Aktenzeichen 21 CS 17.1668
WaffG § 4, § 45
Leitsatz
1 Personen, die der sog. “Reichsbürgerbewegung” zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, sind waffenrechtlich nicht zuverlässig. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug besteht auch für die mit dem Widerruf der Waffenbesitzkarte verbundenen notwendigen Anordnungen, die ausgestellten Erlaubnisurkunden zurückzugeben und vorhandene Waffen und Munition an einen Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
B 1 S 17.464 2017-08-08 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.125,- € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarte und die dazu ergangenen Nebenentscheidungen.
Das Landratsamt Kronach erteilte dem Antragsteller am 23. Juli 1974 die Waffenbesitzkarte Nr. …19……, in die acht Waffen eingetragen sind.
Mit am 28. September 2016 unterschriebenem Formblatt stellte der Antragsteller bei der Stadt Kronach Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit. Dabei gab er als Wohnsitzstaat „Bayern (Deutschland_als_Ganzes)“ an. Unter Sonstiges führte er an: „Geburt (Abstammung) gemäß § 4 RuStAG (Stand 22.07.1913)“.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 2016 an den Gerichtsvollzieher beim Amtsgericht …, in dem als Absender „J… M… M… a.d.F. A …, natürlicher, beseelter Mensch nach § 1 BGB (1896), Begünstigter der Person des J… M… M… A……“ angegeben ist und das die Unterschrift „M… A……“ trägt, wird auf „formale Fehler hinsichtlich Zuständigkeiten und Rechtsgrundlagen“ hingewiesen. Das Bundesverwaltungsamt mit Sitz in Köln habe seinem Sohn T… A…… seine Staatsangehörigkeit, erworben mit seiner Geburt durch Abstammung gemäß § 4 RuStAG, das seit dem 22.07.1913 bis heute in Deutschland gültiges Recht sei, bescheinigt. Er habe ebenfalls einen solchen Antrag gestellt. Weiter wird ausgeführt, dass sich der Name des Staates, in dem er geboren worden sei, sowie der Name des Staates, in dem er heute lebe, aus dem beiliegenden EStA-Registerauszug seines Sohnes entnehmen lasse. Weder „Geburtsstaat noch Anschrift Staat“ hießen „Bundesrepublik Deutschland“. Er werde seinen Personalausweis zur Sicherstellung, zum Einzug und zur Vernichtung an die BRD zurückgeben. Es bestehe „kein Geschäftsverhältnis mehr“ zwischen ihm „als Natürliche Person und der BRD“.
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2016 teilte das Polizeipräsidium Oberfranken dem Landratsamt Kronach mit, dass der Antragsteller der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen sei.
Im Rahmen der Anhörung zum beabsichtigten Widerruf der Waffenbesitzkarte bestritt der Antragsteller mit Schreiben vom 7. Februar 2017 „sämtliche Behauptungen“, die ihm bezüglich seiner angeblichen Zugehörigkeit zu der sogenannten „Reichsbürgerszene“ und vermuteter “Reichsbürgereigenschaft“ unterstellt würden. Er habe zu niemandem in dieser „Reichsbürgerbewegung“ Kontakt und stehe dieser Ideologie auch nicht nahe. Seine gesamten Waffen seien ordnungsgemäß verwahrt, wie auch eine unangekündigte Aufbewahrungskontrolle bestätigt habe. Er bestreite, dass er einen Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit beim Landratsamt Kronach gestellt habe. Er bestreite auch die Behauptung, dass er die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland, Gesetze mit bindender Wirkung für ihn zu erlassen, negiere. Er halte sich an geltende und gültige Gesetze. Die BRD werde von ihm anerkannt, da sie existent sei.
In einem am 20. März 2017 übersandten Telefax an den Gerichtsvollzieher … in … ist der Antragsteller als „gesetzlich nachgewiesener Deutscher“ bezeichnet und unter anderem ausgeführt, dass es aufgrund der aktuellen Rechtslage und höchstrichterlicher Entscheidungen keine aktuelle Rechtsgrundlage gebe, dass ein Gerichtsvollzieher hoheitliche Aufgaben ausführen dürfe. Gerichtsvollzieher seien keine Beamte mehr, sondern freiberufliche Unternehmer. Dieses Schreiben ist mit „A……“ unterschrieben.
Zudem wurden am 20. März 2017 „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ (AGB) des M… A…… an den Gerichtsvollzieher beim Amtsgericht … übersandt. Hierin heißt es unter Nr. 2 Buchst. e unmittelbarer Beweis staatlichen, hoheitlichen oder „amtlichen“ Handelns sei ausschließlich die Vorlage einer notariell beglaubigten Kopie der Gründungsurkunde des Staates, in dem und für den der Fordernde hoheitlich handeln wolle. Ungesetzliches bzw. rechtsungültiges Handeln im Sinne der „AGB“ des Antragstellers liege insbesondere vor, wenn der Fordernde oder seine Beauftragten, Mitarbeiter, Vorgesetzten etc. zum Nachteil des Eigentümers als „Körperschaft“ oder „Anstalt des öffentlichen Rechts“, „Amt“, „Behörde“, „Bund“, „Ministerium“ etc. oder in jedweder Form hoheitlich, d.h. ohne ausdrückliche Einwilligung des Eigentümers handeln wollten, ohne gleichzeitig eine notariell beglaubigte Kopie der Gründungsurkunde des Staates vorzulegen, für den er bzw. sie hoheitlich handeln wollten (2 f). Für „ungesetzliche Handlungen und Forderungen“ wurde ein Gebührenkatalog erstellt, worin Gebührentatbestände mit Gebühren in Höhe von mehreren tausend Feinunzen Silber enthalten sind (4 d).
Mit Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region Oberfranken vom 10. Mai 2017 wurde festgestellt, dass beim Antragsteller der Grad der Behinderung 100 beträgt (Polyneuropathie u.a. Einzel-GdB 70, Sehminderung beidseits, eingepflanzte Kunstlinse rechts Einzel-GdB 70, Zuckerkrankheit Einzel-GdB 40, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule u.a. Einzel-GdB 40).
Mit Bescheid vom 16. Mai 2017 widerrief der Antragsgegner die dem Antragsteller erteilte Waffenbesitzkarte Nr. …19……, in die insgesamt acht Schusswaffen eingetragen sind (I.). Gleichzeitig wurde dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (IV.) aufgegeben, innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Bescheides die in der Waffenbesitzkarte eingetragenen Waffen einem Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen und dem Landratsamt Kronach einen Nachweis zu erbringen (II.) sowie die Waffenbesitzkarte innerhalb dieser Frist beim Landratsamt Kronach abzugeben (III.). Für den Fall der nicht fristgerechten Rückgabe der Waffenbesitzkarte wurde ein Zwangsgeld angedroht (V.). Zur Begründung führte das Landratsamt aus, dass der Antragsteller der sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen sei. Die Distanzierung sei als reine Schutzbehauptung und als nicht glaubhaft anzusehen. Als Angehöriger der sog. „Reichsbürgerbewegung“ bestreite der Antragsteller die Verbindlichkeit der unter dem Grundgesetz geschaffenen Rechtsordnung, zu der auch das Waffengesetz zähle. Deshalb müsse ihm die nach § 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden.
Der Antragsteller hat gegen den Bescheid am 16. Juni 2017 Klage erhoben und Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, den das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 8. August 2017 abgelehnt hat.
Dagegen richtet sich die am 23. August 2017 eingelegte Beschwerde des Antragstellers.
II.
Die zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1 und 4, § 147 VwGO) des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder abzuändern.
1. Nach der gebotenen summarischen Prüfung fällt die nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zugunsten des öffentlichen Interesses aus. Die Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers gegen den angefochtenen waffenrechtlichen Bescheid sind als offen zu bewerten. Unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Argumente und Beweisangebote kann eine Aussage über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts nicht mit der erforderlichen Sicherheit getroffen werden (1.1). Ausgehend von einem offenen Verfahrensausgang führt die vorzunehmende Interessenabwägung dazu, dass das Vollzugsinteresse des Antragsgegners das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt (1.2).
1.1. Nach § 45 Abs. 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Das Verwaltungsgericht ist bei Anwendung dieser Vorschrift zutreffend davon ausgegangen, dass solche Personen die für eine waffenrechtliche Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, weil in diesem Fall Tatsachen die Annahme nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden (Buchst. a), sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Buchst. b) oder sie Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Buchst. c – vgl. Beschluss des Senats vom 5. Oktober 2017- 21 CS 17.1300 – juris).
1.1.1 Der Verfassungsschutzbericht 2016 des Bundes (S. 90) definiert „Reichsbürger“ als eine organisatorisch wie ideologisch äußerst heterogene Szene, der jedoch die fundamentale Ablehnung des Staates, seiner Repräsentanten sowie der gesamten Rechtsordnung gemein ist. Nach dem Verfassungsschutzbericht Bayern 2016 (S. 180 ff.) sind „Reichsbürger“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Den Vertretern des Staates sprechen sie die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Sie berufen sich in unterschiedlichster Form auf den Fortbestand des Deutschen Reiches. Reichsbürger behaupten, Deutschland habe keine gültige Verfassung und sei damit als Staat nicht existent, oder das Grundgesetz habe mit der Wiedervereinigung seine Gültigkeit verloren. Daher fühlen sich Reichsbürger auch nicht verpflichtet, den in der Bundesrepublik geltenden Gesetzen Folge zu leisten. Die Reichsbürgerbewegung wird als sicherheitsgefährdende Bestrebung eingestuft. Die Reichsbürgerideologie insgesamt ist geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein (Verfassungsschutzbericht Bayern 2016, S. 185).
Wer der Ideologie der Reichsbürgerbewegung folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennt, gibt Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen wird. Dies gilt für den Umgang mit Waffen ebenso wie für die Pflicht zur sicheren Waffenaufbewahrung, die Pflicht zur getrennten Aufbewahrung von Waffen und Munition, die Pflicht zu gewährleisten, dass andere Personen keinen Zugriff haben können, sowie die strikten Vorgaben zum Schießen mit Waffen im Besonderen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c WaffG). Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird (vgl. BVerwG, B.v. 26.3.1997 – 1 B 9/97 – juris), muss einer der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnenden Person anknüpfend an die Tatsache, dass sie die waffenrechtlichen Normen gerade nicht als für sich verbindlich ansieht, die nach § 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden (vgl. zum Ganzen: NdsOVG, B.v. 18.7.2017 – 11 ME 181/17; VG Minden, U.v. 29.11.2016 – 8 K 1965/16; VG Cottbus, U.v. 20.9.2016 – VG 3 K 305/16; VG München, B.v. 8.6.2017 – M 7 S 17.933; einschränkend VG Gera, U.v. 16.9.2015 – 2 K 525/14 Ge – jeweils juris).
1.1.2 Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat (BA S. 10ff), lässt sich den Schreiben vom 16. Oktober 2016 und vom 20. März 2017 eindeutig entnehmen, dass sich der Verfasser die Ideologie der Reichsbürgerbewegung zu eigen gemacht hat. Wer erklärt, dass weder Geburtsstaat noch Anschrift Staat Bundesrepublik Deutschland heißen, ankündigt, seinen Personalausweis zur Vernichtung an die BRD zurückzugeben, oder erklärt, es bestehe kein Geschäftsverhältnis mehr zwischen ihm und der BRD, bringt damit unmissverständlich zum Ausdruck, dass er sich nicht als Bürger der Bundesrepublik Deutschland betrachtet und er dem Staat die Befugnis zu hoheitlichem Handeln abspricht. Diese Argumentationsstruktur ist für Personen, die sich das Gedankengut der „Reichsbürgerbewegung“ zu eigen gemacht haben, typisch. Dieselbe Grundhaltung findet auch in den mit Telefax übersandten „AGB“ ihren Niederschlag, weil damit, wie das Verwaltungsgericht ausführt, gegenüber dem Staat ein eigenes Regelungsregime aufgestellt und die Befugnis des Verfassers abgeleitet wird, an für ihn belastende Verwaltungsakte negative Konsequenzen zu knüpfen.
1.1.3 Im Hinblick auf das Vorbringen im Beschwerdeverfahren ist allerdings eine weitere Sachaufklärung erforderlich.
Der Antragsteller hat bereits im erstinstanzlichen Verfahren unter Benennung des Sohnes T… A…… als Zeuge vorgebracht, dass seine Familie beim Verfassen des Schreibens ebenso wie beim Ausfüllen des Antrags zum Erwerb des Staatsangehörigkeitsausweises mitgeholfen habe. Mit der Beschwerdebegründung ergänzt er, dass nicht er die AGB abgesandt habe, sondern nach Recherche einer seiner Söhne, der auch beim Verfassen der kritischen Schreiben mitgeholfen habe. Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens vertieft er dies und bringt vor, dass er die Schreiben zum Teil nicht einmal überflogen habe und auf seine Söhne „sauer“ sei. Es sei ihm nicht vorzuwerfen, dass er schlecht lesen könne und dass er seinen Söhnen vertraut habe.
Dieses Vorbringen ist nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen und veranlasst im Hauptsacheverfahren weitere Ermittlungen. Das Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Oberfranken hat festgestellt, dass der Grad der Behinderung beim Antragsteller insgesamt 100 und der Grad der Behinderung für die Sehschwäche allein 70 beträgt. Insofern besteht die Möglichkeit, dass dem Antragsteller tatsächlich, wie er behauptet, die fraglichen Schreiben untergeschoben wurden. Im Hauptsacheverfahren wird deshalb aufzuklären sein, ob insbesondere die Äußerungen im Schreiben vom 16. Oktober 2016 an den Gerichtsvollzieher beim Amtsgericht … sowie im Schriftwechsel aus dem Jahr 2017 mit dem Gerichtsvollzieher beim Amtsgericht … tatsächlich vom Antragsteller stammen oder ob diese Äußerungen ohne Wissen und Zustimmung des Antragstellers von seinen Söhnen verfasst wurden.
Ob sich aus dem Gesundheitszustand des Antragstellers Zweifel an seiner persönlichen Eignung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 WaffG ergeben, kann im Rahmen des Beschwerdeverfahrens offenbleiben.
1.2 Da nach alldem keine zuverlässige Prognose über den Verfahrensausgang getroffen werden kann, ist eine reine Interessenabwägung erforderlich.
§ 45 Abs. 5 WaffG (angefügt durch Gesetz zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften vom 26.3.2008, BGBl. I 426) beseitigt von Gesetzes wegen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage gegen den Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis wegen nachträglichen Wegfalls der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit. Der Gesetzgeber hielt in dieser Fallgruppe die Anordnung der sofortigen Vollziehung für dringend angezeigt. In derartigen Fällen sei im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung immer eine umgehende Beendigung des Waffenbesitzes geboten bzw. ein höherwertiges legitimes Interesse an einem weiteren Waffenbesitz bis zum Eintritt von Bestands- oder Rechtskraft (u.U. mehrere Monate oder Jahre) überhaupt nicht zu erkennen. Den berechtigten Belangen der Betroffenen könnte in Ausnahmefällen durch eine abweichende (Eil-) Anordnung der Verwaltungsgerichte Rechnung getragen werden (BT-Drs. 16/7717, S. 33).
In Fällen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung unterscheidet sich die Interessenabwägung von derjenigen, die in den Fällen einer behördlichen Anordnung stattfindet. Während im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen bedeutsam wird, ist in Fällen der Nummern 1 bis 3 zu beachten, dass hier der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte – neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache – zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2003 – 1 BvR 2025/03 – juris Rn. 21 f.).
Der Antragsteller hat insoweit keine Gründe vorgetragen, die auf besondere, über die im Regelfall mit der Anordnung sofortiger Vollziehung verbundenen Umstände hingewiesen hätten, aufgrund derer eine Abwägung zugunsten seiner privaten Interessen ausfallen müsste. Der im streitgegenständlichen Bescheid des Antragsgegners verfügte Widerruf der Waffenbesitzkarte des Antragstellers dient dem besonderen Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit an einem sicheren und zuverlässigen Umgang mit Schusswaffen und daher dem Schutz überragender Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Bevölkerung. Gegenüber diesem gewichtigen öffentlichen Interesse hat das rein private Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung der Vollziehung, das er nicht gesondert begründet hat, weniger Gewicht.
Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) besteht aus Gründen der Gefahrenabwehr regelmäßig auch für die mit der Widerrufsentscheidung verbundenen notwendigen Anordnungen, die ausgestellten Erlaubnisurkunden zurückzugeben (§ 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG, Art. 52 BayVwVfG) und vorhandene Waffen und Munition an einen Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG). Denn diese Folgeentscheidungen stellen sicher, dass der kraft Gesetzes (§ 45 Abs. 5 WaffG) sofort vollziehbare Widerruf der Waffenbesitzkarte tatsächlich umgesetzt wird (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 17).
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an die Nrn. 50.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).