Verwaltungsrecht

Einstellung des Asylverfahrens aufgrund der Rücknahme des Asylantrags

Aktenzeichen  M 21 S 17.42162

Datum:
3.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, § 32, § 71a

 

Leitsatz

Ein italienischer Aufenthaltstitel, bei dem zu den Gründen der Schutzgewährung „motivi umanitari” eingetragen wurde, beruht allein auf nationalem italienischen Recht und wird gerade dann erteilt, wenn die italienischen Behörden davon ausgehen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung internationalen Schutzes nicht erfüllt sind. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist nigerianische Staatsangehörige. Sie reiste am 11. April 2016 von Italien kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 20. Juni 2016 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Antrag auf Asyl.
In ihrem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 20. Juni 2016 gab die Antragstellerin an, in keinem anderen Mitgliedstaat internationalen Schutz beantragt zu haben. Eine am selben Tag durchgeführte Eurodac-Abfrage ergab einen Treffer der Kategorie 1 für den Mitgliedstaat Italien. In der Behördenakte finden sich zudem Kopien einer italienischen Reisepasses für Flüchtlinge, ein permesso di soggiorno und eine carta d‘identita. Zu den Gründen der Schutzgewährung heißt es dort „motivi umanitari“.
Am 9. August 2016 erklärte die Antragstellerin anlässlich einer Beschuldigtenvernehmung durch die Polizeiinspektion Lindau, sie ziehe ihren Asylantrag zurück. Sodann erklärte sie am 4. September 2016 erneut bei der Bundespolizeiinspektion Rosenheim, sie ziehe ihren Asylantrag zurück und kehre nach Italien zurück. Dort besitze sie einen gültigen Aufenthaltstitel.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 20. Mai 2017 wurde das Asylverfahren der Antragstellerin eingestellt (Nr. 1). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2) und die Antragstellerin unter Androhung einer Abschiebung nach Nigeria aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Hiergegen hat die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten am 24. Mai 2017 Klage erhoben (Az. M 21 K 17.42160), über die noch nicht entschieden ist, und gleichzeitig nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Eine Begründung erfolgte auch nach einem Wechsel des Bevollmächtigten nicht.
Die Beklagte hat die Behördenakte vorgelegt und sich zum Verfahren nicht weiter geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Der Antrag ist zulässig, soweit damit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 75 i.V.m. §§ 71a Abs. 4, 36 AsylG) sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids erreicht werden soll. Die Antragstellung erfolgte auch fristgerechnet innerhalb der Wochenfrist des § 71a Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG.
Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
Zu Recht hat das Bundesamt aufgrund der Rücknahme des Asylantrags das Asylverfahren der Antragstellerin gemäß § 32 AsylG eingestellt. Zweifel an der Wirksamkeit der von der Antragstellerin zweimal in einem zeitlichen Abstand von etwa einem Monat geäußerten Rücknahmeerklärung bestehen nicht.
Auch die Androhung der Abschiebung der Antragstellerin in den Herkunftsstaat Nigeria ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
Zwar ist der Antragstellerin ausweislich der in der Behördenakte befindlichen Ausweispapiere, die ihr durch den Mitgliedstaat Italien ausgestellt worden sind, in Italien ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen gewährt worden. Eine solche Aufenthaltsgestattung aus humanitären Gründen beruht aber allein auf (nationalem) italienischem Recht und wird gerade dann erteilt, wenn die italienischen Behörden davon ausgehen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung internationalen Schutzes nicht erfüllt werden (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Leitfaden Italien, Aktualisierte Fassung Oktober 2014, S. 22, abrufbar unter http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Asyl/leitfaden-italien.pdf? blob=publicationFile).
Daher wäre der Asylantrag der Antragstellerin, hätte sie diesen nicht zurückgenommen, nicht gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig gewesen mit der Folge, dass nach § 35 AsylG die Abschiebung in einen Staat anzudrohen gewesen wäre, in dem der Antragstellerin keine Verfolgung droht. Es spricht vielmehr vieles dafür, dass der Antrag als Zweitantrag nach § 71a AsylG zu behandeln gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund hätte der Antragstellerin, unterstellt die Voraussetzungen des § 71a AsylG hätten nicht vorgelegen, zwar auch die Abschiebung nach Italien angedroht werden können, da sie dort ein Aufenthaltsrecht besitzt (vgl. § 59 Abs. 2 AufenthG). Zwingend wäre dies jedoch nicht gewesen, so dass auch die Androhung der Abschiebung in den Herkunftsstaat Nigeria, dessen Staatsangehörige die Antragstellerin nach eigenen Angaben ist, rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Im Übrigen wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Bescheides, denen das Gericht folgt, verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Die Abschiebungsandrohung mit der einwöchigen Ausreisefrist nach §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG ist damit von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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