Verwaltungsrecht

Durchsuchung einer Wohnung nach Waffen und Waffenbesitzkarte

Aktenzeichen  W 5 X 16.206

Datum:
23.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 13 Abs. 1, 13 Abs. 2
WaffG WaffG § 46 Abs. 2, Abs. 4
VwZVG VwZVG Art. 18 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Art. 37 Abs. 3 S. 1
VwGO VwGO § 14

 

Leitsatz

1 Die Rechtsgrundlage für die Durchsuchung einer Wohnung zur Sicherstellung einer Waffe nach fruchtlosem Ablauf der zur Erfüllung der waffenrechtlichen Verpflichtungen eingeräumten Frist ergibt sich aus dem Landesvollstreckungsrecht. Demgegenüber betrifft § 46 Abs. 4 S. 2 WaffG den Fall der Durchsuchung zum Zweck der sofortigen Sicherstellung. Eine Durchsuchung kann dabei nur mit dem Ziel der Sicherstellung von Waffen und Munition erfolgen (§ 46 Abs. 2 S. 2 WaffG); eine Durchsuchung zur Sicherstellung einer Waffenbesitzkarte ist unzulässig. (redaktioneller Leitsatz)
2 Rechtsgrundlage für die Sicherstellung einer Waffe nach fruchtlosem Ablauf der zur Erfüllung der waffenrechtlichen Verpflichtungen eingeräumten Frist ist § 46 Abs. 2 S. 2 WaffG; einer gerichtlichen Anordnung bedarf es insoweit nicht. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Durchsuchung der Wohnräume sowie sonstiger Räume des Antragsgegners in …, … zum Zwecke der Sicherstellung des in der Waffenbesitzkarte Nr. …, ausgestellt von der Stadt Aschaffenburg am 26. Juni 1973 eingetragenen Gewehrs, Kal. 22lr des Herstellers Remington Nr. … nebst Munition wird angeordnet. Verschlossene Haustüren, Zimmertüren und Behältnisse dürfen geöffnet werden.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II.
Diese Anordnung gilt bis zum 23. August 2016.
III.
Der Antragsteller wird mit der Zustellung dieses Beschlusses an den Antragsgegner beauftragt.

Gründe

1.
Mit Bescheid vom 11. November 2015 widerrief das Landratsamt Aschaffenburg die dem Antragsgegner in Form der Waffenbesitzkarte Nr. …, ausgestellt von der Stadt Aschaffenburg am 26. Juni 1973 erteilte Erlaubnis zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über das Gewehr Kal. 22lr des Herstellers Remington, Nr. … (Nr. 1) und ordnete an, dass der Antragsgegner die unter Ziffer 1 genannte Waffe innerhalb eines Monats nach Erhalt dieses Bescheids an eine berechtigte Person zu überlassen oder unbrauchbar zu machen und dies dem Landratsamt Aschaffenburg gegenüber nachzuweisen hat. Nach Ablauf der Monatsfrist kann die Waffe sichergestellt werden (Nr. 2). Weiter wurde verfügt, dass der Antragsgegner innerhalb von vier Wochen nach Unanfechtbarkeit dieses Bescheids die Waffenbesitzkarte Nr. … an das Landratsamt Aschaffenburg zurückzugeben hat (Nr. 3). Zudem wurde für den Fall der Nichtbefolgung der Aufforderung unter Ziffer 3 ein Zwangsgeld in Höhe von 75,00 EUR für fällig erklärt (Nr. 4).
Der dem Antragsgegner am 13. November 2015 mit Zustellungsurkunde zugestellte Bescheid ist zwischenzeitlich bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 25. Januar 2016 räumte das Landratsamt Aschaffenburg dem Antragsgegner ein, die Waffe bis zum 15. Februar 2016 einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen und wies erneut auf die Möglichkeit der Sicherstellung der Waffe hin. In der Folge teilten der Antragsgegner und Frau …, …, … mit gemeinsamen Schreiben vom 31. Januar 2016 mit, dass der Antragsteller das Gewehr Frau … geschenkt habe und baten um die Ausstellung einer neuen Besitzkarte; die Waffenbesitzkarte sei in Anlage beigefügt. Daraufhin erklärte das Landratsamt dem Antragsgegner mit Schreiben vom 10. Februar 2016, dass nur noch bis zum 15. Februar 2016 die Möglichkeit bestehe, die Waffe an einen Berechtigten zu überlassen bzw. unbrauchbar zu machen.
2.
Am 22. Februar 2016 beantragte das Landratsamt Aschaffenburg beim Verwaltungsgericht Würzburg sinngemäß,
die Durchsuchung der Wohnräume, sonstiger Räume und Fahrzeuge des Antragsgegners in …, … zum Zweck der Sicherstellung der in der Waffenbesitzkarte Nr. …, ausgestellt von der Stadt Aschaffenburg am 26. Juni 1973 eingetragene Schusswaffen nebst Munition anzuordnen,
und die Beschlagnahme der Waffenbesitzkarte Nr. …, ausgestellt von der Stadt Aschaffenburg am 26. Juni 1973 anzuordnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsgegner am 31. Januar mitgeteilt habe, dass er die Waffe seiner Frau geschenkt habe und dass er seine Waffenbesitzkarte zurückgegeben habe. Die beantragten Maßnahmen beruhten auf § 46 Abs. 4 WaffG i. V. m. Art. 37 Abs. 3 und Art. 40 VwZG, da sich die Schusswaffe vermutlich weiterhin in den Wohnräumen des Betroffenen befinde. Durchsuchung und Beschlagnahme seien notwendig, um die Waffe sowie evtl. vorhandene Munition sicherzustellen und somit einen rechtmäßigen Zustand herzustellen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt.
II.
Der Antrag ist hinsichtlich der Durchsuchung der Wohnung des Antragsgegners zum Zwecke der Sicherstellung der in der Waffenbesitzkarte Nr. …, ausgestellt von der Stadt Aschaffenburg am 26. Juni 1973, eingetragenen Schusswaffe nebst Munition zulässig und begründet. Im Übrigen ist der Antrag bereits unzulässig, jedenfalls unbegründet.
1.
Der Antrag auf richterliche Anordnung der Wohnungsdurchsuchung nach Art. 13 Abs. 2 GG ist zulässig.
Der Antrag ist statthaft. Im Hinblick auf Art. 13 Abs. 1 und 2 GG dürfen Wohnungsdurchsuchungen außer bei Gefahr in Verzug nur auf der Grundlage einer richterlichen Anordnung erfolgen (vgl. BVerfG, B. v. 3.4.1979 – 1 BvR 994/76 u. B. v. 16.6.1981 – 1 BvR 1094/80 – sowie BayVGH, B. v. 23.2. 2000 – 21 C 99.1406 – alle juris). Die zielgerichtete Suche nach in Waffenbesitzkarten eingetragenen Schusswaffen, nach etwaigen weiteren Schusswaffen und nach Munition in den Wohn- und Nebenräumen des Antragsgegners stellt eine Durchsuchung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG dar und bedarf daher einer richterlichen Durchsuchungsanordnung (VG Würzburg, B. v.3.12.2012 – W 5 X 12.362 – juris).
2.
Der Antrag auf richterliche Anordnung der Wohnungsdurchsuchung ist auch begründet.
Aus Art. 13 Abs. 2 GG folgt für den Prüfungsmaßstab und -umfang, dass die sich aus der Verfassung und dem einfachen Recht ergebenden Voraussetzungen der Durchsuchung als solche in richterlicher Unabhängigkeit geprüft werden müssen (BVerfG, B. v. 16.6.1981 – 1 BvR 1094/80 – juris; BayVGH, B. v. 23.2.2000 – 21 C 99.1406 – juris). Notwendig ist daher die Prüfung, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung der Vollstreckungsmaßnahme vorliegen und ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist, insbesondere ob die zu vollstreckende Maßnahme den schwerwiegenden Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung rechtfertigt, da sonst der Vollstreckungserfolg gefährdet wäre (BayVGH, B. v. 23.2.2000 – 21 C 99.1406 – juris).
2.1.
Rechtsgrundlage für die Durchsuchung der Wohnung des Antragsgegners zur Sicherstellung der Schusswaffe nach fruchtlosem Ablauf der zur Erfüllung der waffenrechtlichen Verpflichtungen eingeräumten Fristen ist Art. 37 Abs. 3 Satz 1 VwZVG (vgl. BayVGH, B. v. 23.2.2000 – 21 C 99.1406 – juris, Rn. 23).
Die Voraussetzungen und die Zulässigkeit einer Durchsuchungsanordnung ergeben sich vorliegend nicht aus § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG, sondern aus dem Landesvollstreckungsrecht. § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG betrifft – wie sich bereits seinem eindeutigen Wortlaut („zu diesem Zweck“) entnehmen lässt –
nur die Durchsuchung zum Zwecke der sofortigen Sicherstellung nach § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG. Demgegenüber ist die in Frage stehende Sicherstellung nach § 46 Abs. 2 WaffG an den fruchtlosen Ablauf der gesetzten angemessenen Frist im Hinblick auf ein Unbrauchbarmachen oder die Überlassung an einen Berechtigten gebunden. Die Sicherstellung nach § 46 Abs. 2 WaffG dient der Beendigung des nicht mehr durch eine Erlaubnis gedeckten Waffenbesitzes durch die Begründung amtlichen Gewahrsams und der Herstellung rechtmäßiger Zustände, damit die Widerrufsentscheidung nicht wirkungslos bleibt (st. Rspr. der Kammer, vgl. B. v. 4.1.2012 – W 5 X 12.5 – juris). Dieser Zweck erfordert, wenn der Betroffene die Frist hat verstreichen lassen, die Möglichkeit einer zwangsweisen Durchsetzung auch im Wege einer Durchsuchung, so dass nach Art. 18 Abs. 1 VwZVG ergänzend Landesvollstreckungsrecht bei Durchsuchungen zur Sicherstellung i. S. v. § 46 Abs. 2 WaffG anwendbar ist, weil das Waffengesetz insoweit keine Regelung enthält. Der Vollzug der Sicherstellungsanordnung für Waffen stellt dabei eine bundesrechtlich besonders angeordnete Art des unmittelbaren Zwangs im Sinne des Art. 34 VwZVG dar, so dass er sich ergänzend nach Art. 37 Abs. 3 Satz 1 VwZVG richtet (vgl. BayVGH, B. v. 23.2.2000 – 21 C 99.1406 – juris, Rn. 23).
2.2.
Das Landratsamt Aschaffenburg hatte dem Antragsgegner mit Nr. 2 des bestandskräftigen Bescheids vom 11. November 2015 aufgegeben, die unter Nr. 1 des Bescheids bezeichnete Waffe binnen eines Monats nach Erhalt des Bescheides einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen und dies dem Landratsamt nachzuweisen. Diese Anordnung ist bestandskräftig. Auch die mit Schreiben vom 25. Januar 2016 gewährte Verlängerung der Rückgabefrist bis zum 15. Februar 2016 verstrich ungenutzt. Aus dem Bescheid kann deshalb nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG vollstreckt werden. Da der Antragsgegner die ihm aufgegebenen Handlungen innerhalb der gesetzten Frist und auch später nicht vorgenommen hat, können diese gemäß Art. 19 Abs. 2 VwZVG im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden. Neben der Sicherstellung der Waffen scheiden andere Maßnahmen des Verwaltungszwangs aus.
2.3.
Es ist davon auszugehen, dass sich die sicherzustellende Waffe in der Wohnung des Antragsgegners befindet. Der Begriff Wohnung umfasst dabei alle Räumlichkeiten, die den häuslichen und beruflichen Zwecken des Inhabers dienen. Neben den reinen Wohnräumen sind das auch die Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume und die dazugehörigen Nebenräume sowie der angrenzende befriedete Bereich. Die mit der Durchführung des Verwaltungszwangs beauftragten Bediensteten der Vollstreckungsbehörde und Polizeibeamten sind deshalb nach Art. 37 Abs. 3 Satz 1 VwZVG befugt, soweit es der Zweck der Vollstreckung erfordert, Wohnungen von Pflichtigen zu betreten und verschlossene Türen und Behältnisse zu öffnen. Diese Befugnis folgt bereits aus dem Gesetz und kommt den Berechtigten ohne vorherige richterliche Anordnung zu. Hiervon zu unterscheiden ist die weitergehende Berechtigung, eine Wohnung zu durchsuchen. Durchsuchung ist dabei das ziel- und zweckgerichtete Suchen behördlicher Organe in einer Wohnung, um dort planmäßig etwas aufzuspüren, was der Wohnungsinhaber von sich aus nicht offenlegen oder herausgeben will (VG Würzburg, B. v. 3.12.2012 – W 5 X 12.362 – juris). Hierfür bedarf es der beantragten und tenorierten Anordnung durch das Verwaltungsgericht. Abgesehen davon setzt die Durchsuchungsbefugnis das Recht voraus, sich Zutritt zu den betreffenden Räumen zu verschaffen und dabei verschlossene Türen und Behältnisse zu öffnen.
2.4.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht der Gestattung der Durchsuchung hier nicht entgegen. Angesichts der erheblichen Gefährdungen, die von Waffen in der Hand von waffenrechtlich ungeeigneten Personen ausgehen, hat der Antragsgegner Einschränkungen seines Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung hinzunehmen. Mildere Mittel, mit denen die Gefährdung in gleich geeigneter Weise beseitigt werden könnte, sind nicht ersichtlich.
2.5.
Zur Klarstellung weist das Gericht darauf hin, dass eine richterliche Anordnung nicht nötig ist (Art. 13 Abs. 1 und 2 GG) soweit vorliegend Fahrzeuge durchsucht und dafür auch Türen geöffnet werden sollen; eine Durchsuchung darf insoweit also auch ohne diese Anordnung erfolgen.
Die Befristung entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. B. v. 27.5.1997 – 2 BvR 1992/32 – NJW 1997, 2165).
Eine Anhörung des Antragsgegners vor Erlass der gerichtlichen Durchsuchungsanordnung kam nicht in Betracht, weil sonst der Vollstreckungserfolg gefährdet gewesen wäre.
3.
Der Antrag war abzulehnen, soweit hierdurch die Sicherstellung („Beschlagnahme“) der Waffenbesitzkarte Nr. …, ausgestellt von der Stadt Aschaffenburg am 26. Juni 1973, sowie der Waffe selbst begehrt wird.
Zum einen besteht hinsichtlich der Waffenbesitzkarte kein Rechtsschutzbedürfnis, da schon nach den eigenen Angaben des Antragstellers in der Antragsschrift vom 17. Februar 2016 der Antragsgegner die Waffenbesitzkarte mit seinem Schreiben vom 31. Januar 2016 abgegeben („und gab seine Waffenbesitzkarte zurück“, S. 2 der Antragsschrift) hat.
Zum anderen rechtfertigt diese Anordnung nicht Durchsuchungen zur Sicherstellung der Waffenbesitzkarten, denn die Befugnis der Behörde zur Sicherstellung im Fall des § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG bezieht sich nur auf Waffen und Munition, anders als im Fall des § 46 Abs. 4 Satz 1 und 2 WaffG, der darüber hinaus auch Urkunden erfasst. Im Übrigen hat der Antragsteller mit Nr. 4 des Bescheids vom 11. November 2015 ein Zwangsgeld i. H. v. 75,00 EUR und damit ein Zwangsmittel angedroht. Es ist der Behörde vorbehalten, dieses Zwangsmittel zu vollstrecken und so die Herausgabe der Waffenbesitzkarte zu erzwingen.
Im Übrigen bedarf es hinsichtlich der Sicherstellung der Waffe keiner gerichtlichen Entscheidung, vielmehr ergibt sich diese bereits aus § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG.
4.
Um die Durchsuchung nicht zu gefährden, wird der Antragsteller im Wege der Amtshilfe beauftragt, den Beschluss gemäß § 14 VwGO dem Antragsgegner unmittelbar bei Beginn der Durchsuchung durch Übergabe zuzustellen.
5.
Kosten fallen für diesen Beschluss nicht an.


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