Verwaltungsrecht

Erfolglose Beschwerde im Zusammenhang mit der Auswahlentscheidung bzgl. der Zulassung zum Laufbahnaufstieg

Aktenzeichen  6 CE 16.2402

Datum:
20.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123 Abs. 1 S. 1, § 146 Abs. 4
GG GG Art. 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Dem Antrag auf vorläufige Freihaltung einer der für die Besetzung im Wege des Praxisaufstiegs vorgesehenen Dienstpostens fehlt bereits das Rechtsschutzbedürfnis, wenn geraume Zeit vor Eingang des Eilantrags sämtliche für den Praxisaufstieg geeigneten Dienstposten bereits mit den hierfür zugelassenen Bewerbern besetzt worden sind und damit kein Dienstposten mehr vorhanden ist, der “freigehalten” werden könnte.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Anspruch eines nicht berücksichtigten Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2, Art. 19 Abs. 4 GG auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutz ist dann erfüllt, wenn dieser Gelegenheit hatte, seine Rechtsschutzmöglichkeiten zur gerichtlichen Nachprüfung vor der Besetzung der für den Praxisaufstieg zur Verfügung stehenden Dienstposten auszuschöpfen.  (redaktioneller Leitsatz)
3 Es liegt in der organisatorischen Verantwortung des Dienstherrn, strukturelle Vorgaben zur Zusammensetzung seines Personalkörpers zu machen und diese durch eine Begrenzung der Zahl von Zulassungen für einen Laufbahnaufstieg umzusetzen.  (redaktioneller Leitsatz)
4 Die Beteiligung mehrerer Prüfer im Auswahlverfahren sorgt für eine hohe Bewertungsgenauigkeit.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 1 E 16.1349 2016-11-04 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 4. November 2016 – RO 1 E 16.1349 – wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Antragsteller steht als Zollobersekretär (Besoldungsgruppe A8) im Dienst der Antragsgegnerin. Er bewarb sich um den Praxisaufstieg in den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst der Zollverwaltung zum 1. August 2016, der vom Dienstherrn nach Maßgabe des § 33b BLV a. F. angeboten wurde (Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 28. August 2015, III. A 4-P 1469/11/1003 DOK 2015/0703225). Im Jahr zuvor hatte er zwar das Auswahlverfahren bestanden, war aber aufgrund des erzielten Ergebnisses nicht berücksichtigt worden.
Mit Schreiben vom 1. Juni 2016 teilte das Hauptzollamt Regensburg dem Kläger mit, dass er aufgrund seiner im Auswahlverfahren erzielten Ergebnisse für den Praxisaufstieg zum 1. August 2016 erneut nicht berücksichtigt werden könne. Die Reihenfolge der Ergebnisse des Auswahlverfahrens, an dem in diesem Jahr 248 Beamte teilgenommen hätten, sei auf der bundesweiten Rankingliste nach dem Grundsatz der Bestenauslese gebildet worden. Nur die Teilnehmer/innen mit den laufenden Nummern 1 bis 63 würden für den Praxisaufstieg zugelassen. Der Antragsteller habe Listenplatz 186 erreicht.
Die Zahl der für den Praxisaufstieg vorgesehenen Stellen wurde später auf 84 erhöht. Alle entsprechenden Dienstposten wurden zum 1. August 2016 besetzt.
Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 23. August 2016 erhob der Antragsteller gegen seine Nichtberücksichtigung Widerspruch und beantragte mit Schreiben vom selben Tag beim Verwaltungsgericht Regensburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Freihaltung eines Dienstpostens für die Besetzung im Wege des Praxisaufstiegs. Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 4. November 2016 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es fehle vorliegend bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag nach § 123 VwGO, da die für den Praxisaufstieg geeigneten Dienstposten zum 1. August 2016 mit den zugelassenen Bewerbern besetzt worden seien, so dass der bei Gericht erst am 24. August 2016 eingegangene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Freihaltung eines entsprechenden Dienstpostens ins Leere gehe. Die Antragsgegnerin könne auch nicht verpflichtet werden, für den Antragsteller vorläufig einen entsprechenden Dienstposten zu schaffen. Im Übrigen habe der Antragsteller auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Entgegen der Auffassung des Antragstellers sei die Durchführung des Auswahlverfahrens für den Aufstieg in eine höhere Laufbahn weder inhaltlich noch formal zu beanstanden. Selbst wenn es aber, wofür vorliegend keine Anhaltspunkte bestünden, Benachteiligungen des Antragstellers in der Prüfung gegeben haben sollte, könne es bei seinem Gesamtergebnis mit Rang 186 ausgeschlossen werden, dass er einen Anspruch auf einen von 84 Dienstposten gehabt hätte.
Der Antragsteller hat hiergegen Beschwerde eingelegt, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag weiter verfolgt, der Antragsgegnerin vorläufig aufzugeben, einen der für die Besetzung im Wege des Praxisaufstiegs vorgesehenen Dienstposten freizuhalten, hilfsweise einen solchen Dienstposten vorläufig zu schaffen.
II. Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet.
Die Gründe, die mit der Beschwerde fristgerecht dargelegt worden sind und auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 i. V. m. Satz 1 und Satz 3 VwGO), rechtfertigen es nicht, dem mit dem Rechtsmittel weiter verfolgten Antrag zu entsprechen. Die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts werden mit der Beschwerde nicht durchgreifend in Frage gestellt.
1. Vorliegend kommt, soweit es dem Antragsteller um die Sicherung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs aus Art. 33 Abs. 2 GG geht, allein § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO (Sicherungsanspruch) in Betracht. Das Gericht kann eine Sicherungsanordnung im Hinblick auf den Streitgegenstand treffen, wenn ohne diese Regelung durch Veränderung des bestehenden Zustands die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers – hier der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Bewerbung zum Praxisaufstieg – vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Die Sicherungsanordnung dient damit einer Bewahrung des Status quo (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 123 Rn. 21) und hat ein Unterlassungsgebot an den Verpflichteten zum Inhalt.
Der Antrag auf vorläufige Freihaltung eines der für die Besetzung im Wege des Praxisaufstiegs vorgesehenen Dienstpostens scheidet vorliegend allerdings bereits wegen des vom Antragsteller eingeräumten Umstands aus, dass geraume Zeit vor Eingang des Eilantrags sämtliche für den Praxisaufstieg geeigneten Dienstposten bereits mit den hierfür zugelassenen Bewerbern besetzt worden sind und damit kein Dienstposten mehr vorhanden ist, der „freigehalten“ werden könnte. Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht festgestellt, dass es für den Erlass der begehrten Sicherungsanordnung bereits am Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Der Vortrag des Antragstellers, es könne in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen, wann der Beschwerdeführer Widerspruch erhoben habe, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Der Anspruch eines nicht berücksichtigten Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2, Art. 19 Abs. 4 GG auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutz ist dann erfüllt, wenn dieser Gelegenheit hatte, seine Rechtsschutzmöglichkeiten zur gerichtlichen Nachprüfung vor der Besetzung der für den Praxisaufstieg zur Verfügung stehenden Dienstposten auszuschöpfen. Die Wirksamkeit des Rechtsschutzes vor der Besetzung der ausgeschriebenen Dienstposten hängt davon ab, dass der Dienstherr die gerichtliche Nachprüfung seiner Auswahlentscheidung ermöglicht. Er muss mit der Besetzung mit den ausgewählten Bewerbern zuwarten, so dass die unterlegenen Bewerber ihre Rechtsschutzmöglichkeiten ausschöpfen können (BVerwG, U. v. 4.11.2010 – 2 C 16.09 – juris Rn. 33).
Vorliegend hat die Antragsgegnerin die sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden Wartepflichten erfüllt: Sie hat dem Antragsteller die Auswahlentscheidung mit Schreiben vom 1. Juni 2016 mitgeteilt. Die sich in der Praxis der Verwaltungsgerichte als angemessen herausgebildete Wartezeit von zwei Wochen ab Zugang dieser Mitteilung (vgl. dazu BVerwG, U. v. 4.11.2010, a. a. O., Rn. 34) hat die Antragsgegnerin jedenfalls eingehalten: die Dienstposten wurden – wie von vornherein geplant und in der Ausschreibung auch bekanntgegeben – zum 1. August 2016 mit den zugelassenen Bewerbern besetzt. Der erst am 24. August 2016 bei dem Verwaltungsgericht eingegangene Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO wurde danach vorliegend zu spät gestellt.
2. Auch der Hilfsantrag des Antragstellers, der Antragsgegnerin aufzugeben, vorläufig einen zusätzlichen geeigneten Dienstposten für ihn zu schaffen, kann keinen Erfolg haben. Dieser – zumindest ausdrücklich – erstmals in der Beschwerde gestellte Antrag ist jedenfalls in der Sache nicht erfolgreich.
Es mag sein, dass die Antragstellerin – wie der Antragsteller vortragen lässt – weitere entsprechende Dienstposten hätte schaffen können, daraus folgt jedoch kein Anspruch etwaiger weiterer Interessenten. Ein Verfahren zum Aufstieg in eine höhere Laufbahngruppe dient, ungeachtet der persönlichen Interessen der Beamten an einer beruflichen Fortentwicklung, in erster Linie dienstlichen Interessen. Der Dienstherr legt im Rahmen seines Ermessens die Zahl besetzbarer Dienstposten für das Aufstiegsverfahren fest. Es liegt in der organisatorischen Verantwortung des Dienstherrn, auf diese Weise strukturelle Vorgaben zur Zusammensetzung seines Personalkörpers zu machen und diese durch eine Begrenzung der Zahl von Zulassungen für einen Laufbahnaufstieg umzusetzen. Art. 33 Abs. 2 GG findet darauf weder unmittelbar noch mittelbar Anwendung. Insoweit gilt das gleiche wie für die Frage, ob und welche Arbeitsplätze bzw. Dienstposten, mit welchen Aufgaben und Anforderungen eingerichtet werden: hierüber entscheidet der Dienstherr nach organisatorischen Bedürfnissen und Möglichkeiten, ohne dass hierauf subjektive Rechte Einzelner bestünden (BVerfG, B. v. 25.11.2011 – 2 BvR 2305/11 – juris Rn. 13; BayVGH, B. v. 2.4.2013 – 6 CE 13.59 – juris Rn. 14).
Mit seinem Vortrag, man hätte die Rankingliste auch auf die ehemaligen BFD-Bezirke oder sogar die Hauptzollamtsbezirke, unter Berücksichtigung der Anzahl der ausgeschriebenen Stellen „herunterbrechen“ können, stellt der Antragsteller weder dar, dass er einen Anspruch darauf gehabt hätte und woraus sich dieser ergeben sollte, noch dass bzw. wie ihm dies zugutegekommen wäre.
3. Im Übrigen ist nichts dafür erkennbar, dass der Antragsteller durch die Auswahl aufgrund der Rankingliste in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt sein könnte.
a) Soweit der Antragsteller vorträgt, diejenigen Bewerber, die bereits im Jahr 2015 an einem entsprechenden Auswahlverfahren teilgenommen hätten, hätten erhebliche Wettbewerbsvorteile vor den übrigen Bewerbern gehabt, weil die Prüfungen aus dem Jahr 2016 denen aus dem Jahr 2015 geglichen hätten, kann das seiner Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Wie er vorträgt, gehörte er selbst zu dem Kreis derjenigen, die durch die Übung im Jahr 2015 die angeblichen Vorteile hatte. Es ist nicht nachvollziehbar, inwieweit er aus diesem Umstand einen Anspruch darauf ableitet, dass für ihn ein weiterer besetzbarer Dienstposten für den Praxisaufstieg bereitgestellt würde. Im Übrigen wurden alle potentiellen Bewerber zu Beginn des Auswahlverfahrens seitens der Antragsgegnerin mehrmals (vgl. Schreiben vom 19.8.2015 und 22.10.2015) auf eine Internetseite mit Aufgabenbeispielen des Einstellungstests hingewiesen, mit deren Hilfe sich jeder auf das Auswahlverfahren vorbereiten konnte.
b) Unabhängig davon, dass sich der Beschwerdebegründung konkrete, d. h. überprüfbare Anhaltspunkte für eine unzutreffende Benotung des Antragstellers nicht entnehmen lassen, wäre das Vorbringen des Antragstellers im Hinblick auf das Zustandekommen der der Auswahlentscheidung zugrunde liegenden Beurteilung seiner Prüfungsleistung auch in der Sache nicht geeignet, seinem Hilfsantrag auf vorläufige Schaffung eines geeigneten Dienstpostens zum Erfolg zu verhelfen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist nicht unklar, wie die Noten für die jeweiligen mündlichen Prüfungen zustande gekommen sind und weshalb er nicht besser gelistet wurde. Wie die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 5. September 2016 unwidersprochen ausführlich dargelegt hat, liegt der durch Punkte vergebenen Bewertung für jede im mündlichen Auswahlverfahren durchgeführte Übung eine verhaltensverankerte Ratingskala zugrunde. Anhand dieser Ratingskala bewertet jedes Kommissionsmitglied, unabhängig und frei von Weisungen, die Antworten und das gezeigte Verhalten der jeweiligen Bewerber. Die dabei von jedem Kommissionsmitglied gewonnenen Eindrücke werden durch Ausbringen eines Punktewertes im Erfassungsbogen erfasst. Der Inhalt des Erfassungsbogens wiederum bildet die Grundlage für das abschließende Gutachten. Dabei sorgt die Beteiligung mehrerer Prüfer für eine hohe Bewertungsgenauigkeit.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben