dem Erziehungs- und Ausbildungsverhältnis fernzuhalten. Wenn Eltern verpflichtet sind, ihre Kinder – bis zu einem gewissen Alter – beschulen zu lassen, müssen sie darauf vertrauen können, dass die eingesetzten Lehrer zu jeder Zeit dem Distanzgebot Rechnung tragen. Ansonsten steht ein Fundament staatlicher Beschulung in Frage. Unabhängig von dem Individualrechtsschutz erwartet die Allgemeinheit von der Schule, dass ein Unterricht gewährleistet ist, der allein von sachlichen Kriterien und nicht von sexuellen Interessen geleitet ist. Durch das Eingehen sexueller Beziehungen mit einer Schülerin oder einem Schüler verliert ein Lehrer die für die Wahrnehmung seiner pädagogischen Aufgabe notwendige Distanz. Abgesehen von den Folgen für die betroffene Schülerin oder den betroffenen Schüler müssen sexuelle Beziehungen die Schüler- und die Elternschaft generell befürchten lassen, dass das Lehrer-Schüler-Verhältnis damit sachwidrig beeinflussbar ist. Das Schulklima würde dadurch in unerträglicher Weise belastet. Schüler, Eltern, Dienstherr und Öffentlichkeit müssen sich dementsprechend darauf verlassen können, dass sexuelle Übergriffe von Lehrern auf Schüler unterbleiben (OVG NRW, U.v. 14.4.2021 – 3d A 1050/20.O – juris Rn. 75 unter Berufung auf BVerwG, B.v. 1.3.2012 – 2 B 140.11 – juris Rn. 9).
Diesen Anforderungen ist der Beklagte in der Zeit zwischen Februar 2017 und April 2018 nicht gerecht geworden. Bereits der regelmäßige Wh-A.-Kontakt über private Themen, die Treffen zu privaten Tanzübungen im Schulgebäude und der freundschaftliche Kontakt zu der minderjährigen Schülerin P.K. mit privaten Treffen gehen weit über ein angemessenes Lehrer-Schüler-Verhältnis hinaus, das von der Wahrung einer gebührenden Distanz geprägt zu sein hat. Jedenfalls aber durch Eingehen einer sexuellen Beziehung zu der minderjährigen Schülerin im Zeitraum von Ende Juli 2017 bis April 2018 hat der Beklagte seine Dienstpflichten in eklatantem Maße verletzt.
Ein mögliches Einverständnis der betroffenen Schülerin ist ebenso unbeachtlich wie ein Einverständnis der Sorgeberechtigten, welches ohnehin nicht vorlag. Der Rechtsverzicht einer Schülerin oder ihrer Erziehungsberechtigten betrifft nur das Verhältnis zum Lehrer und gegebenenfalls zur Schule. Bei der schulischen Ausbildung handelt es sich jedoch um eine mehrpolige Rechtsbeziehung: Schule, Schulleitung, Lehrer, Schüler und Eltern, gesamte Schülerschaft, gesamte Elternschaft und Öffentlichkeit (OVG NRW, U.v. 14.4.2021 – 3d A 1050/20.O – juris Rn. 79; VG Lüneburg, U.v. 23.11.2020 – 10 A 6/19 – juris Rn. 38).
Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, ob ein strafrechtlich erhebliches Handeln des Beamten vorliegt. Ein solches könnte die Schwere der Pflichtverletzung erhöhen, beeinflusst deren Vorliegen aber nicht (OVG NRW, U.v. 14.4.2021 – 3d A 1050/20.O – juris Rn. 81). Damit ist es vorliegend disziplinarrechtlich unerheblich, dass die Staatsanwaltschaft L. das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 StGB) nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hat.
4. Das Fehlverhalten des Beklagten stellt ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen dar (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG in der bis zum 6.7.2021 geltenden Fassung). Der Dienstbezug folgt aus seiner Stellung gegenüber der Schülerin als ihr damaliger Lehrer mit entsprechenden Pflichten ihr gegenüber einschließlich des Distanzgebots. An der Innerdienstlichkeit der Pflichtverletzung ändert es nichts, dass die Schülerin seit dem Schuljahr 2016/17 nicht mehr das J.-H.-Gymnasium besuchte, an dem der Beklagte unterrichtete, und den von ihm abgehaltenen Begabungsstützpunkt in den Schuljahren 2016/17 und 2017/18 lediglich freiwillig – 2016/17 mit und 2017/18 ohne Erhalt einer Teilnahmebescheinigung – besuchte. Maßgeblich ist auf den Besuch einer vom Beklagten im schulischen Kontext abgehaltenen Lehrveranstaltung in ihrer Eigenschaft als Schülerin abzustellen. Innerdienstlichkeit liegt auch unabhängig davon vor, dass die Pflichtverletzungen schwerpunktmäßig außerhalb des Dienstbetriebs und in privaten Räumlichkeiten stattgefunden haben. Eine Person ohne vergleichbares Amt und ohne dienstliche Tätigkeit mit eingebundenem Distanzgebot hätte keine Pflichtverletzung begangen (OVG NRW, U.v. 14.4.2021 – 3d A 1050/20.O – juris Rn. 67; VG Lüneburg, U.v. 23.11.2020 – 10 A 6/19 – juris Rn. 4).
4. Der Beklagte handelte vorsätzlich. Ihm war bewusst, dass er sowohl durch das Eingehen als auch durch das Aufrechterhalten einer später auch sexuellen Beziehung mit einer Schülerin dem Distanzgebot zuwider handelte und eine gravierende Dienstpflichtverletzung beging. Anhaltspunkte für eine Schuldunfähigkeit des Beklagten nach § 20 StGB während des fraglichen Zeitraums liegen nicht vor.
5. Sein Fehlverhalten wiegt schwer im Sinn von Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG.
5.1. Für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens richtungweisend. Die Schwere beurteilt sich nach objektiven Handlungsmerkmalen wie Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzungen, den besonderen Umständen der Tatbegehung sowie Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens, nach subjektiven Handlungsmerkmalen wie Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, den Beweggründen für sein Verhalten sowie den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte.
Das Dienstvergehen ist nach der festgestellten Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zuzuordnen. Davon ausgehend kommt es darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist.
5.2. Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung des Eigengewichts der von dem Beklagten begangenen Verfehlungen, der Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, der Häufigkeit und Dauer des wiederholten Fehlverhaltens sowie der persönlichen Verhältnisse und des Persönlichkeitsbildes des Beklagten ergibt sich, dass das Vertrauen der Allgemeinheit und das Vertrauensverhältnis zu dem Dienstherrn endgültig zerstört sind und der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist.
Bereits der Verstoß gegen die Pflicht, angemessene Distanz zu Schülerinnen und Schülern einzuhalten, indem regelmäßiger Wh-A.-Kontakt über private Themen und außerschulische private Treffen unterbleiben, begründet eine Dienstpflichtverletzung im oberen Bereich. Darüber hinausgehend stellt die Pflicht, dass sich ein Lehrer sexueller Handlungen jedweder Art gegenüber Schülerinnen und Schülern enthält, eine elementare Dienstpflicht einer Lehrkraft dar. Ein Verstoß dagegen wiegt schwer. Die insoweit hier vorgeworfene Dienstpflichtverletzung (regelmäßiger Vollzug des Geschlechtsverkehrs im Rahmen einer Beziehung zu einer Schülerin über einen Zeitraum von 7 Monaten) fällt zudem in den oberen Bereich sexueller Handlungen und erhöht den Schweregrad der Dienstpflichtverletzung zusätzlich. Die Schülerin war im Zeitraum der vorgeworfenen Handlungen noch minderjährig. Bei Jugendlichen besteht aufgrund noch ungefestigter sexueller Selbstbestimmung die Gefahr, dass sie sozial überlegenen erwachsenen Personen nicht auf gleicher Ebene begegnen und Gebrauch von ihrer sexuellen Selbstbestimmung machen können. Dies gilt hier aufgrund der fehlenden charakterlichen Reife unabhängig davon, dass die Schülerin neben dem Beklagten weitere Sexualkontakte hatte. Weiter erschwerend zu berücksichtigen sind die nachteiligen Folgen für den Schulbetrieb und den Schulfrieden im Nachgang zu der Beziehung.
Dabei entspricht es allgemein herrschender Rechtsprechung, dass ein Lehrer, der ein jedenfalls mehrmonatiges sexuelles Verhältnis mit einer minderjährigen Schülerin eingeht, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (OVG NRW, U.v. 14.4.2021 – 3d A 1050/20.O – juris Rn. 98 ff.; OVG NRW, U.v. 13.8.2018 – 3d A 502/17.O – juris Rn. 77 ff.; BayVGH, U.v. 12.3.2013 – 16a D 11.624 – juris Rn. 65 ff.; VGH Baden-Württemberg, U.v. 7.6.2011 – DL 13 S 1826/10 – juris Rn. 80 ff.; BayVGH, U.v. 15.12.2010 – 16a D 08.1287 – juris Rn. 86 ff.; VG München, U.v. 8.10.2021 – M 13L DK 18.3891 – juris Rn. 25 ff.; VG Lüneburg, U.v. 23.11.2020 – 10 A 6/19 – juris Rn. 46 ff.; VG Münster, U.v. 23.1.2018 – 13 K 1651/16.O – juris Rn. 86 ff.). Bei einem solchen Verhalten hat sich der Lehrer im Hinblick auf die Erfüllung seiner Dienstpflichten in so hohem Maße als unzuverlässig erwiesen, dass das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in ihn endgültig verloren ist. Ein solches Verhalten erfolgt ausschließlich aus persönlichem Interesse in dem andauernden Bewusstsein, dass damit eine herausgehobene Kernpflicht als Lehrer verletzt wird. Es wird nicht ansatzweise dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule nicht gerecht. Gerade im Rahmen der Ausbildung junger Menschen sind an die persönliche Integrität der Lehrkräfte hohe Anforderungen zu stellen, auf die sich insbesondere die Eltern verlassen können müssen, die ihre Kinder im Rahmen der Schulpflicht der Schule bzw. den in der jeweiligen Einrichtung Tätigen anvertrauen (vgl. VG Lüneburg, U.v. 23.11.2020 – 10 A 6/19 – juris Rn. 69).
Den Beklagten entlastet dabei nicht, dass die Schülerin die Beziehung ebenso wollte wie er selbst und die Initiative teilweise von ihr ausgegangen ist. Er hätte sich in seiner Stellung als Lehrer konsequent allen entsprechenden Ansinnen entziehen müssen (OVG NRW, U.v. 14.4.2021 – 3d A 1050/20.O – juris Rn. 103).
5.3. Eine andere Sichtweise ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht daraus, dass die Schülerin P.K. den von dem Beklagten abgehaltenen Begabungsstützpunkt als Schülerin eines anderen Gymnasiums aus dem Landkreis in den Schuljahren 2016/17 und 2017/18 lediglich freiwillig – 2016/17 mit und 2017/18 ohne Erhalt einer Teilnahmebescheinigung – besuchte und der Besuch für ihr schulisches Fortkommen nicht mehr relevant war.
5.3.1. Der Begabungsstützpunkt ist eine schulische Veranstaltung. Er ist nach dem bayerischen Schulkonzept ein Instrument der Begabtenförderung an Gymnasien und ein Angebot, mit dessen Einrichtung die Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in ihren Bezirken besonders begabten Kindern und Jugendlichen ein über den jeweiligen Lehrplan hinausgehendes, anspruchsvolles Ergänzungsangebot eröffnen.¹ Das J.-H.-Gymnasium in F. ist eines der Regionalzentren für Begabtenförderung (Begabungsstützpunkt) und hat sein Programm der Begabtenförderung für Schülerinnen und Schüler aus anderen Schulen geöffnet.² Das J.-H.-Gymnasium macht es sich dabei zum Ziel, Schülerinnen und Schülern Inhalte im mathematischen, informationstechnischen und naturwissenschaftlichen Bereich vertieft zu vermitteln und beteiligt sich so an der MINT-Offensive in F.. Aufbauend auf den vier Säulen „Wahlkurse und Oberstufenangebote“, „praktisches Arbeiten“, „Naturwissenschaft und Technik in der Region“ und „betreute Wettbewerbe“ sollen aus den Schülerinnen und Schülern MINTmündige Menschen gemacht werden. Einer der Wahlkurse im MINT-Bereich ist der Begabungsstützpunkt Chemie und Biologie.³ Der in den Räumen und mit Personal des Gymnasiums durchgeführte Kurs diente dem Bildungsauftrag der Schule und ist als schulische Veranstaltung zu qualifizieren.
¹ https://www.km.bayern.de/schueler/lernen/foerderung/begabtenfoerderung.html
² https://www.km.bayern.de/ministerium/institutionen/ministerialbeauftragte-gymnssium/oberbayern-ost/begabtenfoerderung.html
³ Webseite des J.-H.-Gymnasium
Dieser Einordnung als schulische Veranstaltung entspricht es, dass der Beklagte das Konzept für den Begabungsstützpunkt ebenso wie die Liste der Teilnehmer, auf der neben den regulären Teilnehmern auch die den Kurs lediglich als Gast besuchenden Schülerinnen und Schüler aufgeführt waren – wie die Schülerin P.K. -, nach seinen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung an das Büro des Ministerialbeauftragten übersandt hat. Der Umstand, dass die Schülerin den Kurs freiwillig besuchte und er für sie keine für ihre Abiturnote relevante und zu belegende Pflichtveranstaltung darstellte, lässt den Charakter als Schulveranstaltung nicht entfallen. Darüber hinaus hat der Beklagte den sog. deciso-Status selbst formell eingeführt, indem er ihn in dem dem Büro des Ministerialbeauftragten vorgelegten Kurs-Konzept erwähnt hat, das Konzept von dort stillschweigend gebilligt und in der Folge auch die Gast-Teilnehmer dorthin gemeldet wurden. Damit hatte die Schülerin P.K. keinen anderen Status inne als alle anderen Teilnehmer des Begabungsstützpunktes. Zudem bestand zwar für die Schülerin keine Anwesenheitspflicht in den Kurs, im Falle ihrer Anwesenheit hatte der Beklagte als Lehrer aber auch die Aufsichtspflicht über die minderjährige Schülerin inne.
5.3.2. Im Übrigen spielte sich die gesamte Beziehung des Beklagten zu der Schülerin im schulischen Kontext ab. Sie besuchte bereits im Schuljahr 2014/15 den Begabungsstützpunkt, dann in der 10. Klasse für ein Halbjahr seinen Biologieunterricht und in den Schuljahren 2016/17 und 2017/18 als Schülerin eines anderen Gymnasiums aus dem Landkreis erneut den von ihm im Rahmen seines Stundenkontingents am J.-H.-Gymnasium abgehaltenen Begabungsstützpunkt. Die erste Annäherung zu ihr erfolgte auf dem Schulball im Februar 2017. Die anschließenden Tanzübungsstunden wurden in den Räumlichkeiten der Schule durchgeführt. Damit erfolgte bereits die disziplinarrechtlich unzulässige Anbahnung und Intensivierung des Kontakts zu der Schülerin im Schuljahr 2016/17, in dem sie noch eine Teilnahmebestätigung für den Besuch des Begabungsstützpunktes erhielt. Daneben diente dessen Besuch im Schuljahr 2017/18 für beide als willkommene Gelegenheit für Begegnungen, wie sich aus der polizeilichen Vernehmung der Schülerin vom 8. März 2021 und den Ausführungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ergibt.
6. Von der danach voraussichtlich auszusprechenden Höchstmaßnahme ist hier auch nicht ausnahmsweise zugunsten einer milderen Disziplinarmaßnahme abzusehen, weil Milderungsgründe vorliegen, die geeignet sein könnten, das schwere Dienstvergehen des Beklagten als weniger gravierend erscheinen zu lassen, und die nicht durch Erschwerungsgründe aufgewogen werden.
6.1. Angesichts der Schwere des Dienstvergehens kann die Tatsache, dass der Beklagte straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist und stets sehr gute dienstliche Leistungen zeigte, wie sich in seinen Beurteilungen und dem Persönlichkeitsbild vom 23. Oktober 2020 zeigt, nicht zum Ausspruch einer milderen Disziplinarmaßnahme führen. Ein solches Verhalten stellt lediglich den Regelfall dar, führt bei einem derart gravierenden Fehlverhalten aber nicht zum Absehen von der angemessenen Maßnahme (BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 09.3029 – juris Rn. 96).
6.2. Umstände, die eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit im Sinn von § 21 StGB begründen könnten, bei deren Vorliegen die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht mehr ausgesprochen werden kann, sind nicht ersichtlich. Erheblich verminderte Schuldfähigkeit setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung im Sinn von § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Die Erheblichkeitsschwelle liegt umso höher, je schwerer das in Rede stehende Delikt wiegt. Dementsprechend hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten ab. Bei der Pflicht eines Lehrers zur Wahrung einer angemessenen Distanz gegenüber einer Schülerin oder einem Schüler handelt es sich um eine elementare, ohne Weiteres einsehbare und einfach zu befolgende Dienstpflicht. Hinzu kommt hier, dass der Beklagte im Zeitraum des engen Kontakts zu der Schülerin P.K. uneingeschränkt zur Ausübung seines Dienstes fähig war und auch in dieser Zeit sehr gute Leistungen erbracht hat. Dies ergibt sich aus der periodischen Beurteilung 2018, die auf das Gesamtergebnis „UB“ (Leistung, die die Anforderungen übersteigt) lautet und aus der sich kein Hinweis auf eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit entnehmen lässt.
7. Die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis ist auch nicht unverhältnismäßig. Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) folgende Verhältnismäßigkeitsgebot beansprucht auch bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen Geltung. Danach muss die einem Beamten staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Zudem darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den vom Beamten hinzunehmenden Einbußen stehen. Die Entfernung eines aktiven Beamten aus dem Beamtenverhältnis als disziplinare Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung auch die Zwecke der Generalprävention, der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Abzuwägen sind das Gewicht des Dienstvergehens und des dadurch eingetretenen Vertrauensschadens einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis wie hier gänzlich zerstört, erweist sich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann nämlich auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Folge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (BayVGH, U.v. 11.10.2017 – 16a D 15.2758 – juris Rn. 56).
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG. Der Beklagte, gegen den im Disziplinarklageverfahren auf eine Disziplinarmaßnahme erkannt wurde, trägt die Kosten des Verfahrens.


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