Verwaltungsrecht

Erfolgloses Asylverfahren eines ukrainischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  AN 4 K 16.30879

Datum:
18.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3a
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, Abs. 3, § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1. Schutzgelderpressungen, die nicht an ein in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genanntes Verfolgungsmerkmal anknüpfen, können die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht begründen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch aus dem Unionsrecht ergibt sich keine zwingende Anwendbarkeit des Wiedereinreiseverbots für andere EU-Mitgliedstaaten. (Rn. 29 und 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Klage ist unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Asylanerkennung, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, auf Feststellung des subsidiären Schutzstatus im Sinne von § 4 AsylG und auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG hat. Auch die in Ziffer 5) und 6) des angefochtenen Bescheids getroffenen Nebenentscheidungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 5. Juli 2016 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.
Maßgeblich für die Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 AsylG.
Das Gericht folgt den Feststellungen und Begründungen des angefochtenen Bescheids vom 5. Juli 2016 und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 77 Abs. 2 AsylG ab und führt lediglich ergänzend unter Berücksichtigung des Verlaufs und des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung am 18. Mai 2017 wie folgt aus:
1. Der Kläger stützt seinen Asylantrag im Wesentlichen auf seine angebliche Verfolgung durch Polizisten sowie ihm unbekannte Personen, die von ihm Schutzgeld im Zusammenhang mit seinem Marktstand und seinem später in Donezk betriebenen Taxiunternehmen verlangt hätten.
Das klägerische Vorbringen ist jedoch nicht geeignet, die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG zu erfüllen und die Flüchtlingseigenschaft zu begründen.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Bei der Glaubhaftmachung im Asylverfahren und im anschließenden Verwaltungsgerichtsverfahren kommt dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden hinsichtlich der vor Ausreise entstandenen Fluchtgründe naturgemäß eine besondere Bedeutung zu. Hinsichtlich der objektiven Nachprüfbarkeit dürfen jedoch keine überzogenen Anforderungen gestellt werden.
Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. VwGO i.V.m. § 25 Abs. 1 AsylG muss der Ausländer zunächst selbst die Tatsachen vorbringen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss der Asylsuchende unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, U.v. 29.11.1977 – I C 33.71 –, BVerwGE 55, 82-86).
Diesen Maßstäben wird der Vortrag des Klägers bei Weitem nicht gerecht.
Denn auch nach mehrmaliger Nachfrage des Gerichts war der Kläger nicht in der Lage, vor allem die zeitliche Abfolge der angeblichen Geschehnisse zu präzisieren. Die Klägervertreterin gab zwar zu Bedenken, dass die Erinnerungsschwierigkeiten mit der Zyste im Gehirn zusammenhängen könnten. Insoweit ist dem Kläger jedoch entgegenzuhalten, dass er andere Aspekte durchaus präzise geschildert hat, wie z.B. die angeblichen Geldbeträge, die er an die jeweiligen Erpresser zahlen sollte.
Hinzu kommt, dass der geschilderte Sachverhalt zwar ein kriminelles, strafrechtlich relevantes Verhalten darstellen mag, jedoch keine Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a AsylG. Zudem fehlt es an einem Verfolgungsgrund, weil die geschilderten Schutzgelderpressungen, wie sie der Kläger in der mündlichen Verhandlung selbst bezeichnet hat, nicht an ein in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genanntes Verfolgungsmerkmal anknüpfen.
Insbesondere ist dem Kläger aber entgegenzuhalten, dass er selbst nicht – hinreichend konkret und substantiiert – geltend macht, etwa im gesamten Gebiet der Ukraine verfahrensrelevante Verfolgungsmaßnahmen befürchten zu müssen.
2. Ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 AsylG besteht ebenfalls nicht.
Denn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer nur dann subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß Satz 2: Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
Das Gericht bezieht sich insoweit auf die Feststellungen und die Begründung des angefochtenen Bescheids, da der Kläger auch im Rahmen des Gerichtsverfahrens keine darüber hinausgehenden, maßgeblichen Gesichtspunkte vorgetragen hat, § 77 Abs. 2 AsylG.
3. Dasselbe gilt für die begehrte Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Die erstmals im gerichtlichen Verfahren erwähnte Zyste im Gehirn des Klägers ist durch keinerlei ärztliche Atteste belegt worden. Das in der mündlichen Verhandlung übergebene Attest von Herrn …, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 17. Mai 2017, wonach der Kläger unter Asthma bronchiale leide, begründet ebenfalls kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. Satz 1 AufenthG, weil nicht erkennbar ist, dass die Erkrankung zu einer erheblichen und konkreten Gesundheitsgefahr im Falle einer Abschiebung des Klägers in die Ukraine erwüchse.
4. Die in Ziffer 5 des Bescheids vom 5. Juli 2016 angedrohte Abschiebung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und ist rechtmäßig, weil die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Die im Rahmen von § 11 Abs. 3 AufenthG zu treffende Ermessensentscheidung über die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG (hier festgesetzt auf 30 Monate) ist entgegen der Auffassung der Klägervertreterin nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO). Gemäß dem Gesetzeswortlaut gilt das Wiedereinreiseverbot für das „Bundesgebiet“.
Nach alledem ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO als unbegründet abzuweisen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
Auch aus dem Unionsrecht ergibt sich keine zwingende Anwendbarkeit des Wiedereinreiseverbots für andere EU-Mitgliedstaaten (vgl. Hailbronner, Komm. zum AuslR, 91. Aktualisierung, Sept. 2015, § 11 AufenthG, Rn. 23 – 28).
Daher stellt die in Polen lebende Schwester des Klägers keinen im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigenden Gesichtspunkt dar.

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