Verwaltungsrecht

Erwerb der Fachkunde im Strahlenschutz, Neue Anwendungen, Protonentherapie, Fachgespräch, Fehler im Verfahren zur Leistungserhebung (verneint), Bewertungsfehler (verneint), Anspruch auf Neubewertung (verneint)

Aktenzeichen  M 27 K 18.867

Datum:
4.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 14058
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StrlSchV
Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin
WBO

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger das Bestehen der streitgegenständlichen Prüfung zu bescheinigen. Er hat ferner keinen Anspruch auf erneute Zulassung zur Prüfung ohne die Auflage eines dreimonatigen Selbststudiums (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Rechtsschutzziel des Klägers ist vorrangig die Verpflichtung der Beklagten zur Bescheinigung des Bestehens der Fachkundeprüfung im Anwendungsbereich 2.2.5.3 Neue Anwendungen – Protonentherapie – und Erteilung der entsprechenden Fachkundebescheinigung unter Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids, hilfsweise die Zulassung zu einer Wiederholungsprüfung ohne Auflagen, jeweils unter Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids.
2. Grundlage für die von dem Kläger erstrebte Erteilung der Bescheinigung der Fachkunde im Strahlenschutz sind die Strahlenschutzverordnung vom 29. November 2018 (BGBl 2018 I, S. 2034, 2036) – StrlSchV -, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die Durchführung der streitgegenständlichen Prüfung noch unter Geltung der Strahlenschutzverordnung vom 20. Juli 2001 (BGBl. 2001 I S. 1714) (im Folgenden: StrlSchV 2001) erfolgt ist, die Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin vom 17. Oktober 2011 (GMBL 2011, S. 867) und die auf der Grundlage des Art. 35 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Heilberufe-Kammergesetz (HKaG) erlassene Weiterbildungsordnung der Beklagten vom 24. April 2004, zuletzt geändert durch Beschluss vom 10. Oktober 2020, – WBO – in analoger Anwendung. Rechtliche Bedenken gegen diese Regelungen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
§ 145 Abs. 1 StrlSchV nennt als berechtigte Personen bei der Anwendung ionisierender Strahlung am Menschen Personen, die als Ärzte oder Zahnärzte approbiert sind oder denen die Ausübung des ärztlichen Berufs erlaubt ist und die die für die Anwendung erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz besitzen (Nr.1) oder Personen, die als Ärzte oder Zahnärzte approbiert sind oder denen die Ausübung des ärztlichen oder zahnärztlichen Berufs erlaubt ist und die nicht die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz besitzen, wenn sie auf ihrem speziellen Arbeitsgebiet über die für den Umgang mit radioaktiven Stoffen und die Anwendung ionisierender Strahlung erforderlichen Kenntnisse im Strahlenschutz verfügen und unter ständiger Aufsicht und Verantwortung einer der unter Nummer 1 genannten Personen tätig sind (Nr. 2). Eine entsprechende Regelung traf § 82 Abs. 1 StrlSchV 2001. Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 StrlSchV (vgl. entsprechend § 30 Abs. 1 Satz 2 StrlSchV 2001) wird der Erwerb der Fachkunde von der zuständigen Stelle geprüft und bescheinigt.
Die Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin trifft hinsichtlich des Erwerbs der Fachkunde im Strahlenschutz für Ärzte in Nr. 3.1.2 weitere Regelungen und nimmt eine Differenzierung hinsichtlich des Erwerbs der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz als solcher und der vorliegend in Streit stehenden Erweiterung einer bestehenden Fachkunde im Strahlenschutz auf weitere – in Anlage 1 näher beschriebene – Anwendungsgebiete vor. Während für den Erwerb der Fachkunde im Strahlenschutz als solcher nach Nr. 3.1.2 dieser Richtlinie bei der zuständigen Stelle grundsätzlich ein Fachgespräch durchgeführt wird, kann die zuständige Stelle – vorliegend gemäß § 51f Satz 1 Nr. 2 Buchst. b der Zuständigkeitsverordnung vom 16. Juni 2015 (GVBl S. 184; BayRS 2015-1-1-V) – ZustV – i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 HKaG die Bayerische Landesärztekammer – im Falle einer Erweiterung einer bestehenden Fachkunde im Strahlenschutz auf ein weiteres Anwendungsgebiet zusätzliche Anforderungen festlegen.
Nr. 3.1.2 der Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin bestimmt, dass gegebenenfalls auch hier ein Fachgespräch durchgeführt werden kann. Nr. 2.2.5.3 der Anlage 1 zur Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin sieht für den Bereich „Neue Anwendungen (z.B. Therapien mit Partikelbestrahlung)“ vor, dass die Anerkennung der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz durch die zuständige Stelle im Rahmen einer Einzelfallentscheidung erfolgt.
2. Verfahrensfehler, die eine Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids zur Folge haben und zu einem Anspruch des Klägers auf Wiederholung der Prüfung führen könnten (vgl. hierzu Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 825), sind nicht ersichtlich.
a) Die Beklagte durfte zur Ermittlung der Fachkunde des Klägers nach Nr. 3.1.2 der Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin unabhängig von deren rechtlicher Qualität ein Fachgespräch durchführen (vgl. BVerwG, U.v. 22.12.1994 – 3 C 8.93 – juris Rn. 54).
b) Der Umstand, dass eine Audioaufzeichnung der streitgegenständlichen Prüfung erfolgt ist, stellt keinen Verfahrensfehler dar. Der Kläger hat zu Beginn der Prüfung schriftlich sein Einverständnis mit einer solchen Aufzeichnung erklärt. Eine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger bereits im Zulassungsbescheid auf die geplante Audioaufzeichnung hinzuweisen, besteht nach Auffassung der Kammer nicht.
c) Für eine Befangenheit der Prüfer bestehen keine Anhaltspunkte. Eine Befangenheit i.S.v. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG kann erst dann angenommen werden, wenn der Prüfer – ohne Rücksicht auf individuelle Befindlichkeiten des Prüflings – diesem gegenüber eine aus objektiven Anhaltspunkten ableitbare Voreingenommenheit zeigt, also die notwendige persönliche Distanz zum Prüfling und die fachliche Neutralität im Prüfungsverfahren nicht mehr gewährleistet erscheinen (BayVGH, B.v. 17.11.2014 – 22 ZB 14.1633 – juris Rn. 18). Beiläufige oder vereinzelte Ausrutscher und Entgleisungen eines Prüfers, die nicht für die ganze Prüfung kennzeichnend sind und die nicht eine generell ablehnende Haltung gegenüber dem Prüfungsteilnehmer offenbaren, lassen für sich allein ebenso wie harte, aber berechtigte Kritik nicht notwendig auf eine Befangenheit des Prüfers schließen (BVerwG, U.v. 20.9.1984 – 7 C 57.83 – BVerwGE 70, 143/152; BayVGH, B.v. 14.12.2010 – 7 ZB 10.2108 – juris Rn. 9).
Ausgehend von diesem Maßstab kann eine Befangenheit der Prüfer vorliegend nicht angenommen werden. Konkrete Äußerungen, die nach Auffassung des Klägers eine Befangenheit der Prüfer begründen sollten, hat dieser nicht genannt. Anhaltspunkte für eine mögliche Befangenheit der Prüfer ergeben sich auch nicht aus der Audioaufzeichnung oder den sonstigen dem Gericht vorliegenden Prüfungsunterlagen. Gleiches gilt für die im Nachgang zur Prüfung abgegebenen Stellungnahmen der Prüfer. Diese legen hier vielmehr ohne Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot dar, wie sie zur Bewertung der Leistung des Klägers gekommen ist. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Prüfer die Prüfungsleistung des Klägers nicht mit innerer Distanz und frei von Emotionen bzw. frei von sachfremden Erwägungen zur Kenntnis genommen hätten (vgl. BayVGH, B.v. 21.11.2011 – 7 ZB 11.1320 – juris Rn. 11; B.v. 14.12.2010 – 7 ZB 10.2108 – juris Rn. 10; VG Augsburg, U.v. 18.3.2015 – Au 3 K 14.881 – juris Rn. 38 ff.).
d) Der Umstand, dass die streitgegenständliche Prüfung mit einer Verspätung begonnen hat, begründet ebenfalls keinen Verfahrensfehler. Hierbei ist zunächst anzumerken, dass sich die Verspätung nicht wie vom Kläger vorgebracht auf 45 Minuten, sondern in Zusammenschau von Ladung, Prüfungsniederschrift und -protokoll lediglich auf 20 Minuten belaufen hat. Inwieweit dieser verspätete Prüfungsbeginn einen Verfahrensfehler darstellen sollte, ist für das Gericht angesichts der geringen Dauer der Verzögerung und der Aussage des Klägers zu Beginn der Prüfung, trotz der Verzögerung in bester Verfassung zu sein, nicht erkennbar.
Unabhängig hiervon führt dieser Umstand bereits wegen eines Verstoßes des Klägers gegen die diesbezügliche Rügeobliegenheit nicht zur Fehlerhaftigkeit des Bescheides vom 23. Januar 2018. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts obliegt es dem Prüfling, auf eine fehlerfreie Verfahrensgestaltung hinzuwirken, sodass er seine Kenntnisse und Fähigkeiten optimal zur Geltung bringen kann. Unterlässt der Prüfling eine ihm zumutbare zeitnahe Rüge, ist ihm regelmäßig eine spätere Berufung auf diesen Fehler verwehrt. Für eine so beschriebene Rügeobliegenheit spricht unter dem Blickwinkel des bundesrechtlichen Gebots der Chancengleichheit der Prüflinge zum einen, dass es zu verhindern gilt, dass der betroffene Prüfling in Kenntnis des Verfahrensmangels die Prüfung fortsetzt und das Prüfungsergebnis abwartet, um sich so eine ihm nicht zustehende weitere Prüfungschance zu verschaffen. Zum anderen soll eine unverzügliche Rüge die Prüfungsbehörde in den Stand setzen, eine eigene, möglichst zeitnahe Überprüfung des gerügten Mangels mit dem Ziel einer schnellstmöglichen Aufklärung und gegebenenfalls einer noch rechtzeitigen Korrektur oder Kompensation des festgestellten Mangels vorzunehmen (vgl. BVerwG, U.v. 22.6.1994 – 6 C 37.92 – BVerwGE 96, 126 – juris Rn. 18, m.w.N.). Eine solche unverzügliche Rüge ist vorliegend nicht erfolgt, vielmehr hat sich der Kläger rügelos auf die Prüfung eingelassen. Es lag aufgrund der Wartezeit von zwanzig Minuten auch keine für den Kläger unzumutbare Prüfungssituation vor, in welcher die Prüfer von sich aus für Abhilfe hätten sorgen müssen (vgl. zu einer Wartezeit von 60 Minuten BayVGH, B. v. 3.7.2008 – 22 ZB 07.1674 – juris Rn. 8).
3. Ein Anspruch des Klägers auf Bescheinigung des Bestehens der streitgegenständlichen Prüfung und Erteilung einer Fachkundebescheinigung für das Anwendungsgebiet A1 2.2.5.3 Neue Anwendungen – Protonentherapie besteht nicht.
Nach dem Ergebnis des Fachgesprächs vom 12. Dezember 2017 ist die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Fachkunde im Anwendungsgebiet 2.2.5.3 Neue Anwendungen – Protonentherapie nicht bzw. nicht im erforderlichen Umfang gegeben ist.
a) Bei der Bewertung von Prüfungsleistungen steht den Prüfern grundsätzlich ein Bewertungsspielraum zu, der gerichtlich nur begrenzt überprüfbar ist (hierzu grundlegend BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 u.a. – BVerfGE 84, 34 – juris Rn. 53 ff.; B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 1529/84 u.a. – BVerfGE 84, 59 – juris Rn. 65 ff.). Gegenstände dieses prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums sind etwa die Punktevergabe und Notengebung, soweit diese nicht mathematisch determiniert sind, die Einordnung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabenstellung, bei Stellung verschiedener Aufgaben deren Gewichtung untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung sowie die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels (BVerwG, U.v. 14.7.1999 – 6 C 20.98 – BVerwGE 109, 211 – juris Rn. 19; VGH BW, U.v.26.11.2019 a.a.O. Rn. 16). Jedoch haben die Gerichte zu prüfen, ob die Prüfer anzuwendendes Recht einschließlich der Verfahrensvorschriften verkannt oder gegen allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verstoßen haben, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sind oder den Antwortspielraum des Prüflings missachtet haben, da eine richtige oder zumindest vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete fachliche Ansicht des Prüflings nicht als falsch bewertet werden darf, nur weil der Prüfer anderer Auffassung ist (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.1992 – 6 C 3.92 – BVerwGE 91, 262 – juris Rn. 24 ff.).
Ansonsten aber ist es den Gerichten verwehrt, ihre Bewertung an die Stelle der Prüfer zu setzen. Ergibt sich, dass die Bewertung einer regulär erbrachten Leistung fehlerhaft ist, ist grundsätzlich eine Neubewertung der Prüfungsleistung geboten. Leidet demgegenüber das Verfahren zur Ermittlung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Prüflings (Verfahren zur Leistungserhebung) unter Mängeln, so ist die Prüfung oder der betroffene Prüfungsteil zu wiederholen, da eine unter irregulären Bedingungen erbrachte Leistung nicht bewertbar ist (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 500).
Einen prüfungsrechtlichen Beurteilungsspielraum hat die Rechtsprechung allerdings nur in den Fällen angenommen, in denen die Entscheidung in das alleinige Urteil bestimmter Prüfer gestellt ist, nicht aber in Fällen, in denen sich die Prüfer lediglich als Sachverständige zu einer Frage äußern, die die zuständige Behörde ohne Bindung an die Stellungnahme der Prüfer zu entscheiden hat (vgl. BVerwG, U.v. 18.3.1982 – 7 C 69/81 – BVerwGE 65, 157/164 f. – juris Rn. 23).
Die Frage, ob im vorliegenden Fall von einem gerichtlich lediglich eingeschränkten Beurteilungsspielraum der Prüfer auszugehen ist, oder die Frage des Vorliegens der Fachkunde der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. BVerwG, U.v. 22.12.1994 – 3 C 8.93 – juris Rn. 50), bedarf keiner Entscheidung. Die Beklagte hat weder einen bestehenden Beurteilungsspielraum überschritten (nachfolgend a)) noch können bei einer vollständigen gerichtlichen Überprüfung relevante Prüfungsmängel festgestellt werden (nachfolgend bb)).
aa) Die Prüfer haben unter Berücksichtigung des Inhalts der Audioaufzeichnung zu dem Fachgespräch vom 12. Dezember 2017, zu welcher der Kläger keine Anmerkungen gemacht hat, die für die Beurteilung wesentlich wären, des streitgegenständlichen Bescheids und der ergänzenden Stellungnahmen der Mitglieder des Prüfungsausschusses bei der Beurteilung der Prüfungsleistung des Klägers weder sachfremde Erwägungen angestellt, noch gegen allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verstoßen.
(1) In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Kläger substantiierte Einwendungen nur zu den Bereichen „Gesicherte Indikationen für eine Partikelstrahlentherapie“, „Fallbeispiel Prostatakarzinom“ und „Vorfall während einer Bestrahlung“ erhoben hat. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger die in den übrigen beiden Bereichen („Relative biologische Effektivität (RBE)“ und „Bestrahlungsplan Nasennebenhöhlenkarzinom“) gestellten Fragen nach den Feststellungen in dem streitgegenständlichen Bescheid im Wesentlichen zutreffend beantwortet hat, das Nichtbestehen der Prüfung nach den Ausführungen der Beklagten nicht mit der Beantwortung dieser Fragen in Zusammenhang steht und etwaige Bewertungsmängel in diesen Bereichen mithin nicht kausal für das Nichtbestehen der streitgegenständlichen Prüfung wären. Auf die Rechtmäßigkeit der Bewertung in den Punkten „Relative biologische Effektivität“ und „Bestrahlungsplan Nasennebenhöhlenkarzinom“ und die Vorlage der in diesem Zusammenhang dem Kläger von den Prüfern im Rahmen des Fachgesprächs gezeigten Prüfungsmaterialien kommt es mangels Kausalität etwaiger Bewertungsfehler in diesen Bereichen für das Prüfungsergebnis (vgl. BVerfG, B.v. 17.4.1991 – BvR 419/81 u.a. – NJW 1991, 2008 – juris Rn. 59) mithin nicht an.
(2) Bewertungsfehler im Themenbereich „Gesicherte Indikationen für eine Partikelstrahlentherapie“ sind nicht erkennbar. Die diesbezüglichen klägerischen Einwände greifen nicht durch. Der Kläger hat die gesicherten Indikationen für eine Partikelstrahlentherapie nicht vollständig genannt. Dies ergibt sich aus der Abschrift der Audioaufzeichnung des Fachgesprächs und wird vom Kläger auch nicht bestritten. Der Hinweis des Klägers, dass er im Rahmen dieses Prüfungsbereichs auf verschiedene Studien verwiesen und in diesem Zusammenhang auch Tumore der Prostata und Lungentumore genannt habe, vermag keinen Bewertungsmangel der Prüfer zu begründen, da die Einschätzung der Prüfer, dass ein solcher Hinweis jedenfalls die vollständige Nennung der als gesichert geltenden Indikationen nicht ersetzen, sondern allenfalls ergänzen kann, rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Der klägerische Einwand, dass der Kläger keine Bewertung vorgenommen habe, in welchen klinischen Situationen eine Partikeltherapie Vorteile verspräche, da die diesbezügliche Frage zu allgemein formuliert worden sei, verfängt nicht. Es handelt sich hierbei um eine klare Fragestellung; der Kammer erschließt sich nicht, warum es dem Kläger nicht möglich gewesen sein sollte, diese Frage zu beantworten. Ferner wäre es dem Kläger auch ohne eine konkrete Nachfrage der Prüfer möglich gewesen, nähere Ausführungen zu der Bestrahlung eines hepatozellulären Karzinoms (HCC) zu machen.
Des Weiteren hat der Kläger auf die Frage der Prüfer nach den Unterschieden bei der Bestrahlung von Kindern im Vergleich zu einer Bestrahlung von Erwachsenen nicht dargestellt, dass das sich entwickelnde und wachsende Normalgewebe von Kindern besonders vulnerabel bezüglich einer Schädigung durch Strahlung ist und daher auch eine niedrige und mittlere Dosis im Normalgewebe noch höhere Relevanz als bei Erwachsenen hat. Zudem hat der Kläger in diesem Zusammenhang ausweislich der Abschrift der Audioaufzeichnung auch nicht auf die besondere Bedeutung von Spätnebenwirkungen bei Kindern hingewiesen. Zwar hat der Kläger – auch nach Auffassung der Prüfer – in diesem Bereich teilweise auch zutreffende Antworten gegeben. Angesichts der besonderen Bedeutung des Schutzes von Leib und Leben gerade im Umgang mit radioaktiven Stoffen und der besonderen Vulnerabilität kindlicher Patienten begegnet es jedoch keinen rechtlichen Bedenken, dass die Prüfer dem Fehlen der genannten Punkte in den Ausführungen des Klägers bei der Bewertung von dessen Prüfungsleistung besondere Bedeutung zugemessen haben.
(3) Bewertungsfehler im Bereich „Prostatakarzinom“ sind ebenfalls nicht erkennbar. Der Kläger hat auch in diesem Bereich teilweise zutreffende Ausführungen getätigt, was die Beklagte nicht in Abrede stellt. Mehrere Fragen der Prüfer konnte der Kläger jedoch nicht beantworten, insbesondere zum Einfluss von Fremdmaterial auf die Berechnung von Dosisverteilungen einer Protonenbestrahlung und zu den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Therapie. Der klägerische Einwand, dass es sich hierbei lediglich um Detailfragen gehandelt habe, die nicht von einer fehlenden Fachkunde des Klägers zeugten, verfängt angesichts der hervorgehobenen Bedeutung der Dosisberechnung im sensiblen Bereich der Strahlentherapie nicht. Die Kammer vermag auch nicht zu erkennen, dass die dem Kläger gestellten Fragen kryptisch oder irreführend gewesen wären.
(4) Schließlich liegen auch keine Bewertungsmängel im Bereich „Vorfall während einer Bestrahlung“ vor. Die Prüfer haben in ihre Bewertung der Ausführungen des Klägers zu diesem Punkt in rechtlich nicht zu beanstandender Weise einbezogen, dass sich der Kläger in der Darstellung der vorzunehmenden Schritte auf die Rekonstruktion und Protokollierung des Vorfalls konzentriert hat, jedoch weder eine dringend notwendige Abschätzung der applizierten Dosis vorgenommen noch eine umgehende Rekalkulation der erfolgten Fehlbehandlung veranlasst hat. Bemängelt haben die Prüfer ferner, dass der Kläger nicht die Erforderlichkeit der Eruierung der Möglichkeiten eines Dosisausgleichs genannt hat und auch nicht in den Blick genommen hat, sich um den betroffenen Patienten zu kümmern. Die zuständige Meldebehörde, die Meldefrist und die Funktionen von Strahlenschutzverantwortlichem und Strahlenschutzbeauftragtem waren dem Kläger ebenfalls nicht bekannt. Der Einwand des Klägers, dass die Fragen in diesem Bereich unpräzise formuliert gewesen seien, erschließt sich dem Gericht unter Berücksichtigung der Abschrift der Audioaufzeichnung nicht.
bb) Unabhängig hiervon kann – selbst wenn dem Prüfungsausschuss kein Beurteilungsspielraum bei der Bewertung der vom Kläger gegebenen Antworten zuzugestehen sein sollte und eine vollständige gerichtliche Überprüfung angezeigt wäre – insgesamt kein relevanter Prüfungsmangel festgestellt werden.
Die Gesundheit der Bevölkerung ist ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut. Dessen Schutz rechtfertigt bei Ärzten strenge fachliche Maßstäbe (BVerfG, B. v. 14.3.1989 – 1 BvR 1033/82 – BVerfGE 80, 1 – juris Rn. 66). In den Blick zu nehmen ist bei der Bewertung zudem der Zweck des Strahlenschutzes, Mensch und Umwelt vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung zu schützen (vgl. § 1 Abs. 1 StrlSchG). Nach dem Ergebnis des Fachgesprächs vom 12. Dezember 2017 hat der Kläger wesentliche Defizite und Schwächen bei der Indikationsstellung, bei der physikalischen Implikation der Strahlenqualität, bei der klinischen Bewertung der Partikelstrahlentherapie sowie beim Strahlenschutz, einschließlich der formalen Abläufe. Dem Gericht sieht durchaus die Erfahrung des Klägers im Gebiet der Strahlentherapie. Entsprechende für die Erteilung einer Fachkundebescheinigung im Bereich des streitgegenständlichen Anwendungsgebiets Protonentherapie erforderliche Kenntnisse konnte er im Rahmen des Fachgesprächs jedoch nicht nachweisen. Ausweislich der Abschrift der Audioaufzeichnung konnte der Kläger insbesondere Fragen zu der Indikationsstellung, der Bestrahlung von Kindern, zur physikalischen Implikation der Strahlenqualität, zur klinischen Bewertung der Partikelstrahlentherapie und zum Strahlenschutz nicht in ausreichendem Maße beantworten. Hierbei handelt es sich um zentrale Bereiche im Bereich der Partikelbestrahlung, welche die oben genannten Schutzgüter in besonderem Maße berühren. Das Vorliegen für das Bestehen der streitgegenständlichen Prüfung ausreichender Fachkenntnisse des Klägers und einer Fachkunde des Klägers im streitgegenständlichen Anwendungsgebiet kann vor diesem Hintergrund nicht angenommen werden.
4. Schließlich ist auch die dem Kläger erteilte Auflage eines dreimonatigen Selbststudiums rechtmäßig. Mangels spezieller rechtlicher Vorgaben begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass die Beklagte auf Prüfungen der vorliegenden Art die WBO entsprechend anwendet. Rechtliche Einwände gegen den Inhalt der dem Kläger erteilten Auflage hat dieser nicht vorgebracht. Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der Auflage bestehen nach Auffassung des Gerichts vor dem Hintergrund, dass Inhalt der Auflage lediglich ein dreimonatiges Selbststudium ohne eine sonstige Weiterbildung mit etwaigen weiteren Nachweispflichten (vgl. § 15 Abs. 3 WBO) ist, nicht.
II.
Aus diesen Gründen ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
III.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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