Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilantrag eines Asylbewerbers aus Mali

Aktenzeichen  M 21 S 17.42139

Datum:
3.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 3e, § 4, § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
GG GG Art. 16a Abs. 4 S. 1, Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass dem Antragsteller kein subsidiärer Schutzstatus und keine Abschiebungsverbote zuzuerkennen sind, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Trotz der Verschlechterung der Sicherheitslage zum Zeitpunkt September 2017 wegen Wiederaufnahme der Kämpfe und steigender politischer Unruhen, muss sich der Antragsteller auf internen Schutz im Süden Malis, insbesondere auf die Gegend um Bamako, verweisen lassen. (Rn. 20 – 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller, der bislang weder Personalpapiere noch andere Identitätsnachweise seines Herkunftslands vorlegte, ist nach eigenen Angaben ein verheirateter, in Timbuktu geborener Staatsangehöriger der Republik Mali muslimischen Glaubens vom Volk der Peul.
Er stellte am 2. September 2015 bei der Außenstelle des Bundesamts für … (kurz: Bundesamt) in M. einen Asylantrag.
Zur Niederschrift über seine Anhörung bei der Außenstelle des Bundesamts in M. am 17. Oktober 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, sich bis zur Ausreise in Amanar, Timbuktu, aufgehalten zu haben. Sein Heimatland habe er am 7. Juni 2014 bzw. am 8. Juni 2014 verlassen. Sein Vater sei am 7. Juni 2014 gestorben und der Antragsteller sei einen Tag darauf gegangen. Im Juni 2015 sei er in das Bundesgebiet eingereist. Seine Tochter lebe bei seiner Mutter in Senegal. Er sei Viehhirte gewesen und habe Gärtnerei gelernt. Er sei geflüchtet, weil sein Vater in der Zeit von 2012 bis 2014 ein Rebell gewesen sei. Als dies herausgekommen sei, seien maskierte Männer zu ihnen nach Hause gekommen. Zu dieser Zeit habe der Antragsteller das Vieh gehütet. Die Männer hätten seinen Vater, seinen Bruder und seine Schwester mitgenommen. Seine Frau hätten sie wegen ihres kleinen Kindes da gelassen. Seine Mutter hätten sie auch zurückgelassen. Alle drei habe man in den Wald gebracht. Seinem Vater habe man gesagt, dass er als Rebell Menschen getötet habe. Man werde ihn – so sei dem Vater gesagt worden – auf gleiche Weise hinrichten. Man habe ihn und auch den Bruder des Antragstellers erschossen. Seine Schwester sei vergewaltigt worden. Als sie zurückgekommen sei, habe sie der Mutter des Antragstellers erzählt, dass der Vater unter Bruder umgebracht worden seien und dass die Männer zurückkommen würden, um den Antragsteller umzubringen. Als er vom Vieh Hüten zurückgekommen sei, habe seine Mutter ihm gesagt, er könne nicht mehr dableiben. Als der Antragsteller in Libyen angekommen sei, habe ihm seine Mutter erzählt, dass die Männer wieder gekommen seien, ihn nicht gefunden hätten und gesagt hätten, müssten sie ein drittes Mal kommen, würden sie die ganze Familie umbringen. Aus Angst sei auch seine Mutter mit seiner Frau, seinem Kind und seiner kleinen Schwester geflüchtet. In so einer Situation sei es nicht möglich, in einen anderen Teil Malis zu flüchten. Wenn die Leute behaupteten, man sei ein Rebell, dann bedeute das auch, dass die Regierung einen suche. Der Antragsteller wisse nicht, welcher Gruppe sein Vater angehört habe. Die Regierung Malis habe seinen Vater geholt. Der Antragsteller habe selbst nie gekämpft, sondern immer auf das Vieh aufgepasst. In Mali habe er noch nie Kontakt mit der Polizei gehabt. Er habe keine schwere Krankheit.
Mit an das Bundesamt gerichtetem Schreiben vom 10. November 2016 (Bl. 106 der Bundesamtsakte) ergänzte der Antragsteller sein Vorbringen.
Mit Bescheid vom 16. Mai 2017 lehnte das Bundesamt die Anträge des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.), auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) und auf subsidiären Schutz (Ziffer 3.) als offensichtlich unbegründet ab, verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Ziffer 4.) und drohte ihm mit einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung nach Mali an (Ziffer 5.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es seien keine asylrelevanten Gründe geltend gemacht worden. Eine politische Verfolgung durch einen staatlichen Verfolger habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Dem Antragsteller drohe auch offensichtlich kein ernsthafter Schaden. Für ihn bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative im Süden Malis. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG.
Am 24. Mai 2017 erhob der Antragsteller zur Niederschrift der Rechtsantragsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts München Klage und beantragte, den Bundesamtsbescheid vom 16. Mai 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bestehen.
Über die Klage (M 21 K 17.42138) ist noch nicht entschieden.
Am 24. Mai 2017 beantragte der Antragsteller zur Niederschrift der Rechtsantragsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts München zugleich,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen.
Zur Klage- und Antragsbegründung nahm der Antragsteller am 24. Mai 2017 auf seine Angaben gegenüber dem Bundesamt Bezug.
Zur Klage- und Antragsbegründung wurde durch Schriftsatz vom 20. Juni 2017 im Wesentlichen ausgeführt, das Vorbringen gebe ausreichend Anhaltspunkte für eine asylerhebliche Verfolgung. Die Bedrohung durch Rebellen und Regierung stelle eine offensichtliche und konkrete Gefährdung dar. In Mali herrsche Bürgerkrieg. Man werde dem Antragsteller nicht zumuten können, in einem anderen Landesteil Schutz zu suchen. Unter den gegebenen, außerordentlich schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werde er kein Leben am Rande des Existenzminimums führen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zu Eil- und Klageverfahren und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Eilantrag ist unbegründet.
Gemäß Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG wird die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen insbesondere in Fällen, die offensichtlich unbegründet sind, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen. Im Anschluss an Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG bestimmt § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG, dass die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG, § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamts, dass dem Antragsteller kein subsidiärer Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen ist und dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht bestehen, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung in § 36 AsylG nicht unmittelbar zu entnehmen, dafür sprechen jedoch § 34 Abs. 1 AsylG und Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, B.v. 17.7.1996 – 2 BvR 1291/96 – juris Rn. 3).
Gemessen an diesen Maßstäben bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung.
Ernstliche Zweifel bestehen insbesondere nicht an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und an der Rechtmäßigkeit der Verneinung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
Zur näheren Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Bundesamtsbescheids Bezug genommen (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist Folgendes auszuführen.
In Mali gibt es kein zuverlässiges Meldewesen (https://www.state.gov/documents/organization/265488.pdf).
Abgesehen von der Frage der Glaubhaftigkeit des Vorbringens muss sich der Antragsteller daher auf Basis aktueller Lageberichte sowohl überstaatlicher (vgl. nur http://www.refworld.org/pdfid/59d388b84.pdf) als auch staatlicher (vgl. nur https://www.state.gov/documents/organization/265488.pdf) und nichtstaatlicher Stellen (vgl. nur https://www.amnesty.de/jahresbericht/2017/mali) jedenfalls hinreichend gesichert auf internen Schutz im Süden Malis, insbesondere auf die Gegend in und um Bamako, verweisen lassen (§ 3e AsylG).
Im Vergleich zum Bericht des Generalsekretärs des Sicherheitsrats der UN über die Lage in Mali im Juni 2017 haben sich die politische und die Sicherheitslage dort zum Zeitpunkt Ende September 2017 verschlechtert. Die UN berichten allerdings in diesem Zusammenhang von einer Wiederaufnahme der Kämpfe zwischen den bewaffneten Signatarkräften in Nordmali, wachsender Unsicherheit im Zentrum des Landes und steigender politischer Unruhe im Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlichen Prüfungsprozess, der zu einer verspäteten Umsetzung des Abkommens geführt habe. Für die Region Kidal wird von einer Verschlechterung der Sicherheitslage berichtet. Asymmetrische Angriffe gegen internationale Kräfte seien insbesondere in den Regionen Gao, Kidal und Timbuktu zu verzeichnen. Die Sicherheit von Zivilisten habe sich in den Gegenden um Ménaka und Mopti verschlechtert.
Dementsprechend wird vom Außenministerium der Vereinigten Staaten festgehalten, für Teile des Nordens und des Zentrums des Landes werde insbesondere von ernsthaften Menschenrechtsverletzungen durch nichtstaatliche, extremistische Organisationen berichtet. Die Truppen der Regierung und der Französischen Republik hätten jedoch dort verschiedene Terrorgruppen bekämpft. Angriffe durch bewaffnete Gruppen, welche die Vereinbarung von 2015 unterzeichnet hatten, seien im Berichtszeitraum 2016 sporadisch und örtlich begrenzt gewesen. Terroristische Gruppen hätten ihre Aktivitäten (nur) im Norden und zentralen Teilen des Landes fortgesetzt. Die Regierung habe nicht genügend Ressourcen gehabt, um diese Fälle im Norden (allein) zu verfolgen und zu untersuchen.
Auch Amnesty International berichtet Stand 19. Mai 2017, die Instabilität habe in Mali vom Norden auf das Landesinnere übergegriffen. Es habe immer mehr bewaffnete Gruppierungen gegeben, die Anschläge verübten. Die Stadt Kidal im Norden des Landes sei von bewaffneten Gruppen kontrolliert worden. In Gao und Ménaka sei die Versorgung mit humanitärer Hilfe durch Entführungen seitens bewaffneter Gruppen behindert worden.
Bei dieser Lage muss sich der Antragsteller hinreichend gesichert auf internen Schutz im Süden Malis, insbesondere auf die Gegend in und um Bamako, verweisen lassen.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben