Verwaltungsrecht

Erfolgreicher Antrag auf eine einstweilige Anordnung betreffend Beförderungsstelle wegen rechtswidriger Beurteilung

Aktenzeichen  M 21 E 17.2292

Datum:
5.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123 Abs. 1 S. 1
GG GG Art. 33 Abs. 2
BLV BLV § 32, § 49 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Beurteilungen von miteinander konkurrierenden Bewerbern sind nicht mehr vergleichbar, wenn die Beurteilungszeiträume unterschiedlich lang sind oder aber unterschiedliche Beurteilungszeiträume abgedeckt werden. (redaktioneller Leitsatz)
2. Je mehr und je häufiger die Einzelbewertungen voneinander abweichen, desto größer wird das Begründungserfordernis hinsichtlich des Gesamturteils. (redaktioneller Leitsatz)
3. Mit der endgültigen anderweitigen Besetzung einer Stelle ist das Stellenbesetzungsverfahren grundsätzlich abgeschlossen, mithin ein Anordnungsgrund im Eilverfahren nicht mehr gegeben, da der Antragsgegner die Stellenbesetzung nicht mehr rückgängig machen kann (vgl. hierzu grundlegend aber auch BVerfG BeckRS 2007, 26564 und BVerwG BeckRS 2011, 45441 zur Durchbrechung der Ämterstabilität, wenn Mitbewerber gehindert wurde, seine Rechtsschutzmöglichkeiten vor der Ernennung auszuschöpfen). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Dem Antragsgegner wird untersagt, die ausgeschriebenen Stellen einer beamtenrechtlichen Lokf 9 – Bewertung im Funktionsbereich Triebfahrzeugführer (Ausschreibungsnummer: 2017-7, Abteilung: V.FBT – TM 1, Einsatzort: M.) zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden ist.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen die Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung.
Der Antragsteller steht als Hauptlokomotivführer (A 8) im Dienst des Antragsgegners. Er hat sich auf eine von drei unter der Ausschreibungsnummer 2017-7 ausgeschriebenen Stellen einer beamtenrechtlichen Lokf9-Bewertung beworben. Mit Schreiben der … F. AG- Personalmanagement vom 5. Mai 2017 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass er im Rahmen der Bestenauslese nach Abwägung aller für die Auswahl maßgebenden Gesichtspunkte auf der Grundlage seiner dienstlichen Beurteilung nicht habe berücksichtigt werden können.
Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit Widerspruch vom 17. Mai 2017 und führte aus, der Antragsgegner sei als Dienstherr verpflichtet, dem unterlegenen Bewerber rechtzeitig vor der beabsichtigten Ernennung des erfolgreichen Bewerbers eine begründete Mitteilung zu erteilen, damit dieser seine Rechte im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wahren könne. Es sei mitzuteilen, wie viele Bewerber es gegeben habe, welche Auswahlkriterien angewendet worden seien und aus welchen Gründen die Entscheidung auf den Mitkonkurrenten gefallen sei.
Daraufhin erklärte der Antragsgegner mit Schreiben vom 18. Mai 2017, es habe 19 Bewerber gegeben. Wichtigste Grundlage für die Auswahlentscheidung seien die Beurteilungen gewesen. Das Leistungsverhalten der ausgewählten Bewerber sei jeweils mit „übertroffen“ oder „deutlich übertroffen“ eingeschätzt worden, wohingegen das Leistungsverhalten des Antragstellers nur mit „voll erfüllt“ bewertet worden sei.
Mit am 23. Mai 2017 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangenen Schriftsatz seiner Bevollmächtigten beantragte der Antragsteller,
dem Antragsgegner zu untersagen, die in der Ausschreibung bei der … F. AG, Wahlbetrieb M., für Hauptlokomotivführer ausgeschriebenen drei Stellen (Ausschreibungsnummer 2017-7) mit Mitbewerbern zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden ist sowie hilfsweise dem Antragsgegner zu untersagen, eine der in der Ausschreibung bei der … F. AG, Wahlbetrieb M., für Hauptlokomotivführer ausgeschriebenen drei Stellen (Ausschreibungsnummer 2017-7) mit Mitbewerbern zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden ist.
Zur Begründung führt er aus, die Auswahlentscheidung sei bereits deshalb rechtswidrig, weil einer der Bewerber nicht von dem zuständigen Beurteiler, sondern dem Personalreferenten beurteilt worden sei. Zudem sei auch die Beurteilung des Antragstellers rechtswidrig. Es sei davon auszugehen, dass das unterdurchschnittliche Beurteilungsergebnis nur deshalb ausgestellt worden sei, weil der Antragsteller seit dem 14. September 2016 dienstunfähig erkrankt sei. Die dienstlichen Beurteilungen der Mitbewerber seien durchweg besser als die jeweiligen Vorbeurteilungen. Nur der Antragsteller sei systematisch im Rahmen der dienstlichen Beurteilungen benachteiligt worden. Die Beurteilungen seien überdies nicht vergleichbar, da ihnen ein Beurteilungsstichtag fehle. So sei die Beurteilung des Antragstellers am 28. März 2017 eröffnet worden, wohingegen dies beim Beigeladenen zu 3) bereits am 31. März 2016 erfolgt sei. Die dienstliche Beurteilung des Antragstellers sei nicht unter Bereitschaft zur offenen Rückmeldung, sondern voreingenommen erfolgt. Zudem sei dieser lediglich als Streckenlokführer bezeichnet, obwohl er die Ausbildung für den ÖBB zu den Grenzbahnhöfen Salzburg und Kufstein besitze.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.
Er ist der Auffassung, die Auswahlentscheidung sei von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Sie sei nach dem Leistungsgrundsatz unter Heranziehung der dienstlichen Beurteilungen getroffen worden. Überdies sei der Antragsteller aufgrund eines traumatischen Ereignisses im Dienst seit 14. September 2016 dienstunfähig erkrankt, so dass Zweifel bestünden, inwieweit bei ihm zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung die erforderliche körperliche Eignung gegeben gewesen sei.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
II.
Der zulässige Antrag hat in der Sache Erfolg.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, d.h. ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d.h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Der Antragsteller hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
Ein Anordnungsgrund ist vorliegend zu bejahen, da die Besetzungen der von dem Antragsteller angestrebten Dienstposten ausweislich der Antragserwiderung bereits zum 1. Juli 2017 vorgenommen werden sollten. Nur wegen des anhängigen Eilverfahrens ist eine Besetzung derzeit noch nicht erfolgt. Nach herrschender Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urt.v. 4.11.2010 – 2 C 16/09 – NVwZ 2011, 358) ist mit der endgültigen anderweitigen Besetzung einer Stelle das Stellenbesetzungsverfahren grundsätzlich abgeschlossen mit der Folge, dass dem Begehren des Antragstellers, die Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten vorzunehmen, nicht mehr entsprochen werden könnte, weil der Antragsgegner die Stellenbesetzung mit den Beigeladenen nicht mehr rückgängig machen könnte.
Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Einen Rechtsanspruch auf Übertragung einer der streitgegenständlichen Stellen hat der Antragsteller allerdings nicht. Ein solcher lässt sich nach herrschender Rechtsprechung nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten, die sich auf das vom Beamten bekleidete Amt beschränkt und somit amtsbezogen ist. Der Antragsteller hat aber einen Bewerbungsverfahrensanspruch, d.h. einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr den Dienstposten unter Berücksichtigung des in Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) normierten Leistungsgrundsatzes vergibt und seine Auswahlentscheidung nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (vgl. BVerfG, B. v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746 und B. v. 2.10.2007 – 2 BvR 2457/04 – NVwZ 2008, 194).
Anhand dieser Vorgaben hat der Dienstherr unter mehreren Bewerbern den am besten Geeigneten ausfindig zu machen. Diese Vorgaben dienen zwar vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung von Beamtenstellen, berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse eines Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Ein Bewerber hat daher Anspruch auf deren rechtsfehlerfreie Anwendung (BVerwG, U. v. 25.8.1988 – 2 C 28/85 – juris; BayVGH, B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl 2011, 565). Aus der Verletzung dieses Anspruchs folgt zwar regelmäßig nicht ein Anspruch auf Beförderung oder auf Vergabe des begehrten Dienstpostens. Der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG, B. v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746).
Feststellungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung von Bewerbern um eine Beförderungsstelle sind in erster Linie auf die aktuellen dienstlichen Beurteilungen zu stützen, denn sie bilden den gegenwärtigen bzw. zeitnah zurückliegenden Stand ab und können somit am besten als Grundlage für die Prognose dafür dienen, welcher der Konkurrenten die Anforderungen der zu besetzenden Stelle voraussichtlich am besten erfüllen wird (BVerwG, B.v. 27.9.2011 – 2 VR 3/11 – NVwZ-RR 2012, 71; vgl. zum Ganzen auch: BayVGH, B.v. 18.6.2012 – 3 CE 12.675 – juris; VG München, B.v. 26.10.2012 – M 5 E 12.03882 – juris; B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris).
Dies vorausgeschickt ist die Auswahlentscheidung des Antragsgegners vorliegend bereits deshalb fehlerhaft, weil sie auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage beruht. Jedenfalls die dem Bewerbervergleich zugrunde gelegte dienstliche Beurteilung des Antragstellers ist rechtswidrig.
Dienstliche Beurteilungen im Sinne der §§ 48 ff. der Verordnung über die Laufbahnen der Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten (Bundeslaufbahnverordnung – BLV) vom 12. Februar 2009 (BGBl. I S. 284) sind ihrem Wesen nach persönlichkeitsbedingte Werturteile, die verwaltungsgerichtlich nur beschränkt nachprüfbar sind. Nach dem erkennbaren Sinn der Regelungen über die dienstliche Beurteilung soll nur der Dienstherr oder der für ihn handelnde Beurteiler ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Beamte den vom Dienstherrn zu bestimmenden, zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes entspricht. Bei einem derartigen, dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu. Demgegenüber hat sich die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle darauf zu beschränken, ob der Beurteiler den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (st. Rspr., z.B. BVerwG, U. v. 13.5.1965 – II C 146.62 – BVerwGE 21, 127; U. v. 13.11.1997 – 2 A 1.97 – DVBl 1998, 638).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müssen Gesamturteil und Einzelbewertungen einer dienstlichen Beurteilung überdies in dem Sinne miteinander übereinstimmen, dass sich das Gesamturteil nachvollziehbar und plausibel aus den Einzelbewertungen herleiten lässt. Dabei steht es im Ermessen des Dienstherrn, festzulegen, welches Gewicht er den einzelnen Merkmalen beimessen will (vgl. BVerfG, B. v. 5.9.2007 – 2 BvR 1855/07 – BVerfGK 12, 106 und B. v. 17.1.2014 – 1 BvR 3544/13 – juris Rn. 15). Das abschließende Gesamturteil ist durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen bestenauswahlbezogenen Gesichtspunkte zu bilden (BVerwG, B. v. 25.10.2011 – 2 VR 4.11 – Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 50 Rn. 15 m.w.N.). Diese Gewichtung bedarf schon deshalb einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet und das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann (BVerwG, U. v. 17.9.2015 – 2 C 27.14 – BVerwGE 153, 48 Rn. 32).
Eine Begründung des Gesamturteils ist insbesondere dann zu fordern, wenn sich das Gesamturteil im Vergleich zur vorangegangenen Beurteilung erheblich verschlechtert hat (BVerwG, B. v. 21.12.2016 – 2 VR 1/16 – NVwZ 2017, 475). Eine solche Verschlechterung ist nämlich nur dann denkbar, wenn entweder die vorangegangene dienstliche Beurteilung fehlerhaft war, die im aktuellen Beurteilungszeitraum gezeigten Leistungen nicht mehr den vorherigen entsprachen oder generell ein geänderter Beurteilungsmaßstab angewandt wurde. In jedem Falle aber bedarf eine derartige Herabstufung einer Begründung, weil nur so das neue, in erheblichem Ausmaß verschlechterte Gesamturteil vom betroffenen Beamten nachvollzogen werden kann (vgl. zum Plausibilisierungserfordernis des Gesamturteils BVerwG, U. v.17.9.2015 – 2 C 27.14 – BVerwGE 153, 48 Rn. 32).
Der Antragsteller hat ausweislich der von ihm vorgelegten Beurteilungsübersicht aus dem Jahr 2015 dort bei einem Gesamturteil des Leistungsverhaltens von 4 Punkten einen Gesamtpunktwert der Einzelmerkmale von 19 Punkten innegehabt. Zum damaligen Zeitpunkt lag er noch im Bereich der Spitzengruppe unter den dort verglichenen Beamten, unter denen jedenfalls auch die Beigeladenen zu finden sind. In der der vorliegenden Auswahlrunde zugrunde liegenden Beurteilung ist der Antragsteller bei einem Gesamturteil von 3 Punkten mit einem Gesamtpunktwert von nur noch 16 Punkten deutlich ans Ende des Leistungsrankings gerückt. Die Beigeladenen sind sämtlich, worauf der Antragsteller zur Recht hinweist, um zwei bis drei Punkte im Gesamtpunktwert nach oben gerückt.
Eine Begründung für diese deutliche Verschlechterung des Antragstellers erfolgte nicht.
Überdies fehlt auch den Beurteilungen der Konkurrenten jede Begründung des Gesamturteils. Eine solche ist ausnahmsweise nur dann entbehrlich, wenn im konkreten Fall eine andere Note nicht in Betracht kommt, weil sich die vergebene Note – vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null – geradezu aufdrängt (BVerwG, U. v. 17.9.2015 – 2 C 27.14 – BVerwGE 153, 48 Rn. 37). Dies mag dann der Fall sein, wenn sämtliche Einzelbewertungen gleich lauten. Je mehr und je häufiger aber die Einzelbewertungen voneinander abweichen, desto größer wird das Begründungserfordernis hinsichtlich des Gesamturteils. Da eine solche Begründung in keiner der dem Gericht vorliegenden Beurteilungen erfolgt ist, fehlt es auch hier an einer für die Auswahlentscheidung tragfähigen Grundlage.
Ohne dass es hierauf noch ankäme, ist die Auswahlentscheidung auch deshalb fehlerhaft, weil ihr nicht ausschließlich aktuelle und vergleichbare dienstlichen Beurteilungen der konkurrierenden Beamten zugrunde gelegt wurden. Zudem sind auch die Beurteilungszeiträume von überaus unterschiedlicher Länge. So umfasst die Beurteilung teilweise nur einen Zeitraum von einigen Monaten, etwa im Falle des Herrn W. vom 1. Januar 2016 bis 7. Juli 2016. Teilweise umfassen Beurteilungen einen Zeitraum von mehr als drei Jahren, wie im Falle des Herrn Z. vom 16. Mai 2013 bis 28. November 2016. Die Kammer hat bereits mit Beschluss vom 27. Mai 2017 (M 21 E 15.1314) darauf hingewiesen, dass zum einen der Zeitraum, welcher zwischen den Beurteilungen liegt, nicht zu weit sein darf, da bei einem Zeitraum von nahezu einem Jahr zwischen den Beurteilungen die Befürchtung besteht, dass Veränderungen in der Leistung des Bewerbers unberücksichtigt bleiben. An einer ausreichenden Beurteilungsgrundlage fehlt es zum anderen aber auch dann, wenn die der Auswahlentscheidung zugrunde liegenden Beurteilungen schon nicht denselben Zeitraum abdecken und somit ein nicht unerheblicher Unterschied im Zeitraum besteht, aus dem für die Stellenbesetzung maßgebliche Ergebnisse gezogen werden.
Schließlich weist die Kammer darauf hin, dass die als beamtenrechtliche Beurteilung herangezogenen Mitarbeiterdialoge jedenfalls dann, wenn diese ausschließlich nennenswerte Äußerungen zum Leistungsverhalten enthalten, als Grundlage für eine Auswahlentscheidung, für die nach Art. 33 Abs. 2 GG sowie § 32 BLV neben der fachlichen Leistung auch die Eignung und Befähigung des Bewerbers ausschlaggebend sind, problematisch sein dürften. Die Einschätzung von Eignung und Befähigung ist auch gesetzlich vorgegebener Inhalt der Beurteilung (vgl. § 49 Abs. 1 BLV, der insoweit nicht von der Eisenbahnlaufbahnverordnung verdrängt wird).
Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners ist daher fehlerhaft. Im Ergebnis erscheint die Vergabe des Dienstpostens an den Antragsteller bei einer erneuten Auswahlentscheidung auf der Grundlage einer fehlerfreien dienstlichen Beurteilung auch ernstlich möglich (vgl. zum Erfordernis der hinreichenden Wahrscheinlichkeit BVerfG, B. v. 4.2.2016 – 2 BvR 2223/15 – NVwZ 2016, 764 Rn. 86 sowie BVerwG, U. v. 19.3.2015 – 2 C 12.14 – BVerwGE 151, 333 Rn. 27 für sekundärrechtliche Ansprüche). Die Bewerbersituation ist angesichts der oben dargestellten Mängel der Beurteilungen hinsichtlich der Begründung des Gesamturteils unklar. Berücksichtigt man dazu die vorangegangenen Beurteilungen, bei denen der Antragsteller durchaus im Spitzenfeld gewesen ist, ist die Vergabe eines der genannten Dienstposten an den Antragsteller bei einer erneuten Auswahlentscheidung auf der Grundlage einer fehlerfreien dienstlichen Beurteilung nicht ausgeschlossen.
Damit ist dem Antrag in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang stattzugeben.
Der Antragsgegner hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Es entspricht der Billigkeit, den Beigeladenen, die keinen Antrag gestellt und sich insoweit keinem Prozesskostenrisiko ausgesetzt haben, ihre außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen. Der Streitwert in einem beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren, das auf die vorläufige Freihaltung der zu besetzenden Beförderungsstelle im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung gerichtet ist, wird nach § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG mit dem vollen Auffangstreitwert von 5.000 € bemessen (BayVGH, B.v. 16.4.2013 – 3 CE 09.596 – juris).


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