Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilantrag gegen Ablehnung des Asylantrags

Aktenzeichen  M 17 S 17.40621, M 17 K 17.40619

Datum:
20.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EMRK EMRK Art. 3
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 36 Abs. 3, Abs. 4
GG GG Art. 16a

 

Leitsatz

Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Myanmar begründen – vorbehaltlich individueller gefahrerhöhender Umstände – nicht die Annahme, dass eine Abschiebung Art. 3 EMRK verletzt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage sowie auf Gewährung von Prozesskostenhilfe in den Verfahren M 17 S 17.40621 und M 17 K 17.40619 werden abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger Myanmars und sunnitischen Glaubens. Er reiste am … Januar 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 19. Februar 2014 Asylantrag.
Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am … November 2016 gab er im Wesentlichen an, dass er am … August 2013 mit anderen Muslimen und Buddhisten nach … gegangen sei, um dort Sachgüter und Lebensmittel an Bedürftige zu spenden. Das Militär habe sie jedoch nicht hinein gelassen und ihre Namen sowie Anschriften aufgeschrieben. Er habe später mit einem Freund einen Englischsprachkurs in … besucht. Am … November 2013 habe der Lehrer der Klasse mitgeteilt, dass laut einem Brief der Stadtverwaltung die Schule geschlossen werden solle. Als die Klasse und der Lehrer zur Stadtverwaltung gegangen seien, um dort nachzufragen, seien sie beschimpft und beleidigt worden. Es sei ihnen erklärt worden, dass die Schule nur zum Schein Englisch unterrichte, in Wahrheit aber muslimischer Extremismus gepredigt und die Jugend zum Terror angestiftet werde. Am … November 2016 seien sie eine Instanz höher, zur Kreisverwaltung gegangen, aber nicht hinein gelassen worden. Nachdem sie spontan demonstriert und geschrien hätten, hätten sie mit dem Chef der Kreisverwaltung sprechen können. Sie hätten ihre Unschuld beteuert und angekündigt, das Schreiben der Stadtverwaltung an das Parlament weiterzuleiten. Der Kreisverwalter habe sie weggeschickt. Am … November 2016 sei eine große Menschenmenge aus Eltern, Angehörigen sowie Bewohnern des Stadtteils und der Blockverwaltung zusammengekommen. Gegen 9:30 Uhr seien zehn Leute gekommen sowie, nachdem sie diesen den Weg versperrt hätten, die Polizei und Feuerwehr mit Wasserwerfern. Die Polizei habe sie mit Stangen geschlagen und manche Demonstrationsteilnehmer seien mit Handschellen abgeführt worden. Sie seien dann weggerannt.
Mit Bescheid vom 16. Mai 2017, per Einschreiben am 17. Mai 2017 zur Post gegeben, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Der Antragsteller wurde aufgefordert, innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, anderenfalls wurde ihm die Abschiebung nach Myanmar bzw. in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Zudem wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter offensichtlich nicht vorlägen. Der Antragsteller habe seine begründete Furcht vor Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden nicht glaubhaft gemacht. Sein Vortrag genüge nicht den Kriterien einer glaubhaften Darstellung eines Verfolgungsschicksals. Die Angaben des Antragstellers widersprächen zum Teil jeglicher Lebenserfahrung, sie seien in sich widersprüchlich und nach Erkenntnissen des Bundesamtes offensichtlich nicht die individuelle Geschichte des Antragstellers. Es sei zunächst lebensfremd, dass ein Antragsteller, der studiert und später Englischkurse besucht habe, nicht mitbekommen haben wolle, wo er seine Fingerabdrücke abgegeben habe, mit welcher Airline er geflogen sei und wohin sein Flug gegangen sei. Diese Informationen würden während des Fluges mehrfach auf Englisch durchgesagt und die Anzeige auf den Bildschirmen zeige wiederholt die Flugroute. Zum einen habe der Antragsteller angegeben, dass sein Vater 2008 verstorben sei und er in Deutschland einen Halbbruder habe. Seine Mutter habe ein zweites Mal geheiratet. In dem Anhörungsprotokoll des angeblichen Bruders stehe jedoch, dass dessen Vater 2008 verstorben sei. Angesichts der Geburtsdaten des Antragstellers und seines Halbbruder (…02.1989) ergäben sich erhebliche Diskrepanzen. Während der Antragsteller erklärt habe, dass seine gesamte Familie Muslime seien, habe sein Bruder in der Anhörung angegeben, katholischer Christ zu sein. Es stelle sich auch die Frage, weshalb die Eltern dem einen Sohn einen eher westlichen Namen, dem anderen einen burmesischen Namen gegeben haben wollten. Auch scheine es verwunderlich, dass der Bruder den Antragsteller auf entsprechende Frage nicht erwähnt habe. Erschwerend käme hinzu, dass dem Bundesamt Erkenntnisse vorlägen, dass die gleichen Fluchtgründe, die der Antragsteller vorgetragen habe, auch von anderen Asylantragstellern vorgetragen worden seien. Das Bundesamt gehe daher davon aus, dass die Antragsteller vorab von den Schleppern genauestens instruiert worden seien oder sich nach Ankunft in der Gemeinschaftsunterkunft entsprechend abgesprochen hätten. Aus diesen Gründen war auch subsidiärer Schutz nicht zu gewähren. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Myanmar führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Individuelle gefahrerhöhende Umstände habe der Antragsteller weder vorgetragen noch lägen sie nach Erkenntnissen des Bundesamts vor. Der Antragsteller habe Informatik studiert, spreche neben Burmesisch auch Englisch und habe in Deutschland neue Sprachkenntnisse hinzugewonnen. Somit sei davon auszugehen, dass er sich bei der Rückkehr nach Myanmar eine wirtschaftliche Existenz aufbauen könne. Darüber hinaus habe der Antragsteller zu Hause noch ein familiäres Netzwerk, das ihn bei der Rückkehr ebenfalls unterstützen würde. Dem Antragsteller drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 18. Mai 2017, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am selben Tag, Klage (M 17 K 17.40619). Gleichzeitig beantragte er (M 17 S. 17.40621), die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen sowie in beiden Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
Zur Begründung wurde auf die bisherigen Erklärungen des Antragstellers im vorgerichtlichen Verfahren verwiesen bzw. diese wiederholt und im Wesentlichen ausgeführt, dass in Myanmar auch nach dem Regierungswechsel eine Anpassung der Gesetze nicht erfolgt sei. Behördenwillkür sei weit verbreitet und Myanmar sei weiterhin weit von einem Rechtsstaat entfernt. Schon die friedliche Meinungsäußerung könne in Myanmar zu Freiheitsstrafen führen und es gebe keine unabhängige Justiz. Die illegale Ausreise des Antragstellers werde in Myanmar als Straftat gewertet werden, sodass im Falle seiner Rückkehr eine staatliche politische Verfolgung hinreichend wahrscheinlich sei. Bei einer Rückkehr nach Myanmar befürchtet der Kläger, sofort verhaftet zu werden und ohne rechtsstaatliches Verfahren irgendwo in ein Gefängnis verschleppt zu werden und dort zu verschwinden. Er befürchte weiter, schon aufgrund seines Glaubens und weil er das Land illegal verlassen und in einem anderen Land Asyl beantragt habe, verfolgt und getötet zu werden. Auch Personen, die illegal bzw. ohne gültigen Pass nach Myanmar einreisten, drohe eine Strafe. In Myanmar fänden auch derzeit noch Pogrome gegen die muslimische Minderheit statt. Aufgestachelt werde die Bevölkerung dabei von der radikalen rassistischen Gruppe 969, welche zum Ziel habe, Myanmar zur muslimfreien Zone zu machen. Hiervon seien insbesondere Angehörige der muslimischen Minderheit der Rohingya betroffen, wobei bei Übergriffen alleine der muslimische Glaube für eine Verfolgung ausreiche. Auf diverse Zeitungsberichte und den Amnesty Report 2015 wurde Bezug genommen. Die Voraussetzungen des § 3 AsylG seien somit erfüllt, zumindest habe der Kläger einen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Abschiebungsschutzes, da ihm ein ernster Schaden drohe. Jedenfalls sei ein Abschiebungsverbot festzustellen, denn die derzeitigen humanitären Bedingungen in Myanmar insbesondere für Angehörige der muslimischen Minderheit führten zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege.
Die Antragsgegnerin stellte keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 17.40619 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Die Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO und auf Gewährung von Prozesskostenhilfe sind zulässig, aber unbegründet.
1. Der Antragsteller möchte erreichen, dass die kraft Gesetzes (§ 75 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 16. Mai 2017 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylG angeordnet wird.
1.1 Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i.S.v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.), was nach ständiger Rechtsprechung aber nicht anzunehmen ist, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – Inf-AuslR 1993, 196).
1.2 An der Rechtmäßigkeit der seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidungen bestehen hier keine derartigen ernstlichen Zweifel. Das Gericht nimmt insoweit vollumfänglich auf die Ausführungen der Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG). Weder in diesem Verfahren noch im Hauptsacheverfahren wurde der streitgegenständliche Bescheid, insbesondere die darin angeführten Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Antragstellers, substantiiert in Frage gestellt.
2. Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, da – wie bereits dargelegt – die Erfolgsaussichten der Klage nach summarischer Prüfung als gering zu bewerten sind.
Die (gerichtskostenfreien, § 83b AsylG) Anträge waren daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben