Verwaltungsrecht

Erfolgloser Antrag, Studiengang Forstingenieurwesen an der Hochschule W., Vergleichsberechnung unter Berücksichtigung der erhobenen Einwände

Aktenzeichen  M 3 E 20.5171

Datum:
8.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 19876
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragspartei hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller bewarb sich erfolglos um einen Studienplatz an der Hochschule für angewandte Wissenschaften W. (im Folgenden: die Hochschule) um einen Studienplatz im Studiengang Forstingenieurwesen (Bachelor) im Wintersemester 2020/2021; die Hochschule lehnte seine Bewerbung mit dem – mit Rechtsbehelfsbelehrung:versehenen – Bescheid vom 27. September 2020 ab.
Mit Schreiben vom 13. Oktober 2020 beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers bei der Hochschule die Zulassung zum Studiengang Forstingenieurwesen (Bachelor) außerhalb der festgesetzten Kapazität.
Am 15. Oktober 2020 beantragte der Bevollmächtigte der Antragspartei beim Verwaltungsgericht München,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 123 VwGO zu verpflichten, den Antragsteller zum Studium des Forstingenieurwesens, 1.FS., gemäß der Sach- und Rechtslage des Wintersemesters 2020/2021 vorläufig zuzulassen.
Die Hochschule hat mit Schreiben vom 6. November 2020 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Mit der Satzung über die Zulassungszahlen im Wintersemester 2020/2021 und im Sommersemester 2021 an der Hochschule für angewandte Wissenschaften W. vom 22. Juni 2020 sei für das Wintersemester 2020/2021 im Studiengang Forstingenieurwesen für das erste Fachsemester eine Zulassungszahl von 136 Studierenden festgesetzt worden. Das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst habe zu dieser Satzung sein Einvernehmen erteilt. Die zugrundeliegende Kapazitätsberechnung wurde vorgelegt. Der Antragsteller besitze die Fachhochschulreife, die er im Juli 2018 mit der Note 2,9 erworben habe. Damit sei er innerhalb des Verfahrens in den Quoten Wartezeit und Leistung (FOS) berücksichtigt worden. In beiden Quoten habe er keine Zulassung erhalten können. Er habe in der Quote Wartezeit mit vier Semestern Wartezeit den Rang 126; hier habe als letzter Bewerber der Bewerber mit dem Rang 17 zugelassen werden können. In der Leistungsquote FOS habe er den Rang 86 erreicht. Hier habe nur bis zum Bewerber mit dem Rang 49 zugelassen werden können. Im Rahmen des Auswahlverfahrens habe es 482 gültige Bewerbungen gegeben, für die insgesamt 240 Zulassungen ausgesprochen worden seien. Letztlich hätten sich 142 Studierende immatrikuliert, von denen wiederum 4 den Studienplatz entweder zurückgegeben hätten oder erforderliche Unterlagen/Zahlungen nicht beigebracht hätten. Da die festgelegte Kapazitätsgrenze von 136 dennoch überschritten sei, gehe der Vorwurf der mangelnden Kapazitätsauslastung ins Leere.
Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2020 nahm der Bevollmächtigte des Antragstellers zur Kapazitätsberechnung Stellung. Die übersandten Unterlagen seien äußerst fragmentarisch, die übersandte Kapazitätsberechnung nicht aussagekräftig. Es erschließe sich nicht, warum bei 13 angegebenen Professorenstellen nur 18 Deputatsstunden geleistet würden, obwohl § 4 Abs. 1 Nr. 1 LUFV Bayern 9 Lehrveranstaltungsstunden vorschreibe. Dies gelte ebenso für die Lehrbeauftragten für besondere Aufgaben, bei denen die Werte unklar seien. Die Gründe für die Deputatsminderung blieben im Unklaren und könnten daher ohne nähere Begründung nicht berücksichtigt werden. Ferner blieben die Dienstleistungsexporte – jedenfalls anhand der dem Unterzeichner vorliegenden Unterlagen – im Unklaren. Kapazitätsrechtlich zu berücksichtigen seien nur Lehrveranstaltungsstunden, die die Lehreinheit für nicht zugeordnete Studiengänge zu erbringen habe. Eine solche Verpflichtung zu Dienstleistungen setze eine rechtlich verbindliche Regelung voraus, um feststellen zu können, welche Lehrveranstaltungsstunden als Dienstleistungen für einen nicht zugeordneten Studiengang zu erbringen seien. Eine Verpflichtung in diesem Sinne könne sich nur aus einer Studien- oder Prüfungsordnung des nicht zugeordneten Studienganges ergeben. Gemessen daran seien die in Abzug gebrachten Dienstleistungen nicht anzuerkennen.
Mit Schreiben vom 16. Januar 2021 legte der Antragsgegner weitere Unterlagen vor und nahm ergänzend Stellung. § 4 Abs. 1 Nr. 1 LUFV gelte für Universitäten; für Fachhochschulen (jetzt: Hochschulen für angewandte Wissenschaften) wie der Hochschule W. gelte § 5 Abs. 1 Nr. 1 LUFV. Im Gegensatz zu Professoren und Professorinnen an Universitäten mit 9 Lehrveranstaltungsstunden pro Woche der Vorlesungszeit des Semesters (Semesterwochenstunden = SWS) müssten Professoren und Professorinnen an Fachhochschulen 18 SWS erbringen. Damit seien je Professorenstelle 18 SWS Lehrdeputat korrekt angesetzt. Das gleiche gelte für Lehrkräfte für besondere Aufgaben. Auch hier sei § 5 anstelle § 4 LUFV einschlägig. Lehrkräfte für besondere Aufgaben, soweit diese der vierten Qualifikationsebene angehörten, hätten eine Lehrverpflichtung von 19 SWS (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 LUFV), Lehrkräfte für besondere Aufgaben, soweit diese der dritten Qualifikationsebene angehörten, eine Lehrverpflichtung von 23 SWS (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 LUFV). Ausweislich der Anlage ständen der Lehreinheit Wald- und Forstwirtschaft 13 Professorenstellen à 18 SWS zur Verfügung. Hieraus ergäbe sich ein Gesamtdeputat aus Professorenstellen von 234 SWS. Bei den Lehrkräften für besondere Aufgaben der vierten Qualifikationsebene, die der Lehreinheit zugeordnet seien, ständen der Lehreinheit 2 Stellen à 19 SWS zur Verfügung. Hier werde noch eine Stelle der Sprachenzentrums in W., das Lehrveranstaltungen für alle Lehreinheiten am Campus W. erbringe, anteilig angerechnet. Die 1,5 weiteren Stellen des Sprachenzentrums, die in der Anlage aufgelistet seien, seien aus Studienzuschüssen finanziert und daher kapazitätsneutral. Bei den Lehrkräften für besondere Aufgaben der dritten Qualifikationsebene ständen der Lehreinheit selber keine Stellen zur Verfügung. Hier werde eine halbe Stelle des Sprachenzentrums in W. anteilig nach dem eben erklärten Prinzip angerechnet.
Die Gründe für die Entlastungsstunden seien den angefügten Unterlagen zu entnehmen und seien vom Bayer. Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung überprüft. Auch die Dienstleistungen für der Lehreinheit nicht zugeordnete Studiengänge würden den einzelnen Studiengängen zugeordnet und aufgelistet. Demnach bleibe es dabei, dass die Kapazitäten des Studiengangs korrekt ermittelt worden seien.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die von der Hochschule vorgelegten Unterlagen zur Kapazitätsberechnung, Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung eines bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Die Antragspartei muss demnach sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sog. Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den sog. Anordnungsanspruch, glaubhaft machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO -).
Der Antragsteller hat zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, d.h. die Dringlichkeit des Begehrens, bereits vor Abschluss eines Hauptsacheverfahrens wenigstens vorläufig zum nächstmöglichen Termin zum Studiengang Forstingenieurwesen nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2020/2021 zugelassen zu werden.
Der Antragsteller hat jedoch keinen Anspruch auf einen außerkapazitären Studienplatz glaubhaft gemacht. Auch die von dem Bevollmächtigten vorgetragenen Einwände führen nicht dazu, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen wäre, dass über die von der Hochschule im Studiengang Forstingenieurwesen im Wintersemester 2020/2021 bereits zugelassenen 138 Studierenden hinaus noch mindestens ein weiterer Studienplatz vorhanden wäre, der von ihm in Anspruch genommen werden könnte (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Satz 2, 294 ZPO).
Hinsichtlich der inhaltlichen Nachprüfung von Kapazitätsberechnungen ist es zwar verfassungsrechtlich grundsätzlich geboten, dass die Verwaltungsgerichte bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes von ihrem Erkenntnis- und Erfahrungsstand ausgehend die gegebenen Begründungen nachvollziehen, Streitpunkten entsprechend dem Stand der Rechtsprechung und öffentlichen Diskussion nachgehen sowie die Einwände der Prozessbeteiligten würdigen (BVerfG, B. v. 22.10.1991 – 1 BvR 393/85, 1 BvR 610/85 – BVerfGE 85, 36, Rn 77). Eine umfassende Überprüfung der festgesetzten Zulassungszahl von Amts wegen, allein im Hinblick auf die pauschale Behauptung der Antragspartei, die Kapazität sei nicht erschöpft, hat das Gericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes jedoch nicht vorzunehmen (vgl. VG München, B. v. 30.10.2014 – M 3 E 14.4246 – rechtskräftig).
Im vorliegenden Fall hat das Gericht daher die von der Antragstellerseite erhobenen Einwände überprüft, hat jedoch trotzdem nicht feststellen können, dass die tatsächliche Kapazität für den streitgegenständlichen Studiengang für das Wintersemester 2020/2021 mehr als 138 Studienplätze umfasst hätte.
Die von der Hochschule im Wintersemester 2020/2021 im streitgegenständlichen Studiengang vergebenen 138 Studienplätze sind nach der ständigen Rechtsprechung als kapazitätsdeckend vergeben anzuerkennen. Die Zulassungspraxis, die zu dieser Überbuchung geführt hat, war nicht rechtsmissbräuchlich, sondern wurde – in Orientierung am Annahmeverhalten vorangegangener Semester – ausschließlich zum Zweck, die vorhandene Kapazität möglichst zeitnah auszuschöpfen, vorgenommen (vgl. BayVGH, B. v. 12.8.2013 – 7 CE 13.10109). Dabei ist die Grenze für die Anerkennungsfähigkeit der tatsächlichen Überbuchung nicht die mathematische Korrektheit des angewandten Prognose-Modells, sondern die Rechtsmissbräuchlichkeit im Sinne einer Zulassungspraxis, die sich entweder an anderen Kriterien orientiert hat als an dem Ziel, bereits zum Studienbeginn möglichst alle vorhandenen Studienplätze besetzt zu haben, oder aber die die Bezifferung der ausgesprochenen Zulassungen ohne jede nachvollziehbare Prognose vorgenommen hat (vgl. VG München, B. – rechtskräftig – v. 26.5.2015 – M 3 E 14.3852). Beides ist hier nicht erkennbar; im Übrigen wurden auch von der Antragstellerseite gegen die von der Hochschule vorgenommene Überbuchung keine Einwände erhoben.
Da das Gericht in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich von der Vollständigkeit der von den Hochschulen gemachten Angaben zur Stellenbesetzung und zum vorhandenen Lehrangebot einschließlich der anzusetzenden Lehrauftragsstunden ausgeht, bestand keine Veranlassung, über die von der Hochschule zur Stellenbesetzung bereits vorgelegten Unterlagen hinaus weitere Unterlagen anzufordern.
Die von der Antragstellerseite im Schriftsatz vom 10. Dezember 2020 gerügten fragmentarischen Unterlagen wurden durch den Antragsgegner in der Folge ergänzt. Hinsichtlich der Rügen bezüglich der Lehrverpflichtung wurde durch den Antragsgegner mit Hinweis auf § 5 Lehrverpflichtungsverordnung vom 14. Februar 2007 in der Fassung der Änderung vom 26. März 2019 (LUFV) detailliert Stellung genommen und die Deputatsstunden erläutert. Auch die Deputatsminderungen ergeben sich aus der im Schriftsatz des Antragsgegners vom 15. Januar 2021 vorgelegten Anlage 6. Diese genügen den Maßgaben des § 7 Abs. 1 und § 7 Abs. 5 LUFV. Die Dienstleistungsexporte ergeben sich aus der Anlage 4 des Schriftsatzes. Gegen die detailliert vorgebrachten Unterlagen wurden auch Seitens der Antragspartei keine Einwände mehr vorgebracht.
Die Kammer sieht es daher- nach der im gebotenen Rahmen vorgenommenen Überprüfung der Kapazitätsberechnung von Amts wegen – nicht als überwiegend wahrscheinlich an, dass an der Fachhochschule W. im 1. Fachsemester des Bachelorstudiengangs Forstingenieurwesen im Wintersemester 2020/2021 noch ein weiterer Studienplatz vorhanden ist, der von der Antragspartei in Anspruch genommen werden könnte.
Das Gericht hat im Rahmen der von ihm von Amts wegen vorgenommenen Überprüfung für das Studienjahr 2020/21 keine höhere als die festgesetzte Kapazität von insgesamt 136 Studienplätzen festgestellt.
Die Formel der Anlage 8 zur HZV für die Errechnung der jährlichen Aufnahmekapazität Ap des der Lehreinheit Wald- und Forstwirtschaft zugeordneten Studiengangs Forstingenieurwesen lautet: Ap = (2 x S b)/CA x zp.
Es ergibt sich somit eine Aufnahmekapazität für den Studiengang Forstingenieurwesen von 136 Studienplätzen:
A p = 362,5735 x 2/ 6,3203 x 1,0000 = 114,7330;
bei Schwundfaktor 0,8434: 114,7330 / 0,8434 = 136,0362, gerundet 136.
Der Antrag auf vorläufige Zulassung zum ersten Fachsemester des Studiengangs Forstingenieurwesens außerhalb der festgesetzten Kapazität war daher abzulehnen.
Da die für das Wintersemester 2020/2021 festgesetzte Kapazität von 136 Studienplätzen mit einer Belegung von 138 im regulären Vergabeverfahren zugelassenen und immatrikulierten Studierenden überbucht wurde, bleibt auch der hilfsweise Antrag auf Zulassung innerhalb der festgesetzten Kapazität ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG, wobei die ergänzend beantragte innerkapazitäre Zulassung nach der ständigen Spruchpraxis des erkennenden Gerichts den Streitwert unverändert lässt, da es sich jedenfalls wirtschaftlich gesehen um ein- und denselben Streitgegenstand, nämlich die vorläufige Zulassung zum Studium des Forstingenieurwesens im Wintersemester 2020/2021 handelt.


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