Aktenzeichen M 3 E 21.5220
§ 7 Abs. 6 der Satzung der Universität über die Immatrikulation, Rückmeldung, Beurlaubung und Exmatrikulation (ImmatS)
Leitsatz
Tenor
I. Der Antragsgegner wird verpflichtet, vorläufig das Zulassungsverfahren zum Masterstudiengang Management zum Wintersemester 2021/22 der Antragstellerin fortzusetzen und insbesondere das Essay der Antragstellerin zu bewerten.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,– Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die vorläufige weitere Teilnahme am Bewerbungsverfahren zur Zulassung zum Masterstudium an der Technischen Universität M. (im Folgenden: Universität) im Studiengang Management zum Wintersemester 2021/22.
Die Antragstellerin studiert derzeit seit dem Wintersemester 2020/21 an der Universität im Masterstudiengang Politics & Technology.
Am 31. Mai 2021 bewarb sie sich nochmals an der Universität für den hier streitgegenständlichen Masterstudiengang Management. Dabei reichte sie elektronisch mit dem Zulassungsantrag eine Curricularanalyse, ein Essay, ein Fächer- und Notentranskript ihrer bisherigen Studien, einen Lebenslauf sowie einen TOEFL-Sprachnachweis ein. Das Essay war dabei mit einem Passus „Declaration of Authorship“ versehen. In diesem Passus versicherte die Antragstellerin, dass das vorgelegte Essay von ihr selbst ohne fremde Hilfe erstellt worden sei. Alle direkt oder indirekt verwendeten Quellen seien als Referenzen angegeben. Für den Inhalt des Essays wird auf die Behördenakte Heftung „Bewerbungsunterlagen“, Bl. 29 – 20 verwiesen.
Am 31. August 2021 erließ die Universität den streitgegenständlichen, ablehnenden Bescheid mit der Begründung, die Antragstellerin habe versucht, den Bewerbungsprozess durch Täuschung zu beeinflussen.
Im darauffolgenden E-Mail-Wechsel zwischen den Parteien (vgl. zum Inhalt Bl. 27 – 7 der Behördenakte, Heftung „Aktenkonvolut zur Durchführung des Bewerbungsverfahrens“) trug die Universität u.a. vor, dass der Plagiatsindex für das Essay bei 46% läge und teilweise wörtliche Zitate nicht als solche gekennzeichnet worden wären.
Am 29. September 2021 erhob die Antragstellerin Klage gegen den Ablehnungsbescheid (M 3 K 21.5419). Ebenfalls am 29. September 2021 beantragt die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht München sinngemäß,
den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig die weitere Teilnahme am Bewerbungsverfahren zum Masterstudium Management zu ermöglichen und insbesondere den Antragsgegner zu verpflichten, das Essay der Antragstellerin zu bewerten.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass die Antragstellerin in ihrem Essay nicht getäuscht habe. Insoweit der Antragstellerin vorgeworfen werde, dass Bestandteile des Essays aus verschiedenen Internetquellen ohne Kenntlichmachung verwendet worden seien, werde übersehen, dass die Internetquellen jeweils im Literaturverzeichnis als Fundstelle angegeben seien und im Text die jeweiligen Verfasser zitiert seien. Wenn der Antragstellerin vorgeworfen werde, eine studentische Arbeit der Ahmedabad University zu verwenden, übersehe die Universität hierbei, dass es sich bei der kritisierten Passage um das von der Antragstellerin selbst vorgegebene Thema des Essays handele. Insgesamt zeige sich, dass die von der Universität verwendete Software nicht zwischen Internetquelle und der tatsächlichen Autorenschaft eines Werkes unterscheide. Aber nur durch die Nennung der tatsächlichen Autorenschaft sei überhaupt feststellbar, ob ein Plagiat vorläge. Deshalb sei vorliegend fälschlicherweise ein Plagiat angenommen worden.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei unbegründet, da die Antragstellerin aufgrund eines Plagiats in ihrem Essay rechtmäßig vom Bewerbungsverfahren ausgeschlossen worden sei. Bezüglich der Beurteilung als Plagiat werde auf die Stellungnahme eines Kommissionsmitglieds Bezug genommen (Aktenkonvolut „Unterlagen zur Durchführung des Bewerbungsverfahrens“ Blatt 43 – 41). Zur Überprüfung aller Essays auf Plagiat und Täuschung werde zunächst das Programm Turnitin eingesetzt, welches anhand eines Ähnlichkeitsindex angebe, wieviel Prozent des Essays aus übereinstimmenden oder sehr ähnlichen Texten bestehe. Ausschlaggebend für die Bewertung als Plagiat und Täuschung im vorliegenden Fall sei, dass das Ausmaß der vollständig übernommenen Textabschnitte und Textelemente ohne Kennzeichnung als direkte Zitate das erträgliche und akzeptierbare Maß bei weitem überschreite. Das Weglassen der Kennzeichnung der übernommenen Textteile suggeriere, dass es sich um die Formulierungen der Antragstellerin handele, was jedoch nicht der Fall sei, so dass eine Täuschung vorläge. Entgegen des Vertrags des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin sei für die Entscheidung, ob ein Plagiat vorliege, maßgeblich, ob Zitate als solche gekennzeichnet seien und Quellen an richtiger Stelle angegeben seien oder nicht. Kein zulässiger Zweck für ein Zitat sei die Übernahme, um dieses dem Endnutzer leichter zugänglich zu machen, sich eigene Ausführungen bzw. eigenes Werkschaffen zu ersparen oder nur auszuschmücken. Dem Essay liege auch nicht lediglich ein bloßer „handwerklicher Fehler“ der Antragstellerin zugrunde. Es werde Bezug auf einen Beschluss des VG München (M 3 E 21.3375) und des VGH Baden-Württemberg (9 S 494/08) genommen. Dass die Antragstellerin vortrage, sie habe nicht getäuscht, überzeuge nicht. Der Ähnlichkeitsindex liege im konkreten Fall bei 46 Prozent. Das akzeptierbare Maß an Übereinstimmungen im Rahmen einer Plagiatsprüfung sei somit in jedem Fall deutlich überschritten worden. Manche Ähnlichkeitsanzeigen seien zwar zum Beispiel auf die Declaration of Authorship oder gängige Formulierungen zurückzuführen, jedoch handele es sich bei den Übereinstimmungen im Essay nicht nur um Übereinstimmungen aufgrund gängiger Formulierungen oder um eine wissenschaftliche Unachtsamkeit. Die Einzelfallprüfung habe vielmehr ergeben, dass einige Stellen im Essay ein Plagiat darstellten, weil die wörtliche Übernahme von Textpassagen aus fremden Werken nicht durch entsprechende Zitierung kenntlich gemacht worden sei. Indem die Antragstellerin lediglich die Autoren oder Organisationen als Referenz angebe und wörtlich übernommene fremde Ausführungen nicht als solche kenntlich mache, täusche sie über die Eigenständigkeit ihrer Leistung. Es werde der Eindruck erweckt, die angegebenen Referenzen würden nur als Unterstützung der eigenen Ausführungen der Antragstellerin und als Erörterungsgrundlage dienen und es würde sich im Essay um eine eigenständige gedankliche Leistung der Antragstellerin handeln. Das Aufführen des Autors oder der Organisation der verwendeten Quelle am Satzende oder in den Referenzen mache nicht hinreichend deutlich, dass Passagen wörtlich übernommen worden seien und beinhalte eine Täuschung über die Eigenständigkeit der Leistung. Der Antragstellerin sei auch bewusst gewesen, dass die wissenschaftliche Sorgfalt zu beachten sei. Ziff. 5.2.1 der Anlage 2 zur FPSO nenne als ein zu bewertendes Kriterium die Fähigkeit, das Essay in wissenschaftlicher Art und Weise und unter korrekter Angabe von Quellen zu verfassen. Von einer Akademikerin wie die Antragstellerin könne erwartet werden, dass sie die Grundregeln der wissenschaftlichen Arbeitsweise beherrsche und alle übernommenen Textpassagen kenntlich mache. Schließlich sei die Regelung des Ausschlusses vom Bewerbungsverfahrens bei Täuschung auch verhältnismäßig. Zwar könne sich derjenige, der den Nachweis der Eignung nicht erbringe, nur ein weiteres Mal für den gleichen Studiengang bewerben (vgl. Ziff. 7 FPSO). Bei der Antragstellerin handele es sich vorliegend bereits um die zweite Bewerbung für den Masterstudiengang Management. Jedoch sei die Möglichkeit der zweiten Bewerbung durch die Ablehnung aufgrund § 7 Abs. 6 ImmatS nicht verbraucht. Die Antragstellerin hätte in der ersten Stufe des Eignungsverfahrens keine Direktzulassung gemäß Ziff, 5.1 – 3 der Anlage 2 zur FPSO erhalten können, da sie auf der ersten Stufe des Eignungsverfahrens lediglich 50 Punkte von für eine Direktzulassung erforderlichen 62 Punkten erreicht habe. Somit wäre nach Ziff. 5.2.1 der Anlage 2 zur FPSO auf der zweiten Stufe des Eignungsverfahrens das Essay zu evaluieren gewesen.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte sowie die Behördenakte in diesem und im Hauptsacheverfahren (M 3 K 21.5419) Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO hat Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Regelung nötig erscheint, um den Antragsteller vor bestimmten Nachteilen zu bewahren. Der Antrag ist somit begründet, wenn insbesondere der prozessuale Anspruch auf Sicherung des Hauptsacheanspruchs besteht. Das ist der Fall, wenn der zu sichernde Anspruch des Antragstellers nach den Vorschriften des materiellen Rechts besteht (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO) gemacht wird. Trotzdem gilt auch in Verfahren nach § 123 VwGO der Amtsermittlungsgrundsatz; dieser kann die Anforderungen an die Glaubhaftmachung reduzieren, wenn sich nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen ein Anordnungsanspruch aufdrängt (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 Rn. 3).
Für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes ist grundsätzlich Voraussetzung, dass dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen, ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung nicht zumutbar ist (vgl. Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 80).
Hinsichtlich der Frage des Vorliegens eines Anordnungsanspruchs hat das Gericht die widerstreitenden privaten und öffentlichen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Für diese Abwägung ist in erster Linie entscheidend, ob die Antragspartei mit einem Erfolg in einem Hauptsacheverfahren rechnen kann. Insbesondere dann, wenn mit einer – sei es auch nur befristeten – Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hauptsache bereits vorweggenommen würde, muss der Erfolg in der Hauptsache jedoch nicht nur wahrscheinlich sein, sondern bejaht werden können.
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht; sie möchte ihr Studium möglichst zeitnah aufnehmen.
Sie hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es besteht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs der Antragstellerin auf weitere Teilnahme am Zulassungsverfahren zum Studiengang Management. Denn die Antragstellerin ist rechtswidrig aufgrund § 7 Abs. 6 der Satzung der Universität über die Immatrikulation, Rückmeldung, Beurlaubung und Exmatrikulation (ImmatS) vom 9. Januar 2014 in der Fassung des 6. Änderungssatzung vom 4. März 2021 aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschlossen worden.
Gemäß Art. 43 Abs. 5 Satz 2 des Bayerisches Hochschulgesetzes (BayHSchG) vom 23. Mai 2006 (GVBl. S. 245, BayRS 2210-1-1-WK), können die Hochschulen für den Zugang zu einem Masterstudiengang neben der allgemeinen Qualifikationsvoraussetzung (Hochschulabschluss oder gleichwertiger Abschluss, Art. 43 Abs. 5 Satz 1 BayHSchG) durch Satzung weitere Zugangsvoraussetzungen festlegen, insbesondere den Nachweis einer studiengangspezifischen Eignung (Leiher in v.Coelln/Lindner, Hochschulrecht Bayern, Stand 1.8.2021, Art. 43 BayHSchG Rn. 16). Sie dürfen im Rahmen von Eignungsverfahren Qualifikationsnachweise fordern, soweit diese sicherstellen, dass die Bewerberinnen und Bewerber den Anforderungen des von der Hochschule konzipierten Studiengangs gerecht werden und die hinreichende Aussicht besteht, dass sie das Studium im Hinblick auf diese Anforderungen erfolgreich abschließen können (stRspr vgl. BayVGH, B.v. 26.11.2020 – 7 CE 20.2216 – juris Rn. 16). Die Qualifikationsanforderungen, die die Hochschulen insoweit aufstellen dürfen, hängen dabei von den speziellen fachlichen Anforderungen des jeweiligen Masterstudiengangs ab. Dabei müssen die Hochschulen sowohl die verfahrensrechtlichen Vorgaben der Eignungsfeststellung als auch die inhaltlichen Kriterien, die für die Eignungsfeststellung maßgeblich sein sollen, sowie deren jeweilige Gewichtung hinreichend klar festlegen (stRspr vgl. BayVGH, B.v. 4.2.2021 – 7 CE 20.3072 – juris Rn. 16 m.w.N.).
An die von ihr durch § 36 Abs. 1 Nr. 3 der Fachprüfungs- und Studienordnung für den Masterstudiengang Management an der Universität vom 7. Juli 2016 in der Fassung der Sammeländerungssatzung vom 29. Juni 2020 (FPSO) und dessen Anlage 2 festgelegten Vorgaben ist die Universität im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG gebunden (BayVGH, B.v. 5.11.2021 – 7 CE 21.2344 – BeckRS 2021, 34482 Rn. 12).
Dem Antrag auf Zulassung zum Eignungsverfahren ist u.a. ein in englischer Sprache abgefasstes Essay von maximal 2.000 Wörtern beizufügen (Nr. 2.2 Satz 1 i.V.m. Nr. 2.3.4 der Anlage 2). Die Durchführung des Eignungsverfahrens regelt Nr. 5 der Anlage 2. Danach wird auf der ersten Stufe des Eignungsverfahrens anhand der geforderten schriftlichen Bewerbungsunterlagen unter Berücksichtigung von im Einzelnen aufgelisteten Bewertungskriterien (Nr. 5.1.1 der Anlage 2) beurteilt, ob die Bewerber oder Bewerberinnen die Eignung zum Studium besitzen. Wer mindestens 62 Punkte erreicht hat, hat das Eignungsverfahren bestanden und ist zum Masterstudium zuzulassen (Nr. 5.1.3 der Anlage 2), wer weniger als 50 Punkte hat, hat das Eignungsverfahren nicht bestanden (Nr. 5.1.4 der Anlage 2). Bei den „übrigen Bewerbern oder Bewerberinnen“ wird auf der zweiten Stufe das Essay evaluiert (Nr. 5.2 [aufgrund eines offensichtlichen Schreibversehens fälschlicherweise als 5.1 aufgeführt] der Anlage 2).
Streitig ist vorliegend, ob die Antragstellerin wegen Täuschung vom Eignungsverfahren für die Zulassung ausgeschlossen werden konnte, ob sie also durch die Vorlage ihres Essays versucht hat, den Bewerbungsprozess durch Täuschung zu beeinflussen (§ 7 Abs. 6 ImmatS).
Nach § 7 Abs. 6 ImmatS wird vom laufenden Bewerbungsverfahren ausgeschlossen, wer vorsätzlich Angaben macht, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig sind oder den Bewerbungsprozess durch Täuschung, Drohung oder Bestechung zu beeinflussen versucht.
§ 1 ImmatS regelt – entsprechend der Ermächtigung durch Art. 13 Abs. 1 Satz 2, Art. 51 BayHSchG – das Verfahren der Immatrikulation, der Rückmeldung, der Beurlaubung und der Exmatrikulation der Studierenden und Gaststudierenden sowie Immatrikulationsversagungsgründe, also die praktische Umsetzung dieser den Studierendenstatus betreffenden Maßnahmen (vgl. Leiher in v.Coelln/Lindner, Hochschulrecht Bayern, Art. 51 BayHSchG Rn. 5). Die hier allein streitgegenständliche Frage der Zugangsberechtigung zum Masterstudium ist jedoch der Immatrikulation zeitlich vorgelagert und hiervon zu unterscheiden. Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob § 7 Abs. 6 ImmatS auf die Durchführung des Eignungsverfahrens überhaupt ohne Weiteres anwendbar ist bzw. jedenfalls im Hinblick auf Art. 43 Abs. 5 Satz 2 BayHSchG einschränkend dahingehend auszulegen wäre, dass eine – versuchte oder vollendete – Täuschung nur dann zu einem Ausschluss vom Eignungsverfahren führen kann, wenn die Täuschung sich auf einen tatsächlich durchzuführenden Verfahrensschritt bezieht (BayVGH, B.v. 5.11.2021 – 7 CE 21.2344 – BeckRS 2021, 34482 Rn. 16). Denn die Antragstellerin hat hier nach summarischer Prüfung in ihrem Essay schon nicht plagiiert.
Die Einordnung einer schriftlichen wissenschaftlichen Arbeit als „Plagiat“ beinhaltet den Vorwurf der Täuschung in einem nicht nur unbedeutenden, als bloßer „handwerklicher Fehler“ zu vernachlässigenden Umfang. Denn da nur die eigene Leistung des Kandidaten bewertet werden darf, muss aus seinem Essay klar hervorgehen, welche Leistungen der Kandidat selbst erbracht hat und welche er von anderen Autoren oder Wissenschaftlern übernommen hat. Eine solche Erklärung über die eigene Urheberschaft muss zwar nicht ausdrücklich abgegeben werden, liegt aber im vorliegenden Fall zusätzlich vor. Die Kennzeichnungspflicht bezieht sich dabei nicht nur auf die wörtliche Übernahme von Textstellen anderer Autoren, sondern auf alle Leistungen, die die Arbeit nach den gestellten Anforderungen zu erbringen hat. Ebenso, wie bei einer naturwissenschaftlichen Arbeit etwaige als Vorarbeit zu leistende wissenschaftliche Experimente, wenn sie nicht vom Verfasser selbst erbracht wurden, zu kennzeichnen sind, ist auch die in der Literaturauswahl oder dem Ansatz zur Bewältigung des Themas liegende gedankliche Leistung, wenn sie nicht vom Verfasser selbst stammt, zu kennzeichnen.
Stammen also wesentliche Teile der zur Bewertung gestellten Leistung nicht vom Verfasser selbst, sondern von einer anderen Person und macht der Verfasser dies nicht kenntlich, gibt er ein Plagiat ab. Das Nichtzitieren fremder Ausführungen, die übernommen worden sind, ist nicht nur unwissenschaftlich, sondern auch unredlich. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob eine „nachlässige“ Zitierpraxis zum Zeitpunkt der Anfertigung der Arbeit üblich war, denn eine derartige Zitierpraxis wäre unter Beachtung der allein aus dem Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit folgenden Anforderungen an den Nachweis der Eigenständigkeit wissenschaftlichen Arbeitens rechtswidrig gewesen. Letztlich ist vom Verfasser zu fordern, dass er jeden Gedankengang und jede Fußnote, die ihren Ursprung nicht in seiner eigenen gedanklichen Leistung, sondern im Werk eines anderen haben, sowie alle aus fremden Werken wörtlich übernommenen oder ähnlichen Textpassagen ausnahmslos als solche kenntlich macht; insbesondere muss er auch indirekte, umschreibende Fremdtextwiedergaben (Paraphrasierungen) so deutlich kennzeichnen, „dass der Leser an jeder Stelle weiß, wer zu ihm spricht“ (so Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 233 m.w.N., zum Ganzen umfassend; Gärditz, Die Feststellung von Wissenschaftsplagiaten im Verwaltungsverfahren, WissR 2013, 3 ff.).
In Anbetracht der sich für die weitere Berufsausbildung der Antragstellerin ergebenden Konsequenzen hat die insoweit beweispflichtige Universität den im Eignungsverfahren erhobenen Täuschungsvorwurf aus Gründen effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nachprüfbar zu belegen (BayVGH, B.v. 5.11.2021 – 7 CE 21.2344 – BeckRS 2021, 34482 Rn. 22).
Eine Bewertung des Essays als „eigene“ oder „fremde“ bzw. „teilweise fremde“ Arbeit ist allein anhand des hier mit dem Programm „Turnitin“ erstellten Ähnlichkeitsindexes nicht möglich. Ein solcher Index kann lediglich Indiz für Unregelmäßigkeiten sein und zu weiteren Prüfungen Anlass geben. Mangels Vorliegens entsprechender Unterlagen bestehen bereits Zweifel, ob im Vorfeld der Entscheidung der Universität vom 31. August 2021 tatsächlich eine ausreichende Inhaltsprüfung des Essays stattgefunden hat. Die „inhaltliche Begründung“ (Bl. 43 der Behördenakte, Heftung „Aktenkonvolut zur Durchführung des Bewerbungsverfahrens“) datiert erst auf den 4. November 2021, also nach Rechtshängigkeit der Klage und des Eilverfahrens.
Der Plagiatsbericht des Programms „Turnitin“ lässt in weiten Teilen nicht erkennen, aus welchen Quellen exakt Textbestandteile übernommen worden sind, da er zum einen beim Verweis auf Internetquellen diese nicht exakt angibt, sondern nur die Webseite nennt, und die Studentenarbeiten, auf die verwiesen wird, nicht vorliegen. Auch die Begründung des Kommissionsmitglieds enthält keine Quellen bzw. Quellenangaben, so dass aus den von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen das Vorliegen eines Plagiats nicht belegt ist. Aufgrund der vorliegend möglichen Recherche aus den frei verfügbare Internetquellen konnte im Rahmen der gerichtlichen Prüfung zudem festgestellt werden, dass die Antragstellerin sowohl bei den beispielhaft gerügten Textstellen (Bl. 41 der Behördenakte, Heftung „Aktenkonvolut zur Durchführung des Bewerbungsverfahrens“) als auch ansonsten bei den vom Programm markierten Stellen in ihrem Essay grundsätzlich eine Quellenangabe angibt. Auch die nicht gerügten Textstellen enthalten im Übrigen umfangreich Quellenangaben. Im Literaturverzeichnis, aus dem sich auch die verkürzte Zitation im Text ergibt, sind die Quellen als Langzitat aufgeführt und zusätzlich werden die entsprechen Internetfundstellen verlinkt. So werden im gerügtem Bespiel 1 vom Programm Textstellen mit den Internetquellen 8, 9 und 3 markiert; die Sätze, die diese markierten Stellen enthalten, sind jeweils mit einer Quellenangabe versehen und aus dem Literaturverzeichnis (unter 10. für 8, 13. für 9 und unter 21. für 3) des Essays ergibt sich auch der Link zur Internetfundstelle. Allerdings findet sich nicht zu allen als Internetquelle markierten Textstellen eine Internetfundstelle im Literaturverzeichnis (z.B. 1, 4 und 5). Die entsprechenden Texte sind aber ohne Weiteres – wie vom Programm gekennzeichnet – im Internet auffindbar, bei der Quelle „PacificCommunity, 2016“ (unter 19. im Literaturverzeichnis) handelt es sich augenscheinlich sogar um eine reine Internetquelle. Ein adäquat gekennzeichnetes direktes Zitat findet sich nur auf der ersten Seite des Essays, obwohl auch an anderen Stellen teilweise große Satzteile bzw. sogar ganze Sätze (vgl. gerügtes Beispiel 3) wörtlich übernommen wurden.
Die Zitierweise der Antragstellerin wird also zumindest teilweise zurecht von der Universität gerügt. Aus einer schlechten oder unzureichenden Zitation ergibt sich aber noch nicht automatisch der Vorwurf eines vorsätzlichen Plagiats und damit der Täuschung. Vielmehr ist eine solche im vorliegenden Fall nach summarischer Prüfung nach Überzeugung des Gerichts nicht gegeben, da der Antragstellerin der erforderliche Vorsatz nicht nachgewiesen werden kann.
Vorsatz als subjektive Tatsache lässt sich nur über äußere Indizien nachweisen; es gilt der Grundsatz des Anscheinsbeweises. Jeder Zitierfehler ist zwar ein Indikator für schlechte Wissenschaft, aber nicht unbedingt auch für ein vorsätzliches Plagiat. Lediglich schlechte Wissenschaft – und hierzu gehören auch Ungenauigkeiten beim Zitieren – ist noch kein Fehlverhalten. Bei bloßen Ungenauigkeiten, Nachlässigkeiten und Flüchtigkeitsfehler handelt es sich um keine Täuschung. Vorsätzliche Plagiate zeichnen sich dagegen durch die Häufung und die Systematik im Vorgehen aus. Gerade die Umarbeitung des übernommenen Textes kann Vorsatz indizieren, wenn z.B. einzelne Wörter substituiert, Sätze umgestellt oder Textelemente zwischen Haupttext und Fußnoten verschoben werden. Wer etwa eine Primärquelle mehrmals an verschiedenen Stellen übernimmt, ohne einen Nachweis anzufügen, wird dies nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht aus Flüchtigkeit tun, sondern Vorsatz haben. Gleiches wird man annehmen müssen, wenn ganze Absätze aus fremden Texten ohne Anführungszeichen und Nachweis wörtlich übernommen werden, und zwar erst recht, wenn jeweils die Ein- oder Überleitungssätze abgeändert werden, weil dies ein bewusstes und zielgerichtetes Vorgehen indiziert (vgl. zum Ganzen: Gärditz, Die Feststellung von Wissenschaftsplagiaten im Verwaltungsverfahren, WissR 2013, 24 ff. m.w.N.).
Im Gegensatz zur Universität, die davon ausgeht, dass die Antragstellerin durch das ledigliche Angeben der Referenzen, ohne wörtlich übernommene fremde Ausführungen als solche kenntlich zu machen, über die Eigenständigkeit ihrer Leistung täusche, kann das Gericht aus diesem Fehlverhalten keine Täuschung ableiten. Der Täuschungsvorwurf leitet sich nach der Stellungnahme des Kommissionsmitgliedes und der Antragserwiderung einzig aus dem Fehlen von Anführungszeichen her. Zwar ist der Universität insoweit Recht zu geben, dass die Antragstellerin Passagen wörtlich übernimmt, auch scheint der Antragstellerin das Erfordernis direkter Zitate bewusst zu sein, wie die Verwendung eines solchen zeigt, aber das Vorgehen der Antragstellerin spricht eher für schlechte Wissenschaft als für eine vorsätzliche Täuschung. Zum einem werden die korrekten Quellen – wie auch die Universität zugesteht – jeweils am Satzende genannt, zum anderen fehlt es an einem Vorsatz indizierendem Verhalten. So verwendet die Antragstellerin im Gegensatz zur Arbeit im Verfahren M 3 E 21.3375, auf welches der Antragsgegner Bezug nimmt, eben nicht vielfach Teilsätze oder verbundene Teilsätze ohne Quellenangabe, bei denen gegenüber der Quelle selbst nur einzelne Wörter ausgetauscht oder ergänzt bzw. die Syntax verändert wurden. Auch wurden im Gegensatz zum ebenfalls angesprochenen Verfahren vor dem VGH BaWü (B.v. 13.10. 2008 – 9 S 494/08 – juris) gerade nicht ganze Abschnitte übernommen, ohne dass eine zutreffende Quellenangabe erfolgt bzw. die Quellenangabe bewusst den Eindruck erweckt, dass es sich um eigenständige Argumentationserwägungen handelt. Schon der Abschnitt über die Methodik des Essays macht deutlich, dass Grundlage der Arbeit eine Internetrecherche sein soll. Auch den Vorwurf, dass die Antragstellerin in den übernommenen Textelementen bewusst einzelne Wörter ausgetauscht, weggelassen oder durch andere Wörter ergänzt habe, kann das Gericht nicht nachvollziehen. Zum einen sind die Änderungen in den von der Universität hervorgehobenen Beispielen, soweit sie überhaupt erfolgt sind, so geringfügiger Natur, dass sie kaum zur Verschleierung geeignet sein können. Diese Änderungen scheinen eher vorgenommen zu worden sein, um aus den verschiedenen Quellen einen einheitlichen Text herzustellen. Auch macht zwar das Aufführen der verwendeten Quelle am Satzende nicht hinreichend deutlich, dass Passagen wörtlich übernommen worden sind und erweckt den Eindruck, die angegebenen Referenzen würden nur als Unterstützung der eigenen Ausführungen und als Erörterungsgrundlage dienen, allerdings erweckt hier der Essay grundsätzlich nicht den Eindruck eigener wissenschaftlicher Arbeit, vielmehr handelt es sich eher um eine Zusammenfassung vorhandener (Internet) Quellen. Zusammenfassend handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Essay nach summarischer Prüfung nicht um eine vorsätzliche Täuschung.
Dem Antragsgegner ist aber zuzustimmen, dass nach Ziff. 5.2.1 (und Ziff. 5.2.2 Nr. 1) der Anlage 2 zur FPSO ein zu bewertendes Kriterium die Fähigkeit ist, das Essay in wissenschaftlicher Art und Weise und unter korrekter Angabe von Quellen zu verfassen. Der Universität ist es daher nicht verwehrt, die zweifelslos vorhandenen Zitierfehler nach dieser Vorschrift zu berücksichtigen.
Unabhängig hiervon erschiene der Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Basis einer Folgenabwägung im vorliegenden Fall auch ausnahmsweise geboten, wenn die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache anhängigen Verpflichtungsklage nicht ausreichend geklärt werden könnten. Denn diese ergibt im vorliegenden Fall, dass die aus dem Erlass einer einstweiligen Anordnung für die Antragstellerin resultierenden (positiven) Folgen die damit verbundenen (negativen) Konsequenzen für den Antragsgegner überwiegen. Denn für die Antragstellerin ist ein Zulassungsanspruch zum Masterstudium grundrechtsrelevant (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG). Bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes besteht für sie die Gefahr einer nicht nur unwesentlichen Grundrechtsbeeinträchtigung, die in dem eintretenden Zeitverlust liegt, den die Antragstellerin erfährt, wenn sie das begehrte Masterstudium nicht bereits zum Wintersemester 2021/2022, sondern erst später aufnehmen kann. Jedenfalls insoweit kann ihr nicht entgegengehalten werden, dass sie für das darauffolgende Semester erneut Zulassung zum Eignungsverfahren beantragen kann. Demgegenüber tritt das Interesse der Universität, die Antragstellerin erst nach rechtskräftiger Entscheidung über die Hauptsache zum Studium zuzulassen, und sie nicht vorläufig, also möglicherweise „umsonst“ studieren zu lassen, zurück (BayVGH, B.v. 5.11.2021 – 7 CE 21.2344 – BeckRS 2021, 34482 Rn. 26). Dies gilt umso mehr, als es vorliegend zunächst nur um die Fortsetzung des Zulassungsverfahrens geht.
Die Antragstellerin hat nach alldem – da der Ausschluss nach § 7 Abs. 6 ImmatS nach summarischer Prüfung voraussichtlich rechtswidrig war – einen Anspruch auf Fortsetzung des Zulassungsverfahrens zum Masterstudiengang Management im Wintersemester 2021/22.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1, Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5, Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs.