Verwaltungsrecht

Eröffnung einer dienstlichen Beurteilung, (vorläufiger) vorbeugender Rechtsschutz, mangelndes Rechtsschutzbedürfnis

Aktenzeichen  M 21a E 20.5716

Datum:
9.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 25075
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, der als Zollamtsinspektor im Dienst der Antragsgegnerin steht, begehrt einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich der Eröffnung seiner dienstlichen Regelbeurteilung zum Stichtag … Mai 2020.
Für den Zeitraum vom … Mai 2015 bis … Dezember 2017 wurde der Antragsteller unter dem … Juni 2018 dienstlich beurteilt. Dabei erhielt er das Gesamturteil „Überdurchschnittlich“, 12 Punkte. Mit Schreiben vom … November 2018 ließ er Widerspruch gegen seine Beurteilung erheben und beantragen, ihm ein Gesamturteil von mindestens 14 Punkten auszustellen. Nachdem sein Widerspruch mit Bescheid vom … Juli 2019 zurückgewiesen worden war, ließ er am … August 2019 Klage erheben (M 21a K 19.4425), über welche noch nicht entschieden ist.
Unter dem … Mai 2020 informierte die Antragsgegnerin darüber, dass die Beamtinnen und Beamten der Zollverwaltung der Besoldungsgruppen A 9m/A 9m+Z zum Stichtag … Mai 2020 beurteilt werden.
Am 9. November 2020 beantragte der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt, die Eröffnung seiner dienstlichen Regelbeurteilung zum Stichtag … Mai 2020 einstweilen solange auszusetzen, wie nicht im Hauptsacheverfahren zum Az. M 21a K 19.4425 über die Klage auf Abänderung seiner dienstlichen Regelbeurteilung zum Stichtag … Dezember 2017 entschieden ist.
Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Eröffnung der Beurteilung zum Stichtag … Mai 2020 unmittelbar bevorstehe, sodass ein Anordnungsgrund bestehe. Da nach dem Beurteilungssystem eine dienstliche Beurteilung auf dem Ergebnis der bisherigen dienstlichen Beurteilung aufbaue, sei zu befürchten, dass der Antragsteller ausgehend von der Regelbeurteilung 2017 auch zum Stichtag … Mai 2020 schlechter bewertet werde als es seinen gezeigten Leistungen entspreche. Würde er im Verfahren M 21a K 19.4425 obsiegen, so hätte er ein Beurteilungsergebnis von 14 Punkten in der Regelbeurteilung 2017 als Grundlage für seine Regelbeurteilung 2020. Diese Beurteilung sei auch maßgeblich für Beförderungsentscheidungen, was für den Antragsteller relevant sei, da er noch die Besoldungsgruppe A 9m+Z erreichen könne und wolle. Um dem Antragsteller die Möglichkeit des Erreichens dieser Besoldungsgruppe bereits in der anstehenden Beförderungsrunde zu erhalten, sei es geboten, die einstweilige Sicherungsanordnung zu erlassen. Andernfalls müsste er ein weiteres Klageverfahren auch gegen die Regelbeurteilung 2020 und möglicherweise eine oder mehrere Konkurrentenklage(n) anstrengen oder aber hinnehmen, dass er die begehrte Beförderung (noch) nicht erlangen könne, was ihn in seinem Recht auf leistungsgerechte Bewertung verletze. Es bestehe somit auch ein Anordnungsanspruch.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt sie aus, dass das ordnungsgemäße Eröffnen einer dienstlichen Beurteilung den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletze. Es liege bereits kein Rechtsschutzbedürfnis vor. Auch mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG i.V.m. Art. 33 GG bedürfe es keiner Ausnahme von § 44a Satz 1 VwGO, weil dem Antragsteller aus der bundeseinheitlich vorgeschriebenen Eröffnung seiner dienstlichen Beurteilung keine unzumutbaren Nachteile entstünden. Es bestehe keine rechtliche Notwendigkeit schon vor einer etwaigen späteren Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf die Bekanntgabe der aktuellen dienstlichen Beurteilung des Antragstellers zu erlassen. Darüber hinaus habe der Antragsteller auch weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Mit Schreiben vom 24. November 2020 hat das Gericht den Antragsteller darauf hingewiesen, dass der Antrag nach vorläufiger Auffassung des Gerichts mangels Rechtsschutzbedürfnisses für den vorliegend begehrten vorbeugenden Rechtsschutz bereits unzulässig sein dürfte. Daraufhin hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2020 mitteilen lassen, dass er seinen Antrag gleichwohl aufrechterhalte, aber damit einverstanden sei, dass über diesen gemeinsam mit der Hauptsache entschieden werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist bereits unzulässig. Dem Antragsteller fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für den von ihm begehrten vorläufigen vorbeugenden Rechtsschutz.
Der Grundsatz der Gewaltenteilung trägt der Gerichtsbarkeit nur die Kontrolle der Verwaltungstätigkeit auf, gestattet ihr aber grundsätzlich nicht, bereits im Vorhinein gebietend oder verbietend in den Bereich der Verwaltung einzugreifen. Vorläufiger vorbeugender Rechtsschutz kommt daher nur in Betracht, wenn ein besonders schützenswertes Interesse (sog. qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis) gerade an der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes besteht, wenn mit anderen Worten der Verweis auf den nachgängigen Rechtsschutz mit für den Betroffenen unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre, d.h. ihm ohne eine vorbeugende Regelung effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht mehr gewährt werden könnte (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerfG, B.v. 7.12.2018 – 2 BvQ 105/18 u.a. – juris Rn. 22 m.w.N.; BVerwG, U.v. 25.9.2008 – 3 C 35.07 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 1.4.2020 – 11 CE 20.397 – juris Rn. 10; B.v. 23.7.2019 – 6 ZB 19.790 – juris Rn. 9; SächsOVG, B.v. 16.7.2020 – 6 B 318/19 – juris Rn. 11 f.).
Für einen vorbeugenden Rechtsschutz ist aber dort kein Raum, wo und solange der Betroffene in zumutbarer Weise darauf verwiesen werden kann, die befürchteten Maßnahmen der Behörde abzuwarten und gegebenenfalls einen von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz – einschließlich der Verfahren nach §§ 80 und 123 VwGO – in Anspruch zu nehmen (vgl. BayVGH, B.v. 23.7.2019 – 6 ZB 19.790 – juris Rn. 9). Zudem sprechen auch Gründe der Effektivität dafür, nur am Ende eines Entscheidungsprozesses (konzentrierten) Rechtsschutz zu gewähren und in diesem Rahmen auch vorangegangene Verfahrenshandlungen oder Zwischenentscheidungen auf ihre Rechtmäßigkeit zu kontrollieren, und nicht (phasenweisen) verfahrensbegleitenden Rechtsschutz gegen jede einzelne Verfahrenshandlung oder Zwischenentscheidung zuzulassen (vgl. SächsOVG, B.v. 16.7.2020 – 6 B 318/19 – juris Rn. 11).
Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Vielmehr ergeben sich für den Antragsteller aus der Eröffnung seiner dienstlichen Beurteilung keine nicht wieder rückgängig zu machenden Einbußen für seine Rechtsstellung. Sollte er seine Beurteilung für fehlerhaft erachten, so steht ihm die Möglichkeit offen, diese in einem Widerspruchsverfahren und ggf. anschließend in einem Klageverfahren überprüfen zu lassen. Eine etwaige Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs im Falle seiner Nichtberücksichtigung bei einer künftigen Beförderung kann er in einem Verfahren nach § 123 VwGO geltend machen.
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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