Verwaltungsrecht

Erstattung der Schulwegkosten

Aktenzeichen  AN 2 K 16.00055

Datum:
7.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 3 Abs. 1
BV BV Art. 118 Abs. 1
BayEUG BayEUG Art. 9, Art. 10 Abs. 2, Abs. 3
BaySchKfrG BaySchKfrG Art. 3 Abs. 1, Art. 2 S. 8

 

Leitsatz

1. Für den Besuch von Schulen des Zweiten Bildungsweges zur Erlangung der allgemeinen Hochschulreife besteht kein Anspruch auf Erstattung von Schulwegkosten. (redaktioneller Leitsatz)
2. Beim Kolleg handelt es sich nicht um eine Variante oder Unterart der Schulformen des in Art. 3 Abs. 1 BaySchKfrG aufgezählten Gymnasiums; diese Norm kann auch nicht analog auf die Schulform des Kollegs angewendet werden. (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Differenzierung zwischen den allgemeinbildenden Schulen des Ersten und den Schulen des Zweiten Bildungsweges bei der Erstattung von Schulwegkosten ist nicht unsachlich, da die Schüler des Zweiten Bildungsweges in der Regel zuvor eine Berufsausbildung absolviert und hierfür Einkommen erzielt haben. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die im Hinblick auf das Schuljahr 2014/2015 erhobene Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage auf Erstattung von Schülerbeförderungskosten ist zulässig, aber nicht begründet und deshalb abzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die ihm entstandenen Schülerbeförderungskosten von seinem Wohnort in … zum …Kolleg in … gemäß Art. 3 Abs. 2 SchKfrG erstattet.
Bei der Schulform des Kollegs handelt es sich gemäß Art. 10 Abs. 3 BayEUG um eine Schule des Zweiten Bildungsweges zur Erlangung der allgemeinen Hochschulreife. Schulwegkostenfreiheit bzw. der Erstattungsanspruch nach Art. 3 Abs. 1 SchKfrG besteht – unter weiteren Einschränkungen – nach der gesetzlichen Auflistung jedoch nur für öffentliche und staatlich anerkannte Realschulen, Gymnasien, Berufsfachschulen, Wirtschaftsschulen, Fachoberschulen, Berufsoberschule und Berufsschulen. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. B.v. 13.8.2012, 7 C 12.275 – juris) und des Verwaltungsgerichts Ansbach (vgl. U.v. 9.11.2012, AN 2 K 12. 00701 – juris; U.v. 28.9.2006, AN 2 K 06. 01438 – juris) stellt diese gesetzliche Aufzählung eine abschließende Regelung dar, die mangels planwidriger Regelungslücke auch keine analoge Anwendung zulässt.
Beim Kolleg handelt es sich nicht um eine Variante oder Unterart der Schulformen des in Art. 3 Abs. 1 SchKfrG aufgezählten Gymnasiums. Art. 3 Abs. 1 SchKfrG nimmt insofern ausschließlich Bezug auf die in Art. 9 BayEUG niedergelegte Schulform des Gymnasiums und nicht auf die Schulen des Zweiten Bildungswegs in Art. 10 BayEUG, auch wenn Art. 10 Abs. 3 BayEUG das Kolleg als ein Gymnasium besonderer Art definiert und das Kolleg wie das Gymnasium i. S.v. Art. 9 BayEUG zur allgemeinen Hochschulreife führt. Auch das Abendgymnasium i. S.v. Art. 10 Abs. 2 BayEUG stellt kein Gymnasium i. S.v. Art. 9 BayEUG dar und lässt sich damit auch nicht unter Art. 3 Abs. 1 SchKfrG subsumieren (VG Ansbach, U.v. 9.11.2012, a.o.O.).
Der Landesgesetzgeber, dem insoweit ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht, hat sich bewusst dafür entschieden hat, nur für bestimmte Schularten Schulwegkostenfreiheit vorzusehen und dabei insbesondere nicht nach dem Bildungsziel bzw. Schulabschluss differenziert, so dass kein Raum für eine analoge Anwendung des Art. 3 Abs. 1 SchKfrG auf die Schulform des Kolleg ist.
Auch das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) gebietet keine andere Handhabung. Der Gleichheitsgrundsatz verlangt keine schematische Gleichbehandlung, verbietet vielmehr lediglich willkürliche Ungleichbehandlung. Im Rahmen derjenigen Leistungsverwaltung, für die es keinen verfassungsrechtlich verankerten Anspruch auf die beantragte Leistung gibt, wie dies für den kostenfreien Transport zur Schule der Fall ist (vgl. z. B. BayVerfGH, U.v. 7.7.2009, BayVBl. 2010, 76), ist die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers weit gespannt und er ist insbesondere zu Pauschalierungen und Typisierungen befugt. Eine Differenzierung zwischen den allgemeinbildenden Schulen des ersten und den Schulen des Zweiten Bildungsweges erscheint dabei nicht unsachlich, berücksichtigt (pauschal) vielmehr die Tatsache, dass die Schüler des Zweiten Bildungsweges in der Regel zuvor eine Berufsausbildung absolviert haben und hierfür Einkommen erzielt haben. Für die Schulen des Zweiten Bildungsweges, insbesondere auch für das Kolleg, kommt nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) außerdem eine Förderung nach den dortigen Regelungen in Betracht. Ein Ausschluss von der einkommensunabhängigen Schulwegkostenfreiheit ist damit gerechtfertigt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 2016 angesprochen Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit, Sozialordnung, Familie und Frauen vom 4. Juli 2011. Das Schreiben wurde dem Gericht nicht in Gänze zur Verfügung gestellt, sondern nur ausschnittsweise zitiert, so dass deren Inhalt und Zielrichtung ohnehin nur eingeschränkt beurteilt werden können. Auf jeden Fall handelt es sich nicht um eine allgemein für die Schülerbeförderungsbehörden bindende Vorgabe, nachdem das Schreiben (allein) an die Stadt … ging und bleibt damit ohne rechtliche Wirkung auf den vorliegenden Fall.
Abzuweisen ist auch die Klage bezüglich der Beförderungskosten für das Schuljahr 2015/2016.
Die Umstellung auf die Feststellungsklage stellt insofern eine zulässige, da sachdienliche Klageänderung im Sinne von § 91 Abs. 1 VwGO dar, nachdem die Erstattungsfrage abschließend über eine Verpflichtungsklage noch nicht geklärt werden kann, da die Fahrscheine für das komplette, noch nicht beendete Schuljahr im Zeitpunkt der Entscheidung über die Klage noch nicht vorgelegt werden konnten und damit Art. 3 Abs. 2 Satz 8 SchKfrG (Vorlagepflicht der Fahrausweise) einer Erstattung entgegenstünde. Nachdem das Interesse des Klägers an der Kenntnis über das Bestehen der Erstattungspflicht dem Grunde auch im Hinblick auf weitere Schuljahre anzuerkennen ist, ist die Feststellungsklage als zulässig anzusehen. Sie ist allerdings unbegründet, weil auch insoweit in der Sache wie für das vorausgegangene Schuljahr kein Erstattungsanspruch nach Art. 3 Abs. 2 SchKfrG besteht.
Die Kostenentscheidung beruht insgesamt auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 3.480,70 EUR festgesetzt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG, wobei für die Verpflichtungsklage bezüglich des Schuljahres 2014/2015 die angefallenen Schülerbeförderungskosten in Höhe von 1.669,20 EUR anzusetzen waren und für die Feststellungsklage bezüglich des Schuljahres 2015/2016 elf Schülermonatstickets (September bis Dezember 2015 à 161,50 EUR und Januar bis Juli 2016 à 166,50 EUR) in Höhe von insgesamt 1.811,50 EUR veranschlagt wurden.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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