Aktenzeichen M 9 S 17.46850
AsylG § 30 Abs. 1
AsylG § 30 Abs. 2
AsylG § 36 Abs. 3 S. 1
AsylG § 36 Abs. 4
VwGO § 58 Abs. 2
Leitsatz
1. Die Antragsfrist ist im Zeitpunkt des Eingangs des Eilantrags bei Gericht am 9. August 2017 bereits abgelaufen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass der Antrag unbegründet ist, da der Antragsteller aller Voraussicht nach weder Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch subsidiären Schutzes noch auf Feststellung von Abschiebungsverboten hat. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt P. H. wird für dieses und für das zugehörige Klageverfahren, Az.: M 9 K 17.46849 abgelehnt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist (vgl. Bl. 69f. der Bundesamtsakte) nigerianischer Staatsangehöriger, geboren am … 1975, er reiste spätestens am 8. April 2016 (vgl. Bl. 30f. der Bundesamtsakten) auf dem Landweg von Italien und Österreich kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 26. Juli 2016 Asylantrag.
Die Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) erfolgte am 14. September 2016. Zur Begründung des Asylbegehrens machte der Antragsteller – u.a. auch auf entsprechende ausdrückliche Fragen – geltend, dass er aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland gekommen sei (vgl. insbesondere Seite 5 der Niederschrift über die Anhörung, Bl. 42 der Bundesamtsakte). Auf die Niederschrift über die Anhörung im Übrigen wird Bezug genommen (Bl. 38 – 43 der Bundesamtsakten).
Mit Bescheid vom 23. Mai 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung sowie auf subsidiären Schutz jeweils als offensichtlich unbegründet ab (Nrn. 1 bis 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4), forderte den Antragsteller zum Verlassen der Bundesrepublik innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung auf und drohte die Abschiebung nach Nigeria an (Nr. 5). Unter der Nr. 6 des Bescheids wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG befristet. Auf den Bescheid und seine Begründung wird Bezug genommen.
Der Bescheid wurde laut Ab-Vermerk des Bundesamts am 26. Mai 2017 versandt (Bl. 108 der Bundesamtsakte).
Der Antragsteller ließ mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 9. August 2017, bei Gericht eingegangen per Telefax am selben Tag, Klage erheben (M 9 K 17.46849) und beantragen,
die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Bescheids vom 23. Mai 2017 zu verpflichten, den Antragsteller als Asylberechtigten anzuerkennen, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ihm hilfsweise subsidiären Schutz zuzuerkennen und „höchst“ hilfsweise festzustellen, dass bei ihm Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Gleichzeitig wurde beantragt,
hinsichtlich der Abschiebungsandrohung nach Nigeria die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Außerdem wurde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten beantragt.
Zur Begründung der Rechtsbehelfe wird ausgeführt, dass der Antragsteller den Bescheid bis heute nicht erhalten habe. Der Antragsteller sei zur Zeit seiner Anhörung beim Bundesamt in der Landrat-M. Straße in K. wohnhaft gewesen und sei von dort Mitte bis Ende Mai 2017, an das genaue Datum könne sich der Antragsteller nicht erinnern, in die Gemeinschaftsunterkunft M. Str. … in … Landsberg am Lech verlegt worden. Die Mitteilung der neuen Adresse an das Bundesamt sei über den in der neuen Unterkunft tätigen Sozialdienst erfolgt. Die Klage sei nicht verfristet, da dem Antragsteller der Bescheid bis heute nicht zugegangen sei. Ferner seien die noch am 23. Mai 2017 vom Bundesamt verwendeten Rechtsbehelfsbelehrung:en unrichtig – hierzu werde auf ein Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 18. April 2017 verwiesen -, so dass sich die Klagefrist auf ein Jahr verlängere. Als Anlage enthält der Schriftsatz eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers, auf die Bezug genommen wird. Eine Begründung der Rechtsbehelfe in der Sache wurde bis heute nicht eingereicht.
Die Antragsgegnerin hat die Akten vorgelegt und mit Schreiben vom 14. Februar 2018, auf das einschließlich der Anlagen Bezug genommen wird, vorgetragen, dass der Bescheid vom 23. Mai 2017 bereits unanfechtbar sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem und im dazugehörigen Klageverfahren sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der nach § 75 AsylG kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Abschiebungsandrohung ist bereits unzulässig.
Der Antragsteller hat den Eilantrag nicht innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides und damit nicht fristgerecht im Sinne von § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gestellt.
Der streitgegenständliche Bescheid gilt als spätestens am 29. Mai 2017 zugestellt. Das belegt die Postzustellungsurkunde auf Bl. 116f. der Behördenakte. Diese bescheinigt zwar einen erfolglosen Zustellversuch, jedoch gilt insoweit § 10 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2 AsylG, d.h. der Antragsteller muss diese Zustellung gegen sich gelten lassen. Die Adresse, unter welcher diese Zustellung erfolgte (M2. Str. 11, … L.a. L.), war zu diesem Zeitpunkt auch die Anschrift, unter der der Antragsteller i.S.v. § 10 Abs. 2 Satz 2 AsylG zu wohnen verpflichtet war bzw. immer noch ist. Das folgt aus der Mitteilung des Bundesamts vom 14. Februar 2018 samt Anlagen. Ausweislich des Bescheids des Landratsamt Landsberg a. Lech vom 3. April 2017 (laut Ab-Vermerk zur Post gegeben am selben Tag) wurde der Antragsteller bereits lange vor der Zustellung des hier streitgegenständlichen Bescheids verpflichtet, in der M.ünchner Str. 11 in 8.6899 L.andsberg a. Lech zu wohnen. Die Antragsfrist endete folglich mit Ablauf des 6. Juni 2017 (vgl. § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO, §§ 188 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB). Im Zeitpunkt des Eingangs des Eilantrags bei Gericht am 9. August 2017 war die Antragsfrist somit bereits abgelaufen.
Weder die Behauptung, dass der Antragsteller den Bescheid tatsächlich nicht erhalten hat – darauf kommt es im Fall von § 10 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2 AsylG gerade nicht an – ändert hieran etwas, noch die Abgabe einer entsprechenden eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers.
Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass auch die Klagefrist (§ 74 Abs. 1 Hs. 2 AsylG) bereits abgelaufen und damit auch die Klage unzulässig ist.
Schließlich ändert auch der Verweis des Bevollmächtigten des Antragstellers auf das Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 18. April 2017 (Az.: A 9 S 333/17) nichts an der Unzulässigkeit von Klage und Antrag, insbesondere liegt hier keine Verlängerung der Klage- bzw. Antragsfrist auf ein Jahr vor, da richtigerweise kein Fall des § 58 Abs. 2 VwGO vorliegt; das folgt aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Januar 2018 (Az.: 13a B 17.31116 – juris, dort insbesondere Rn. 24ff. und speziell zur Auseinandersetzung mit der Entscheidung des VGH Baden-Württemberg Rn. 33; so i.Erg. schon VG München, B.v. 30.10.2017 – M 9 S 17.52830), dem sich das Gericht anschließt.
2. Daher kommt es nicht mehr darauf an, dass der Antrag unabhängig davon auch unbegründet ist, da der Antragsteller aller Voraussicht nach weder Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a Abs. 1 GG) noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG noch subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG noch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat. Der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 23. Mai 2017, auf den gemäß § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen wird, ist unter Zugrundelegung des Prüfungsumfangs des Verfahrens auf vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, wobei Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, unberücksichtigt bleiben, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, § 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.). Die gerichtliche Überprüfung der vom Bundesamt getroffenen Offensichtlichkeitsfeststellung hat im Hinblick auf den nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz aufgrund der als asylerheblich vorgetragenen oder zu erkennenden Tatsachen und in Anwendung des materiellen Asylrechts erschöpfend, wenngleich mit Verbindlichkeit allein für das Eilverfahren zu erfolgen (BVerfG, B.v. 19.6.1990 – 2 BvR 369/90 – juris Rn. 20). Die Anforderungen entsprechen insofern denjenigen der Ablehnung einer asylrechtlichen Klage als offensichtlich unbegründet (BVerfG, B.v. 19.6.1990 a.a.O. juris Rn. 21).
Anknüpfungspunkt für die Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht ist daher die Prüfung, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG), zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach § 51 Ausländergesetz 1990 BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
Nach Maßgabe der dargelegten Maßgaben bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Offensichtlichkeitsurteils. Die Begründung des Offensichtlichkeitsurteils ist nach der Maßgabe von § 30 Abs. 1 AsylG nicht zu beanstanden. Ein Asylantrag ist gemäß § 30 Abs. 1 AsylG offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Flüchtlingseigenschaft (einschließlich der Voraussetzungen für subsidiären Schutz) offensichtlich nicht vorliegen. Dies ist dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung des Antrags geradezu aufdrängt (BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3). Der Antragsteller hat bezogen auf ein Asylbegehren, den Flüchtlingsschutz, und auch den subsidiären Schutz überhaupt nichts vorgetragen. Die Schilderung der Geschehnisse, die ihn nach seinen Angaben zum Verlassen des Heimatlandes bewegt haben, weist keine Anknüpfung an Umstände auf, die asyl- oder flüchtlingsrelevant sein könnten. Vielmehr beruft sich der Antragsteller lediglich und ausdrücklich darauf, dass er Nigeria aus wirtschaftlichen Gründen verlassen habe. Wie das Bundesamt im angegriffenen Bescheid zu Recht ausführt, liegt hierin keine Anknüpfung an ein Merkmal, das für ein Asylbegehren, den Flüchtlingsschutz oder auch den subsidiären Schutz relevant ist. Die Bewertung des Bundesamts, dass beim Antragsteller die Voraussetzungen gemäß § 30 Abs. 1 AsylG vorliegen, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Ebenso liegt, wie das Bundesamt ebenfalls zu Recht annimmt, auch das Regelbeispiel gemäß § 30 Abs. 2 AsylG vor, da der Antragsteller tatsächlich nur vorträgt, dass er auf der Suche nach einer besseren wirtschaftlichen Perspektive, mithin nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, nach Deutschland gekommen ist.
Die Klagebegründung verhält sich erst gar nicht zu der Ablehnung (als offensichtlich unbegründet) des Asylantrags aus inhaltlichen Gründen.
Auch ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen schwieriger wirtschaftlicher Verhältnisse im Heimatland kommt nicht in Betracht; insofern wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die auch diesbezüglich zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Bescheid, dort insbesondere auf den Seiten 3 unten unter 4. bis Seite 6 Bezug genommen; dabei weist das Bundesamt zutreffend darauf hin, dass vom Antragsteller als jungem, erwerbsfähigen Mann mit nach eigenen Angaben abgeschlossener zwölfjähriger Schulbildung erwartet werden kann, dass er in der Lage ist, sich im Heimatland nach der Rückkehr dorthin eine Lebensgrundlage zu schaffen, zumal ebenfalls nach eigenen Angaben viele Verwandte in Nigeria leben, die ihm Beistand leisten können.
Es liegen auch ansonsten keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
Die auf der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet beruhende Abschiebungsandrohung mit der einwöchigen Ausreisefrist nach §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG ist nach alledem nicht zu beanstanden.
3. Der Antrag wird daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abgelehnt. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
4. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Bevollmächtigten des Antragstellers wird ebenfalls abgelehnt, da Antrag und Klage, wie sich aus dem oben Dargestellten ergibt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten, § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG), das gilt auch für die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch (Marx, AsylG. 9. Auflage 2017, § 80 Rn. 3).