Verwaltungsrecht

Erfolgreiche Klage gegen Ablehnung des Asylantrags als unzulässigen Zweitantrag

Aktenzeichen  B 2 K 17.30610

Datum:
27.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 71a

 

Leitsatz

1 Ob ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren im Sinne eines Zweitantrags nach § 71a AsylG vorliegt, richtet sich nach der Rechtslage des betreffenden Mitgliedstaates.  (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ist dem Bundesamt der Verfahrensstand in dem anderen Mitgliedstaat nicht bekannt, muss es hierzu Ermittlungen anstellen, insbesondere einen Info-Request nach Maßgabe des Art. 34 Dublin III-VO. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3 Das Gericht ist nicht verpflichtet, eine mangelnde Aufklärung des Bundesamtes nachzuholen.  (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid des Bundesamtes für … vom 20.02.2017 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.
1. Die Klage ist nach der Sach- und Rechtslage im maßgeblichen Zeitraum der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) als Anfechtungsklage zulässig. Trifft das Bundesamt – wie vorliegend – eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist keine Verpflichtungsklage mit dem Ziel der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzes statthaft, sondern grundsätzlich nur eine Anfechtungsklage (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16, U.v. 1.6.2017 – 1 C 9/17 – beide juris).
2. Die Anfechtungsklage ist auch begründet, weil die Voraussetzungen, unter denen die Durchführung eines Asylverfahrens gemäß § 71a Abs. 1 AsylG wegen vorheriger erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat abgelehnt werden kann, nicht vorliegen. Die Entscheidung des Bundesamtes ist mithin rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Es waren demnach auch die Ziff. 2 bis 4 aufzuheben (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris).
Unabhängig davon, ob die Beklagte für die Prüfung des Asylantrages zuständig ist und daher einen Asylantrag aus den Gründen des § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig ablehnen konnte, liegen jedenfalls die Voraussetzungen einer solchen Unzulässigkeitsentscheidung bereits deshalb nicht vor, weil nicht zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass es sich bei dem Asylantrag des Klägers um einen Zweitantrag im Sinne des § 71a Abs. 1 Halbs. 1 AsylG handelt.
Ein Zweitantrag setzt ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren – in einem sicheren Drittstaat – voraus, d.h. der Asylantrag muss entweder unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nach Rücknahme des Asylantrages bzw. dieser gleichgestellten Verhaltensweisen endgültig eingestellt worden sein. Maßgeblich für die entsprechende Beurteilung ist die Rechtslage in dem betreffenden Mitgliedsstaat. Diese Voraussetzungen müssen feststehen – bloße Mutmaßungen genügen nicht. Dies bedeutet, dass das Bundesamt zu der gesicherten Erkenntnis gelangen muss, dass das Asylerstverfahren mit einer für den Asylbewerber negativen Sachentscheidung abgeschlossen wurde, um sich in der Folge auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründen beschränken zu dürfen. Ist ihm der aktuelle Stand des Verfahrens in dem anderen Mitgliedsstaat nicht bekannt, muss es diesbezüglich zunächst weitere Ermittlungen anstellen, insbesondere im Rahmen der für den Informationsaustausch vorgesehenen Info-Request nach Maßgabe von Art. 34 Dublin III-VO. Vorliegend hat das Bundesamt seine Entscheidung lediglich auf die Aussage des Klägers bei seiner Anhörung gestützt, dass er eine schriftliche Ablehnung seines Antrages in der Schweiz erhalten hat. Zwar hat der Kläger bei seiner Anhörung am 16.02.2017 angegeben, seine Asylgründe in der Schweiz vorgetragen zu haben. Allerdings wurde in der Anhörung nicht klar, ob dem Kläger die Abschiebung in sein Heimatland angedroht wurde. Auf diese Frage gab der Kläger an, in dem Bescheid sei gestanden, dass er innerhalb von fünf Tagen die Schweiz zu verlassen habe. Nachdem der Kläger über Italien in die Schweiz eingereist ist, käme in Betracht, dass in der Schweiz keine Entscheidung in der Sache ergangen ist, sondern vielmehr lediglich ein Dublin-Verfahren durchgeführt wurde. Hierfür sprechen die Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung, wonach ihm in der Schweiz gesagt worden sei, er müsse nach Italien, weil er dort Fingerabdrücke abgegeben hat. Weiter hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, er könne mit Sicherheit sagen, dass er in der Schweiz nicht nach Eritrea abgeschoben werden sollte. Im Übrigen gab der Kläger an, dem Bundesamt mitgeteilt zu haben, die Schriftstücke aus der Schweiz beibringen zu können. Dies ergibt sich auch aus der Niederschrift über die Anhörung. Das Bundesamt hatte jedoch offensichtlich hieran kein Interesse.
Der Akte des Bundesamtes sind weiter weder sogenannte Eurodac-Treffer zu entnehmen noch, dass es sich bei den italienischen oder den Schweizer Behörden um die Stellung eines Aufnahmebzw. Wiederaufnahmegesuchs bemüht hat. Das Bundesamt muss aber – wie oben ausgeführt – im Falle des § 71a AsylG zu der gesicherten Erkenntnis gelangen, dass das Asylerstverfahren mit einer für den Asylbewerber negativen Sachentscheidung abgeschlossen wurde. Erforderlich wäre hier die Einholung von Auskünften mindestens zum Verfahrensstand und zum Tenor der getroffenen Entscheidung in der Schweiz. Im Hinblick auf eine Beurteilung der Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG wäre es ratsam, sich auch Informationen über die Entscheidungsgründe der Ablehnung in dem anderen Mitgliedsstaat einzuholen. Das Bundesamt hat es aber versäumt, diese notwendigen Informationen bei den Schweizer Behörden anzufordern. Im Hinblick auf die Angaben des Klägers bei seiner Anhörung, bestand jedoch Veranlassung, genauere Informationen bei den Schweizer Behörden einzuholen. Der Umstand, dass der Kläger in der Schweiz seine Asylgründe hat vortragen können, sagt nichts darüber aus, ob das Asylverfahren des Klägers in der Schweiz auch in der Sache geprüft wurde.
Das Gericht sieht sich angesichts der mangelnden Aufklärung des Bundesamtes nicht zur Aufklärung verpflichtet (vgl. § 24 Abs. 1 AsylG). Das Bundesamt hat die bislang nicht ermittelten Umstände selbst im Rahmen der Amtsermittlung in Erfahrung zu bringen, zumal dem Bundesamt die Beschaffung weiterer Informationen unbenommen bleibt und ihm auch speziellere Möglichkeiten der Kommunikation sowie des Informationsaustausches zur Verfügung stehen, wie etwa der oben genannte Info-Request.
Auf Antrag des Klägers hin ist damit der gesamte Bescheid vom 20.02.2017 aufzuheben. Der ergangenen Feststellung zu den Abschiebungsverboten, der Abschiebungsandrohung und dem Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG fehlt es an der Grundlage einer rechtmäßigen Ausgangsentscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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