Verwaltungsrecht

Fälligerklärung eines Zwangsgeldes und Zwangsgeldandrohung wegen fortgesetzten gemeinsamen Verstoßes gegen Zweckentfremdungsrecht

Aktenzeichen  M 9 K 18.1649

Datum:
1.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 20340
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 19, Art. 31, Art. 36, Art. 37
ZwEWG Art. 3
BGB § 117
BayVwVfG Art. 25

 

Leitsatz

Bei einvernehmlichem Zusammenwirken zwischen Mieter und Untermieter zum fortgesetzten Verstoß gegen ein behördliches Unterlassungsgebot genügt eine einfache Kündigungserklärung oder eine einvernehmliche Aufhebungsvereinbarung nicht, um nachzuweisen, dass eine zweckentfremdete Nutzung einer Wohnung nicht weiter betrieben wird. (Rn. 35 – 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Klage ist zulässig.
Im Hinblick auf die Fälligkeitsmitteilung ist nur die allgemeine Feststellungsklage statthaft (§ 43 Abs. 1 VwGO) (VG München, U.v. 18.10.2017 – M 9 K 17.1104). Weder die Kündigung noch die mittlerweile erfolgte Rückgabe der Wohnung an die Eigentümer führt zur Unzulässigkeit der Klage, da vorliegend nicht der Grundbescheid beklagt ist, dessen Anordnungen sich dadurch nur für die Zukunft erledigt haben (BayVGH, B.v. 18.10.1993 – 24 B 93.92).
Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen.
Die Anordnungen des Grundbescheides hinsichtlich der Zeiträume in der Vergangenheit haben sich ebenfalls nicht erledigt, da der Grundbescheid noch Grundlage für die Vollstreckungshandlungen war und gegebenfalls ist (Art. 37 Abs. 4 Satz 2 VwZVG). Vom Ermessen in Art. 37 Abs. 4 Satz 2 Hs. 2 VwZVG will die Beklagte im Hinblick auf die hier im Streit stehende Vollstreckung und die Erfahrungen der Vergangenheit zu Recht keinen Gebrauch machen, da eine unbillige Härte bei bewussten Verstößen gegen auferlegte Unterlassungspflichten nicht in Betracht kommt (BayVGH, U.v. 13.7.2000 – 2 B 95.331). Eine Existenzgefährdung wurde nicht nachgewiesen (BayVGH, B.v. 30.11.2005 – 1 CE 05.153).
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Das mit Ziff. 3 des bestandskräftigen Bescheides vom 29. Januar 2018 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 6.000,- EUR ist fällig geworden. Der Kläger war deshalb zur Zahlung verpflichtet.
Die Zwangsgeldandrohung des Bescheides vom 26. März 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Das mit Ziff. I im Schreiben vom 26. März 2018 für fällig erklärte Zwangsgeld in Höhe von 6.000,- EUR ist fällig geworden.
Der Kläger hat nicht innerhalb der im Bescheid vom 29. Januar 2018 festgesetzten Frist von 6 Wochen nach Zustellung des Grundbescheides die Nutzung zu Zwecken der Fremdenbeherbergung beendet (Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG).
Ausweislich der Ermittlungen der Beklagten wurde die Wohnung weiterhin an Touristen, die sich hier zur medizinischen Behandlung aufhielten, kurzzeitvermietet.
Auf die Protokolle der Ortsermittlungen vom 19. Februar 2018 und vom 14. März 2018 wird Bezug genommen.
Die Ergebnisse der Ortsermittlungen werden auch durch den Bericht der PI 11 vom 23. Februar 2018 über das Ergebnis der Ermittlungen gegen den Kläger und Herrn Mohammed R. bestätigt (Bl. 54 ff. BA), wonach der Verdacht eines gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs durch entgeltliche und arbeitsteilige Untervermietung besteht.
Wenn der Kläger darauf hinweisen lässt, dass er trotz Fortdauerns der zweckfremden Nutzung fristgerecht alles ihm Mögliche getan habe, um diese zu beenden, trifft dies nicht zu.
Der Untermieter des Klägers, Herr Mohammed R., mag zwar nominell ein echter Zwischenvermieter sein. In dieser und einer Vielzahl anderer Fälle wirken der Kläger und er jedoch einvernehmlich zusammen, weshalb eine einfache Kündigungserklärung oder – wie in anderen Fällen – eine einvernehmliche Aufhebungsvereinbarung nicht genügt, um nachzuweisen, dass die zweckfremde Nutzung durch den Kläger nicht weiter betrieben wird (BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 12 ZB 17.672; B.v. 8.5.2017 – 12 ZB 17.571; diese Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs betreffen dieselbe Personenkonstellation). Danach betreibt der Kläger die Zweckentfremdung in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit Herrn Mohammed R. als Geschäftsmodell. Im Anschluss daran und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung der Kammer (z.B. VG München, U.v. 22.2.2017 – M 9 K 16.4278; B.v. 12.1.2017 – M 9 S 16.4695; U.v. 15.2.2017 – M 9 K 16.4641) zu der hier vorliegenden Personenkonstellation genügt zum Nachweis der Beendigung der zweckfremden Nutzung nur der Nachweis der fristgerechten Rückgabe der Wohnung (VG München, B.v. 25.7.2018 – M 9 E 17.2460). Die Einschätzung eines einvernehmlichen Zusammenwirkens des Klägers mit Herrn Mohammed R. wird mittlerweile auch durch den Ermittlungsbericht der PI 11 vom 23. Februar 2018 bestätigt.
Aus den dem Verwaltungsgericht München vorliegenden Entscheidungen des Amtsgerichts München über die Räumungsklagen gegen Herrn Mohammed R. durch andere Wohnungsinhaber wird deutlich, dass regelmäßig sowohl die Kündigung als auch die Räumungsklage den zugrunde liegenden Sachverhalt nur unzureichend dargestellt haben und dass ausweislich eines Hinweisbeschlusses des Amtsgerichts München vom 20. Juli 2018, vorgelegt im Verfahren wegen des Verstoßes gegen das Zweckentfremdungsrecht durch andere Kläger (vgl. die Verfahren Az: M 9 K 18.1651 und 1655, Urt. ebenfalls vom 01.08.2018), in dieser Konstellation von einem „Scheingeschäft“ (§ 117 BGB) ausgegangen werden kann.
Nach dieser Sachlage hat die Beklagte offensichtlich auch ihre Auskunftspflicht (Art. 25 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG) nicht verletzt.
Eine Auskunft ist nur dann zu erteilen, wenn diese erforderlich ist, weil der Beteiligte auf die Auskunft angewiesen ist. Dies bedeutet, dass nur notwendige Informationen über Rechte und Pflichten erteilt werden müssen.
Bei dem hier vorliegend gegebenen einvernehmlichen Zusammenwirken der Beteiligten zum fortgesetzten Verstoß gegen das behördliche Unterlassungsgebot hat die Beklagte zu Recht darauf verzichtet, weitere Auskünfte zu erteilen.
Ein Verstoß gegen Art. 25 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG ist nicht ansatzweise erkennbar. Insbesondere durfte die Beklagte in den verschiedenen Verfahren ein identisches Antwortschreiben verschicken, da auch der Kläger identische Schreiben in verschiedenen Verfahren für seine Anfrage verwendet hat.
Die erneute Zwangsgeldandrohung (Ziff. 2 des Bescheides v. 26.3.2018) ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.
Die allgemeinen und die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen (Art. 18 ff., Art. 31, 36 VwZVG) lagen vor.
Die Grundverfügung ist auf ein Unterlassen (Nutzungsuntersagung) gerichtet (Art. 18 Abs. 1 VwZVG). Sie ist bestandskräftig (Art. 19 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 VwZVG) und gemäß Art. 3 Abs. 3 Zweckentfremdungsgesetz (ZwEWG) ungeachtet dessen sofort vollziehbar.
Sie ist hinreichend bestimmt. Der Begriff der „Fremdenbeherbergung“ ist durch die Rechtsprechung in extenso ausgeformt worden (BayVGH, B.v. 11.9.2017 – 12 ZB 17.748). Der Auffassung des Bevollmächtigten, eine hinreichende Bestimmtheit der Nutzungsuntersagung erfordere objektiv nachprüfbare zeitliche Festlegungen, zum Beispiel einer Mindestgrenze für die Aufenthaltsdauer, hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof mit ausführlicher Begründung abgelehnt (BayVerfGH, E.v. 16.8.2017 – Vf. 8-VI-16).
Sonstige Einwendungen gegen die Grundverfügungen können nicht mehr vorgebracht werden (BayVGH, B.v. 20.9.2016 – 12 CS 16.1401).
Die Androhung des Zwangsgeldes erfolgte in bestimmter Höhe (Art. 36 Abs. 5 VwZVG). Der Rahmen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG wurde eingehalten. Mit der erneuten Androhung wurde zugewartet, bis feststand, dass die vorausgegangene Androhung erfolglos blieb (Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG). „Erfolglos“ bedeutet dabei nur, dass die Behörde abwarten muss, ob das zunächst angedrohte Zwangsgeld fällig geworden und die frühere Anordnung ohne Erfolg geblieben ist (BayVGH, B.v. 7.6.2016 – 12 ZB 16.874). Die mittlerweile erfolgte Zahlung des Zwangsgeldes ändert an diesem Ergebnis nichts, da die Zahlung von Zwangsgeldern nicht zum Erfolg einer Zwangsgeldandrohung führt, wenn – wie hier – der Verpflichtung aus dem Unterlassungsbescheid nicht fristgerecht nachgekommen wurde.
Die Höhe des Zwangsgeldes entspricht dem wirtschaftlichen Interesse, das der Kläger hatte (Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG), da Tagesmieten von über 200,- EUR/Tag eingenommen wurden. Die Verdoppelung des Betrages entspricht der üblichen Verwaltungspraxis bei einer weiteren Zwangsgeldandrohung und ist unter Berücksichtigung der Tageseinnahmen aus der Vermietung an Medizintouristen auch der Höhe nach angemessen.
Im Übrigen darf die Behörde Zwangsmittel so lange und so oft anwenden, bis die Verpflichtung erfüllt wird (Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG).
Der Kläger wurde auch zu Recht als Pflichtiger im Sinne von Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG herangezogen. Gegen Herrn Mohammed R. erging ein eigener Bescheid.
Die Klage war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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