Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung wegen Divergenz

Aktenzeichen  9 ZB 21.31260

Datum:
22.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 34475
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3
VwGO § 86 Abs. 1

 

Leitsatz

Auf eine lediglich fehlerhafte Anwendung eines nicht bestrittenen Rechtssatzes im Einzelfall kann eine Divergenzrüge nicht gestützt werden. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 30 K 17.48667 2021-07-14 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Mit Urteil vom 14. Juli 2021 hob das Verwaltungsgericht München auf Klage des Klägers, nach seinen Angaben Staatsangehöriger Sierra Leones, den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 6. Oktober 2017, mit dem insbesondere der Asylantrag des Klägers als unzulässig abgelehnt wurde, auf. Hiergegen wendet sich das Bundesamt mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der allein auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung durch das Bundesamt hat keinen Erfolg.
Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil von einer Entscheidung eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung der genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben oder einer inhaltsgleichen Rechtsvorschrift ausdrücklich oder konkludent abrückt. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. Im Zulassungsantrag muss daher ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet werden und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden (vgl. BayVGH, B.v. 4.5.2021 – 9 ZB 21.30485 – juris Rn. 10).
Das Bundesamt rügt eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Aufklärungspflicht des Verwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U.v. 21.11.2017 – 1 C 39.16 – juris Rn. 22). Das Verwaltungsgericht habe den Rechtssatz aufgestellt, „dass ein Verwaltungsgericht, welches hinsichtlich der Ausführungen des Bundesamts zur Begründetheit eines Asylantrags von der Würdigung des Sachverhalts durch das Bundesamt abweichen möchte, nicht verpflichtet ist, den Sachverhalt hinsichtlich der Zulässigkeit des Asylantrages aufzuklären, bzw. dass dies auch dann nicht der Fall ist, wenn sich die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Union durch das Vorhandensein von Treffern im EURODAC-System aufdrängt“. Dies verhilft dem Antrag jedoch nicht zum Erfolg.
Abgesehen davon, dass sich ein entsprechender Rechtssatz den Urteilsgründen des Verwaltungsgerichts schon nicht entnehmen lässt, geht das Verwaltungsgericht von der Zulässigkeit der Klage aus und stellt im Rahmen der Begründetheit darauf ab, dass das Bundesamt zu der gesicherten Erkenntnis gelangen müsse, dass das Asylerstverfahren mit einer für den Asylbewerber negativen Sachentscheidung abgeschlossen wurde und es hier an einem ausreichenden Nachweis eines abgeschlossenen Asylverfahrens in Italien fehle. Auf eine lediglich fehlerhafte Anwendung eines nicht bestrittenen Rechtssatzes im Einzelfall kann eine Divergenzrüge jedoch nicht gestützt werden (vgl. BVerwG, B.v. 13.2.2019 – 1 B 2.19 – juris Rn. 16). Vielmehr kritisiert der Zulassungsantrag mit dem Hinweis, das Verwaltungsgericht habe die Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht abschließend geprüft, die Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht und macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts geltend. Dies stellt jedoch keinen im Asylverfahrensrecht vorgesehenen Zulassungsgrund dar (vgl. BayVGH, B.v. 18.12.2020 – 9 ZB 20.32934 – juris Rn. 5).
Soweit das Zulassungsvorbringen als Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) gesehen werden könnte, bleibt der Antrag ebenfalls erfolglos. Abgesehen davon, dass die Rüge einer nicht ordnungsgemäßen Aufklärung des Sachverhalts keinen Berufungszulassungsgrund im asylverfahrensrechtlichen Sinn darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2013 – 14 ZB 13.30199 – juris Rn. 3 m.w.N.; OVG NW, B.v. 17.5.2017 – 11 A 682/16.A – juris Rn. 13 m.w.N.) und die Rüge eines Verfahrensmangels kein Mittel ist, Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten im vorangegangenen Instanzenzug zu kompensieren (vgl. BVerwG, B.v. 20.12.2012 – 4 B 20.12 – juris Rn. 6), zeigt das Zulassungsvorbringen auch nicht auf, dass sich dem Verwaltungsgericht hier auf Grundlage seiner Rechtsauffassung eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 22.11.2017 – 1 C 39.16 – juris Rn. 22).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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