Aktenzeichen B 5 K 15.967
Leitsatz
1. In der hier gegebenen Konstellation ist es nicht erforderlich, neben Widerspruch und Klage gegen die Regelbeurteilung noch einen separaten Antrag auf Beförderung beim Dienstherrn zu stellen, weil eine Abänderung des Beurteilungsergebnisses sich unmittelbar auf die Beförderungswartezeit und damit auf den Beförderungszeitpunkt der Klägerin auswirkt und die Klägerin davon ausgehen durfte, dass eine etwaige Abänderung ihres Beurteilungsergebnisses im geführten Klageverfahrens von ihrem Dienstherrn dann für die Beförderung berücksichtigt wird. (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Beamtin kann nicht vorgeworfen werden, schuldhaft die Verfolgung ihres Primärrechtschutzes auf Beförderung versäumt zu haben, wenn durch den Dienstherrn keine Information an die betroffene Beamtin über die Nichtbeförderung erfolgte und die Beamtin sich damit nicht über die Auswahlgrundsätze der Beförderungsentscheidung informieren konnte. (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Dienstherrn ist gegeben, wenn dieser eine Quotenvorgabe bei einer Vergleichsgruppe von 14 Beamten als zwingend anzuwendend ansieht, obwohl nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bereits eine Vergleichsgruppe von 19 und von 24 Beamten zu klein ist. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin unter Aufhebung des Bescheides der Regierung von Oberfranken von 6. Oktober 2015 im Wege des Schadensersatzes dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, als wenn sie zum 1. September 2013 zur technischen Amtsrätin (Statusamt A 12) ernannt worden wäre.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.
a) Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Die Klägerin macht einen Anspruch auf Schadensersatz wegen zu spät erfolgter Beförderung geltend. Diesen Anspruch stützt die Klägerin auf die Verletzung des aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruchs. Letzterer ist unabhängig vom Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) und gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 VwGO, § 54 Abs. 1 BeamtStG im Verwaltungsrechtsweg geltend zu machen (BVerwG, U.v. 25.2.2010 – 2 C 22.09 – juris Rn. 13).
b) Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten, dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtlich so gestellt zu werden, als wenn sie zum 01.09.2013 zur technischen Amtsrätin (Statusamt A 12) ernannt worden wäre. Der entgegenstehende streitgegenständliche Bescheid der Regierung von Oberfranken vom 06.10.2015 über die Ablehnung des diesbezüglichen Begehrens der Klägerin verletzt die Klägerin daher in ihren Rechten und war deshalb aufzuheben und der Beklagte zur Vornahme der beantragten Amtshandlungen zu verpflichten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein bereits ernannter Beamter von seinem Dienstherrn Ersatz des ihm durch die Nichtbeförderung entstandenen Schadens verlangen, wenn der Dienstherr bei der Vergabe eines Beförderungsamtes den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl (Bewerbungsverfahrensanspruch) schuldhaft verletzt hat, ihm das Amt ohne diesen Rechtsverstoß voraussichtlich übertragen worden wäre und er es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (BVerwG, U.v. 25.2.2010 a.a.O. Rn. 15 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
aa) Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten als Dienstherr der Klägerin ist gegeben. Der Überprüfungsvermerk der Regierung von Oberfranken vom 27.11.2012, mit dem die Behörde das Beurteilungsergebnis der Klägerin aus der Beurteilung vom 28.03.2012 (zunächst) von 12 auf 11 Punkte herabgesetzt hatte, war rechtswidrig. Die Regierung von Oberfranken hatte rechtsfehlerhaft die vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr vorgegebene Quotenvorgabe als zwingend anzuwenden angesehen und diese auf die zu kleine Vergleichsgruppe von nur 14 Beamten angewandt. Ergänzend wird hierzu auf das zu dieser Frage ergangene, rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 29.04.2014, Az.: B 5 K 13.126, verwiesen.
Diese Pflichtverletzung des Beklagten geschah auch schuldhaft. Bei der Rechtsauslegung bzw. Rechtsanwendung im Verwaltungshandeln ist die höchstrichterliche Rechtsprechung zu beachten, sofern dadurch – ggf. auch nur durch eine Entscheidung – die Rechtslage hinreichend geklärt ist (Palandt, Kommentar zum BGB, § 839 Rn. 53). Dieser zum Amtshaftungsanspruch entwickelte Verschuldensmaßstab ist auf den vorliegenden Schadensersatzanspruch auf Grund einer Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs entsprechend anzuwenden, da es sich um vergleichbar ausgestaltete Schadensersatzansprüche handelt (vgl. auch BVerwG, U.v. 25.2.2010 a.a.O. Rn. 26).
Im vorliegenden Fall war die Rechtslage bereits höchstrichterlich sowohl für das Beamtenrecht des Bundes als auch des Freistaats Bayern geklärt. Bereits deutlich größere Vergleichsgruppen als im Fall der Klägerin (14 Personen) werden von der Rechtsprechung als zu klein angesehen, um allein auf Grund eines allgemeinen Quervergleichs unter Berücksichtigung der vorgegebenen Richtsätze zu einer Absenkung des Gesamturteils zu gelangen. So ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 24.11.2005 – 2 C 34.04 – juris Rn. 20) eine Gruppe von 24 Personen zu klein; nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 29.12.2010 – 3 ZB 10.3 – juris Rn. 7) ist eine Gruppe von 19 Beamten zu klein.
Es liegt daher eine schuldhafte Pflichtverletzung des Dienstherrn der Klägerin vor, da sich der Beklagte das Handeln der für ihn bei der Erstellung des Überprüfungsvermerks und der Beförderungsentscheidung tätigen Amtswalter zurechnen lassen muss.
bb) Die schuldhafte Pflichtverletzung des Dienstherrn in Form des rechtswidrigen Überprüfungsvermerks war kausal für die verspätete Beförderung der Klägerin zur Technischen Amtsrätin (Besoldungsgruppe A 12). Aus dem Schreiben des StMIBV vom 06.10.2014 an die Regierung von Oberfranken ergibt sich, dass die Klägerin früher befördert worden wäre, wenn ihre Beurteilung nicht durch den Überprüfungsvermerk der Regierung von Oberfranken vom 27.11.2012 auf 11 Punkte herabgesetzt worden wäre. In seinem Schriftsatz an das Gericht vom 12.07.2016 (letzter Absatz, Bl. 37 der Gerichtsakte) hat der Beklagte erklärt, dass eine frühere Beförderung der Klägerin auf Grund der Planstellensituation zwar nicht – wie von der Klägerin ursprünglich beantragt – zum 01.08.2013, jedoch zum 01.09.2013 möglich gewesen wäre.
Die vom Beklagten vorgetragenen Einwände gegen das Vorliegen einer Kausalität zwischen Pflichtverletzung und verspäteter Beförderung der Klägerin führen zu keinem anderen Ergebnis. Der Einwand, zum Zeitpunkt der Beförderungsentscheidung habe für die Klägerin eine „wirksame“ Beurteilung mit 11 Punkten vorgelegen, greift nicht durch. Denn ohne die Pflichtverletzung in Form des rechtswidrigen Beurteilungsvermerks hätte diese Beurteilung von 11 Punkten gerade nicht bestanden, sondern die Klägerin wäre auch zum Zeitpunkt der Beförderungsentscheidung mit 12 Punkten beurteilt gewesen.
Auch der Einwand, bei dem bezüglich des Überprüfungsvermerks vom 27.11.2012 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 29.04.2014 handele es sich nur um ein Neuverbescheidungsurteil, das auch eine andere Beurteilung der Klägerin als mit 12 Punkten zugelassen hätte, greift ebenfalls nicht. Durch den in Folge des Urteils neu gefertigten Überprüfungsvermerk der Regierung von Oberfranken vom 04.09.2014 hat der Beklagte bestätigt, dass der Klägerin unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts eine Beurteilung mit 12 Punkten zugestanden hat. Damit hätte auf Grund des Verbescheidungsurteils des Verwaltungsgerichts nur abstrakt, nicht aber im vorliegenden konkreten Fall, die Möglichkeit bestanden, der Klägerin ein anderes Beurteilungsergebnis als 12 Punkte zuzuerkennen. Der Beklagte kann sich daher nicht auf die Möglichkeit eines rechtmäßigen Alternativverhaltens berufen.
cc) Schließlich hat die Klägerin auch in ausreichendem Maße Primärrechtsschutz zur Schadensabwendung in Anspruch genommen. Vorliegend handelt es sich um den Fall einer Regelbeförderung, die ausschließlich vom Beurteilungsergebnis und der Wartezeit abhängt. Damit ist es ausreichend, dass die Klägerin bereits Widerspruch und Hauptsacheklage gegen den Überprüfungsvermerk vom 27.11.2012, mit dem ihr Regelbeurteilungsergebnis herabgesenkt wurde, erhoben hat. Daneben ist es in der hier gegebenen Konstellation der Regelbeförderung nicht erforderlich, noch einen separaten Antrag auf Beförderung beim Dienstherrn zu stellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 18.4.2002 – 2 C 19/01 – juris Rn. 13) ist ein solcher Antrag zwar grundsätzlich ein zu ergreifendes Rechtsmittel. Nach Auffassung der Kammer war dies in der speziellen Konstellation der Klägerin aber nicht erforderlich, weil eine Abänderung des Beurteilungsergebnisses sich unmittelbar auf die Beförderungswartezeit und damit auf den Beförderungszeitpunkt der Klägerin auswirkt. Die Klägerin durfte davon ausgehen, dass eine etwaige Abänderung ihres Beurteilungsergebnisses in Folge des gegen den Überprüfungsvermerk geführten Klageverfahrens von ihrem Dienstherrn bei den Wartezeiten für die Regelbeförderungen berücksichtig wird.
Auch war in der konkreten Situation von der Klägerin nicht zu verlangen, Mittel des einstweiligen Rechtsschutzes in Anspruch zu nehmen. Denkbar wäre hier etwa eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO gewesen, mit dem Ziel, ihrem Dienstherrn aufzugeben, Beförderungen solange nicht vorzunehmen, bis über ihre Klage gegen den Überprüfungsvermerk rechtskräftig entschieden war. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 1.4.2004 – 2 C 26/03 – juris Rn. 15) wird dies auch im sogenannten „Massenbeförderungsverfahren“ verlangt, wobei aber gleichzeitig auch eine Information des Dienstherrn an die betroffenen Beamten über die Nicht-Beförderung zu erfolgen hat, so dass diese auch rechtzeitig hiervon Kenntnis erlangen und ggf. (Primär-)Rechtschutz in Anspruch nehmen können.
Eine solche Mitteilung an die Klägerin über ihre „Nicht-Beförderung“ ist aber nicht erfolgt. Der Klägerin war auch nicht bekannt, wie viele Beförderungsstellen zur Verfügung standen und welchen Platz sie auf der „Warteliste“ inne hatte. Anders als in der vom Beklagten zitierten Rechtsprechung (OVG NRW, U.v. 3.6.2014 – 6 A 1658/12 – juris Rn. 7) war es der Klägerin im vorliegenden Fall auch nicht möglich, Kenntnis über diese Informationen zu erlangen, so dass der Klägerin dies – anders als im Fall des OVG NRW, wo eine Kenntnisnahme möglich gewesen wäre – auch nicht zum Vorwurf gemacht werden kann. Informationen über anstehende Beförderungen des technischen Dienstes der dritten Qualifikationsebene im Bereich der Allgemeinen Inneren Verwaltung des Beklagten (wie etwa die Anzahl der zur Verfügung stehenden Beförderungsstellen oder die für die Beförderung vorgesehenen Beamten) werden vorab nicht – auch nicht intern – veröffentlicht und sind den betreffenden Beamten auch sonst nicht zugänglich, sondern lediglich den zuständigen Personalstellen bekannt. Insoweit stützt sich die Kammer auf die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung. Der Klägerin war es somit nicht möglich, bereits zum Zeitpunkt der Beförderungsentscheidung durch den Beklagten in Erfahrung bringen zu können, dass sie zu diesem Zeitpunkt mit einem Beurteilungsergebnis von 12 Punkten nicht aber mit einem Beurteilungsergebnis von 11 Punkten befördert worden wäre.
dd) Die Klägerin hat es damit auch nicht schuldhaft unterlassen, weitergehenden Primärrechtschutz in Anspruch zu nehmen, so dass sich die Klage als begründet erweist.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Beteiligter hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.