Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag in asylrechtlicher Streitigkeit

Aktenzeichen  9 ZB 19.30824

Datum:
29.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7258
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3, Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

Zulassungsvorbringen, das weder im Verfahren der Anhörung vor dem Bundesamt noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vom Asylbewerber thematisiert wurde, dürfte im Zulassungsverfahren nicht mehr zu berücksichtigen sein. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 30 K 17.40063 2018-10-26 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.1.2019 – 9 ZB 18.31719 – juris Rn. 2 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
a) Der im Zulassungsvorbringen aufgeworfenen Frage: „Muss angesichts der Tatsache, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung am Rande des Existenzminimums lebt, der Kläger nachvollziehbar ausgeführt hat, dass er sich nicht dem Schutz der Großfamilie unterstellen kann, davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger zumindest sein Existenzminimum sichern kann oder muss davon ausgegangen werden, dass angesichts der Gesamtumstände und auch den speziellen Umständen beim Kläger bei einer Rückkehr davon ausgegangen werden muss, dass er unter dem Existenzminimum (und somit unter den inländischen Maßstäben unter Verstoß eines selbstbestimmten würdevollen Lebens) bleiben muss“, lässt sich bereits keine allgemeine über den Einzelfall des Klägers hinausreichende Bedeutung entnehmen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass es dem Kläger als erwachsenen, jungen, gesunden und erwerbsfähigen Mann, der die Lebensgewohnheiten des Landes kennt, auch ohne Schulbildung und Berufserfahrung noch möglich und zumutbar sei, sich am Standort der inländischen Fluchtalternative in einer der größeren Städte Sierra Leones ein neues Leben aufzubauen und sich, z.B. durch Gelegenheitsarbeiten, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Dem wird im Zulassungsvorbringen nicht substantiiert entgegen getreten. Der Kläger wendet sich hier vielmehr im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Damit wird kein in § 78 Abs. 3 AsylG genannter Zulassungsgrund dargetan (vgl. BayVGH, B.v. 31.10.2018 – 9 ZB 18.32733 – juris Rn. 14).
b) Soweit im Zulassungsvorbringen ausgeführt wird, es sei grundsätzlich klärungsbedürftig, ob der Kläger bei Bekanntwerden der Asylantragstellung mit politischer Verfolgung rechnen muss, kann der Antrag ebenfalls keinen Erfolg haben. Unabhängig davon, dass dieser (neue) Sachvortrag weder im Verfahren der Anhörung vor dem Bundesamt noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vom Kläger thematisiert wurde und damit im Zulassungsverfahren nicht mehr zu berücksichtigen sein dürfte (vgl. BayVGH, B.v. 27.8.2018 – 1 ZB 17.31272 – juris Rn. 10), genügt dieses Vorbringen jedenfalls auch nicht den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG. Es fehlt hier jede Ausführung zur Klärungsbedürftigkeit oder Klärungsfähigkeit.
2. Ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe seine Aufklärungspflicht mangels Einholung einer Auskunft des Auswärtigen Amts zur Sicherung des Existenzminimums im Falle einer Rückkehr verletzt, nicht (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG).
Eine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht statuiert Art. 103 Abs. 1 GG nicht (vgl. BVerfG, B.v. 5.3.2018 – 1 BvR 1011/17 – juris Rn. 16). Insbesondere gibt Art. 103 Abs. 1 GG den am Prozess Beteiligten keinen Anspruch darauf, dass das Gericht Tatsachen erst beschafft oder von sich aus Beweis erhebt (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2018 – 9 ZB 16.30193 – juris Rn. 15 m.w.N.). Aufklärungspflichten, die über die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen hinausgehen, sich zu dem der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt zu äußern, sind, auch wenn sie im einfachen Prozessrecht verankert sind, nicht von der Schutzwirkung des Rechts auf Gehör umfasst (vgl. BayVGH, B.v. 30.10.2018 – 9 ZB 18.32680 – juris Rn. 16). Einen entsprechenden Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger nicht gestellt. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat (vgl. BVerwG, B.v. 20.12.2012 – 4 B 20.12 – juris Rn. 6 m.w.N.). Dass sich dem Verwaltungsgericht auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Sachverhaltsermittlung hätte aufdrängen müssen, wird im Zulassungsantrag nicht dargelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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