Aktenzeichen RN 14 K 18.30527
Leitsatz
1. In Sierra Leone besteht grundsätzlich in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen, inbes. wenn sich der Kläger in einer größeren Stadt niederlässt, ist es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass er dort von nichtstaatlichen Akteuren aufgespürt werden könnte. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Lebensumstände in Sierra Leone sind zwar äußerst schwierig, gleichwohl muss davon ausgegangen werden, dass sich ein gesunder und arbeitsfähiger Mann in Sierra Leone ein Existenzminimum – wenn auch nur durch Gelegenheitsjobs – erwirtschaften kann (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige, insbesondere fristgemäß erhobene (vgl. § 74 Abs. 1 Hs. 1 AsylG) Klage ist nicht begründet. Die Entscheidung des Bundesamts, dem Kläger die Anerkennung als Asylberechtigter und die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen, ihm den subsidiären Schutzstatus nicht zuzuerkennen und das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu verneinen sowie den Kläger unter Androhung seiner Abschiebung nach Sierra Leone zur Ausreise aufzufordern, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Entsprechendes gilt für die vorgenommene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Die vom Bundesamt gemäß den §§ 31 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AsylG sowie den §§ 75 Nr. 12, 11 Abs. 2 AufenthG getroffenen Entscheidungen sind im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, der gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, nicht zu beanstanden.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 1) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet (Nr. 2), dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Buchst. a)) oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (Buchst. b)). Von einer Verfolgung kann nur dann ausgegangen werden, wenn der Einzelne in Anknüpfung an die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Merkmale Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a AsylG ausgesetzt ist. Erforderlich ist insoweit, dass der Ausländer gezielte Rechtsverletzungen zu befürchten hat, die ihn wegen ihrer Intensität dazu zwingen, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen. An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolution und Kriegen (vgl. OVG NRW, B.v. 28.3.2014 – 13 A 1305/13.A – juris).
Eine Verfolgung kann nach § 3c AsylG ausgehen von dem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die soeben genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten (vgl. dazu § 3d AsylG), und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist. Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist es nach § 3b Abs. 2 AsylG auch unerheblich, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist, weil er tatsächlich die Merkmale besitzt, die zu seiner Verfolgung führen, sofern der Verfolger dem Betroffenen diese Merkmale tatsächlich zuschreibt.
Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheitert hier unabhängig von der Glaubwürdigkeit des Vortrags des Klägers bereits daran, dass der Kläger schon nach seinem eigenen Vortrag nicht aus den in § 3 Abs. 1 Nummer 1 AsylG aufgeführten Gründen verfolgt wird. Er trägt vor, er habe Angst wegen des von ihm gelegten Feuers im Bundu-Busch zur Rechenschaft gezogen zu werden. Dabei handelt es sich nicht um eine an ein Merkmal des § 3 Abs. 1 Nummer 1 AsylG anknüpfende Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, sodass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft von vorneherein ausscheidet.
2. Aus dem gleichen Grund kommt auch eine Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG nicht in Betracht. Auch eine Anerkennung als Asylberechtigter ist nur möglich, wenn einem Antragsteller politisch motivierte Verfolgungsmaßnahmen im Sinn von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG drohen. Im Vergleich zur Flüchtlingsanerkennung sind die Anspruchsvoraussetzungen jedoch enger, weil die mögliche Verfolgung von staatlicher Seite ausgehen oder dieser zumindest zurechenbar sein muss. Eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure genügt hier grundsätzlich nicht.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigte, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
Die Gefahr eines ernsthaften Schadens kann nach den §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 3c AsylG ausgehen von dem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die soeben genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten (vgl. dazu § 3d AsylG), und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist.
Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG begründet ist, gilt unabhängig davon, ob bereits eine Vorverfolgung stattgefunden hat, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25.10 – juris, Rn. 22 = BVerwGE 140, 22). Eine Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt aber durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie (QualRL – RL 2011/95/EU vom 13.12.2011, ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9 ff.). Eine bereits erlittene Vorverfolgung, ein erlittener bzw. drohender sonstiger ernsthafter Schaden, sind danach ernsthafte Hinweise darauf, dass die Furcht vor Verfolgung begründet ist bzw. dass ein Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies gilt nur dann nicht, wenn stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. In der Vergangenheit liegenden Umständen ist damit Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beizumessen (vgl. auch OVG NRW, U.v. 21.2.2017 – 14 A 2316/16.A – juris, Rn. 24).
Bezüglich der vom Ausländer im Asylverfahren geltend gemachten Umstände, die zu seiner Ausreise aus dem Heimatland geführt haben, genügt aufgrund der regelmäßig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Flüchtlings die Glaubhaftmachung. Die üblichen Beweismittel stehen ihm häufig nicht zur Verfügung. In der Regel können unmittelbare Beweise im Verfolgerland nicht erhoben werden. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen des Ausländers und dessen Würdigung eine gesteigerte Bedeutung zu. Dies bedeutet anderseits jedoch nicht, dass der Tatrichter einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist (BVerwG U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris, Rn. 16 = BVerwGE 71, 180 und U.v. 11.11.1986 – 9 C 316.85 – juris, Rn. 11). Eine Glaubhaftmachung in diesem Sinne setzt voraus, dass die Geschehnisse im Heimatland schlüssig, substantiiert und widerspruchsfrei geschildert werden. Erforderlich ist somit eine anschauliche, konkrete und detailreiche Schilderung des Erlebten. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann dem Ausländer nur geglaubt werden, wenn die Widersprüche und Ungereimtheiten überzeugend aufgelöst werden (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris, Rn. 16, U.v. 1.10.1985 – 9 C 19.85 – juris, Rn. 16 und B.v. 21.7.1989 – 9 B 239.89 – juris, Rn. 3 = NVwZ 1990, 171).
a) Dass dem Kläger in Sierra Leone die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung durch staatliche Stellen droht, ist nicht ersichtlich. Sollte der Kläger die Befürchtung haben – was er weder im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung überhaupt ausdrücklich artikuliert hat – die Polizei in Sierra Leone würde ihn suchen und ins Gefängnis bringen, handelt es sich um eine reine Spekulation des Klägers. Der Kläger wäre auch in Deutschland im Falle eines Todesfalls infolge von Brandstiftung bei einem Anfangsverdacht für eine Täterbeteiligung ggf. einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt. Es ist nicht Sinn des Asylverfahrens, den Kläger durch die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus vor einem derartigen Ermittlungsverfahren zu schützen. Außerdem ist nichts dafür ersichtlich, dass dem Kläger selbst im Falle einer Verurteilung eine unmenschliche Bestrafung drohen könnte. Es sei darauf hingewiesen, dass die Verfassung von Sierra Leone Folter und andere grausame, inhumane oder entwürdigende Praktiken oder Bestrafungen verbietet. Die Todesstrafe ist für die Kapitalverbrechen Landesverrat und schweren Raub vorgesehen. Bei Mord ist sie zwingend vorgeschrieben. Die Kommission für Wahrheit und Versöhnung hat in ihrem Abschlussbericht aber deren Abschaffung empfohlen (vgl. Informationszentrum Asyl und Migration des BAMF, Glossar Islamische Länder – Band 17, Sierra Leone, Mai 2010). Auch wenn die Todesstrafe noch nicht abgeschafft ist, so wird ein Moratorium beachtet. Seit 1998 wurde sie nicht mehr praktiziert (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Sierra Leone, Wien am 3.5.2017). Die Sanktionierung des Verhaltens des Klägers, soweit dieses nach der sierraleonischen Rechtsordnung von Relevanz ist, wäre legitim und vom Kläger hinzunehmen. Ein substantiierter Vortrag dahingehend, dass der Strafvollzug in Sierra Leone grundsätzlich oder im konkreten Einzelfall für den Kläger unverhältnismäßig oder diskriminierend im Sinne von § 3 a Abs. 2 Nr. 3 AsylG sei, erfolgte klägerseits nicht und ist auch sonst nicht ersichtlich.
b) Nach der Überzeugung des Gerichts ist es auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass für den Kläger die Gefahr besteht, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne der §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 3c Nr. 3 AsylG zu erleiden.
Der Vortrag des Klägers im Asylverfahren, durch die Mitglieder der Bundu-Society verfolgt zu werden, ist bereits nicht glaubhaft. Der Vortrag ist in den entscheidenden Punkten oberflächlich, unsubstantiiert und lebensfremd und enthält eine Reihe von Widersprüchen.
Im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt gab der Kläger an, seine Tochter sei von der Sowee Bundu-Society gefangen genommen worden und eine Woche festgehalten worden. Seine Freundin habe der Tochter dreimal am Tag etwas zum Essen gebracht. Nach einer Woche habe sie erfahren, dass die Tochter wegen einer kurzen Krankheit verstorben sei. Dies habe ihm seine Freundin telefonisch mitgeteilt. Der Kläger sei daraufhin zum Bundu Busch gegangen und habe diesen Busch verbrannt. Er habe sich sofort danach in Lungi versteckt – die genaue Adresse kenne er nicht – und von seiner Freundin erfahren, dass diese verschiedene Anrufe von verschiedenen Personen erhalten habe, die seine Tat als „Tabu„ bezeichneten. In dem Busch sei jemand gestorben. Sie hätten gedroht, dass er sein Leben verliere. Seine Freundin habe auch gesagt, dass die Polizei nach ihm suche. Er fürchte, bei einer Rückkehr nach Sierra Leone bedroht zu werden. Sein Leben sei dort nicht sicher. Er werde sterben.
Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung schilderte der Kläger nur, dass seine Tochter eine Woche lang im Bundu-Busch festgehalten wurde und seine Verlobte seiner Tochter dreimal am Tag etwas zum Essen gebracht habe. Am 16.06.2017 habe seine Verlobte erfahren, dass seine Tochter verstorben sei und habe den Kläger dann angerufen. Er sei sehr wütend gewesen und sei mit Benzin zum Bundu-Busch gegangen, um den Society Busch anzuzünden. Danach sei er sofort weggelaufen. Von seiner Verlobten habe er später erfahren, dass er gesucht werde. Sein Leben sei in Gefahr, weil er den Busch angezündet habe.
Bei beiden Anhörungen war auffällig, dass der Kläger keinerlei Details schilderte, wie sie zu erwarten wären, wenn jemand etwas tatsächlich Erlebtes schildert. Der Kläger schilderte zwar diverse Nebensächlichkeiten – beispielsweise, dass seine Tochter an einem Mittwoch geboren worden sei oder dass er am Montag, den 17.08.2017 ausgereist sei (was im Übrigen nicht stimmt, da der 17.08.2017 ein Donnerstag war) – für die Verfolgungsgeschichte wesentliche Details gab der Kläger aber nicht an und konnte diesbezügliche Nachfragen des Gerichts auch nicht beantworten. Der Kläger konnte nicht genauer angeben, wo sich der angebliche Vorfall überhaupt ereignet hatte. Weder konnte er die Entfernung zu seinem Aufenthaltsort genauer umschreiben noch den Tatort „Bundu-Busch“ zur Zufriedenheit des Gerichts beschreiben. Der Kläger gab nur an, es sei „ein bisschen entfernt“ gewesen. Er könne keine Kilometer sagen und auch nicht sagen, wie lange er gelaufen sei. Die Beschreibung des Klägers, wie es dort ausgesehen hat beschränkt sich im Wesentlichen auf in Sierra Leone als allgemein bekannt vorausgesetzte Details – es sei ein normales Haus mit einem Zaun drumrum gewesen und es seien rote, weiße und schwarze Stoffe aufgehängt gewesen. Auf die Bitte des Gerichts, zu beschreiben wie groß das Haus war und aus welchem Material und wie es drinnen ausgesehen hat, antwortete der Kläger nur ausweichend: „Es ist groß und es ist aus Schlammblöcken gebaut. Ich war noch nie drinnen. Das kann ich nicht sagen. Das Gebäude sei höher als der Zaun gewesen.“ An anderer Stelle widersprach der Kläger sich dann allerdings selbst, indem er angab, dass er in den Busch hineingegangen sei. Der Kläger konnte dem Gericht auch nicht plausibel erklären, was er in dem Busch tatsächlich getan hat und aus welchen Beweggründen er dies getan hat. Auch blieb im Dunkeln, was der Kläger tatsächlich im Falle seiner Rückkehr nach Sierra Leone befürchtet. Er berichtete nur, er sei mit Benzin in den Busch gegangen, habe dort Benzin verschüttet und es mit einem Feuerzeug angezündet. Im Dunkeln bleibt dabei, was der Kläger überhaupt angezündet hat und welche Folgen dies hatte. Der Kläger selbst will auch gar nicht mitbekommen haben, was danach passierte, sondern seine Befürchtungen basieren allein auf den Informationen seiner Verlobten. Für das Gericht erschließt sich damit in keiner Weise, aus Furcht vor welcher Verfolgung der Kläger sein Heimatland verlassen hat. Dem Gericht scheint es völlig lebensfern, dass der Kläger und seine Verlobte eine Woche lang ihre Tochter in der Gefangenschaft im Busch zurückließen und weder ernsthaft versucht haben, sie von dort zu befreien noch die Polizei um Hilfe zu bitten.
Das Gericht ist daher im Ergebnis davon überzeugt, dass der Kläger nicht von wahren Begebenheiten berichtet hat. An dieser Einschätzung ändert sich auch durch die Vorlage von Kopien des Geburts- und Todesscheins der Tochter nichts. Weder kann das Gericht die Echtheit dieser Dokumente überprüfen noch ergeben sich aus diesen Dokumenten Erkenntnisse über die tatsächliche Todesursache der Tochter und die Verfolgungsgefahr für den Kläger. Betreffend die Kopie des angeblichen Zeitungausschnitts vom 20.06.2017 wird darauf hingewiesen, dass weder dessen Echtheit überprüft werden kann noch das tatsächliche Erscheinen noch der Zeitpunkt der Kenntniserlangung durch den Kläger noch eine darauf beruhende Verfolgungsgefahr für den Kläger. Diese Kopie wurde im Übrigen im Hinblick auf die mit Schriftsatz vom 17.04.2019 gesetzte Frist gemäß §§ 74 Abs. 2 AsylG, 87 b Abs. 3 Satz 1 VwGO verspätet vorgelegt und weitere das Verfahren verzögernde Nachforschungen waren daher nicht anzustellen. Die Gefahr, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland einen ernsthaften Schaden erleiden wird, ist deshalb nicht beachtlich wahrscheinlich.
Zudem wären etwaige durch Mitglieder der Bundu-Society drohende Verletzungshandlungen einem nichtstaatlichen Akteur im Sinne des § 3 c Nr. 3 AsylG zuzurechnen, dem Gericht liegen aber keine Erkenntnisse darüber vor, dass der Staat nicht ausreichend Schutz vor einer derartigen Handlung gewähren würde. Es wäre dem Kläger daher zumutbar, sich hilfesuchend an den Staat bzw. die Polizei zu wenden.
c) Selbst wenn man jedoch davon ausgehen wollte, dass der Kläger von der Polizei oder den Mitgliedern der Bundu-Society bedroht würde, so ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger nach den dem Gericht vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen vor allem in den großen Städten Sierra Leones unbehelligt leben könnte. Insoweit ist der Kläger auf internen Schutz gemäß §§ 4 Abs. 3 Satz1, 3e Abs. 1 AsylG zu verweisen. Danach wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. In Sierra Leone besteht grundsätzlich in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Insbesondere dann, wenn sich der Kläger in einer größeren Stadt niederlässt, ist es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass er dort von nichtstaatlichen Akteuren aufgespürt werden könnte.
Dem Kläger wäre es auch zumutbar, sich in einem anderen Landesteil eine neue Existenz aufzubauen. Der Kläger verfügt nach der Überzeugung des Gerichts im Fall seiner Rückkehr nach Sierra Leone über ausreichend Erwerbspotenzial. Trotz der allgemein schlechten Wirtschaftslage wird der Kläger in der Lage sein, sich ein zumutbares Existenzminimum zu erwirtschaften. Auch vor seiner Ausreise aus Sierra Leone hat der Kläger gezeigt, dass er nötige Einkünfte erzielen kann und dass er sogar in der Lage war, das Geld für die Ausreise aus Sierra Leone zu erwirtschaften. Der Kläger ist jung, gesund und arbeitsfähig und verfügt über eine zwölfjährige Schulbildung. Er hat in Sierra Leone bereits berufliche Erfahrungen als Kraftfahrer gesammelt. Dass er in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt in Sierra Leone sicherzustellen, steht zur Überzeugung des Gerichts fest. Das Gericht berücksichtigt bei dieser Einschätzung das nach den Ausführungen des Klägers bei seiner Mutter lebende Kind nicht, nachdem dieses auch momentan nicht von ihm versorgt wird. Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger auch nach seiner Rückkehr nicht für die Versorgung des Kindes aufkommen müsste, sondern dies weiterhin die Mutter des Klägers übernehmen würde.
d) Schließlich ist auch eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht gegeben. Der in Sierra Leone 11 Jahre andauernde Bürgerkrieg wurde im Jahr 2002 beendet. Die Sicherheitslage im ganzen Land ist stabil. Armee und Polizei sind landesweit stationiert und haben nach dem vollständigen Abzug der UN-Friedenstruppen im Jahr 2005 die Verantwortung für die innere und äußere Sicherheit übernommen (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Sierra Leone, Wien am 3.5.2017, S. 6; Informationszentrum Asyl und Migration des BAMF, Glossar Islamische Länder – Band 17, Sierra Leone, Mai 2010).
4. Zuletzt liegen auch Abschiebungsverbote im Sinne des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vor.
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK – (BGBl. 1952 II, S. 686) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. In diesem Zusammenhang kommt vor allem eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Frage (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – juris), wonach niemand unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verweist, ist eine unmenschliche Behandlung und damit eine Verletzung des Art. 3 EMRK allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen möglich (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C.15.12 – juris = BVerwGE 146, 12; U.v. 13.6.2013 – 10 C 13.12 – juris = BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489; EGMR, U.v. 21.1.2011 – M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 – NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 – Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 – NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 – Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 – NJOZ 2012, 952). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U.v. 28.6.2011 – Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 – NVwZ 2012, 681, Rn. 278, 282 f.) verletzen humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK zum einen in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn die humanitären Gründe gegen die Rückführung in den Herkunftsstaat „zwingend“ seien. Solche humanitären Gründe können auch in einer völlig unzureichenden Versorgungslage begründet sein (so auch BayVGH, U.v. 19.7.2018 – 20 B 18.30800- juris, Rn. 54).
Trotz der schwierigen Lebensbedingungen in Sierra Leone kann eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Rückführung der Klagepartei in ihr Heimatland nicht angenommen werden. Trotz seines Rohstoffreichtums gehört Sierra Leone zu den ärmsten Ländern der Erde. Nach den Jahren des Bürgerkriegs erholt sich das Land wirtschaftlich nur langsam. Sierra Leone ist eines der am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Die Wirtschaft Sierra Leones ist geprägt von der Landwirtschaft (überwiegend kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaft) und der Rohstoffgewinnung. Das Land ist mit einem Bruttoinlandsprodukt von ca. 4,5 Milliarden US-Dollar und einem Pro-Kopf-Einkommen von ca. 700 US-Dollar im Jahr 2015 eines der ärmsten Länder der Welt und belegt nach dem Human Development Index von 2016 Rang 179 der 188 untersuchten Länder. Ein Großteil der Bevölkerung (ca. 77%) lebt in absoluter Armut und hat weniger als 2 US-Dollar pro Tag zur Verfügung. Die Arbeitslosenrate bewegt sich zwischen 65 und 70%. Staatliche oder nichtstaatliche finanzielle Fördermöglichkeiten wie Sozial- oder Arbeitslosenhilfe existieren nicht. Erwerbslose, Kranke, Behinderte und ältere Menschen sind ganz besonders auf die Unterstützung der traditionellen Großfamilie angewiesen. Auch nichtstaatliche oder internationale Hilfsorganisationen bieten in der Regel keine konkreten Hilfen zum Lebensunterhalt. Die Wirtschaft wird mit etwa 51,4% am Bruttoinlandsprodukt vom landwirtschaftlichen Sektor dominiert. Der Dienstleistungssektor trägt mit 26,6% und der Industriesektor mit 22,1% zum Bruttoinlandsprodukt bei. Die Mehrheit versucht mit Gelegenheitsjobs oder als Händler/in ein Auskommen zu erwirtschaften. Die Subsistenzwirtschaft wird in Familien oft parallel oder alternativ genutzt, um den Lebensunterhalt zu sichern (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Sierra Leone, Wien am 3.5.2017, S. 19 ff.). Gleichwohl gelingt es selbst ungelernten Arbeitslosen durch Hilfstätigkeiten, Gelegenheitsarbeiten (z.B. im Transportwesen), Kleinhandel (z.B. Verkauf von Obst, Süßigkeiten, Zigaretten) und ähnliche Tätigkeiten etwas Geld zu verdienen und in bescheidenem Umfang ihren Lebensunterhalt sicher zu stellen (OVG Nordrhein-Westfalen vom 6.9.2007, Az. 11 A 633/05.A).
Die Lebensumstände in Sierra Leone sind damit zwar äußerst schwierig. Gleichwohl muss davon ausgegangen werden, dass sich ein gesunder und arbeitsfähiger Mann in Sierra Leone ein Existenzminimum – wenn auch nur durch Gelegenheitsjobs – erwirtschaften kann (so im Ergebnis auch: VG München, B.v. 29.9.2017 – M 21 S 17.47358 – juris). Der Kläger war auch vor seiner Ausreise aus Sierra Leone in der Lage, sein Auskommen zu finden und sich das Existenzminimum zu erwirtschaften. Es ist nicht ersichtlich, warum dies nicht auch bei einer Rückkehr nach Sierra Leone wieder möglich sein sollte (vgl. dazu im Einzelnen die Ausführungen unter 3 c).
b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
Eine derartige Gefahr besteht weder aufgrund des Gesundheitszustands des Klägers noch aufgrund der humanitären Verhältnisse, die er im Falle seiner Rückkehr vorfinden würde. Die Gewährung von Abschiebeschutz nach dieser Bestimmung setzt grundsätzlich das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer dagegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, wird Abschiebeschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt.
Der Kläger hat nicht substantiiert vorgetragen, an einer Erkrankung zu leiden, die ihn in eine derartige Gefahr bringen könnte. Aus dem einzig vorgelegten ärztlichen Attest vom 26.01.2018 ergibt sich diesbezüglich nichts. Ein krankheitsbedingtes Abschiebeverbot liegt daher nicht vor.
Bestehen für bestimmte Personengruppen allgemeine Gefahren, die nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG im Rahmen des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG grundsätzlich keine Berücksichtigung finden können, so kann in Einzelfällen gleichwohl Abschiebeschutz gewährt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nämlich im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG oder eine andere Regelung, die vergleichbaren Schutz gewährleistet, nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 GG gebieten danach die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG, wenn einer extremen Lebensgefahr oder einer extremen Gefahr der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit entgegen gewirkt werden muss, was dann der Fall ist, wenn der Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod ausgeliefert oder erheblichen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt sein würde (BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9.95 – juris, Rn. 14 = BVerwGE 99, 324, U.v. 19.11.1996 – 1 C 6.95 – juris, Rn. 34 = BVerwGE 102, 249 sowie U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – juris, Rn. 16 = BVerwGE 115, 1). Eine derartige Gefahrensituation kann sich grundsätzlich auch aus den harten Existenzbedingungen und der Versorgungslage im Herkunftsstaat ergeben.
Eine derartige Gefahr besteht jedoch nicht, was bereits oben unter Nr. 4 a) dargestellt wurde.
5. Die in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltene Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Sie beruht auf den §§ 34 Abs. 1 AsylG, 59 AufenthG. Die dem Kläger gesetzte Ausreisefrist von 30 Tagen beruht auf § 38 Abs. 1 AsylG.
6. Die in Ziffer 6 des angegriffenen Bescheids ausgesprochene Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ist gleichfalls rechtmäßig. Die Beklagte musste nach den §§ 11 Abs. 2 Sätze 1 und 4, 75 Nr. 12 AufenthG eine Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG treffen. Über die Länge der Frist wird gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden. Ermessensfehler sind hier nicht ersichtlich. Grundsätzlich darf die Frist gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG fünf Jahre nicht überschreiten. Hier hat das Bundesamt diese maximale Frist zur Hälfte ausgeschöpft, was nicht zu beanstanden ist. Besonderer Umstände, die eine kürzere Frist gebieten würden, sind vom Kläger weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.
Der Gegenstandswert folgt aus § 30 RVG.