Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung gegen asylrechtliches Urteil (Afghanistan)

Aktenzeichen  13a ZB 18.30490

Datum:
4.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7309
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 138 Nr. 3
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3, Abs. 4 S. 3
AufenthG § 60 Abs. 7

 

Leitsatz

1 Hat das Verwaltungsgericht Feststellungen zu einer Tatsachenfrage mit von ihm benannten Erkenntnisquellen begründet, muss bei der Erhebung der Grundsatzrüge zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit eine fallbezogene Auseinandersetzung mit diesen Erkenntnisquellen erfolgen (Fortführung von BayVGH BeckRS 2019, 1008). (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs muss anhand der aus dem Prozessstoff herausgearbeiteten Tatsachen und Umstände hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen, durch welche Verfahrensweisen des Gerichts im Einzelnen der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden ist; hierfür ist erforderlich, dass der Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren aufgezeigt wird. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 3 K 16.31446 2018-01-29 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 29. Januar 2018 hat keinen Erfolg. Gründe nach § 78 Abs. 3 AsylG, aus denen die Berufung zuzulassen ist, sind nicht dargelegt.
Der Kläger hat seinen Zulassungsantrag damit begründet, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) und sein rechtliches Gehör verletzt worden sei (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO).
Im Rahmen der Grundsatzrüge hält er für klärungsbedürftig:
„ob afghanischen Staatsbürgern … bei einer Rückkehr nach Afghanistan grundsätzlich eine konkrete Gefahr für Leib und Leben nach § 60 Abs. 7 AufenthG droht;
ob dem Kläger und anderen jungen Männern aus Afghanistan bei einer Rückkehr grundsätzlich ein menschenwürdiges Existenzminimum möglich ist.“ Sein Leben sei durch die Taliban und andere islamistische Gruppen gefährdet, darüber hinaus herrsche in Afghanistan ein innerstaatlicher Konflikt. Nach dem Bericht des Auswärtigen Amtes mit Stand September 2016 komme es in Afghanistan landesweit immer wieder zu Entführungen, die entweder politisch oder finanziell motiviert seien. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, dass er seitens der Taliban oder anderen islamistischen Organisationen getötet werde. Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibe angespannt. Für das 1. Halbjahr 2017 habe die UNAMA in ihrem Halbjahresbericht folgende Opferzahlen genannt: Aufgrund von Selbstmordattentaten sowie komplexen Anschlägen seien in der Provinz Kabul die höchsten Opferzahlen zu verzeichnen (1048 zivile Opfer, darunter 219 getötete und 829 verletzte Zivilisten), gefolgt von den Provinzen Helmand, Kandahar und Uruzgan. Nach den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19. April 2016 habe sich die Sicherheitslage gravierend verschlechtert, was zu einem Rekordstand konfliktbedingter ziviler Opfer geführt habe. Der Kläger unterfalle den Kriterien des UNHCR, weshalb ihm internationaler Schutz zu gewähren sei. Weiter gehe der UNHCR davon aus, dass eine interne Schutzalternative nicht gegeben sei. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bestehe keine inländische Fluchtalternative in Kabul, Mazar-i Sharif oder Herat.
Dieses Vorbringen führt nicht zur Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 36). Die Grundsatzfrage muss nach Maßgabe des Verwaltungsgerichtsurteils rechtlich aufgearbeitet sein. Dies erfordert regelmäßig eine Durchdringung der Materie und eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2019 – 13a ZB 19.30070 – juris Rn. 5; B.v. 21.12.2018 – 13a ZB 17.31203 – juris Rn. 4; B.v. 13.8.2013 – 13a ZB 12.30470 – juris Rn. 4 m.w.N.). Eine auf tatsächliche Verhältnisse gestützte Grundsatzrüge erfordert die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen etwa im Hinblick auf hierzu vorliegende gegensätzliche Auskünfte oder abweichende Rechtsprechung einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind (BayVGH, B.v. 25.1.2019 – 13a ZB 19.30064 – juris Rn. 5; OVG NW, B.v. 26.4.2018 – 4 A 869/16.A – juris Rn. 6). Insoweit ist es Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung von bestimmten begründeten Informationen, Auskünften, Presseberichten oder sonstigen Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Bewertungen in der Zulassungsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf (BayVGH, B.v. 25.1.2019 – 13a ZB 19.30064 – juris Rn. 5; OVG NW, B.v. 26.4.2018 – 4 A 869/16.A – juris Rn. 6). Hat das Verwaltungsgericht Feststellungen zu einer Tatsachenfrage mit von ihm benannten Erkenntnisquellen begründet, muss zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit eine fallbezogene Auseinandersetzung mit diesen Erkenntnisquellen erfolgen (BayVGH, B.v. 25.1.2019 – 13a ZB 19.30064 – juris Rn. 5; OVG NW, B.v. 26.4.2018 – 4 A 869/16.A – juris Rn. 8).
Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Antragsbegründung zu den aufgeworfenen Fragen nicht. Der Kläger hat schon nicht hinreichend dargelegt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG), dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es fehlt bereits an der fallbezogenen Auseinandersetzung mit den Erkenntnisquellen, die in dem Urteil des Verwaltungsgerichts aufgeführt sind. Zudem mangelt es an einer hinreichenden Durchdringung der Materie und einer Auseinandersetzung mit der Bewertung durch das Verwaltungsgericht. Mit allgemeinen und unkonkreten Ausführungen werden die Darlegungsvoraussetzungen nicht ansatzweise erfüllt. Letztlich hat er lediglich dargelegt, warum aus seiner Sicht das Urteil oder die Einschätzung des Verwaltungsgerichts unzutreffend sei. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils stellen jedoch keinen Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 AsylG dar.
Auch hinsichtlich des gerügten Gehörsverstoßes genügt das klägerische Vorbringen nicht den insoweit zu beachtenden Darlegungsanforderungen. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs muss anhand der aus dem Prozessstoff herausgearbeiteten Tatsachen und Umstände hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen, durch welche Verfahrensweisen des Gerichts im Einzelnen der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden ist. Hierfür ist erforderlich, dass der Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren aufgezeigt wird (vgl. Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 78 Rn. 139 m.w.N.). In seinem Zulassungsantrag hat der Kläger lediglich ausgeführt, es sei das Erkenntnismaterial zu Afghanistan nicht oder nicht ausreichend gewürdigt worden. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass die Taliban im Vormarsch seien und sich ihr Machtbereich so weit ausgedehnt habe, dass es keine inländische Fluchtalternative gebe. All diese Aspekte und Informationen habe das Verwaltungsgericht nicht bzw. nicht ausreichend gewürdigt, wodurch das rechtliche Gehör des Klägers verletzt sei. Mit diesem pauschalen und abstrakten Vortrag vermag der Kläger aber einen Gehörsverstoß nicht darzulegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.


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