Verwaltungsrecht

Erfolgloser Asylfolgeantrag eines irakischen Kurden aus der Provinz Ninive

Aktenzeichen  AN 4 K 16.30131

Datum:
8.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4, § 71
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, 3, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, § 11 Abs. 1

 

Leitsatz

In der irakischen Provinz Ninive ist die Sicherheitslage zwar weiterhin verheerend, es besteht jedoch auch in dieser Region nicht überall ein regionaler innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, der subsidiären Schutz für Personen begründen könnte, die nicht zu einer der besonders gefährdeten gesellschaftlichen Gruppen gehören. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Klage ist unbegründet, wobei zugunsten des Klägers mit dem Bundesamt davon ausgegangen werden kann, dass im vorliegenden Fall ein beachtlicher Folgeantrag im Sinne von § 71 AsylG vorliegen mag.
Vorab wird – unter Vorbehalt der nachfolgenden Ausführungen – Bezug genommen auf die Begründung des angefochtenen Bundesamtsbescheids, § 77 Abs. 2 AsylG.
Ergänzend wird, auch im Hinblick auf den Verlauf und das Ergebnis der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 7. September 2016, noch ausgeführt:
Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG), auf Zuerkennung von subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) und auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG. In der Begründung des angefochtenen Bundesamtsbescheides sind die rechtlichen Voraussetzungen der vorstehend genannten Rechtspositionen zutreffend erläutert. Auf diese allgemeinen Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Asylgründe im Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Auch das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 7. September 2016 rechtfertigt die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gestellten Anträge nicht.
Zwar liegt der Heimatort des Klägers, Shekhan, nicht, wie vom Bundesamt unterstellt, in der irakischen Provinz Mossul, sondern vielmehr in der Provinz Ninive (andere Schreibweise:
Ninawa), wenngleich nur etwa 45 km nordöstlich der Großstadt Mossul. Der Kläger gab jedoch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht selbst an, Shekhan liege in der Einflusssphäre der kurdischen Peshmerga. Dies entspricht auch den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen, insbesondere Jungle World – Die linke Wochenzeitung, Nr. 51, vom 18. Dezember 2014, Internet-Abruf vom 5. September 2016, und Internet-Mitteilung der Diakonie-Katastrophenhilfe, aktualisierte Fassung vom 22. März 2013, Internet-Abruf am 5. September 2016. Dabei kann dahinstehen, ob Shekhan (andere Bezeichnung: Ain Sivne bzw. Ain Sifni) in der Vergangenheit zeitweise sogar im Einflussbereich des IS lag, was der Kläger nach seinem eigenen persönlichen Kenntnisstand in der mündlichen Verhandlung verneint hat, wohingegen die vorstehend erwähnte Pressemitteilung aus Jungle World berichtet, dass der Ort bzw. die Region Shekhan im Sommer (gemeint offensichtlich: 2014) durch die Peshmerga vom IS zurückerobert worden sei. Wie das Auswärtige Amt in seinem aktuellen Lagebericht vom 18. Februar 2016 auf Seite 9 unten ausführt, sind in der Region Kurdistan-Irak wie auch in weiteren Gebieten, die unter Kontrolle der kurdischen Regionalregierung stehen, sogar Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt, Entsprechendes ist somit erst recht für den Kläger zu erwarten, der als kurdischer Volkszugehöriger sunnitischer Religion zu der in der Region Kurdistan-Irak und den weiteren kurdisch beherrschten Gebieten lebenden Mehrheitsbevölkerung gehört.
Es erschließt sich dem Gericht jedenfalls nicht, weshalb der Kläger nicht zumindest in die Stadt bzw. das Gebiet Shekhan zurückkehren könnte, wenn schon eventuell nicht in andere, zumindest kurdisch beherrschte Regionen des Irak, zumal in Shekhan nach eigenen Angaben des Klägers immerhin eine Schwester von ihm mit ihrer Familie wohnt. Dass der Kläger zumindest in den letzten Jahren seit dem Tod seiner Mutter (2001) bzw. dem Verschollen sein bzw. Tod seines Vaters (2003) keinen Kontakt mehr zu seiner Schwester in Shekhan hatte, ebenso wie zu den weiteren Freunden und Bekannten in Shekhan, die der Kläger nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung „natürlich“ dort hat, steht dem nicht entgegen, es wäre dem Kläger zuzumuten, bei Bedarf diese Kontakte wieder zu aktivieren.
Auf seine zeitweise Behauptung (vgl. anwaltliches Schreiben an das Bundesamt vom 26.8.2015), er müsse als nicht praktizierender Moslem im Irak verfahrensrelevante Verfolgungsmaßnahmen befürchten, ist der Kläger im weiteren Verfahren selbst nicht mehr zurückgekommen, diesem Vorbringen fehlt auch jegliche Substantiierung.
Das Gericht übersieht nicht, dass gerade auch nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18. Februar 2016 (siehe dort insbesondere Seite 13, 14) speziell u. a. in der Provinz Ninive (Ninawa) die Sicherheitslage generell immer noch verheerend ist (so ausdrücklich VG Augsburg, Urteil vom 1.2.2016, Az. Au 5 K 15.30408, juris, Rn. 53 ff.). Gleichwohl geht das Gericht, insbesondere auch unter Zugrundelegung der eigenen Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung, aber davon aus, dass im Irak derzeit weder landesweit noch ausnahmslos überall in der Herkunftsregion des Klägers ein regionaler innerstaatlicher oder internationaler bewaffneter Konflikt herrscht. Die angespannte Sicherheitslage resultiert vielmehr aus inneren Unruhen und Spannungen, die aber nicht die Intensität und Dauerhaftigkeit eines Bürgerkrieges aufweisen. Dem Kläger droht als Angehöriger der Zivilbevölkerung, der insbesondere auch nicht zu einer der besonders gefährdeten gesellschaftlichen Gruppen (Polizisten, Soldaten, Journalisten, Intelektuelle, Richter, Rechtsanwälte, Mitglieder des Sicherheitsapparates sowie so genannte Kollaborateure) gehört, keine im hier maßgeblichen Sinn erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben. Auch konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht ersichtlich.
Der in der mündlichen Verhandlung gestellte (unbedingte) Beweisantrag auf Einholung weiterer Auskünfte nach Auswahl des Gerichts, insbesondere über Amnesty International und den UNHCR, zum Beweis der Tatsache, dass in der Provinz Ninive (Ninawa) ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht und dass es dem Kläger in seiner Heimat Shekhan nicht möglich sei, zu existieren oder zu überleben, war abzulehnen, weil unter Zugrundelegung des vom Kläger selbst Ausgeführten (siehe oben), die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen aus Sicht des erkennenden Gerichts für die Beurteilung der Sachlage ausreichen. Das Gericht hat insbesondere den Lagebericht Irak des Auswärtigen Amtes vom 18. Februar 2016 und den Amnesty-Report Irak 2016 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, ferner insbesondere auch die oben genannten weiteren Erkenntnisquellen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass gemäß Ziffer 4 der Grundsätzlichen Anmerkungen zu Beginn des Lageberichts Irak des Auswärtigen Amtes vom 18. Februar 2016 ohnehin die Erkenntnisse lokaler Menschenrechtsgruppen und vor Ort vertretener Regierungsorganisationen ausgewertet wurden und dass es regelmäßig mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen und dem UNHCR Informationen austauscht, wobei jedoch gemäß Ziffer 7 der Grundsätzlichen Anmerkungen zu Beginn des Lageberichts Irak des Auswärtigen Amtes gegenwärtig die Arbeits- und Bewegungsfreiheit der Deutschen Botschaft in Bagdad stark eingeschränkt ist. Die vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung übergebenen Unterlagen (vier Blatt Kopien, vgl. Sitzungsniederschrift Seite 4 oben) geben jeweils die persönliche Lageeinschätzung und Bewertung einzelner Bundesamtsmitarbeiter wieder, das Gericht ist hieran jedoch nicht gebunden und teil diese nicht.
Die angedrohte Abschiebung in Ziffer 5 des angefochtenen Bescheides beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG und ist rechtmäßig, weil die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Die im Rahmen von § 11 Abs. 3 AufenthG zu treffende Ermessensentscheidung über die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG (hier festgesetzt auf 90 Monate) ist nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auf entsprechende Nachfrage keine besonderen sozialen Verbindungen im Bundesgebiet vorgetragen. Er beherrscht, trotz Aufenthalts im Bundesgebiet seit Oktober 1997, die deutsche Sprache, wie seine entsprechenden Äußerungen in der mündlichen Verhandlung gezeigt haben, nach wie vor nur mangelhaft. Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG darf die Fristbemessung fünf Jahre bzw. 60 Monate dann überschreiten, wenn der Ausländer, wie hier der Kläger, aufgrund strafrechtlicher Verurteilung ausgewiesen worden ist bzw. wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Dies ist hier jedenfalls im Hinblick auf die wiederholten, teilweise erheblichen strafrechtlichen Verurteilungen der Fall. Die grundsätzliche Maximalfrist gemäß § 11 Abs. 3 Satz 3 AufenthG von 10 Jahren bzw. 120 Monaten ist vorliegend nicht überschritten.
Nach alledem ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO als unbegründet abzuweisen; Gerichtskosten werden nicht gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben.


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