Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung – kein verfolgungs- oder schutzrelevanter Vortrag hinsichtlich des Heimatlandes Georgien

Aktenzeichen  M 16 S 16.31691

Datum:
26.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 30 Abs. 1, 36 Abs. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1
GG GG Art. 19 Abs. 4

 

Leitsatz

Der Anschluss an einer Legion von Freiwilligen in der Ost-Ukraine, die gegen Tschetschenen gekämpft hat und die sich an Gräueltaten und Folterungen an eben diesen beteiligt hat, lässt im Hinblick auf eine Abschiebung in das Heimatland Georgien kein verfolgungs- oder schutzrelevanten Vortrag ableiten.  (redaktioneller Leitsatz)
Die Vermeidung einer etwaigen Trennung eines Antragstellers von seiner Familie, durch ein Verfahren zur Abschiebung, ist ausländerrechtlich gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde geltend zu machen und nicht im Asylverfahren zu prüfen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt … wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist georgischer Staatsangehöriger. Nach eigenen Angaben reiste er am 16. September 2015 mit seiner ukrainischen Ehefrau in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 13. Oktober 2015 stellte er einen Asylantrag.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für … (Bundesamt) am 16. Februar 2016 gab der Antragsteller an, er lebe seit dem Jahr 2008 in der Ukraine. Im Jahr 2014 habe er sich einer Legion von Freiwilligen angeschlossen und in der Ost-Ukraine gegen Tschetschenen gekämpft. Er sei an Gräueltaten und Folterungen beteiligt gewesen. Als die Tschetschenen davon erfahren hätten, sei sein Haus bombardiert worden. Mit seiner Familie sei er zunächst nach D… zur Mutter seiner Ehefrau geflohen. Seine Freunde von der Armee seien zu ihm gekommen und hätten ihm erzählt, dass die Familie fliehen müsse. Die Freunde hätten ihm auch bei der Ausreise geholfen
Mit Bescheid vom 28. Juni 2016, zugestellt am 4. Juli 2016, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie den Antrag auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (Nrn. 1 und 2), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3) und verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG (Nr. 4). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Georgien oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat angedroht (Nr. 5). Außerdem wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 60 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen offensichtlich nicht vor und auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines subsidiären Schutzstatus seien nicht gegeben. Selbst wenn sich der Antragsteller tatsächlich in der Ukraine aufgehalten und dort die geschilderten Gräueltaten begangen haben sollte, drohe ihm bei einer Rückkehr nach Georgien keine Gefahr. Die Familieneinheit könne gewahrt werden, indem die Familienangehörigen des Antragstellers mit ihm gemeinsam nach Georgien zurückkehrten.
Gegen diesen Bescheid hat der Bevollmächtigte des Antragstellers am 11. Juli 2016 Klage (M 16 K 16.31690) erhoben und gleichzeitig beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Außerdem wurde ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten gestellt. Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, der Antragsteller habe sein Heimatland und auch die Ukraine aus begründeter Furcht vor Verfolgung verlassen. Hinsichtlich der Fluchtgründe werde auf die Angaben des Antragstellers vor dem Bundesamt verwiesen. Da der Antragsteller vorverfolgt ausgereist sei, greife für ihn der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Keinesfalls sei sein Asylantrag offensichtlich unbegründet. Die Androhung der Abschiebung sei ungeachtet des Ausgangs des Asylverfahrens wegen eines Verstoßes gegen Art. 1 und 2 Grundgesetz – GG sowie Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention – EMRK unzulässig, da die Abschiebung zu einer Gefahr für Leib, Leben und Freiheit des Antragstellers führen würde.
Das Bundesamt hat die Behördenakten vorgelegt und beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte dieses und des Klageverfahrens M 16 K 16.31690 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der fristgerecht (§ 36 Abs. 3 Satz 1 Asylgesetz – AsylG) erhobene Antrag ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
Gemäß § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris).
Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (vgl. BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – juris Rn. 40).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestehen hier keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts und am Offensichtlichkeitsurteil der Behörde. Nach § 30 Abs. 1 AsylG ist ein Asylantrag offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen. Die ist hier der Fall. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Das Vorbringen des Antragstellers beschränkt sich auf Vorkommnisse in der Ukraine. Im Hinblick auf sein Heimatland Georgien lässt sich hieraus kein verfolgungs- oder schutzrelevanter Vortrag ableiten. Auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheids wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Die Vermeidung einer etwaigen Trennung des Antragstellers von seiner ukrainischen Ehefrau und dem gemeinsamen Kind im Rahmen einer Abschiebung ist ausländerrechtlich gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde geltend zu machen und nicht im Asylverfahren zu prüfen.
Die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung ist daher nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.
Mangels hinreichender Erfolgsaussichten (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung – ZPO) des Antrags gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war auch der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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