Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage eines afghanischen Staatsangehörigen aus dem Volk der Hazara

Aktenzeichen  M 15 K 16.34959

Datum:
10.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 1
AufenthG AufenthG § 59, § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1. Nach aktuellen Erkenntnismitteln liegen keine Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung der Hazara vor. (Rn. 15 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für einen arbeitsfähigen jungen Mann besteht eine interne Schutzmöglichkeit zumindest in afghanischen Städten wie zum Beispiel in Herat oder Masar e Sharif sowie in den Provinzen Bamiyan und Pandschschir; dort kann das erforderliche Existenzminium erlangt werden. (Rn. 4) (Rn. 14) (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.d. § 3 AsylG, des subsidiären Schutzes i.S.d. § 4 AsylG oder auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist deshalb rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Zur Begründung wird auf die zutreffende Begründung in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes Bezug genommen, der das Gericht folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend hierzu wird ausgeführt:
Auch nach den aktuellen Erkenntnismitteln ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung der Hazara i.S.d. § 3 AsylG. Vielmehr ist nach dem aktuellen Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 19. Oktober 2016 (im Folgenden: Lagebericht) von einer grundsätzlichen Verbesserung der Lage der Hazara auszugehen, wenngleich sie in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert seien. Unklar sei, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums sei (Lagebericht II.1.3). Auch nach dem neuesten UNAMA-Bericht (UNAMA Annual Report 2016 – Protection of Civilians in Armed Conflict vom Februar 2017) wird ein Rückgang der Entführungen von Hazara im Jahr 2016 dokumentiert. Insgesamt seien 82 Hazara (gegenüber 224 im Vorjahr) bei 15 Vorfällen entführt worden. Diese Entführungen hätten in den Provinzen Uruzgan, Sari Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Gohr stattgefunden. Alle Entführten seien unverletzt freigelassen worden. Ein Hinweis auf eine Gruppenverfolgung der Hazara lässt sich hieraus nicht ableiten. Es verbleibt daher in Übereinstimmung mit der aktuellen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (zuletzt: BayVGH, B.v. 20.1.2017 – 13a ZB 16.30996 – juris) bei der Einschätzung, dass eine gruppenspezifische Verfolgung der Hazara in Afghanistan nicht zu befürchten ist.
Darüber hinaus hat der Kläger auch nach den dem Bescheid des Bundesamts noch nicht zugrunde gelegten neueren Erkenntnismitteln (Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan – Stand September 2016; UNAMA Annual Report 2016 – Protection of Civilians in Armed Conflict; UNHCR; amnesty international – Afghanistan Report 2016) keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Denn es liegen keine stichhaltigen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Kabul (zu seinen Verwandten) einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt wäre.
Kabul wird von der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA, Internet: www.unama.unmissions.org) der Zentralregion Afghanistans zugeordnet. Zwar geht UNAMA in dem oben zitierten Annual Report 2016 davon aus, dass die Zahl der zivilen Opfer im Vergleich zum Vorjahreszeitraum in ganz Afghanistan um 3% und in der Zentralregion noch wesentlich stärker angestiegen ist. Dennoch liegt das Risiko, in Kabul durch militante Gewalt Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, pro Person und Jahr rechnerisch nach wie vor bei weit unter 1:1000 und ist damit weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts entfernt (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v.17.8.2016 – 13a ZB 16.30090 – juris m.w.N.).
Es ist auch nicht anzunehmen, dass sich die allgemeine Gefahr bei dem Kläger durch individuelle gefahrerhöhende Umstände derart zuspitzen würde, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass er bei einer Rückkehr in seine Heimatprovinz einer erheblichen individuellen Gefahr ausgesetzt wäre.
Dies gilt insbesondere für die Gefahrendichte im Hinblick darauf, als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara Opfer eines Übergriffs zu werden. Dabei erscheint die Anzahl von 82 Entführungen von Hazara im Hinblick auf den Anteil der Hazara an der Gesamtbevölkerung nicht sehr hoch.
Für den Kläger als arbeitsfähigen, gesunden jungen Mann ist in Übereinstimmung mit der aktuellen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage in Afghanistan davon auszugehen, dass er auch ohne nennenswertes Vermögen im Falle einer zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten in seiner Heimatstadt Kabul ein kleines Einkommen zu erzielen und damit wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten (zuletzt: BayVGH, B.v. 19.12.2016 – 13a ZB 16.30581; OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 20.7.2015 – 13 A 1531/15.A – Rn. 10). Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Familie des Klägers noch in Afghanistan lebt und er von dieser unterstützt werden kann.
Schließlich bestehen auch gegen die nach Maßgabe der §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 2 AsylG erlassene Abschiebungsandrohung keine Bedenken.
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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