Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilantrag auf Zulassung zum Studium der Humanmedizin wegen Ausschöpfung der Ausbildungskapazität

Aktenzeichen  7 CE 16.10313

Datum:
31.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HZV § 54

 

Leitsatz

Im Hinblick auf die für die Ausbildungseignung bedeutsame Verweildauer der Patienten ist es sachgerecht, Betten nur dann als “tagesbelegt” im Sinne von § 54 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HZV anzusehen, wenn sie stationär über Nacht belegt sind (vgl. BayVGH BeckRS 2014, 53004). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 7 E 16.2068 2016-08-09 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,– Euro festgesetzt.

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im ersten klinischen Fachsemester an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Universität) nach den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2016. Sie macht geltend, die Universität habe ihre tatsächliche Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg hat den Antrag mit Beschluss vom 9. August 2016 abgelehnt.
Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel weiter. Sie macht geltend, die Universität habe die patientenbezogene Kapazität nicht zutreffend ermittelt. Sie habe bei der Ermittlung der Zahl der tagesbelegten Betten zu Unrecht teilstationäre Pflegetage einzelner Tageskliniken (der Kliniken und Polikliniken der Strahlentherapie und Nuklearmedizin) außer Betracht gelassen und (teilweise) Privatpatienten nicht berücksichtigt. Auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 30. August 2016 wird verwiesen.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch der Antragstellerin nicht.
1. Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Universität ihre Ausbildungskapazität im klinischen Teil des Studiengangs Humanmedizin (erstes klinisches Fachsemester) ausgeschöpft hat. Die Antragstellerin hat danach keinen Anspruch auf Zulassung im ersten klinischen Fachsemester, weil die Zahl der im Sommersemester 2016 im ersten bis sechsten klinischen Fachsemester bereits eingeschriebenen Studierenden die Summe der für das erste bis sechste klinische Fachsemester festgesetzten Zulassungszahlen überschreitet. Der Senat folgt den Gründen des streitgegenständlichen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist zu bemerken:
Die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Einwände der Antragstellerin gegen die Berechnung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität der Universität (§ 54 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern [Hochschulzulassungsverordnung – HZV] vom 18.6.2007 [GVBl S. 401; BayRS 2210-8-2-1-1-K], zuletzt geändert durch Verordnung vom 31.3.2015 [GVBl S. 74]) greifen im Ergebnis nicht durch.
a) Die Universität hat bei der Ermittlung der Zahl der tagesbelegten Betten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZV) die teilstationären Pflegetage einzelner Tageskliniken (der Kliniken und Polikliniken der Strahlentherapie und Nuklearmedizin) zu Recht außer Betracht gelassen. Der Senat hat bereits entschieden, dass es im Hinblick auf die für die Ausbildungseignung bedeutsame Verweildauer der Patienten sachgerecht ist, Betten nur dann als „tagesbelegt“ im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZV anzusehen, wenn sie stationär über Nacht belegt sind (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 12.6.2014 – 7 CE 14.10012 u.a – juris Rn. 17 ff.). Die Universität ist deshalb kapazitätsrechtlich nicht verpflichtet, bei der Ermittlung der Zahl der tagesbelegten Betten auch Patienten zu berücksichtigen, die lediglich teilstationär in der Tagesklinik behandelt und am Aufnahmetag wieder entlassen werden.
b) Soweit die Universität Privatbetten einzelner Chefärzte deshalb nicht in die Berechnung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität einbezogen hat, weil es sich nach Einschätzung der Universität bei diesen Patienten (ausnahmsweise) nicht um Patienten des Universitätsklinikums handelt, kann offenbleiben, ob diese Einschätzung der Universität zutreffend ist. Denn auch bei Berücksichtigung dieser Privatbetten einzelner Chefärzte im Rahmen der Ermittlung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität kann die Antragstellerin unverändert keinen Anspruch auf Aufnahme in das erste klinische Fachsemester geltend machen, weil sich gleichwohl keine höheren als die im Rahmen der Zulassungszahlsatzung 2015/2016 festgesetzten – und durch eingeschriebene Studierende tatsächlich erschöpften – Zulassungszahlen für das streitgegenständliche Sommersemester 2016 ergeben würden.
aa) Die Universität hat nach Maßgabe des § 54 HZV ihre patientenbezogene jährliche Aufnahmekapazität (Berechnungszeitraum Wintersemester 2015/2016 und Sommersemester 2016) für das erste klinische Fachsemester im Studiengang Humanmedizin mit 284 Studierenden ermittelt und dementsprechend in ihrer Zulassungszahlsatzung 2015/2016 als Zulassungszahlen für das Wintersemester 2015/2016 und für das Sommersemester 2016 jeweils (hälftig) 142 Studierende für das erste klinische Fachsemester festgesetzt. Die Summe der für das erste bis sechste klinische Fachsemester festgesetzten Zulassungszahlen beträgt für das Wintersemester 2015/2016 und für das Sommersemester 2016 jeweils 852 Studierende. Das Verwaltungsgericht hat diese Zulassungszahlen grundsätzlich bestätigt, sie jedoch im Hinblick auf eine außeruniversitäre Krankenanstalt (Orthopädische Klinik König-Ludwig-Haus des Bezirks Unterfranken) rechnerisch erhöht und zwar um jährlich acht Studierende, d. h. um vier Studierende je klinisches Fachsemester. Der Senat geht im Folgenden deshalb von einer rechnerisch zu erhöhenden Zulassungszahl von 146 Studierenden für jedes klinische Fachsemester und als Summe der für das erste bis sechste klinische Fachsemester festgesetzten Zulassungszahlen von insgesamt 876 Studierenden aus.
Die anhand der patientenbezogenen („regulären“) Aufnahmekapazität der Universität ermittelten und der Kapazitätsberechnung der Universität zugrunde liegenden Zulassungszahlen sind infolge der zwischen dem damaligen Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst sowie der Universität und dem Universitätsklinikum im Jahr 2011 geschlossenen „Zielvereinbarung zur vorübergehenden Erhöhung der Studienanfängerzahlen“ und des hierzu vereinbarten „1. Nachtrags“ sowie ausweislich der Zulassungszahlsatzung 2015/2016 in Bezug auf das streitgegenständliche Sommersemester 2016 für alle sechs klinischen Fachsemester um jeweils 15 Studierende („Ausbaukohorten“) erhöht worden. Die Gesamtzulassungszahl für das erste bis sechste klinische Fachsemester beträgt danach 942 Studierende. Diese über die reguläre Aufnahmekapazität der Universität hinausgehende vorübergehende Erhöhung der Zulassungszahlen (um insgesamt 90 Studierende) bleibt als Maßnahme zum Ausgleich einer zusätzlichen Belastung der Universität kapazitätsrechtlich unberücksichtigt (§ 40 Abs. 2 HZV). Eine dauerhafte Erhöhung der Aufnahmekapazität ist damit schon deshalb nicht verbunden, weil die in der Zielvereinbarung genannten zusätzlichen finanziellen Mittel durch den Haushaltsgesetzgeber nur befristet zur Verfügung gestellt werden.
bb) Bei einer weiteren rechnerischen Erhöhung der patientenbezogenen jährlichen Aufnahmekapazität der Universität aufgrund der Einbeziehung der genannten Privatbetten einzelner Chefärzte würde sich die reguläre Aufnahmekapazität für jedes klinische Fachsemester – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – um sechs Studierende und damit für das streitgegenständliche Sommersemester 2016 die Summe der für das erste bis sechste klinische Fachsemester festgesetzten Zulassungszahlen von 852 (bzw. 876) Studierenden lediglich auf 888 (bzw. 912) Studierende erhöhen. Diese höhere Zahl ist indes immer noch deutlich niedriger als die in der Zulassungszahlsatzung festgesetzte und vorliegend allein entscheidungserhebliche Gesamtzulassungszahl für das erste bis sechste klinische Fachsemester von 942 Studierenden, die mit insgesamt 978 eingeschriebenen Studierenden bereits ausgeschöpft ist.
cc) Die Antragstellerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Universität die über die reguläre Aufnahmekapazität der Universität bereits hinausgehende – vorübergehend erhöhte – Gesamtzulassungszahl für das erste bis sechste klinische Fachsemester nochmals erhöht und der Freistaat Bayern zu diesem Zweck weitere finanzielle Mittel zur Verfügung stellt. Denn die Teilhaberechte der Studienbewerber stehen nach dem Grundgesetz stets unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann, wobei die Entscheidung über Umfang und Prioritäten des Hochschulausbaus vorrangig dem Gesetzgeber obliegt (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 27.9.2011 – 7 CE 11.10758 u. a. – juris Rn. 9 m. w. N.).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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