Verwaltungsrecht

Durchsuchung, Wohnung, Befristung, Kostenentscheidung, Voraussetzungen, Erlass, Durchsuchungsanordnung, Verfahren, Wohnungsdurchsuchung, Vollstreckungsvoraussetzungen, Rechtsprechung, Einhaltung, richterliche, Verantwortung

Aktenzeichen  W 6 X 22.809

Datum:
23.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 13680
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 13 Abs. 2
VwZVG Art. 26 Abs. 7 S. 3
VwZVG Art. 26 Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Zum Zwecke der Vollstreckung aus den Ausstandsverzeichnissen der Antragstellerin vom 26. April 2022 (…) wird die Durchsuchung der Wohnräume des Antragsgegners, … angeordnet. Verschlossene Haustüren, Zimmertüren und Behältnisse dürfen geöffnet werden.
II. Diese Anordnung gilt bis zum 31. Oktober 2022.
III. Die Antragstellerin wird mit der Zustellung dieses Beschlusses an den Antragsgegner im Wege der Amtshilfe beauftragt.
IV. Die Kosten des gerichtsgebührenfreien Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Gründe

I.
Der Antragsgegner schuldet der Antragstellerin nach den vorgelegten vollstreckbaren Ausstandsverzeichnissen (…) vom 26. April 2022 Gebühren, Mahngebühren, Vollstreckungskosten usw. von insgesamt 955,74 EUR. Da der Antragsgegner auf sämtliche schriftliche Zahlungsaufforderungen und Mahnungen nicht einging und von den Vollstreckungsbediensteten der Antragstellerin bei mehreren Vollstreckungsversuchen niemand angetroffen werden konnte, beantragte die Antragstellerin am 12. Mai 2022 beim Verwaltungsgericht Würzburg,
die Durchsuchung der Wohnräume des Antragsgegners und die Öffnung verschlossener Haustüren, Zimmertüren und Behältnisse zu gestatten.
Eine Anhörung des Antragsgegners durch das Gericht erfolgte nicht.
Auf die Gerichts- und Behördenakten wird Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
1. Nach Art. 13 Abs. 2 GG bedarf die Durchsuchung einer Wohnung zum Zwecke der Verwaltungsvollstreckung – außer bei Gefahr im Verzug – der gerichtlichen Anordnung (vgl. BVerfG, B.v. 3.4.1979 – 1 BvR 994/76 – BVerfGE 51, 97). Für den Erlass dieser Anordnung ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, Art. 26 Abs. 7 Satz 3 VwZVG das Verwaltungsgericht zuständig, da die Antragstellerin die Pfändung und Verwertung beweglicher Sachen innerhalb ihres Stadtgebietes nach Art. 26 Abs. 3 VwZVG durch eigene Vollstreckungsbeamte bewirken lassen will; in einem solchen Fall greift die Zuständigkeitsregelung des Art. 26 Abs. 2 VwZVG nicht ein (BayVGH, B.v. 8.5.1984 – 21 C 83 A.3207 – NJW 1984, 2482).
Die materiellen Voraussetzungen für den Erlass der Durchsuchungsanordnung (vgl. BayVGH, B.v. 23.4.1987 – 4 C 86.03145 – BayVBl. 1988, 565) sind erfüllt. Die Antragstellerin hat die vorgelegten Ausstandsverzeichnisse (…) für vollstreckbar erklärt und damit die Verantwortung übernommen, dass die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen (Art. 24 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwZVG i.V.m. Art. 19 und Art. 23 VwZVG). Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen nicht vorliegen. Das Gericht muss deshalb eine weitere Sachaufklärung in dieser Richtung nicht vornehmen (BayVGH, B.v. 23.4.1987 – 4 C 86.03145 – BayVBl. 1988, 565).
Der erforderliche Anordnungsgrund ist gegeben, da die Vollstreckungsbediensteten der Antragstellerin nach deren unbestrittenen Angaben mehrere erfolglose Vollstreckungsversuche unternommen haben.
Anhaltspunkte dafür, dass die Durchsuchung der Wohnung der Antragsgegnerin nach pfändbaren Gegenständen unverhältnismäßig ist, sind nicht vorgetragen worden; solche Anhaltspunkte sind auch anderweitig nicht ersichtlich.
Andere Vollstreckungsmaßnahmen als die Pfändung beweglicher Sachen in der Wohnung des Antragsgegners kommen nach Kenntnis der Antragstellerin und des Gerichts nicht in Betracht. Die Wohnungsdurchsuchung erscheint nach allem als erforderlich und erfolgversprechend. Schließlich handelt es sich bei der Gesamtforderung der Antragstellerin auch nicht um einen Bagatellbetrag, zu dessen Beitreibung die Wohnungsdurchsuchung in einem krassen Missverhältnis stünde. Insbesondere ist bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit zu beachten, dass der Schuldner es in aller Regel in der Hand hat, die Durchsuchung durch Zahlung abzuwenden.
2. Die Durchsuchungsanordnung ist zu befristen, da die richterliche Prüfung einer Wohnungsdurchsuchung die Einhaltung der rechtlichen Grundlagen nicht auf unabsehbare Zeit gewährleisten kann. Die Befristung entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 27.5.1997 – 2 BvR 1992/97 – BVerfGE 96, 44).
3. Um den Durchsuchungserfolg nicht zu gefährden unterblieb eine Anhörung des Antragsgegners und die Antragstellerin wird im Wege der Amtshilfe gemäß § 14 VwGO beauftragt, den hiesigen Beschluss dem Antragsgegner unmittelbar bei Beginn der Durchsuchung durch Übergabe zuzustellen (§ 173 VwGO i.V.m. § 168 Abs. 2 ZPO analog).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei.


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