Verwaltungsrecht

Erfolgloses Schutzbegehren eines unverfolgt ausgereisten afghanischen Asylbewerbers aus der Volksgruppe der Pashai

Aktenzeichen  W 1 K 16.31513

Datum:
16.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S.1
AsylG AsylG § 3, § 3a Abs. 1, § 3b Abs. 1, § 4 Abs. 1
EMRK EMRK Art. 3
QRL Art. 4, Art. 6-10

 

Leitsatz

1 Anhaltspunkte dafür, dass Mitglieder der Minderheitenvolksgruppe der Pashai einer Verfolgung in Afghanistan ausgesetzt wären, liegen nicht vor; vielmehr leben diese in verschiedenen Provinzen und ihrer Sprache ist ein offizieller Status eingeräumt. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Sicherheitslage in der Zentralregion ist selbst bei Unterstellung eines bewaffneten Konflikts nicht so gefährlich, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben infolge militärischer Gewalt ausgesetzt wäre. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3 Trotz der schlechten Versorgungslage in Afghanistan kann nicht angenommen werden, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer alsbald vom sicheren Tod oder schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen bedroht wäre. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
4 Dem Rückkehrer kann die Aufnahme einer existenzsichernden Hilfstätigkeit zugemutet werden. Außerdem kann er auf familiäre Unterstützung und die Inanspruchnahme von Start- und Reintegrationshilfen verwiesen werden, um im Zielstaat drohende Gefahren aufgrund der allgemeinen Versorgungssituation abzuwenden. (Rn. 28 – 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage, über die in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO) ist zulässig, jedoch nicht begründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Der Bescheid des Bundesamtes vom 27.Juli 2016 ist einschließlich der darin enthaltenen Abschiebungsandrohung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i.S.d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention – GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Nach § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2780 ff.) geändert worden ist (AsylG), anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG – wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG – die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) – Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.
1. Der Kläger hat keinerlei glaubhafte eigene Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG vorgetragen. Soweit der Kläger vor dem Bundesamt angegeben hat, dass „sie“ (wohl sein Vater und er selbst) von den Taliban gefoltert worden seien und diese zu ihm gesagt hätten, dass er mit ihnen kämpfen solle, so hat der Kläger diesen Vortrag in der mündlichen Verhandlung auf Frage des Gerichts nach seinen Fluchtgründen bereits nicht mehr erwähnt. Darüber hinaus war das entsprechende Vorbringen vor dem Bundesamt in höchstem Maße vage, unsubstantiiert und oberflächlich, ohne dass der Kläger die Ereignisse auch nur ansatzweise näher konkretisiert oder zeitlich eingeordnet hätte. Aus diesem Grunde erachtet das Gericht diese als nicht glaubhaft. Hierfür spricht auch die Widersprüchlichkeit in den klägerischen Angaben vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung; denn wenn der Kläger tatsächlich von den Taliban gefoltert worden wäre und hätte zwangsrekrutiert werden sollen, so wäre zwingend zu erwarten gewesen, dass der Kläger diese Verfolgungshandlungen auch in der mündlichen Verhandlung auf entsprechende Nachfrage des Gerichts angibt.
Soweit der Kläger zudem angegeben hat, dass die Taliban seinem Vater, der Taxifahrer gewesen sei, immer gesagt hätten, er solle mit ihnen zusammenarbeiten, so betrifft dies ersichtlich nicht den Kläger persönlich und stellt gegenüber diesem keine Verfolgungshandlung dar; auch eine Verbindung zu seiner Person wird nicht hergestellt. Dasselbe gilt auch für die vor dem Bundesamt erwähnten Fragen durch die Taliban gegenüber seinem Vater, wohin er gehe und wohin er fahre, die ersichtlich aber auch die Voraussetzungen des § 3a AsylG schon nicht erfüllen. Desweiteren hat der Kläger vor dem Bundesamt gar nicht erwähnt, dass der Vater mit den Taliban habe zusammenarbeiten sollen. Insofern handelt es sich bei diesem Vortrag, da insoweit nachvollziehbare Gründe nicht ersichtlich sind, um einen gesteigerten Sachvortrag, der diesen ebenfalls als nicht glaubhaft erscheinen lässt.
Schließlich erwähnt der Kläger in der mündlichen Verhandlung, dass er an seinem Heimatort der Minderheitenvolksgruppe der Pashai angehört habe, während die Taliban Paschtunen gewesen seien. Zunächst ist hierzu zu bemerken, dass der Kläger vor dem Bundesamt ausgeführt hat, dass er hinsichtlich seiner Volkszugehörigkeit Tadschike sei. Dies hat er bei seiner Asylantragstellung am 26. August 2015 selbst angegeben und die Richtigkeit dieser Angabe durch Unterschrift bestätigt. Im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 29. Oktober 2015 hat der Kläger sodann die Korrektheit dieser Angaben nochmals bestätigt und durch Unterschrift bekräftigt. Soweit der Kläger nunmehr angibt, einer Minderheitenvolksgruppe anzugehören, so kann ihm vor dem Hintergrund dieses Widerspruchs bereits nicht geglaubt werden. Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, dass es sich bei dem Kläger gleichwohl um ein Mitglied der Volksgruppe der Pashai handelt, so hat der Kläger auch diesbezüglich keine Vorverfolgung glaubhaft machen können. Der Kläger hat insoweit über die bereits oben geschilderten pauschalen Behauptungen hinaus keine weitergehenden oder gar spezifisch mit der Volksgruppe zusammenhängenden Verfolgungsmaßnahmen geltend gemacht. Soweit der Kläger dann auf Nachfrage seines Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, dass es die Pashai ausschließlich in der Provinz Kapisa gebe, es in anderen Provinzen für sie sehr schwer und gefährlich sei und sie dort keine Arbeit bekämen, so handelt es sich hierbei nach Überzeugung des Gerichts gleichfalls um sehr oberflächliche und pauschale Behauptungen aus asyltaktischen Gründen, die dem Kläger nicht geglaubt werden können. Darüber hinaus gibt auch die Erkenntnismittellage nichts dafür her, dass konkret die Pashai in Afghanistan einer Verfolgung ausgesetzt sind (vgl. insoweit die Ausführungen zu Minderheiten im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.10.2016, S. 9 f., wo sogar darauf hingewiesen wird, dass der Sprache der Pashai ein offizieller Status in Afghanistan eingeräumt ist, sowie in den UNHCR-Richtlinien vom 19.4.2016, S. 85 ff.; ACCORD, Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Aktuelle Sicherheitslage in der Provinz Kapisa, 25.9.2014). Zudem leben Pashai entgegen der klägerischen Angaben nicht nur in der Provinz Kapisa, sondern auch in den Provinzen Laghman, Nangarhar, Kunar, Kabul, Baghlan, Nuristan und Ghazni (vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/Pashayi_people). Dass Pashai in Afghanistan nicht nur in der Provinz Kapisa überlebensfähig sind, wird zusätzlich auch dadurch bestätigt, dass die Eltern und Geschwister des Klägers einen nicht unerheblichen Zeitraum in Kabul und damit außerhalb ihrer Heimatregion verbracht haben. Von Verfolgungsmaßnahmen o.ä. dort hat der Kläger überdies nichts berichtet. Darüber hinaus wurde auch eine Verfolgung aufgrund der Volkszugehörigkeit vor dem Bundesamt nicht ansatzweise geltend gemacht, sodass ein diesbezüglicher Vortrag auch als nicht nachvollziehbare Steigerung im Sachvortrag zu werten ist. Nach alledem ist der Vortrag des Klägers zu einer Vorverfolgung in Afghanistan ausschließlich von oberflächlichen Allgemeinplätzen geprägt, die in keiner Weise nahelegen, dass er dort tatsächlich persönlich verfolgt wurde. Darüber hinaus ist auch nichts dafür ersichtlich, dass dies im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Fall sein wird.
2. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft scheitert zudem daran, dass vorliegend keiner der in § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründe einschlägig ist. Der Kläger hat vor dem Bundesamt vorgetragen, dass ihn die Taliban hätten zwangsrekrutieren wollen; dem habe er sich durch seine Flucht aus Afghanistan entzogen (zur mangelnden Glaubhaftigkeit dieses Vortrages vgl. bereits unter 1.). Selbst wenn man entgegen obiger Ausführungen diesen Vortrag als glaubhaft unterstellen wollte, so ist nach Überzeugung des Gerichts anzunehmen, dass Personen, die zwangsrekrutiert werden sollen, keine bestimmte soziale Gruppe nach § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG bilden, da diese bereits keine deutlich abgegrenzte Identität in Afghanistan besitzen und auch von der sie umgebenden Gesellschaft nicht als andersartig betrachtet werden. Auch ist darüber hinaus das Merkmal der politischen Überzeugung nach § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG hier einschlägig; dies gilt auch unter Berücksichtigung von Abs. 2 der genannten Vorschrift, wonach auch eine vom Verfolger unterstellte politische Überzeugung ausreichend ist. Die alleinige Nichtbeteiligung an einer Organisation, ohne dass hierfür die Beweggründe näher zutage getreten wären, kann noch nicht zu der Annahme einer dem Kläger von Seiten der Taliban zugeschriebenen politischen Überzeugung gegen diese Organisation führen. Der Kläger hat darüber hinaus bereits selbst nicht erklärt, dass die von ihm ins Feld geführten Verfolgungshandlungen auf seine Volkszugehörigkeit zu den Pashai zurückzuführen seien.
Der Kläger hat nach alldem keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.
II.
1. Der Kläger hat weiterhin auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des sub-sidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Dem Kläger droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihm ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Diesbezüglich kann vollumfänglich auf die obigen Ausführungen zu § 3 AsylG verwiesen werden. Die Gefahr eines diesbezüglichen ernsthaften Schadens ist nicht ersichtlich.
2. Dem Kläger droht auch keine individuelle und konkrete Gefahr eines ernsthaften Schadens i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aufgrund der Sicherheitslage in seiner Herkunftsregion, der Provinz Kapisa. In der Zentralregion, zu der die Provinz Kapisa gehört, wurden im Jahre 2016 2.348 Zivilpersonen getötet oder verletzt (vgl. UNAMA, Annual Report 2016 Afghanistan, Februar 2017, S. 11). Die Anschlagswahrscheinlichkeit für die Zentralregion lag damit im Jahr 2016 bei deutlich unter 1:800 und damit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, entfernt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/13 – juris). Im Jahr 2017 hat sich diese Zahl bis zur Jahresmitte nur leicht erhöht. In der Zentralregion wurden im ersten Halbjahr 2017 bisher 1.254 Zivilpersonen getötet oder verletzt (vgl. UNAMA, Midyear Report 2017, Juli 2017, S. 10). Damit ist derzeit nicht davon auszugehen, dass bei Unterstellung eines bewaffneten Konflikts praktisch jede Zivilperson schon allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben infolge militärischer Gewalt ausgesetzt wäre. Individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind darüber hinaus nicht erkennbar. Auch insoweit wird auf die obigen Ausführungen, insbesondere die fehlende Glaubhaftigkeit seines Verfolgungsvortrages verwiesen.
III.
1. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. Auch in diesem Zusammenhang wird auf die obigen Ausführungen zu den §§ 3, 4 AsylG vollinhaltlich verwiesen. Die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan stellt darüber hinaus ebenfalls keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage für alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167; BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris). Es ist hierbei in Bezug auf den Gefährdungsgrad das Vorliegen eines sehr hohen Niveaus erforderlich, denn nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen eine Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernsthaft einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK angenommen werden kann, weist dies ebenfalls auf die Notwendig-keit einer besonderen Ausnahmesituation hin (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – juris). Eine solche ist bei dem Kläger vorliegend nicht gegeben; besondere Umstände, die vorliegend eine andere Beurteilung gebieten würden, sind nicht ersichtlich.
2. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine Abschiebestopp-Anordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.
Dem Kläger droht auch aufgrund der unzureichenden Versorgungslage in Afghanistan keine extreme Gefahr infolge einer Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage, die zu einem Abschiebungsverbot im Sinne der verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG führen könnte. Wann allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den betroffenen Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren – zeitlichen – Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 16; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. A. 2016, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssten. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte, der sich das erkennende Gericht anschließt, ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (st.Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 19.6.2017 – 13a ZB 17.30400 – juris; B.v. 6.4.2017 – 13a ZB 17.30254 – juris; BayVGH, B.v. 23.1.2017 – 13a ZB 17.30044 – juris; B.v. 27.07.2016 – 13a ZB 16.30051 – juris; B.v. 15.6.2016 – 13a ZB 16.30083 – juris; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 17 m.w.N..; B.v. 30.9.2015 – 13a ZB 15.30063 – juris; OVG NW, U.v. 3.3.2016 – 13 A 1828/09.A – juris Rn. 73 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 21.10.2015 – 1 A 144/15.A – juris; NdsOVG, U.v. 20.7.2015 – 9 LB 320/14 – juris).
Auch aus den aktuellsten Erkenntnismitteln ergibt sich nichts anderes. Die aktuelle Lage in Afghanistan und in der Hauptstadt Kabul stellen sich wie folgt dar:
Das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht vom 19. Oktober 2016 (a.a.O. S. 21 ff.) aus, dass Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt sei und trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der Regierung und kontinuierlicher Fortschritte im Jahr 2015 lediglich Rang 171 von 187 im Human Development Index belegt habe. Die afghanische Wirtschaft ringe in der Übergangsphase nach Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 nicht nur mit der schwierigen Sicherheitslage, sondern auch mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage durch den Rückgang internationaler Truppen um etwa 90%. So seien ausländische Investitionen in der ersten Jahreshälfte 2015 bereits um 30% zurückgegangen, zumal sich die Rahmenbedingungen für Investoren in den vergangenen Jahren kaum verbessert hätten. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe durch die schwache Investitionstätigkeit geprägt. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Rund 36% der Bevölkerung lebe unterhalb der Armutsgrenze. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was für Rückkehrer naturgemäß verstärkt gelte. Dabei bestehe ein eklatantes Gefälle zwischen urbanen Zentren wie z.B. Kabul und ländlichen Gebieten Afghanistans. Das rapide Bevölkerungswachstum stelle eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Zwischen den Jahren 2012 und 2015 werde das Bevölkerungswachstum auf rund 2,4% pro Jahr geschätzt, was in etwa einer Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation gleichkomme. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung. Nach Angaben des afghanischen Statistikamtes sei die Arbeitslosenquote im Oktober 2015 auf 40% gestiegen. Die internationale Gemeinschaft unterstütze die afghanische Regierung maßgeblich in ihren Bemühungen, die Lebensbedingungen der Menschen in Afghanistan zu verbessern. Aufgrund kultureller Bedingungen seien die Aufnahme und die Chancen außerhalb des eigenen Familien- bzw. Stammesverbandes vor allem in größeren Städten realistisch. Aus dem angekündigten Zwischenbericht des Auswärtigen Amtes zur Sicherheitslage in Afghanistan soll sich im Kern nichts hiervon Abweichendes ergeben (vgl. http://www.auswaertiges-amt.de/DE/_ElementeStart/Spre-cher_node.html).
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update – Die aktuelle Si-cherheitslage vom 30. September 2016, Seite 24 ff.) führt aus, Afghanistan bleibe weiterhin eines der ärmsten Länder weltweit. Die bereits sehr hohe Arbeitslosenrate sei seit dem Abzug der internationalen Streitkräfte Ende 2014 wegen des damit zusammenhängenden Nachfrageschwundes rasant angestiegen, das Wirtschaftswachstum betrage nur 1,5%. Die Analphabetenrate sei noch immer hoch und der Pool an Fachkräften bescheiden. Die Landwirtschaft beschäftige bis zu 80% der Bevölkerung, erziele jedoch nur etwa 25% des Bruttoinlandprodukts. Vor allem in Kabul gehöre wegen des dortigen großen Bevölkerungswachstums die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen. Auch die Beschäftigungsmöglichkeiten hätten sich dort rapide verschlechtert. Nur 46% der afghanischen Bevölkerung verfüge über Zugang zu sauberem Trinkwasser und lediglich 7,5% zu einer adäquaten Abwasserentsorgung. Unter Verweis auf den UNHCR sähen sich Rückkehrende beim Wiederaufbau einer Lebensgrundlage in Afghanistan mit gravierenden Schwierigkeiten konfrontiert. Geschätzte 40% seien verletzlich und verfügten nur über eine unzureichende Existenzgrundlage sowie einen schlechten Zugang zu Lebensmitteln und Unterkunft. Außerdem erschwere die prekäre Sicherheitslage die Rückkehr. Gemäß UNHCR verließen viele Rückkehrende ihre Dörfer innerhalb von zwei Jahren erneut. Sie wichen dann in die Städte aus, insbesondere nach Kabul.
Trotz dieser geschilderten schwierigen Bedingungen ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger nicht alsbald nach seiner Rückkehr nach Afghanistan einer extremen Gefahr für Leib und Leben im Sinne der verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG ausgesetzt wäre. Es ist nämlich davon auszugehen, dass der Kläger selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen. Das entspricht auch der Auffassung des UNHCR – auf den die Schweizerische Flüchtlingshilfe hinsichtlich der Situation der Rückkehrenden Bezug nimmt -, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern – wie dem 20-jährigen Kläger – eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt (vgl. UNHCR-Richtlinien vom 19.4.2016, S. 9). An dieser Einschätzung des Gerichts ändert sich auch durch die Anmerkungen des UNHCR zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016 nichts. Der UNHCR weist zwar in seiner Stellungnahme darauf hin, dass sich die Sicherheitslage seit April 2016 insgesamt nochmals deutlich verschlechtert habe, was damit einher gehe, dass sich der Konflikt in Afghanistan im Laufe des Jahres 2016 weiter ausgebreitet habe und die Zahl der zivilen Opfer im ersten Halbjahr 2016 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um weitere 4% gestiegen sei. Die Zahl der intern Vertriebenen habe im Jahr 2016 auf Rekordniveau gelegen; zudem sei auch aus den Nachbarländern Pakistan und Iran eine große Zahl von Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt, was zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten in den wichtigsten Städten der Provinzen und Distrikte in Afghanistan geführt habe. Dies gelte auch für die Stadt Kabul, wo nur begrenzte Möglichkeiten der Existenzsicherung, eine extrem angespannte Wohnraumsituation sowie mangelnder Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen bestehe, sodass die Verfügbarkeit einer internen Schutzalternative im Umfeld eines dramatisch verschärften Wettbewerbs um den Zugang zu knappen Ressourcen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jedes einzelnen Antragstellers geprüft werden müsse. Abgesehen davon, dass vorliegend die Prüfung einer internen Schutzalternative nicht inmitten steht und der UNHCR für die beschriebene Einschätzung seine eigenen Maßstäbe zugrunde legt, hält dieser auch gleichzeitig ausdrücklich an seinen Richtlinien von April 2016 fest, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt, wovon das Gericht bei dem hiesigen Kläger ausgeht.
Der Kläger ist vorliegend zwar Analphabet, jedoch trifft dies auf eine sehr große Zahl von Menschen in Afghanistan zu, sodass dies nicht weiter negativ ins Gewicht fällt, wobei eine Vielzahl zumindest von Hilfstätigkeiten existiert, bei denen das Lesen und Schreiben nicht von Bedeutung ist. Positiv ist zu erwähnen, dass der Kläger sich aufgrund seiner in Europa erworbenen Erfahrungen und Sprachkenntnisse in einer vergleichsweise guten Position befindet. Der Kläger hat darüber hinaus bereits gewisse berufliche Erfahrungen in seinem Heimatland sammeln können, auf die er gewinnbringend im Falle einer Rückkehr wird zurückgreifen können, indem er dort seinem Vater bei dessen Tätigkeit im Baugewerbe geholfen hat, auch wenn dies keine selbständigen Tätigkeiten gewesen seien. Bis zu seiner Ausreise hat der Kläger mehr als 18 Jahre lang in Afghanistan gelebt und kennt infolgedessen die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse seines Heimatlandes. Des Weiteren geht das Gericht davon aus, dass der Kläger neben seiner eigenen Erwerbsfähigkeit auch auf die Unterstützung seiner Familie bauen könnte. Zum einen hat der Kläger im Heimatland noch einen Onkel mütterlicherseits, zu dem die Familie offensichtlich auch Kontakt hält, nachdem dieser Onkel nach Kabul gefahren ist und die Tazkira des Klägers nach Deutschland geschickt hat. Es ist infolgedessen davon auszugehen, dass der Kläger im Bedarfsfalle auf diesen Onkel und dessen soziales Netzwerk zur Gewährleistung von Hilfestellungen oder finanzieller Unterstützung wird zurückgreifen können, zumal dieser – wie der Kläger angegeben hat – einen Lebensmittelladen betreibt. Zum anderen ist der Vater des Klägers zu nennen, welcher dem Kläger auch bereits die Fluchtkosten von 6.000-7.000 $ finanziert hat. Zwar lebt der Vater mit der Familie nach klägerischen Angaben derzeit im Iran, jedoch hat der Vater dort offensichtlich einen guten Beruf, er sei als Meister im Baugewerbe tätig. Zudem besitzt die Familie noch ein Haus im Heimatort, in welchem aktuell ein Cousin des Vaters lebe. Bei diesem Haus handelt es sich einen beträchtlichen Sachwert, welcher notfalls ebenfalls zu Gunsten des Klägers nutzbar gemacht werden könnte. Insofern erscheint eine Unterstützung des Klägers im Bedarfsfalle wirtschaftlich betrachtet realistisch. Zudem ist es im Kulturkreis des Klägers absolut üblich, dass man sich in Notsituationen finanzielle Unterstützung leistet und es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies vorliegend nicht geschehen würde. In der Gesamtschau ist damit davon auszugehen, dass der Lebensunterhalt des Klägers zumindest ausreichend sichergestellt ist. Eine extreme Gefahr für Leib und Leben i.S. des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann der Kläger auch dadurch abwenden, dass er Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch nimmt. So können afghanische ausreisewillige Personen seit dem Jahr 2016 Leistungen aus dem REAG-Programm sowie aus dem GARP-Programm erhalten, die Reisebeihilfen im Wert von 200 EUR und Starthilfen im Umfang von 500 EUR beinhalten. Darüber hinaus besteht seit Juni 2016 das Reintegrationsprogramm ERIN. Die Hilfen aus diesem Programm umfassen z.B. Service bei Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeitsplatzsuche sowie Unterstützung bei einer Geschäftsgründung. Die Unterstützung wird weitgehend als Sachleistung gewährt. Der Leistungsrahmen für rückgeführte Einzelpersonen beträgt dabei ca. 700 EUR (vgl. Auskunft des Bundesamts vom 12.8.2016 an das VG Ansbach; VG Augsburg, U.v. 18.10.2016 – AU 3 K 16.30949 – juris). Der Kläger könnte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die genannten Start- und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt werden, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – juris; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – A 11 S 2519/12 – juris). Dementsprechend ist es dem normal Kläger möglich und zumutbar, gerade zur Überbrückung der ersten Zeit nach einer Rückkehr nach Afghanistan freiwillig Zurückkehrenden gewährte Reisehilfen sowie Reintegrationsleistungen in Anspruch zu nehmen. Eine Rückkehr nach Afghanistan scheitert nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa BayVGH, B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris), der sich das Gericht anschließt, grundsätzlich auch nicht an einem langjährigen Aufenthalt in Europa oder Drittländern. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht, was vorliegend der Fall ist. Vor diesem Hintergrund folgt das Gericht auch nicht der Einschätzung von Frau Friederike Stahlmann, wonach die Annahme, dass alleinstehende junge gesunde Männer und kinderlose Paare ihr Überleben aus eigener Kraft sichern könnten, durch die derzeitige humanitäre Lage inzwischen grundlegend infrage gestellt sein (vgl. Friederike Stahlmann, Überleben in Afghanis…, Asylmagazin 3/2017, S. 73 ff. (77 f.). Denn nach Überzeugung des Gerichts bieten die geschilderten persönlichen und familiären Ressourcen des Klägers ausreichende und realistische Möglichkeiten dafür, zumindest für den hiesigen Kläger ein Leben in Afghanistan zumutbar erscheinen zu lassen. Eine extreme Gefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist nach alledem ausgeschlossen.
IV.
Schließlich bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsan-drohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken.
Der Hilfsantrag, das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf null Monate zu befristen, ist ebenfalls unbegründet. Die Entscheidung in Ziffer 6 des angegriffenen Bundesamtsbescheides, die Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate festzusetzen, basiert auf § 11 AufenthG. Nach Abs. 3 der genannten Vorschrift wird über die Länge der Frist nach Ermessen entschieden. Sie darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Diese Frist soll zehn Jahre nicht überschreiten. Vorliegend wurde eine Frist von 30 Monaten festgesetzt. Ermessensfehler nach § 114 Satz 1 VwGO wurden weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich. Insbesondere liegt kein Ermessensausfall vor. Der Kläger wurde im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt zu schutzwürdigen Belangen hinsichtlich des Einreise- und Aufenthaltsverbotes befragt; der Kläger hat hierzu keine berücksichtigungsfähigen Tatsachen vorgetragen. Insofern erscheint es nicht ermessensfehlerhaft, die Frist auf 30 Monate und damit auf die Hälfte der Maximalfrist nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG festzusetzen. Die Formulierung, „die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ist im vorliegenden Fall angemessen“, nach dem Zitat des Gesetzestextes des § 11 Abs. 3 AufenthG, scheint im vorliegenden Falle ausreichend, um das Ermessen auszuüben; weitere Erwägungen waren nicht anzustellen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich zwischenzeitlich Änderungen hinsichtlich schutzwürdiger Aspekte ergeben haben.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO ab-zuweisen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.

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