Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage eines malischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  Au 5 K 17.34454

Datum:
11.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 91
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 3e, § 4, § 26a Abs. 1
GG Art. 16a Abs. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1 Nach den Erkenntnissen des Gerichts erreicht der einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad der Gewalt jedenfalls im Süden Malis kein so hohes Niveau, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AsylG ausgesetzt wäre. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Gericht geht davon aus, dass ein alleinstehender junger Mann seinen Lebensunterhalt im Süden Malis sicherstellen kann. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2018 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung form- und fristgerecht geladen worden.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG und die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Auf die zutreffenden Begründungen des mit der Klage angegriffenen Bescheids wird in vollem Umfang verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter im Sinne von Art. 16a Grundgesetz (GG). Einem derartigen Anspruch steht bereits die Einreise des Klägers über einen sicheren Drittstaat im Sinne von § 26a AsylG entgegen. § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG bestimmt, dass sich ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG (sicherer Drittstaat) eingereist ist, nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen kann. Eine Anerkennung als Asylberechtigter ist nach § 26a Abs. 1 Satz 2 AsylG ausgeschlossen. Ein Ausnahmefall im Sinn des § 26a Abs. 1 Satz 3 AsylG ist für den Kläger nicht erkennbar. Damit scheidet eine Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter aus.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
a) Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Dabei kann die Verfolgung i. S. des § 3 AsylG nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten. Hiervon ausgehend kann der Kläger nicht als Flüchtling anerkannt werden.
b) Der Kläger hat eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG nach Überzeugung des Gerichtes nicht glaubhaft gemacht. Als Grund für seine Ausreise hat er eine wenig detailliert geschilderte Bedrohung durch Tuareg im Norden Malis (…) geltend gemacht. Eine Anknüpfung an eine in §§ 3, 3b AsylG genanntes asylrechtlich relevantes Merkmal einer irgendwie gearteten Verfolgung ist zu Gunsten des Klägers nicht erkennbar. Der Vortrag des Klägers wirkt in wesentlichen Punkten konstruiert und unglaubwürdig. So ist bereits nicht erkennbar, warum der Kläger überhaupt einmal, wie von ihm geschildert, auf einem Fußballfeld von Tuareg angesprochen worden sei und diese ihm seine Ermordung/Tötung in Aussicht gestellt hätten. Ein Anlass hierfür ist für das Gericht nicht im Ansatz erkennbar. Letztlich hat der Kläger eine individuell geartete Verfolgung nicht aufzeigen können. Sein Vortrag gegenüber dem Bundesamt bleibt diffus und weitgehend inhaltsleer. Die vom Kläger geschilderte und behauptete landesweite Bedrohung durch Tuareg erscheint konstruiert. Dies auch soweit der Kläger vorträgt, dass sich die Tuareg insbesondere gegen Personen richten, die die Koranschule besuchten. Auch dies erscheint dem Gericht nicht nachvollziehbar und insgesamt unglaubwürdig. Überdies würde eine Verfolgung des Klägers nicht an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal anknüpfen. Im Übrigen kommt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG auch bei Wahrunterstellung des klägerischen Vortrags nicht in Betracht, weil der Kläger auf eine innerstaatliche Fluchtalternative im Süden Malis, insbesondere in der Hauptstadt Bamako, zu verweisen ist (§ 3e AsylG).
Der Süden Malis ist bürgerkriegsfrei. Von den Kampfhandlungen islamistischer Gruppen, die im Januar 2012 ihren Anfang nahmen, war der Norden Malis betroffen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Mali: Aktuelle Lage, Auskunft der SFH-Länderanalyse vom 30. Oktober 2012). Zu den gegen das Militär kämpfenden Gruppierungen gehörte u.a. die Gruppierung „MNLA“ und „Ansar Dine“. Bereits im Juni 2013 war zwischen der malischen Regierung und mehreren bewaffneten Gruppen, ein Friedensabkommen zur Stabilisierung der Lage im Norden Malis geschlossen worden (Amnesty International, Mali-Report 2015). Auch mit der „MNLA“ schloss die Regierung am 18. Juni 2013 eine Waffenruhe. Am 15. Mai und 20. Juni 2015 wurde erneut ein innerstaatliches Friedensabkommen zur nachhaltigen Befriedung von Nord-Mali geschlossen. Von den bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Norden Malis blieb der Süden Malis jedoch verschont, auch wenn selbst in der Hauptstadt Bamako eine Gefährdung durch terroristische Gruppen nicht ausgeschlossen werden kann (Auswärtiges Amt, Mali: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand: 2.11.2016). Auch in jüngster Zeit gab es vereinzelte terroristische Anschläge in Bamako, wobei aber insbesondere ausländische Einrichtungen ins Visier genommen wurden. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass vereinzelte Anschläge bereits die Qualität eines Bürgerkriegs erreicht haben, bestehen nicht (s. hierzu auch VG Magdeburg, U.v. 27.5.2016 – 1 A 125/15 MD). Nach den Erkenntnissen des Gerichts erreicht der einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad der Gewalt jedenfalls im Süden Malis kein so hohes Niveau, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AsylG ausgesetzt wäre. Aus dem Vortrag des Klägers ergeben sich auch keinerlei andere Hinweise darauf, dass er landesweit gesucht werden könnte. Der Kläger ist bereits im Jahr 2012, d.h. vor über fünf Jahren aus Mali ausgereist. Er hat sich in keiner Weise besonders exponiert. Ausweispapiere, die eine landesweite Suche nach ihm ermöglichen könnten, hatte und hat der Kläger nicht. Anhand welcher Kriterien er deshalb landesweit ausfindig gemacht werden könnte, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar. Im Übrigen beziehen sich die vom Kläger geschilderten Ereignisse auf den Norden Malis (…). Eine Verfolgung des Klägers bis in die Hauptstadt Bamako auch Jahre nach seiner Ausreise ist vor diesem Hintergrund nach Überzeugung des Gerichts ausgeschlossen. Der Kläger kann deshalb im Süden Malis eine sichere Zuflucht finden.
Das Gericht geht auch davon aus, dass der Kläger als alleinstehender junger Mann seinen Lebensunterhalt im Süden Malis sicherstellen kann, selbst wenn hierfür mehr zu fordern ist als die bloße Sicherung des Existenzminimums. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die humanitäre Lage in Mali nach wie vor schlecht ist. Nach wie vor ist das Land auf humanitäre Unterstützung von außen angewiesen, wobei insbesondere der Norden Malis betroffen ist (s. hierzu auch UN, Security Council Report Mali vom 28.9.2017, Rn. 51 ff.). Vor diesem Hintergrund kann im Einzelfall besonders schutzbedürftigen Personen eine Rückkehr nach Mali möglicherweise nicht zugemutet werden. Der Kläger gehört nach Überzeugung des Gerichts jedoch nicht zu diesem Personenkreis. Der Kläger hat in Mali zumindest drei Jahre lang die Koranschule besucht. Überdies hat er sich bereits ab dem Alter von zehn Jahren in der Landwirtschaft seines Vaters betätigt. Die Familie des Klägers (Mutter) verfügt nach den eigenen Aussagen des Klägers auch noch über Landbesitz. Dem Kläger ist es auch gelungen, sowohl in Algerien als auch in Libyen über einen längeren Zeitraum eine Arbeit und Unterstützung für sich zu organisieren und so seinen Lebensunterhalt sicher zu stellen. Ohne familiären Rückhalt schaffte er es, nach Europa zu gelangen. Der Kläger ist es demnach offensichtlich gewohnt, auch mit widrigen Umständen zu Recht zu kommen. Der Kläger hat keinerlei Unterhaltsverpflichtungen und ist mit den Gegebenheiten in Mali durchaus vertraut.
3. Auch die Voraussetzungen für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor. Der Kläger hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm bei einer Rückkehr nach Mali ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG drohe.
Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und Nr. 2 AsylG liegen nicht vor. Wie bereits ausgeführt, droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Mali nach Überzeugung des Gerichts zum einen keine Verfolgung mehr durch die Gruppierung „MNLA“, zum anderen ist er auf eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verweisen (§ 4 Abs. 3, § 3e Abs. 1 AsylG). Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang, ob auch die Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen einen ernsthaften Schaden i.S. des § 4 AsylG darstellen kann, weil das Gericht, wie ausgeführt, davon ausgeht, dass der Kläger in Mali seinen Lebensunterhalt sicherstellen kann.
Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG liegen nicht vor, weil der Süden Malis bürgerkriegsfrei ist.
4. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei seiner Abschiebung nach Mali befürchten müsste, auf derart schlechte humanitäre Bedingungen zu stoßen, dass die Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK besteht, gibt es nicht. Wie bereits ausgeführt, geht das Gericht davon aus, dass der Kläger in Mali seinen Lebensunterhalt sicherstellen kann.
Auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Ernsthafte Beschwerden bzw. Erkrankungen sind im Verfahren nicht bekannt geworden.
5. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG erweist sich als rechtmäßig, das Bundesamt hat in der Befristungsentscheidung die maßgeblichen Belange in ordnungsgemäßer Weise abgewogen. Besondere persönliche Umstände, die eine kürzere Befristung rechtfertigen könnten, hat der Kläger weder vorgetragen noch sind sie ersichtlich.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen trägt der Kläger die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

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