Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag bezüglich eines Fremdenverkehrsbeitrags

Aktenzeichen  4 ZB 16.2344

Datum:
6.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 2112
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FVBS § 2 Abs. 2 S. 2
VwGO § 86 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Der Fremdenverkehrsbeitrag ist eine Gegenleistung für die Aufwendungen, die der Gemeinde im Zusammenhang mit der Förderung des Fremdenverkehrs entstehen. Es sollen diejenigen Personen herangezogen werden, die daraus besondere wirtschaftliche Vorteile ziehen. Das Entstehen von Vorteilen aus dem Fremdenverkehr wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Unternehmer tatsächlich keine Gewinne erzielt oder sogar Verluste macht (Bestätigung von BayVGH BeckRS 2014, 58741). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2 Als Grundlage für eine realitätsnahe Schätzung des fremdenverkehrsbedingten Vorteils kann – zumindest bei reinen Verkaufsstellen (Bäckereifachgeschäfte ohne angeschlossenen Cafébetrieb) – die sog. Fremdenverkehrsquote, also der prozentuale Anteil der Aufenthaltstage von Touristen an der Gesamtsumme der jährlichen Aufenthaltstage von Personen im Gemeindegebiet, herangezogen werden (Bestätigung von BayVGH BeckRS 2013, 58931). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 11 K 16.778 2016-10-12 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 135,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin ist Inhaberin von drei Bäckereiverkaufsstellen im Stadtgebiet der Beklagten. Sie wendet sich gegen den Fremdenverkehrsbeitragsbescheid vom 5. Februar 2014, mit dem die Beklagte für das Jahr 2009 (ohne Anpassung der Vor-auszahlung) ausgehend von einem Vorteilssatz von 10% einen Betrag von 135,00 Euro festsetzte. Das Verwaltungsgericht Regensburg wies die gegen diesen Bescheid gerichtete Anfechtungsklage mit Urteil vom 12. Oktober 2016 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die von der Klägerin betriebenen Verkaufsstellen für Brot- und Backwaren würden besondere wirtschaftliche Vorteile aus dem Fremdenverkehr ziehen. Die Klägerin sei somit nach der Fremdenverkehrsbeitragssatzung (FVBS) der Beklagten grundsätzlich beitragspflichtig. Die Beklagte habe den Vorteilssatz auf der Grundlage der sogenannten Fremdenverkehrsquote durch Schätzung ermitteln können, weil es beim Verkauf von Grundnahrungsmitteln praktisch kaum möglich sei, die dem Einzelnen aus dem Fremdenverkehr erwachsenden Vorteile exakt zu ermitteln. Die Beklagte habe nach den Gästebzw. Einwohnerzahlen aus dem prozentualen Anteil der Aufenthaltstage von Touristen an der Gesamtsumme der jährlichen Aufenthaltstage von Einheimischen eine Fremdenverkehrsquote von 8,62% ermittelt. Es könne dahingestellt bleiben, ob der prozentuale Anteil der Touristen aus der Gesamtsumme der jährlichen Aufenthaltstage aller Personen im Gemeindegebiet zu bestimmen gewesen wäre, wonach sich eine Fremdenverkehrsquote von 7,94% ergeben hätte. Ein Vorteilssatz von 10% sei auch in diesem Fall nicht zu beanstanden, weil nach der Rechtsprechung eine maßvolle Anhebung des Vorteilssatzes zulässig sei. Dieser Berechnung habe die Klägerin nicht erfolgreich entgegentreten können. Da sie keine Angaben zu ihrem einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtigen Gewinn im Jahr 2009 gemacht habe, sei die Beitragsschuld gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 FVBS zutreffend auf der Grundlage des steuerbaren Umsatzes berechnet worden. Die Beklagte sei zugunsten der Klägerin von dem in der Erklärung zur Veranlagung des Fremdenverkehrsbeitrags 2009 vom 21. November 2011 angegebenen, nicht näher belegten Umsatz in Höhe von 356.891,68 Euro ausgegangen. Aufgrund der von der Klägerin im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen dürfte ihr Jahresumsatz jedoch sogar bei ca. 380.000,00 Euro liegen. Sollte dem Beitrag daher ein höherer steuerbarer Umsatz zugrunde zu legen sein, würde die Klägerin durch den streitgegenständlichen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung. Die Beklagte tritt dem Antrag entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegt.
1. Der mit der Antragsbegründung in erster Linie geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht gegeben. Die Klägerin hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243/1244 m.w.N.).
Die Klägerin trägt vor, sie sei zu Unrecht zum Fremdenverkehrsbeitrag herangezogen worden, weil sie keine oder nur in äußerst geringem Umfang Vorteile aus dem Fremdenverkehr ziehe. Das habe sie anhand der in den einzelnen Monaten erzielten Umsätze nachgewiesen. Die Beklagte hätte dem Fremdenverkehrsbeitrag außerdem nicht den im Wege der Schätzung festgesetzten Vorteilssatz von 10% zugrunde legen dürfen. Sie habe die Betriebsweise und die Zusammensetzung des Kundenkreises der Klägerin nicht berücksichtigt. Die aus dem Fremdenverkehr erwachsenden Vorteile hätten exakt ermittelt und die Geschäfte mit Fremden und Ortsansässigen jeweils gesondert erfasst werden können. Das Verwaltungsgericht hätte von sich aus auf einer umfassenden Ermittlung der Schätzungsgrundlagen durch die Beklagte bestehen müssen, um die Höhe des angenommenen Vorteilssatzes umfassend überprüfen zu können. Die Beklagte habe zudem den aus den vorgelegten Unterlagen eindeutig ableitbaren Vorteilssatz nochmals zu Lasten der Klägerin erhöht. Wenn das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen ausführe, dass den Unterlagen der Klägerin der Anteil von gemeindefremden Personen am Umsatz nicht zu entnehmen sei, so hätten diese Zweifelsfragen in der mündlichen Verhandlung geklärt werden müssen. Das Urteil beruhe daher auf unzutreffenden, weil unvollständigen Tatsachen, so dass die rechtlichen Schlussfolgerungen auch nicht zutreffen könnten. Weil der Klägerin die von der Beklagten vorgelegten Zahlen nicht zur Verfügung gestanden hätten, habe sie diese auch nicht angreifen können. Es bestünden daher Zweifel daran, dass die Beklagte der Schätzung Zahlen zugrunde gelegt habe, die den Tatsachen entsprochen hätten.
Dieser Sachvortrag ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zu begründen. Das Verwaltungsgericht hat die von der Klägerin aufgeworfenen Gesichtspunkte, die sie bereits im Klageschriftsatz geltend gemacht hatte, umfassend gewürdigt und ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass der von der Beklagten festgesetzte Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2009 rechtmäßig ist.
a) Der von der Beklagten angesetzte und vom Verwaltungsgericht bestätigte Vorteilssatz von 10% ist rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere sind die von der Klägerin im Zulassungsantrag vorgetragenen Gesichtspunkte nicht geeignet, diesen Vorteilssatz ernstlich in Zweifel zu ziehen. Der Fremdenverkehrsbeitrag ist eine Gegenleistung des Beitragspflichtigen für die Aufwendungen, die der Gemeinde im Zusammenhang mit der Förderung des Fremdenverkehrs entstehen. Zur Finanzierung dieser Aufwendungen sollen diejenigen Personen durch die Zahlung eines Beitrags herangezogen werden, die aus ihnen besondere wirtschaftliche Vorteile ziehen. Das Entstehen von Vorteilen aus dem Fremdenverkehr wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Unternehmer tatsächlich keine Gewinne erzielt oder sogar Verluste macht (VGH BW, U.v. 6.11.2008 – 2 S 669/07 – juris Rn. 39; BayVGH, B.v. 4.11.2014 – 4 ZB 14.1336 – juris Rn. 7). Die Klägerin betreibt drei Bäckereiverkaufsstellen in der Innenstadt der Beklagten, eine Filiale liegt in der unmittelbaren Altstadt, eine Verkaufsstelle in der Nähe des Kletterwaldes im Stadtgebiet der Beklagten, eine weitere in der B. Straße. Der Senat hat bereits mehrfach im Hinblick auf diese Verkaufsstellen ausgeführt (BayVGH, U.v. 7.10.2013 – 4 B 13.209; B.v. 4.11.2014 – 4 ZB 14.1336), dass die Klägerin durch den im Stadtgebiet der Beklagten betriebenen Bäckereieinzelhandel unmittelbare oder mittelbare Vorteile aus Geschäften mit Ortsfremden ziehen kann und tatsächlich zieht. Aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass auch ortsfremde Besucher während ihres Aufenthalts die üblichen Backwaren einkaufen. Als Grundlage für eine realitätsnahe Schätzung des fremdenverkehrsbedingten Vorteils kann daher – zumindest bei reinen Verkaufsstellen (Bäckereifachgeschäfte ohne angeschlossenen Cafébetrieb) – die sog. Fremdenverkehrsquote, also der prozentuale Anteil der Aufenthaltstage von Touristen an der Gesamtsumme der jährlichen Aufenthaltstage von Personen im Gemeindegebiet, herangezogen werden (BayVGH, U.v. 7.10.2013 – 4 B 13.209 – NVwZ-RR 2014, 243 Rn. 22 und 27). Die Fremdenverkehrsquote als Basiswert für die nachfolgende betriebsbezogene Schätzung verliert nicht deswegen ihre Aussagekraft, weil innerhalb der Gruppe der auswärtigen Besucher beträchtliche Unterschiede bestehen, insbesondere in der Art der Unterbringung (Hotel, Privatpension, Ferienwohnung o. ä.) und bei der tatsächlichen Aufenthaltsdauer im Gemeindegebiet (Dauergäste mit An- und Abreisetagen, Tagesgäste). Für Bäckereifachbetriebe bestehen insoweit vergleichbare Gewinnmöglichkeiten wie bei der ortsansässigen Kundschaft (BayVGH, B.v. 4.11.2014 – 4 ZB 14.1336 – juris Rn. 9).
b) Bei der Ermittlung des Vorteilssatzes ist das Verwaltungsgericht in Einklang mit der soeben ausgeführten Rechtsprechung des Senats von der sog. Fremdenverkehrsquote ausgegangen. Diese beträgt bei einer Einwohnerzahl von 10.446, 218.733 Übernachtungen von Urlaubsgästen und 110.000 Tagestouristen entgegen der Berechnung der Beklagten nicht 8,62%, sondern 7,94%, wie das Verwaltungsgericht zutreffend errechnet hat. Das Verwaltungsgericht hat ebenfalls unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats zu Recht dargelegt, dass keine direkte mathematische Abhängigkeit des fremdenverkehrsbezogenen Umsatzes von den Gästezahlen und Gästeübernachtungen besteht, so dass nicht nur bei einer Fremdenverkehrsquote von 8,62%, sondern auch bei einer Quote von 7,94% eine maßvolle Anhebung des Vorteilssatzes auf 10% zulässig ist. Das Verwaltungsgericht hat sich in seinen Urteilsgründen auch ausführlich mit den von der Klägerin vorgetragenen Zahlen bezüglich der Übernachtungsgäste und des Ausgabeverhaltens von Touristen auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die von der Klägerin getroffene Annahme, die Anzahl von Tagestouristen sei nur zu einem Fünftel zu berücksichtigen, nicht nachvollziehbar sei. Die Klägerin hat dem in der Zulassungsbegründung lediglich ihre persönliche, anderslautende Einschätzung entgegengehalten, die sie auf eigene Vermutungen über das Einkaufsverhalten von Ortsfremden gründet. Sie hat keine Unterlagen oder Nachweise vorgelegt, aus denen sich ergeben könnte, dass sie entgegen der allgemeinen Situation von Bäckereiverkaufsstellen im Stadtgebiet der Beklagten nur unterdurchschnittlich vom Fremdenverkehr profitiert, was angesichts der zentralen Verkaufsstellen einer ausführlichen Begründung bedürfte. Das gilt umso mehr, als sich die Klägerin bereits in vergangenen gerichtlichen Verfahren erfolglos auf ihre auf Vermutungen beruhende Einschätzung berufen hat.
2. Soweit sich die Klägerin ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils damit begründet, dass das Verwaltungsgericht von der Klägerin weitere Angaben hätte einfordern und ihre Zweifel in der mündlichen Verhandlung hätte klären müssen, macht sie in der Sache den Verfahrensfehler mangelnder Sachaufklärung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5, § 86 Abs. 1 VwGO geltend. Gleiches gilt für den Vortrag, es bestünden Zweifel an den von der Beklagten vorgelegten Gästezahlen.
Dieser Verfahrensmangel liegt unter Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. nur BVerwG, B.v. 10.10.2013 –10 B 19.13 – juris Rn. 3 m.w.N.) jedoch nicht vor. Eine Aufklärungsrüge gemäß § 86 Abs. 1 VwGO kann nur Erfolg haben, wenn substantiiert dargelegt wird, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer für den Rechtsmittelführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Ein Tatsachengericht verletzt seine Aufklärungspflicht grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine anwaltlich vertretene Partei nicht beantragt hat (BVerwG a.a.O.). Die Aufklärungsrüge stellt deshalb kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Beteiligten in der Vorinstanz zu kompensieren.
Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung wurde der Sach- und Streitstand ausführlich erörtert. Die Klägerin erhielt Gelegenheit, ihre Argumente vorzutragen. Das Verwaltungsgericht hat diese unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen gewürdigt. Es war nicht verpflichtet, weitere oder ergänzende Unterlagen von der Klägerin anzufordern, nur weil es deren Argumentation nicht folgt. Auch gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich ausnahmsweise eine weitere Aufklärungsnotwendigkeit aufgedrängt hätte. Soweit die Klägerin die von der Beklagten angenommenen Gäste- und Übernachtungszahlen bestreitet, hat sie weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Zulassungsantrag substantiiert dargelegt, warum diese Zahlen falsch sein sollen. Ein Bestreiten lediglich „ins Blaue hinein“ ist nicht geeignet, eine Verpflichtung des Verwaltungsgerichts zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung zu begründen. Einen Beweisantrag in Bezug auf die von der Beklagten vorgelegten Zahlen hat die anwaltlich vertretene Klägerin nicht gestellt. Eine Beweiserhebung oder weitere Tatsachenermittlung musste sich dem Verwaltungsgericht auch insoweit nicht von Amts wegen aufdrängen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 3, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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