Aktenzeichen S 52 AS 1155/12
SGB X SGB X § 55 Abs. 1 S. 2
Leitsatz
1 Werden zeitlich überholte Eingliederungsverwaltungsakte angefochten, kann dies nur durch eine Fortsetzungsfeststellungsklage erfolgen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann hierbei nur in Form einer Wiederholungsgefahr bestehen. Hierzu ist es erforderlich, dass im Folgenden ein Eingliederungsverwaltungsakt mit gleichen Verpflichtungen droht. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg, da sie unzulässig ist.
Streitgegenstand ist der die Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakt vom 24. Januar 2012, der für den Zeitraum 24. Januar bis 23. Juli 2012 galt. Da dieser Zeitraum abgelaufen ist, besteht für eine Anfechtungsklage auf Aufhebung dieses Verwaltungsaktes kein Raum. In Betracht kommt allein eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach kann das Gericht die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts feststellen, wenn sich dieser beispielsweise durch Zeitablauf erledigt und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Dies gilt auch im vorliegenden Fall, in dem der Verwaltungsakt bei Klageerhebung am 30. April 2012 noch Wirkungen entfaltete, aber Ende Juli 2012 durch Zeitablauf jegliche Regelungswirkung verlor.
Die Klage ist hier unzulässig, da es am erforderlichen berechtigten Interesse fehlt. Die angestrebte Entscheidung ist nicht geeignet, die Position des Klägers zu verbessern.
Werden zeitlich überholte Eingliederungsverwaltungsakte angefochten, so kommt in Betracht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse in Form von Wiederholungsgefahr. Es muss die hinreichend bestimmte konkrete Gefahr bestehen, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergehen wird (vgl. Keller in Meyer-Ladewig SGG, § 131 Rn. 10b). Diese Gefahr kann darin bestehen, dass die Behörde bei längerem Leistungsbezug des Hilfebedürftigen im nachfolgenden Eingliederungsverwaltungsakt diesem im Wesentlichen die gleichen Inhalte regelt.
Vorliegend fehlt es an der Wiederholungsgefahr, denn der Beklagte hat gerade nicht im folgenden Eingliederungsverwaltungsakt vom 18. Juli 2012 die gleichen Verpflichtungen der Beteiligten festgelegt.
Hierzu ist zunächst zu bemerken, dass an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts vom 24. Januar 2102 erhebliche Zweifel bestehen, nicht aber an der des Eingliederungsverwaltungsaktes vom 18. Juli 2012:
Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II soll die Behörde einen Eingliederungsverwaltungsakt erlassen, wenn eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande kommt. Dieser Formulierung ist zu entnehmen, dass einer konsensualen Lösung grundsätzlich Vorrang einzuräumen ist gegenüber hoheitlichem Handeln durch Verwaltungsakt. Der Erlass eines Eingliederungsverwaltungsaktes ist dagegen nicht zu beanstanden, wenn der Leistungsempfänger den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung verweigert hat (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Februar 2013, Az. B 14 AS 195/11). Die interne Dokumentation des Beklagten belegt hier die Ablehnung des Klägers zu einer einvernehmlichen Vereinbarung.
Das Bundessozialgericht hat in einer neuen Entscheidung am 23. Juni 2016 (s. u.) grundlegende Kriterien aufgestellt, nach denen Eingliederungsverwaltungsakte zu beurteilen sind:
Die Eingliederungsvereinbarung und auch der diese ersetzende Verwaltungsakt sollen insbesondere die Pflichten beider Seiten bestimmen, vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 SGB II. Da die Eingliederungsvereinbarung einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne von § 55 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) darstellt, muss die Gegenleistung des Leistungsempfängers im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen. Nichts anderes gilt, wenn statt einer Vereinbarung ein Eingliederungsverwaltungsakt erlassen wird, denn § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II verweist ausdrücklich auf die Vorgaben in Satz 2. Das Erfordernis der Gegenseitigkeit bedeutet vorliegend, dass es nicht ausreicht, wenn der Leistungsempfänger zahlreiche Bemühungen zur Eingliederung unternehmen muss, die Behörde dagegen lediglich Vermittlungsvorschläge unterbreitet und Bewerbungskosten (nach Ermessen) übernimmt. Vielmehr muss erkennbar sein, dass die Behörde auf die individuelle Bedarfslage zugeschnittene Eingliederungsleistungen erbringt. Soll von solchen individuellen Maßnahmen abgesehen werden, muss die Ermessensausübung hierzu erkennbar sein (vgl. Bundessozialgericht, Terminsbericht vom 23. Juni 2016, Az. B 14 AS 42/15).
Diesen Vorgaben genügte der Verwaltungsakt vom 24. Januar 2012 nicht. Selbst wenn der Beklagte von besonderen Eingliederungsleistungen absah, weil er vom Kläger hierzu – wie in der Vergangenheit – eine Weigerung erwartete, so ist dies aus dem Bescheid jedenfalls nicht ersichtlich. Die Leistungen standen nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis.
Anders verhält es sich mit dem Eingliederungsverwaltungsakt vom 18. Juli 2016: Dieser ist auch nach den oben genannten Anforderungen nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat die gleichen Pflichten der Beteiligten wie im Bescheid vom 24. Januar festgeschrieben, sich aber zusätzlich zu weiteren Eingliederungsleistungen an den Kläger verpflichtet: Die Aufnahme in das Bundesprogramm „Perspektive 50 plus“ sowie die Maßnahme „Unterstützung zum Berufseinstieg“. Diese Leistungen stellen ausreichende Gegenleistungen dar und lassen eine individuelle Ausrichtung erkennen.
Aufgrund dessen fehlt es hier an der Wiederholungsgefahr. Mit dem Eingliederungsverwaltungsakt vom 18. Juli 2012 hat sich bestätigt, dass der Kläger kein berechtigtes Interesse hat, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts vom 24. Januar 2012 isoliert feststellen zu lassen. Bei der Überprüfung von Sanktionen aufgrund von Verstößen gegen diesen Eingliederungsverwaltungsakt wird dieser ohnehin inzident geprüft.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.