Verwaltungsrecht

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für Klage der Gemeinde gegen abgeschlossene Spülbohrung im Wasserschutzgebiet

Aktenzeichen  M 2 K 15.2595

Datum:
12.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GO Art. 7 Abs. 1
BayKommZG BayKommZG Art. 49 Abs. 1, Art. 50 Abs. 5
BV BV Art. 83 Abs. 1
VwGO VwGO § 113 Abs. 1 S. 4

 

Leitsatz

1. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt insbesondere auch für Klagen, deren Erfolg die Rechtsstellung des Klägers nicht verbessern würde. Keine Verbesserung seiner Rechtsstellung bringt es, wenn der Kläger die Aufhebung eines erledigten oder irreversibel vollzogenen Verwaltungsakts begehrt oder wenn die Aufhebung des Verwaltungsakts sinnlos ist. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse genügt jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Erforderlich ist jedoch, dass das Sachurteil in irgendeiner Weise geeignet ist, die Position des Klägers in rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Hinsicht konkret zu verbessern. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Die Anfechtungsklage (Klageantrag I.) ist mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.
a) Dabei kann dahingestellt bleiben, inwieweit die Gemeinde W., die ihre mit der Wasserversorgung (Art. 83 Abs. 1 der Verfassung, Art. 7 Abs. 1 GO) verbundenen Aufgaben und Befugnisse auf das gemeinsame Kommunalunternehmen … ausgegliedert und übertragen hat (Art. 89 Abs. 2 GO, Art. 49 Abs. 1 KommZG, § 1 Abs. 2 Buchstabe qder Unternehmenssatzung), eine etwaige Verletzung eigener Rechte im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen kann. Selbst wenn angenommen wird, dass die Klägerin trotz der Übertragung dieser Pflichtaufgabe im Hinblick auf ihre gesetzliche Gewährträgerschaft nach Art. 89 Abs. 4 GO noch (gesamtschuldnerisch, Art. 50 Abs. 5 KommZG) für Verbindlichkeiten des gemeinsamen Kommunalunternehmens in Anspruch genommen werden könnte, und wenn darüber hinaus angenommen wird, dass der Träger der Wasserversorgung durch die Zulassung von Ausnahmen von den Verboten einer Schutzgebietsverordnung nicht nur reflexartig betroffen ist (zweifelnd BayVGH, B.v. 20.2.2015 – 8 CS 14.2591 – juris Rn. 12), ist die Klage unzulässig, weil für sie kein Rechtsschutzbedürfnis besteht.
b) Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist ungeschriebene Voraussetzung für die Inanspruchnahme jedes Gerichts, für eine unnötige Ausübung von Klagemöglichkeiten brauchen die Gerichte nicht zur Verfügung zu stehen. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt insbesondere auch für Klagen, deren Erfolg die Rechtsstellung des Klägers nicht verbessern würde. Keine Verbesserung seiner Rechtsstellung bringt es, wenn der Kläger die Aufhebung eines erledigten oder irreversibel vollzogenen Verwaltungsakts begehrt (Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, vor §§ 40 bis 53 Rn. 11, 16), wenn die Aufhebung des Verwaltungsakts sinnlos ist (Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015 § 113 Rn. 102).
Dies ist hier der Fall. Es ist nicht ersichtlich, welchen Vorteil eine etwaige Aufhebung des Bescheids vom 3. Juni 2015 für die Klägerin hätte. Dieser Bescheid lässt als Ausnahmen von den in § 3 Abs. 1 Nr. 2.1, 2.2 und 5.12 normierten Verboten der Schutzgebietsschutzverordnung vom 21. Dezember 2000 nur (einmalig) die Vornahme von Erdaufschlüssen, die Durchführung der Spülbohrung für die Verlegung des Leerrohrs und die Wiederverfüllung der dafür vorgenommenen Erdaufschlüsse zu. Weitere Ausnahmen von den im Wasserschutzgebiet geltenden Verboten lässt der Bescheid nicht zu, insbesondere regelt er auch nicht einen Dauerzustand oder wiederholte Handlungen. Die ausnahmsweise zugelassenen Arbeiten waren nach Angaben der bauausführenden Firma am 25. Juni 2015 und nach Angaben des Staatlichen Bauamts wohl Ende Juni 2015 beendet, jedenfalls sei auf einem am 8. Juli 2015 aufgenommenen Lichtbild zu sehen, dass die Gruben wieder verschlossen wurden. Die mit dem Bescheid vom 3. Juni 2015 zugelassenen Maßnahmen lassen sich nicht wieder rückgängig machen. Es ist nicht ersichtlich, dass an diesen Bescheid noch irgendwelche für die Klägerin nachteiligen rechtlichen Folgen geknüpft werden können und ein Erfolg der Anfechtungsklage für die Klägerin irgendeinen Vorteil hätte, dass sich also ihre rechtliche oder tatsächliche Position in irgendeiner Weise verbessern würde. Damit ist die Klage auf Aufhebung des Bescheids vom 3. Juni 2015 im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nutzlos und mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.
2. Der hilfsweise gestellte Antrag, gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO die Rechtswidrigkeit des Ausnahmezulassungsbescheids vom 3. Juni 2015 festzustellen, ist ebenfalls unzulässig, da die Klägerin kein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung darlegen konnte.
Der Zulässigkeit des Feststellungsantrags steht nicht entgegen, dass die Klage bei Eintritt des erledigenden Ereignisses, nämlich bei Abschluss der ausnahmsweise zugelassenen Tätigkeiten, noch nicht begründet und noch nicht einmal ein Sachantrag, sondern nur ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt war, das gerichtliche Verfahren also noch gar nicht richtig in Gang gekommen war (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 64, 83). Es fehlt jedoch aus anderen Gründen am Feststellungsinteresse.
Hat sich bei einer Anfechtungsklage der angefochtene Verwaltungsakt – wie hier – nach Erhebung der Anfechtungsklage erledigt, spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Für das Feststellungsinteresse genügt jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Erforderlich ist jedoch, dass das Sachurteil in irgendeiner Weise geeignet ist, die Position des Klägers in rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Hinsicht konkret zu verbessern. Andernfalls erweist sich die Inanspruchnahme des Gerichts als unnütz und ist der Fortsetzungsfeststellungsantrag als unzulässig abzuweisen (Schmidt a.a.O. Rn. 83; Kopp/Schenke, a.a.O. § 113 Rn. 129 f., 135). Die Darlegung der Umstände, aus denen sich das Fortsetzungsfeststel-lungsinteresse ergibt, obliegt der Klägerseite (Schmidt a.a.O. Rn. 85). Zu bejahen ist dieses Interesse regelmäßig in den Fällen, in denen eine Wiederholungsgefahr besteht, ein Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozess vorbereitet wer den soll oder bei Vorliegen eines ideellen oder Rehabilitationsinteresses (Schmidt a.a.O.).
Vorliegend hat die Klägerseite kein anzuerkennendes schutzwürdiges Interesse an der Feststellung der behaupteten Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 3. Juni 2015 dargelegt, insbesondere auch kein Präjudizinteresse. Es ist anerkannt, dass auch die Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozesses vor den ordentlichen Gerichten ein berechtigtes Interesse für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage begründen kann. Ausreichend, aber auch erforderlich ist die ernstliche Absicht, einen entsprechenden Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch geltend zu machen. Dabei muss der Kläger sein Feststellungsinteresse substantiiert darlegen, insbesondere auch, gegen wen er Klage erheben will und um welchen Schaden es geht (Schmidt a.a.O. Rn. 87). Hier hat die Klägerseite in der mündlichen Verhandlung nur vage auf eine etwaige Beeinträchtigung des für die Wasserversorgung genutzten Grundwasservorkommens und sich daraus möglicherweise ergebende Konsequenzen verwiesen. Dies reicht nicht für die Begründung eines Feststellungsinteresses, zumal noch nicht einmal Anhaltspunkte für irgendeine Beeinträchtigung des Grundwassers vorliegen und demgemäß auch alle weiteren Voraussetzungen für einen derzeit nur theoretisch denkbaren Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch ungewiss sind.
Auch die Möglichkeit, dass der Beklagte für eine weitere Spülbohrung Ausnahmen von den Verboten der Schutzgebietsverordnung zulassen wird und damit eine konkrete Wiederholungsgefahr besteht, ist nicht ersichtlich. Ein ideelles (Rehabilitations-) Interesse oder ein sonstiges anerkennenswertes Feststellungsinteresse ist ebenfalls nicht ersichtlich.
Nach alledem war die Klage im Haupt- und Hilfsantrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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