Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag: Verfolgung im Irak wegen doppelter Staatsangehörigkeit

Aktenzeichen  20 ZB 18.30882

Datum:
3.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 11868
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3b Abs. 1 Nr. 4 lit. b, § 78 Abs. 3 Nr. 1
RL 2011/95/EU Art. 10 Abs. 1 lit. d

 

Leitsatz

Ob irakische Staatsangehörige mit einer weiteren Staatsangehörigkeit eines westlichen Staates als Angehörige einer bestimmten sozialen Gruppe generell einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit ausgesetzt sind, lässt sich nicht allgemein klären, sondern bemisst sich nach der konkreten Situation. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 4 K 17.31337 2018-03-06 Ent VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 6. März 2018, Az. RO 4 K 17.31337 wird abgelehnt, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund – unabhängig von der Frage, ob dieser angesichts der knappen Begründung überhaupt den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügend dargelegt ist – jedenfalls in der Sache nicht vorliegt.
Der Kläger macht als Zulassungsgrund die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG ist eine Rechtssache, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang vom Berufungsgericht ungeklärte Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Daran fehlt es hier.
Der Kläger wirft als grundsätzlich bedeutsam folgende Frage auf:
Führt der Umstand, dass ein irakischer Staatsangehöriger, der entweder selbst oder dessen Verwandte aus dem engen Familienkreis (hier: Vater) die Staatsangehörigkeit eines westlichen Staates (hier: Großbritannien) besitzen, dadurch zu einer deutlich abgrenzbaren Gruppe innerhalb der Gesellschaft im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4b AsylG gehört, und somit generell der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung gemäß § 3a AsylG ausgesetzt ist?
Diese Frage ist jedoch einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich und damit nicht klärungsbedürftig. Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verneint, weil es seinen Vortrag, dass er wegen der doppelten Staatsangehörigkeit (d.h. der irakischen und der britischen Staatsangehörigkeit) seines Vaters im Irak einer Verfolgung durch Privatpersonen ausgesetzt sei, als unglaubwürdig eingestuft hat. Dies hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil ausführlich und in der Sache erschöpfend dargelegt (UA S. 7). Dem gegenüber zielt die Frage des Klägers darauf ab, dass bereits die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (der Personen mit „westlicher“ Staatsangehörigkeit im Irak und deren Familienangehöriger), die von der sie umgebenden Gesellschaft im Sinne des § 3b Nr. 4b) AsylG als andersartig angesehen werde, zu einer generellen beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1, § 3a AsylG führe. Damit verkennt der Kläger, dass § 3b Nr. 4 AsylG der Konkretisierung des Begriffs der „Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“ als Verfolgungsgrund gemäß § 3 Abs. 1 AsylG dient und insoweit Art. 10 Abs. 1d) der Richtlinie 2011/95/EU – sog. Qualifikationsrichtlinie – umsetzt. § 3 Abs. 1 AsylG nennt aber für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft neben dem hier fraglichen Anknüpfungsmerkmal der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe als weitere Voraussetzung die Verfolgung gerade wegen dieser Zugehörigkeit. Gemessen an diesen gesetzlichen Anforderungen kann allein die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe noch nicht die Flüchtlingseigenschaft begründen; hierfür müssen weitere Voraussetzungen erfüllt sein. Die von dem Kläger aufgeworfene Frage, ob die genannten Personen als Angehörige einer bestimmten sozialen Gruppe generell einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit ausgesetzt sind, lässt sich mithin nicht allgemein klären, sondern bemisst sich nach der konkreten Situation (vgl. BayVGH, B.v. 21.8.2014 – 13a ZB 14.30032 – juris Rn. 5 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83b AsylG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG.

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