Aktenzeichen M 25 S 16.31457
Leitsatz
1 § 13 Abs. 2 S. 1 AsylG schließt eine „Reduzierung“ des Asylantrags auf die Prüfung subsidiären Schutzes und von Abschiebeverboten aus humanitären Gründen aus. (redaktioneller Leitsatz)
2 Wer ein falsches Geburtsdatum angibt, täuscht über seine Identität. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Eilverfahren, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 8. Juni 2016, mit dem sein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt und seine Abschiebung angedroht wurde, anzuordnen.
Der 21-jährige Antragsteller ist tunesischer Staatsangehöriger und reiste am 7. Juli 2014 als Neunzehnjähriger in das Bundesgebiet ein. Am 7. Oktober 2014 bestellte das Amtsgericht … das Stadtjugendamt … zum Vormund für den Antragsteller unter seinen damaligen Personalien … …, geboren am … … 1998. Der Vormund beantragte mit Schreiben vom 28. November 2014 für den Antragsteller Asyl.
Eine VIS-Abfrage ergab, dass für den Antragsteller unter den Personalien … …, geboren am … … 1995 am 13. September 2013 ein SchengenVisum für sieben Tage ausgestellt worden war.
Die Anhörung gemäß § 25 AsylG fand am 18. Februar 2016 statt; sie wurde von einer Sonderbeauftragten für unbegleitete Minderjährige durchgeführt. Aus dem Protokoll der Anhörung ergibt sich, dass der Vormund des Antragstellers ebenfalls anwesend war (Bl. 57 Behördenakte). Der Vormund „reduzierte“ „den Asylantrag auf die Prüfung subsidiären Schutzes bzw. Abschiebehindernis aus humanitären Gründen“ (Bl. 57 Behördenakte).
Mit Bescheid vom 8. Juni 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr.1) und den Asylantrag (Nr. 2) jeweils als offensichtlich unbegründet und den Antrag auf subsidiären Schutz als unbegründet ab (Nr. 3). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes wurde verneint (Nr. 4) und dem Antragsteller die Abschiebung nach Tunesien oder in einen anderen zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise – und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Auf die Begründung des Bescheids wird verwiesen. Das Offensichtlichkeitsurteil wurde gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG darauf gestützt, dass der Kläger sowohl hinsichtlich seines Alters als auch hinsichtlich des Besitzes von Personaldokumenten gelogen habe. Der Antragsteller habe im Juli 2013 ein Schengen-Visum für September/Oktober 2013 erhalten und bei dessen Beantragung einen Reisepass mit dem Geburtsdatum … … 1995 vorgelegt. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 15. Juni 2016 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 20. Juli 2016, bei Gericht am selben Tag eingegangen, ließ der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigte Klage gegen den Bescheid erheben (M 25 K 16.31456) mit dem Antrag die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass beim Kläger Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG hinsichtlich Tunesien vorliegen, und gleichzeitig beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Der Antragsteller sei minderjährig nach Deutschland eingereist. Der Asylantrag sei von der Vormündin während der Anhörung hinsichtlich des asylrechtlichen Teils zurückgenommen und auf die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote beschränkt worden. An der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet bestünden deshalb ernstliche Zweifel i.S.v. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG. Denn die Ablehnung eines eigentlich zurückgenommenen Antrags als offensichtlich unbegründet sei nicht zulässig. Mit der Frage des Vorliegens von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG habe sich die Antragsgegnerin nicht ausreichend beschäftigt. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 4 AsylG, nach § 60 Abs. 5 AufenthG und nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Auf die Begründung des Antrags wird verwiesen.
Mit Schreiben vom 20. Juni 2016, bei Gericht am 24. Juni 2016 eingegangen, legte die Antragsgegnerin die Behördenakten vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht Bezug auf die Gerichtsakten, auch des Klageverfahrens M 25 K 16.31456 und die vorgelegte Behördenakte.
II.
Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg, weil er unbegründet ist. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts (Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
1. Der Antrag, die gemäß § 75 AsylG ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, ist zulässig (§ 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG), bleibt in der Sache aber ohne Erfolg, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen (Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
1.1. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens ist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) ausgesprochene Abschiebungsandrohung. Die mit dieser Verwaltungsentscheidung intendierte umgehende Beendigung des Aufenthalts des Asylbewerbers im Bundesgebiet stützt sich auf die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und ist deren Folge. Deshalb hat das Gericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamts, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht besteht, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris).
1.2. Die Aussetzung der Abschiebung darf somit nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an dem Offensichtlichkeitsurteil (nachfolgend 1.3.) oder an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung im Übrigen (nachfolgend 1.4.) bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG).
Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung – insbesondere das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamts – einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996, a.a.O.).
Von einem Standhalten ist demnach auszugehen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise kein Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (BVerfG, B.v. 5.2.21003 – 2 BvR 1294/92 – juris).
1.3. Gemessen an diesen Erwägungen bestehen an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung keine ernstlichen Zweifel, auch nicht im Hinblick auf das ausgesprochene Offensichtlichkeitsurteil.
1.3.1. Die Antragsgegnerin war trotz der „Reduzierung“ des Asylantrags auf die „Prüfung subsidiären Schutzes bzw. Abschiebehindernis aus humanitären Gründen“ durch den Vormund im Rahmen der Anhörung nicht daran gehindert, über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu entscheiden.
Denn nach Auffassung des Gerichts hat der Vormund – entgegen dem Vortrag der Prozessbevollmächtigten – den Asylantrag nicht „auf die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote beschränkt“. Die erforderliche Auslegung der Erklärung durch das Gericht ergibt vielmehr, dass der Antragsteller lediglich den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter zurückgenommen hat.
1.3.1.1. Zunächst ist die Erklärung des Vormunds ist beachtlich, auch wenn seine Bestellung zum Vormund auf der unzutreffenden Annahme der Minderjährigkeit des Antragstellers aufgrund seiner falschen Angaben beruht. Mangels Aufhebung war die Bestellung im Zeitpunkt der Erklärung wirksam.
1.3.1.2. Grundsätzlich wird mit jedem Asylantrag die Anerkennung als Asylberechtigter sowie internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 beantragt (§ 13 Abs. 2 Satz 1 AsylG).
Der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU umfasst den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AsylG).
Der Ausländer kann den Asylantrag auf die Zuerkennung internationalen Schutzes beschränken (§ 13 Abs. 1 Satz 2 AsylG). Die Vorschrift eröffnet dem Antragsteller jedoch keine weitere Dispositionsbefugnis auch zur Beschränkung seines Schutzgesuchs auf nur eine der beiden Formen des internationalen Schutzes (Treiber in: GK-AsylG, Stand: November 2014, § 13 Rn. 131).
Die „Reduzierung“ des Asylantrags durch den Vormund auf die Prüfung subsidiären Schutzes und von Abschiebeverboten aus humanitären Gründen war somit nicht möglich. Die Erklärung ist deshalb auszulegen (vgl. zur Auslegung Senge in: Erbs/Kohlhaas/Senge, AsylVfG, § 32 Rn. 2, Stand März 2016).
1.3.1.3. Die erforderliche Auslegung ergibt, dass der Antragsteller im Zweifel eine umfassendere Prüfung seines Asylbegehrens wünscht. Denn er hat unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Prüfung subsidiären Schutzes als eine Form des internationalen Schutzes ausdrücklich erfolgen soll; diesen Antrag hat er explizit nicht zurückgenommen. Eine Auslegung, die den Antrag auf internationalen Schutz insgesamt als zurückgenommen betrachten wurde, stünde diesem explizit geäußerten Willen offensichtlich entgegenstehen und kommt deshalb nicht in Betracht.
Auch aus dem Umstand, dass im gerichtlichen Klageverfahren nur noch die Verpflichtung zur Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG hinsichtlich Tunesiens verfolgt wird, ergibt sich nichts anderes.
Denn für die Auslegung der Rücknahmeerklärung gegenüber dem Bundesamt und die Prüfung der Rechtmäßigkeit von dessen diesbezüglicher Entscheidung ist auf die Erklärung zum damaligen Zeitpunkt und gegenüber dem damaligen Adressaten abzustellen. Eine Antragsrücknahme gemäß § 13 Abs. 2 AsylG bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens auch noch im gerichtlichen Klageverfahren bleibt daneben weiterhin möglich, berührt jedoch die Erklärung gegenüber dem Bundesamt nicht.
Allein daraus, dass die Antragsgegnerin über den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft überhaupt entschieden hat, ergeben sich also noch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids.
1.3.2. Die Antragsgegnerin hat den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch zu Recht als offensichtlich unbegründet gemäß § 30 Abs. 3 AsylG abgelehnt.
1.3.2.1. Die Antragsgegnerin hat zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG erfüllt sind. Denn das Vorbringen des Antragstellers ist nicht substantiiert und glaubhaft. Das Vorbringen ist hinsichtlich wesentlicher Punkte, die den Kern des Asylbegehrens betreffen, unsubstantiiert.
Der Vortrag des Antragstellers, seine Probleme hätten 2006 begonnen, er sei zusammengeschlagen worden, er und seine Mutter seien zu Hause bedroht worden, er sei „manchmal“ entführt, nach Einschaltung der Polizei aber immer wieder freigelassen worden, das habe sich so „einige Male“ ereignet und der Laden seiner Mutter sei niedergebrannt worden, 2014 seien sie auch gekommen und hätten ihn mitgenommen, seine Mutter habe daraufhin einen Herzinfarkt erlitten und sei daran gestorben, er hingegen sei freigelassen worden, ist zu vage, detailarm und unsubstantiiert. Auf die präzisen Nachfragen des Anhörers insbesondere zum Vorfall von 2014 hat der Antragsteller ebenfalls eine detailarme, blutleere Schilderung dahingehend abgegeben, in der Nacht seien ca. 15 mit Messern bewaffnete Leute in die Wohnung gekommen, hätten die Sachen in der Wohnung zerstört, nach seinem Vater gesucht und ihn schließlich mitgenommen. Auf die Bitte die Mitnahme detaillierter zu beschreiben, gab der Antragsteller an, sie hätten ihn immer im Auto mitgenommen.
Das Gericht hält diese Schilderung nicht für glaubhaft und den Antragsteller für unglaubwürdig. Es geht davon aus, dass sich der Sachverhalt wie der Antragsteller ihn vorgetragen hat, nicht ereignet hat. Die Angaben des Antragstellers sind vage, oberflächlich und detailarm, obwohl ihm im Rahmen der persönlichen Anhörung durch das Bundesamt ausdrücklich Gelegenheit zum Nachtrag und zur Konkretisierung gegeben wurde. Sollten sich die Geschehnisse tatsächlich so wie vorgetragen ereignet haben, wäre der Antragsteller in der Lage, die langjährigen Bedrohungen anders als so oberflächlich und mit dürren Worten wie in der Anhörung geschehen zu beschreiben. Das gesamte Vorbringen hinsichtlich der verfolgungsrelevanten Vorgänge ist in einem solchen Ausmaß unsubstantiiert, dass die Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG erfüllt sind. Der Antragsteller hat lediglich zwei Jahreszahlen (2006 und 2014) angegeben und sich im Übrigen neben der Namensnennung des Anführers „Samir“ und dessen oberflächlicher Beschreibung auf keine hilfreiche Konkretisierung trotz mehrfacher Aufforderungen eingelassen.
1.3.2.2. Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG vor, weil der Antragsteller ein falsches Geburtsdatum angegeben und somit im Asylverfahren über seine Identität getäuscht hat.
1.3.2.2.1. Dass der Antragsteller über sein Alter getäuscht hat, steht nach einer VIS-Abfrage durch die Antragsgegnerin zur Überzeugung des Gerichts fest.
1.3.2.2.2. Das Geburtsdatum zählt zu den Identitätsmerkmalen (vgl. im Zusammenhang mit StAG, BayVGH, U.v. 20.4.2016 – 5 B 15.2106 – juris Rn. 19). Dies ergibt sich nach Auffassung des Gerichts bereits aus § 4 Satz 2 Nr. 5 PaßG, wonach Tag und Ort der Geburt als Angaben über die Person im Pass enthalten sein müssen und dessen Regelungsgehalt für die Zwecke der Bestimmung der Identität i.S.v. § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG angewendet werden kann.
1.3.2.3. Auch die weitere Voraussetzung für eine Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 AsylG, dass der Asylbewerber nicht verfolgt und sein Antrag auf Flüchtlingsanerkennung daher unbegründet ist, ist vorliegend erfüllt. Aus dem Vortrag des Antragstellers ergibt sich kein Verfolgungsschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Flüchtling rechtfertigen würde, weil ihm sein Vorbringen vom Gericht nicht geglaubt wird.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Absatz 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl, 1953 II S. BGBL Jahr 1953 II Seite 559, BGBL Jahr 1953 II 560-Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet.
Eine Verfolgung kann dabei gem. § 3c AsylG ausgehen von einem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Weiter darf für den Ausländer keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehen, § 3e AsylG. Maßgeblich ist, ob der Asylsuchende bei Rückkehr in sein Heimatland der Gefahr politischer Verfolgung ausgesetzt wäre, wobei auf den Sachstand im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abzustellen ist, § 77 Absatz 1 AsylG.
Das Gericht muss – für einen Erfolg des Antrags – die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals und hinsichtlich der zu treffenden Prognose, dass dieses die Gefahr politischer Verfolgung begründet, erlangen.
Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 – juris). In der Regel kommt dem persönlichen Vorbringen eines Rechtsuchenden und dessen Würdigung besondere Bedeutung zu. Insbesondere wenn keine weiteren Beweismittel zur Verfügung stehen, kann schon allein der Tatsachenvortrag des Asylsuchenden zur Anerkennung führen, sofern sich das Gericht von der Richtigkeit seiner Behauptungen überzeugen kann. Er ist gehalten, seine Gründe für das Vorliegen einer politischen Verfolgung schlüssig mit genauen Einzelheiten vorzutragen. Der Art seiner Einlassung, seiner Persönlichkeit, insbesondere seiner Vertrauenswürdigkeit kommt insoweit eine entscheidende Bedeutung zu (vgl. BVerwG, U.v. 12.11.1985 – 9 C 27/85 – juris).
In Anwendung dieser Grundsätze ist beim Antragsteller keine Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG festzustellen. Es lässt sich nicht feststellen, dass er vor seiner Ausreise aus Tunesien oder im Falle einer Rückkehr nach Tunesien landesweit von politischer Verfolgung betroffen war bzw. bedroht sein würde. Der Antragsteller ist nicht glaubwürdig und sein Vorbringen mangels Substantiierung nicht glaubhaft. Das Gericht verweist in diesem Zusammenhang auf seine obigen Ausführungen zu § 30 Abs. 3 AsylG. Nicht zuletzt muss der Antragsteller sich vorhalten lassen, über sein Alter getäuscht zu haben. Diese Täuschung beeinträchtigt die Glaubwürdigkeit des Antragsstellers in erheblichem Maße.
1.3.2.4. Da das Gericht seine Entscheidung hinsichtlich des Vorliegens des Offensichtlichkeitsgrunds neben § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG, den die Antragsgegnerin zu Recht bejaht hat, nur kumulativ auch auf § 30 Abs. 3 Nr. 2 AsylG gestützt hat, ist die Frage, ob bzw. in welchem Umfang eine Auswechslung der Rechtsgrundlage für das Offensichtlichkeitsurteil im gerichtlichen Verfahren zulässig ist, vorliegend nicht zu entscheiden (vgl. BeckOK AuslR/AsylG, § 30 Rn. 64 unter Verweis auf Hailbronner, AuslR, Stand: Oktober 2014, § 30 Rn. 110 einerseits und GK-AsylVfG/Funke-Kaiser, Stand: Juni 2014, § 30 Rn. 159 andererseits). Es ist vorliegend auch nicht ersichtlich, inwiefern die Rechtsstellung des Antragstellers dadurch beeinträchtigt sein könnte.
1.3.3. Obwohl die Erklärung des Vormunds ist hinsichtlich der Rücknahme des Antrags auf Asylanerkennung nach Auslegung des Gerichts wohl eindeutig war und diesbezüglich lediglich zur (deklaratorischen) (vgl. BeckOK AuslR/Heusch, AsylG, 32 Rn. 22) Verfahrenseinstellung durch die Antragsgegnerin hätte führen müssen (§ 32 Satz 1 AsylG), führt die gleichwohl erfolgte Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet dennoch nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Bescheids.
Denn die an das Offensichtlichkeitsurteil geknüpften Rechtsfolgen der kürzeren Ausreisefrist (§ 36 Abs. 1 AsylG) und des verkürzten und beschleunigten gerichtlichen Verfahrens (§ 36 Abs. 3 AsylG) treten bereits aufgrund der zu Recht (s.u.) als offensichtlich unbegründet erfolgten Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ein. Außerdem scheidet eine Anerkennung als Asylberechtigter ohnehin aus, wenn – wie vorliegend – eine Flüchtlingsanerkennung verneint wird. Denn die Voraussetzungen von § 3 AsylG decken sich teilweise mit denen der Anerkennung einer Asylberechtigung nach Art. 16a Abs. 1 GG, gehen aber hinsichtlich der Akteure und der Verfolgungsgründe noch darüber hinaus.
Somit ergeben sich trotz der wohl zu Unrecht als offensichtlich unbegründet erfolgten Ablehnung der Anerkennung als Asylberechtigter im Ergebnis keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet abzulehnen.
1.4. An der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung bestehen auch im Übrigen keine ernstlichen Zweifel.
1.4.1. Die Ablehnung der Zuerkennung subsidiären Schutzes begegnet keinen ernstlichen Zweifeln, weil der Antragsteller keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG hat.
Ein unionsrechtliches Abschiebungsverbot zugunsten des Antragstellers ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist – auch nach den Angaben des Antragstellers – nicht ersichtlich, dass ihm bei seiner Rückkehr nach Tunesien Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG) drohen könnte. Der gesamte Vortrag wird dem Antragsteller nicht geglaubt, so dass auch der Vortrag, bestimmte Fundamentalisten oder Salafisten bedrohten ihn im Heimatland, um den Aufenthaltsort seines mittlerweile verstorbenen Vaters von ihm zu erfahren, im Rahmen der Beurteilung, ob dem Antragsteller subsidiärer Schutz zu gewähren ist, nicht zu berücksichtigen ist. Andere Anknüpfungspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes sind nicht ersichtlich.
Das Bundesamt hat die Zuerkennung subsidiären Schutzes somit zu Recht verneint.
1.4.2. Auch für das Bestehen eines Abschiebungsverbots i.S.v. § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen keinerlei Anhaltspunkte.
Das Gericht verweist auf die zutreffenden Ausführungen der Antragsgegnerin hierzu in ihrem Bescheid vom 8. Juni 2016 unter Punkt 4 (§ 77 Abs. 2 AsylG).
1.4.3. Darüber hinausgehende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung im Übrigen sind auch nicht ersichtlich. Gleiches gilt für die Befristungsentscheidung in Nr. 6 des Bescheids.
2. Der Antragsteller hat als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).