Verwaltungsrecht

Dublin-Verfahren (Portugal)

Aktenzeichen  B 3 S 17.50067

Datum:
7.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2, Art. 18 Abs. 1 lit. b, Art. 23 Abs. 2, Art. 25 Abs. 2
AsylG AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Portugal verfügt über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren, das prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen oder Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. Mängel und Defizite sind nicht so schwerwiegend, dass daraus ein grundlegendes, systemisches Versagen des Mitgliedsstaats hergeleitet werden könnte. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 22.02.2017 wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … wird abgelehnt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren vorläufigen Rechtsschutz gegen die ihnen drohende Überstellung nach Portugal im Rahmen eines sog. „Dublin-Verfahrens“.
Die Antragsteller, syrische Staatsangehörige, reisten nach eigenen Angaben am 06.02.2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 10.02.2017 Asylanträge.
Bei der Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am 10.02.2017 in Bamberg, erklärte der Antragsteller zu 1, er habe Ende Januar 2016 mit seiner Familie das Herkunftsland erstmalig verlassen. Sie seien von Syrien aus mit dem Bus in die Türkei gefahren, wo sie sich zwei Woche aufgehalten hätten. Danach seien sie mit dem Schlauchboot nach Griechenland. In Griechenland seien sie ca. ein Jahr in einer Flüchtlingsunterkunft in Saloniki gewesen. Von dort aus seien sie mit dem Flugzeug nach Portugal geflogen, welches von der Europäischen Union zur Verteilung organisiert gewesen sei. In Portugal seien sie für drei Tage in einem Haus untergebracht gewesen. Danach seien sie über Spanien und Frankreich mit dem Bus nach Deutschland gefahren. Seitdem hätten sie das Gebiet der „Dublin-Mitgliedsstaaten“ nicht mehr verlassen.
Die EURODAC-Abfrage des Bundesamts ergab Treffer der „Kategorie 1“ ( … bzw. …), wonach die Antragsteller zu 1 und 2 am 01.02.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Portugal gestellt haben. Der Antrag der Antragstellerin zu 2 in Portugal umfasste dabei auch die Antragsteller zu 2 – 5. Am 14.02.2017 wurde ein Übernahmeersuchen nach der Dublin-III-Verordnung an Portugal gerichtet. Die portugiesischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 15.02.2017 bzw. 16.02.2017 ihre Zuständigkeit gem. Art. 18 Abs. 1b Dublin-III-VO für die Bearbeitung der Asylanträge.
Mit Bescheid vom 17.02.2017 lehnte die Antragsgegnerin die Anträge als unzulässig ab (Nr. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2). Es wurde die Abschiebung nach Portugal angeordnet (Nr. 3) und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Unzulässigkeit der Anträge ergebe sich aus § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, da Portugal aufgrund der dort bereits gestellten Asylanträge gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO für die Behandlung der Asylanträge zuständig sei. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheids, die sich vor allem auf mit dem Nichtvorliegen systemischer Mängel in Portugal auseinandersetzt, verwiesen.
Am 22.02.2017 erhoben die Antragsteller zur Niederschrift der Rechtsantragsstelle des Verwaltungsgerichts Bayreuth Klage gegen den Bescheid vom 17.02.2017 und beantragten gleichzeitig,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus, der Antragsteller zu 1 sei Herzkrank. Hierzu werde auf die Anlagen verwiesen. Die ärztliche Versorgung in Deutschland sei besser als in Portugal. Im Übrigen seien die drei Kinder der Antragsteller zu 1 und zu 2 minderjährig, so dass die Abschiebung eine besondere Härte darstellen würde. Es werde daher die Durchführung des Asylverfahrens in Portugal beantragt.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 02.03.2017, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde auf den angefochtenen Bescheid verwiesen.
Mit Schreiben vom 02.03.2017 zeigte der Bevollmächtigte der Antragsteller gegenüber dem Gericht deren anwaltliche Vertretung an, bezog sich auf den bei der Rechtsantragsstelle gestellten Antrag und beantragte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die vorgelegte Behördenakte, die Gerichtsakte des Klageverfahrens B 3 K 17.50068 und die Gerichtsakte dieses Verfahrens verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
II.
Der Antrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist gem. §§ 122, 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass sie beantragen, die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren B 3 K 17.50068 gegen die im Bescheid des Bundesamts vom 22.02.2017 enthaltene Abschiebungsanordnung (Ziff. 3) anzuordnen.
Der nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage – im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO – ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht in der Regel kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. VG München, B. v. 18.7.2016, M 12 S. 16.50473, juris). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessensabwägung.
Vorliegend stellt sich die angegriffene Abschiebungsanordnung unter Zugrundelegung der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Sach- und Rechtslage bei der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig dar, so dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers hinter dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsandrohung zurückzutreten hat.
Nach § 34a Abs. 1 AsylG wird die Abschiebung ohne das Erfordernis einer vorherigen Androhung und Fristsetzung insbesondere dann angeordnet, wenn der Ausländer in einem für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zuständigen Staat abgeschoben werden soll, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn die Zuständigkeit des anderen Staates gegeben ist und feststeht, dass die Abschiebung in den zuständigen Staat nicht aus anderen Gründen rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich ist.
Diese Voraussetzungen liegen hier – wie im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt – im Hinblick auf die beabsichtigte Überstellung nach Portugal vor.
1. Der Asylantrag ist gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG in Deutschland unzulässig.
a) Vorliegend sind die Antragsteller von Griechenland aus mit dem Flugzeug nach Portugal eingereist und stellten dort am 01.02.2017 Anträge auf internationalen Schutz. Dies ergibt sich aus den EURODAC-Treffern der „Kategorie 1“. Auf Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 14.02.2017 hin haben sich die portugiesischen Behörden mit Schreiben vom 15.02.2017 bzw. 16.02.2017 gem. Art. 18 Abs. 1b Dublin-III-VO für die Bearbeitung der Asylanträge zuständig erklärt. Damit ist der Asylantrag der Antragsteller gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG in Deutschland unzulässig.
b) Die Zuständigkeit Portugals ist auch nicht durch Ablauf der Überstellungsfrist wieder entfallen. Die Überstellungsfrist beträgt nach Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin-III-VO sechs Monate ab dem Tag der Annahme des Auf- oder Wiederaufnahmegesuchs durch den anderen Mitgliedsstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Vorliegend ist die Zustimmung Portugals erst am 15.02. bzw. 16.02.2017 erfolgt, so dass gegenwärtig die Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen ist.
2. Die Abschiebung nach Portugal ist auch nicht aus anderen Gründen rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich.
a) Insbesondere liegen keine außergewöhnlichen Umstände vor, die die Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO begründet oder möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht bzw. eine Selbsteintrittspflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO sprechen.
aa) Systemische Mängel des portugiesischen Asylverfahrens liegen nach Auffassung des Gerichts nicht vor.
Nach dem vom Bundesverfassungsgericht zur Drittstaatenregelung entwickelten „Konzept der normativen Vergewisserung“ ist davon auszugehen, dass in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Anwendung der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten – EMRK – sichergestellt ist (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris). Dieses vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Konzept steht im Einklang mit dem der Schaffung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems zugrundeliegenden Prinzips des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 – Rs. C-411/10 und C-493/10 – juris). Unter diesen Bedingungen muss die nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung gelten, dass die Behandlung eines Asylbewerbers bzw. als schutzberechtigt anerkannten Ausländers in jedem einzelnen dieser Staaten im Einklang mit den genannten Rechten steht.
Hiervon kann nur dann nicht ausgegangen werden, wenn sich auf Grund bestimmter Tatsachen aufdrängt, der Ausländer sei von einem Sonderfall betroffen, der von dem Konzept der normativen Vergewisserung bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens nicht aufgefangen wird (vgl. EuGH, U. v. 10.12.2013 – Rs. C-394/12 – juris, BVerfG, U. v. 14.5.1996 a.a.O.). Den nationalen Gerichten obliegt im Einzelfall die Prüfung, ob ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesem Mitgliedstaat überstellten Personen implizieren (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen aufgrund größerer Funktionsstörungen in dem zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGrdRCh bzw. Art. 3 EMRK droht (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris, m.w.N., B. v. 6.6.2014 – 10 B 35/14 – juris). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten – nicht rein quantitativen – Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss diesen ein größeres Gewicht als den dagegensprechenden Tatsachen zukommen, d.h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. VGH BW, U. v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris).
Bei Anlegung dieses Maßstabs ergeben sich keine durchgreifenden Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in Portugal (so auch VG Minden, B. v. 13.08.2015 – 10 L 614/15.A – juris; VG München, B. v. 18.03.2014 – M 12 S. 14.30462 – juris). In Bezug auf Portugal ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht davon auszugehen, dass den Antragstellern im Falle ihrer Rücküberstellung in dieses Land eine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn droht. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass ihnen als Dublin-Rückkehrer eine Existenzgefahr im Sinne einer Verelendung droht. Denn nach der im Eilrechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung ist derzeit nicht davon auszugehen, dass die Mindeststandards bei der Behandlung von Asylbewerbern in Portugal schon im Allgemeinen nicht eingehalten werden. Womöglich vorkommende Fehlleistungen im Einzelfall stellen das Konzept der normativen Vergewisserung nicht in Frage. Auch wenn die sozialen und medizinischen Standards in Portugal aufgrund der dortigen schwierigen Wirtschaftslage niedriger sein sollten als in der Bundesrepublik, ist nichts dafür ersichtlich oder konkret vorgetragen, dass Portugal die Mindeststandards bei der Behandlung der Asylbewerber im Allgemeinen oder im konkreten Fall nicht einhalten würde. Einzelne Missstände begründen keine systemischen Mängel im obengenannten Sinn (VG München, B. v. 18.03.2014 – M 12 S. 14.30462 – juris).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in zwei grundlegenden Entscheidungen – betreffend die Rückführung von Asylbewerbern – grundlegend ausgeführt, dass die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat, nicht ausreicht, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten. Wenn keine außergewöhnlich zwingenden humanitären Gründe vorliegen, die gegen die Zurückweisung sprechen, ist allein die Tatsache, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse bedeutend geschmälert würden, falls er oder sie des Vertragsstaates verwiesen würde, nicht ausreichend, einen Verstoß gegen Art. 3 EGMR zu begründen (vgl. EGMR, B. v. 2.4.2013 – Nr.27725/10 – juris sowie B.v.18.6.2013 – Nr.53852/11 – juris).
Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen begründet das Vorbringen der Antragsteller, die ärztliche Versorgung in Deutschland sei besser als in Portugal keinen systemischen Mangel.
bb) Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen könnten, sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Der EGMR hat in seiner „Tarakhel“-Entscheidung bezüglich Italien (!) zwar ausgeführt, dass insbesondere minderjährige Asylbewerber eines besonderen Schutzes bedürften, weil sie besondere Bedürfnisse hätten und extrem verwundbar seien (vgl. EGMR, U. v. 04.11.2014 – Nr. 29217/12 – juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Nichtannahmebeschluss vom 17.09.2014 (2 BvR 732/14) festgestellt, dass auf Grund der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG im Dublin-System zur Vermeidung erheblicher konkreter Gesundheitsgefahren für neugeborene und Kleinstkinder bis drei Jahren eine ausreichende Versorgung im Zielstaat sicherzustellen ist. Vorliegend sollen die Antragsteller weder noch Italien überstellt werden, noch fallen die Antragsteller zu 3 bis 5 unter der von der Rechtsprechung aufgestellten Altersgrenze.
Eine Ausweitung der „Tarakhel“- Rechtsprechung erscheint auch unter Berücksichtigung der deutschen Grundrechte nicht geboten. Dies widerspräche letztendlich dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens, das aus der uneingeschränkten und umfassenden Anwendung der Europäischen Grundrechtecharta und der Genfer Flüchtlingskonvention resultiert (vgl. VG Lüneburg, U. v. 13.12.2016 – 8 A 175/16 – juris; VG Bayreuth, U. v. 02.02.2017 – B 3 K 16.30085).
b) Es sind auch keine Anhaltspunkte für innerstaatliche oder zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote vorgetragen oder sonst ersichtlich. Insbesondere steht der Gesundheitszustand der Antragsteller einer Überstellung nach Portugal nicht entgegen. Den Antragstellern droht keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Das Gericht weist zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG). Zwar berichtet der Antragsteller zu 1 von Herzproblemen bzw. einen erlittenen Herzinfarkt in Syrien und legt diesbezüglich ärztliche Atteste vor. Gleichzeitig gibt er jedoch bei der Befragung beim Bundesamt (vgl. Bl. 110 der Behördenakte) an, dass er nur noch Medikamente nehme und es ihm gut gehe. Aus den im Klage- bzw. Eilverfahren vorgelegten Dokumenten, offensichtlich in griechischer Sprache, können keine weiteren Erkenntnisse gewonnen werden, zumal auch seitens des Antragstellers zu 1 keine näheren Angaben gemacht wurden.
Soweit die Antragstellerin zu 2 vorträgt, ihr Sohn, der Antragsteller zu 3, habe Rheuma und sei in Syrien in medizinischer Behandlung gewesen, rechtfertigt dies ebenfalls keine Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Einerseits führt die Antragstellerin zu 2 selbst aus, dass seit der Ausreise aus Syrien keine weiteren Medikamente genommen wurden, andererseits fehlt es bezüglich dieses Krankheitsbilds schon an der Vorlage der notwendigen ärztlichen Bescheinigungen.
Für das Gericht ergeben sich daher keine Anhaltspunkte, dass die Antragsteller in Portugal nicht ausreichend behandelt werden könnten. Bei einer Abschiebung nach Portugal kann daher gegenwärtig nicht von einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben der Antragsteller im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgegangen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Gegenstandswert folgt aus § 30 RVG.
4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung – gemessen an dem im Prozesskostenhilfeverfahren zugunsten der Antragsteller anzulegenden großzügigen Maßstab, der lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der beabsichtigten Rechtsverfolgung voraussetzt – nach den vorstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.


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