Verwaltungsrecht

Fehlerhafte Auswahlentscheidung wegen unklarem konstitutiven Anforderungsprofil

Aktenzeichen  M 5 E 16.3149

Datum:
6.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 33 Abs. 2
VwGO VwGO § 123

 

Leitsatz

1 Ist ein konstitutives Anforderungsprofil, das Bewerber, die dessen Voraussetzung nicht erfüllen, vom Auswahlverfahren ausschließt, unklar formuliert, verletzt dies das Gebot eines transparenten, die Chancengleichheit wahrenden Auswahlverfahrens. Klarstellungen zum Anforderungsprofil müssen im Auswahlverfahren selbst und nicht erst gegenüber dem Gericht erfolgen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Kann ein Bewerber nach der Ausschreibung u.a. eine “besondere fachliche Ausbildung” haben, die durch ein “einschlägiges” Studium nachzuweisen ist, bleibt unklar, welche Studiengänge damit gemeint sind. Werden alternativ auch Bewerber mit einer “praktischen Unterweisung (IT)” zugelassen, muss bereits im Auswahlverfahren näher bestimmt werden, welche Voraussetzung hierfür verlangt werden. (redaktioneller Leitsatz)
3 Missverständlich ist eine in der Ausschreibung formulierte “Bevorzugung” von Bewerbern mit besonderer fachlicher Ausbildung, weil damit offen bleibt, ob Bewerber mit einschlägigem Fachstudium anderen Bewerbern stets vorgehen oder nur bei einem Gleichstand im Leistungsvergleich. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Zum Verfahren wird … beigeladen.
II.
Dem Antragsgegner wird vorläufig untersagt, den Dienstposten „Sachbearbeiter 3. QE Informationstechnik im Sachgebiet Einsatztechnik beim Polizeipräsidum … (A 12/13)“ mit einem anderen Bewerber zu besetzen, zu beschäftigen und eine auf den streitigen Dienstposten bezogene Ernennungsurkunde auszuhändigen, so lange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden worden ist.
III.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
IV.
Der Streitwert wird auf 5.000,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsgegner schrieb im Mitteilungsblatt Nr. 23/24 vom 16. Dezember 2015 unter Ziff. 2.1 den Dienstposten einer/eines Sachbearbeiterin/Sachbearbeiters 3. QE Informationstechnik im Sachgebiet Einsatztechnik (A 12/13) beim Polizeipräsidium … wie folgt aus:
„… Bewerberinnen/Bewerber müssen eine besondere fachliche Ausbildung oder praktische Unterweisung (IT) haben. Diese wird durch ein einschlägiges Studium an einer (Fach-)Hochschule nachgewiesen. Es genügt auch die jeweilige technische Ausbildung, die zum Aufstieg befähigt. Bei der Bestellung werden Beamtinnen/Beamte, welche die besondere fachliche Ausbildung bereits besitzen, bevorzugt. Wird ausnahmsweise eine Beamtin/ein Beamter der 3. QE bestellt, der die fachliche Ausbildung noch nicht besitzt, so ist diese nach der Bestellung auf den Dienstposten nachzuholen.“
Auf diesen Posten bewarben sich unter anderem der Antragsteller und der Beigeladene.
Der Antragsteller steht als Beamter auf Lebenszeit als … (3. QE nach Abschluss eines Ingenieurstudiums) in Diensten des Antragsgegners. Er ist seit 1. Juni 1998 beim Bayerischen Landeskriminalamt im Arbeitsbereich IT und seit 1. September 2009 als Sachbearbeiter 3. QE Informationstechnik im Sachgebiet Einsatztechnik beim Polizei-präsidium … (A 11/12) tätig gewesen. In seiner dienstlichen Beurteilung für den Beurteilungszeitraum 1. Juni 2012 – 31. Mai 2015 erzielte der Antragsteller 13 Punkte.
Der Beigelande steht ebenfalls als Beamter auf Lebenszeit als … beim Bayerischen Landeskriminalamt in Diensten des Antragsgegners. Er ist dort als Sachbearbeiter 3. QE Einsatz innerhalb der dortigen Abteilung … im Arbeitsbereich EDV tätig. In seiner dienstlichen Beurteilung für den Beurteilungszeitraum 1. Juni 2012 – 31. Mai 2015 erzielte der Beamte 14 Punkte.
Ausweislich des Besetzungsvermerks des Antragsgegners vom 9. Mai 2016 werde beabsichtigt, den Beamten G. auf den Dienstposten zu bestellen und den Antragsteller mit der Aufgabenwahrnehmung zu betrauen. Es hätten sich auf den fraglichen Dienstposten auch zwei Umsetzungsbewerber beworben; es lägen aber keine besonderen dienstlichen oder zwingenden persönlichen Gründe für deren Berücksichtigung vor. Der Dienstposten sei daher aus dem Kreis der Beförderungsbewerber zu besetzen. Hier hätten neben dem Beamten G. drei weitere Bewerber 14 Punkte in ihrer aktuellen dienstlichen Beurteilung vorzuweisen. Diese könnten jedoch nicht zum Zug kommen, da einer dieser Beamten (nur) im Statusamt A 11 eingestuft sei, ein weiterer Beamter abgeordnet sei und dies weiterhin beibehalten möchte und der Beigeladene schließlich, der allerdings kein Studium, eine besondere Ausbildung oder praktische Unterweisung in der Informationstechnik vorzuweisen habe.
Nachdem der Hauptpersonalrat beim Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr der Betrauung des Antragstellers mit der Aufgabenwahrnehmung des fraglichen Dienstpostens nicht zustimmte, entschied der Antragsgegner nochmals am 7. Juni 2016, diese Aufgabenwahrnehmung dem Beigeladenen zu über-tragen. Wie im Rahmen einer nochmaligen Prüfung habe festgestellt werden können, sei der von diesem innegehabte Arbeitsbereich EDV, auf dem er seit 2002 eingesetzt sei, gleichgelagert mit dem Bereich EDV beim Fachbereich 3 der Führungsgruppe. Damit erfülle der Beamte L. die in der Ausschreibung genannte Voraussetzung der praktischen Unterweisung (IT). Er sei daher in den Leistungsvergleich einzubeziehen und demnach (was weiter ausgeführt wird) mit einem Gesamtprädikat von 14 Punkten als leistungsstärkster Bewerber mit der Aufgabenwahrnehmung des fraglichen Dienstpostens zu beauftragen.
Nach Zustimmung des Hauptpersonalrats beim Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr teilte der Antragsgegner dem Beigeladenen mit Schreiben vom 5. Juli 2016 mit, dass er beabsichtige, ihm den fraglichen Dienstposten zu übertragen.
Mit Schreiben gleichen Datums teilte er dies auch dem Antragsteller mit.
Am 18. Juli 2016 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers im Rahmen eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt,
dem Antragsgegner vorläufig zu untersagen, den Dienstposten „Sachbearbeiter 3. QE Informationstechnik im Sachgebiet Einsatztechnik beim Polizeipräsidium … (A12/13)“ mit einem anderen Bewerber zu besetzen, zu beschäftigen und eine auf den streitigen Dienstposten bezogene Ernennungsurkunde auszuhändigen, bevor nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden worden ist.
Der Antragsteller sei entsprechend dem Verständnis der zugrunde liegenden Ausschreibung als Bewerber mit einem einschlägigen Fachstudium gegenüber dem Beigeladenen – der lediglich eine praktische Unterweisung (IT) vorzuweisen habe – zu bevorzugen.
Demgegenüber hat das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr für den Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Für die Vergabe des fraglichen Dienstpostens gelte nach der Ausschreibung als konstitutive Anforderung erstens eine besondere fachliche Ausbildung oder zweitens eine praktische Unterweisung (IT) oder die jeweilige technische Ausbildung, die zum Aufstieg befähigt (diese sei – wie näher erläutert wird – obsolet). Für das Anerkenntnis einer praktischen Unterweisung sei eine mindestens fünfjährige Verwendung im Bereich Informations- und Kommunikationstechnik erforderlich. Diese Verwendung dürfe nicht länger als 3 Jahre beendet sein. Der Beigeladene könne entgegen der ursprünglichen Einschätzung eine solche Verwendung vorweisen.
Demgegenüber sei zwar unbestritten, dass der Antragsteller das entsprechende technische Studium als Diplomingenieur abgeschlossen habe. Ausweislich des Ausschreibungstextes werde der Antragsteller daher den übrigen Bewerbern, die eine praktische Unterweisung haben, bevorzugt. Unter „bevorzugt“ sei allerdings zu verstehen, dass die zu vergleichenden Beamten in der aktuellen Beurteilung dasselbe Gesamturteil erhalten haben. Nur bei Beurteilungsgleichstand sei der Bewerber mit der besonderen fachlichen Ausbildung zu bevorzugen. Zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen liege nach den jeweiligen dienstlichen Beurteilungen ein Beurteilungsgleichstand nicht vor. Die Bevorzugungsklausel komme daher nicht zur Anwendung. Im Hinblick auf die Gesamturteile der jeweiligen dienstlichen Beurteilungen sei zu vermuten, dass der Antragsteller seine durch ein Studium erworbenen vertieften Fachkenntnisse nicht derartig in der Praxis umsetzen könne, wie der Beigeladene seine durch praktische Tätigkeit erworbenen Kenntnisse.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die (in ungehefteter Loseblattform, die die Gefahr des Dokumentenverlustes in sich birgt) vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet.
1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung – vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen – notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, das heißt ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, das heißt die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Der Antragsteller hat die hierzu notwenigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
2. Ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht, da die vom Antragsteller angestrebte Stelle als „Sachbearbeiter 3. QE – Informationstechnik im Sachgebiet Einsatztechnik (A12/13)“ beim Polizeipräsidium … ausweislich des Schreibens des Antragsgegners vom 5. Juli 2016 mit dem Beigeladenen besetzt werden soll. Nach herrschender Auffassung in der Rechtsprechung (BVerwG, U. v. 4.11.2010 – 2 C 16/09 – NVwZ 2011, 358 und U. v. 25.8.1988 – 2 C 62/85 – NVwZ 1989, 158; VG München, B. v. 22.8.2016 – M 5 E 16.3251 – juris) ist mit der endgültigen anderweitigen Besetzung einer Stelle das Besetzungsverfahren grundsätzlich abgeschlossen mit der Folge, dass dem Begehren des Antragstellers, die Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten vorzunehmen, nicht mehr entsprochen werden könnte.
3. Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Einen Rechtsanspruch auf die Übertragung der streitgegenständlichen Stelle hat der Antragsteller zwar nicht. Ein solcher lässt sich nach herrschender Rechtsprechung nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten, die sich auf das von dem Beamten bekleidete Amt beschränkt und somit amtsbezogen ist. Der Antragsteller hat aber einen Bewerbungsverfahrensanspruch, das heißt einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr den Dienstposten unter Berücksichtigung des in Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG), Art. 94 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung für den Freistaat Bayern (BV), § 9 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) und Art. 16 Abs. 1 des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz – LlbG) normierten Leistungsgrundsatzes vergibt und seine Auswahlentscheidung nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (BVerfG, B. v. 16.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746 und B. v. 2.10.2007 – 2 BvR 2457/04 – NVwZ 2008, 194).
Anhand dieser Vorgaben hat der Dienstherr unter mehreren Bewerbern den am besten Geeigneten ausfindig zu machen. Diese Vorgaben dienen zwar vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung von Beamtenstellen, berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse eines Beamten an einem angemessen beruflichen Fortkommen. Ein Bewerber hat daher einen Anspruch auf rechtsfehlerfreie Anwendung (BVerwG, U. v. 25.8.1988 – 2 C 28/85 – juris; BayVGH, B. v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl 2011, 565; VG München, B. v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris). Aus der Verletzung dieses Anspruches folgt zwar regelmäßig nicht ein Anspruch auf Beförderung oder auf die Vergabe des begehrten Dienstpostens. Der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG, B. v. 26.11.2010 – a. a. O.).
Feststellungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung von Bewerbern um eine Beförderungsstelle sind in erster Linie auf die aktuellen dienstlichen Beurteilungen zu stützen, denn sie bilden den gegenwärtigen bzw. zeitnah zurückliegenden Stand ab und können somit am besten als Grundlage für die Prognose dafür dienen, welcher der Konkurrenten die Anforderungen der zu besetzenden Stelle voraussichtlich am besten erfüllen wird (BVerwG, B. v. 27.9.2011 – 2 VR 3/11 – NVwZ-RR 2012, 71; vgl. zum Ganzen auch: BayVGH, B. v. 18.6.2012 – 3 CE 12.675 – juris; VG München, B. v. 22.8.2016 – a. a. O.).
Allerdings können die Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung vom Dienstherren in Bezug auf den Aufgabenbereich eines konkreten Amtes durch die Festlegung eines Anforderungsprofils im Vorfeld der Auswahlentscheidung konkretisiert werden, wobei der Dienstherr im Rahmen seines (weiten) organisatorischen Ermessens bestimmt, welche Eignungsvoraussetzungen der zukünftige Amtsinhaber erfüllen muss (BVerfG, B. v. 26.11.2010 – a. a. O. sowie BayVGH, B. v. 15.4.2014 – 3 ZB 12.765 – juris, Rn. 5). Dabei können Anforderungsprofile von unterschiedlicher Rechtsqualität sein. Entscheidend kommt es darauf an, ob derartige Qualifikationserfordernisse konstitutiven oder lediglich beschreibenden, deskriptiven, Charakter haben. Die beschreibenden und allgemeinen Anforderungsprofile informieren den möglichen Bewerber über den Dienstposten und die auf ihn zukommenden Aufgaben. Ihrer bedarf es häufig nicht unbedingt, denn vielfach ergibt sich das beschreibende oder auch allgemeine Anforderungsprofil ohne weiteres aus dem angestrebten Statusamt.
Das konstitutive, spezielle Anforderungsprofil zeichnet sich demgegenüber dadurch aus, dass es für die Bestenauslese einen ganz neuen, von den dienstlichen Beurteilungen jedenfalls vom Ausgangspunkt her abgekoppelten Maßstab enthält. Bei diesem speziellen, konstitutiven Anforderungsprofil einerseits und den dienstlichen Beurteilungen andererseits handelt es sich vom Ansatz her um unterschiedliche Modelle und Maßstäbe für die Auswahl nach dem Leistungsprinzip. Wer ein solches Anforderungsprofil nicht erfüllt, kommt für die Auswahl von vornherein nicht in Betracht, mag er auch sonst besser dienstlich beurteilt sein. Erst wenn es darum geht, gegebenenfalls eine Auswahl unter mehreren, das Anforderungsprofil erfüllenden Bewerbern zu treffen, kommt den dienstlichen Beurteilungen (wieder) Bedeutung zu (BayVGH, B. v. 22.11.2007 – 3 CE 07.2274 – juris, Rn. 67). Dieser absolut wirkenden Ausschlussfunktion entspricht es auch, dass konstitutive Anforderungsprofile nur aufgrund sachlicher, dem Grundsatz der Bestenauslese entsprechender Erwägungen erfolgen dürfen (BayVGH, B. v. 15.4.2014 – a. a. O., Rn. 7), so etwa, wenn der zu besetzende Dienstposten spezielle Eignungsanforderungen stellt, die nicht durch den Inhalt der dienstlichen Beurteilungen umfassend abgedeckt sind.
Ob ein Eignungsmerkmal im Rahmen einer Ausschreibung konstitutiven oder deskriptiven Charakter hat, ist im Wege der Auslegung entsprechend § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nach dem objektiven Erklärungsinhalt und dem Willen des Erklärenden zu ermitteln (BayVGH, B. v. 15.4.2014 – a. a. O., Rn. 15). Im Hinblick auf ein transparentes und die Chancengleichheit wahrenden Verfahrens gilt das Gebot der klaren Objektivierbarkeit des (konstitutiven) Anforderungsprofils (BayVGH, B. v. 16.5.2013 – 3 CE 13.307 – juris, Rn. 29).
Diese Grundsätze gelten auch für die Beauftragung mit der Wahrnehmung der Dienstgeschäfte, da es sich bei der Übertragung der Aufgaben eines höherwertigen Dienstpostens auf unbestimmte Zeit um eine faktische Dienstpostenbesetzung handelt.
4. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Auswahlentscheidung des Antragsgegners in der gemäß dem Schreiben des Staatsministeriums vom 7. Juni 2016 getroffenen Modifizierung rechtswidrig. Sie verstößt gegen das Gebot eines transparenten, die Chancengleichheit wahrenden Verfahrens.
a) Die Sätze 2 – 4 in der zugrunde liegenden Ausschreibung verlangen als drei alternativ mögliche Bewerbungsvoraussetzungen eine besondere fachliche Ausbildung, eine praktische Unterweisung (IT) sowie eine „jeweilige technische Ausbildung, die zum Aufstieg befähigt“. Diese Bewerbungsvoraussetzungen werden ihrer Formulierung entsprechend (Bewerberinnen/Bewerber müssen … haben), wie sowohl im Auswahlvermerk vom 9. Mai 2016 als auch in der Stellungnahme gegenüber dem Gericht vom 5. September 2016 vom Antragsgegner dargelegt, als konstitutive Anforderungen verstanden.
Bei konstitutiven Anforderungen ist der Dienstherr gehalten, diese hinreichend klar und bestimmt zu formulieren, da konstitutive Anforderungen noch unmittelbarer als der eigentliche Leistungsvergleich Einfluss auf den Auswahlvorgang zwischen den Bewerbern nehmen. Denn konstitutive Anforderungen wirken wie ein Filter und bestimmen in einem vorgelagerten Verfahrensschritt, welche Bewerber für das weitere Auswahlverfahren zugelassen werden, das heißt welche Bewerber letztlich überhaupt nur in einem Konkurrenzverhältnis zueinander stehen.
Auch wenn im vorliegenden Fall bei der streitgegenständlichen Auswahlentscheidung davon ausgegangen ist, dass Antragsteller wie Beigeladener das konstitutive Anforderungsprofil erfüllen, so ist nicht zweifelsfrei festzustellen, ob diese Annahme dem in der Ausschreibung Gewolltem entspricht. Das gilt umso mehr mit Blick auf den Verfahrensablauf. Denn in der ersten Auswahlentscheidung vom 9. Mai 2016 wurde noch davon ausgegangen, dass der Beigeladene die geforderte praktische Unterweisung (IT) nicht aufweist.
Die drei genannten konstitutiven Anforderungen sind jeweils nicht klar objektivierbar. Für die besondere fachliche Ausbildung wird angegeben, dass diese durch ein einschlägiges Studium an einer (Fach-)Hochschule nachgewiesen werden kann. Unklar ist allerdings, welche Studiengänge ihrer Fachrichtung nach als „einschlägig“ für die ausgeschriebene Stelle eines Sachbearbeiters 3. QE – Informationstechnik im Sachgebiet Einsatztechnik (A 12/13) beim Polizeipräsidium … anerkannt werden.
Unklar ist für die weiter genannte Anforderung der „jeweiligen technischen Ausbildung, die zum Aufstieg befähigt“, um welche Art der Qualifikation es sich hierbei handelt.
Unklar ist schließlich insbesondere, unter welchen Voraussetzungen das Vorliegen einer praktischen Unterweisung (IT) als gegeben angesehen wird. Die jeweils hierzu in der Stellungnahme vom 5. September 2016 gegenüber dem Gericht gegebenen Erläuterungen vermögen diese Unklarheiten nicht aufzulösen, da diese außerhalb des Auswahlverfahrens erfolgten. Damit war für potentielle Bewerber nicht ersichtlich, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um für das weitere Auswahlverfahren zugelassen zu werden. Aufgrund dessen fehlt es an einem hinreichend transparenten Auswahlvorgang (vgl. BayVGH, B. v. 29.10.2009 – 3 CE 09.1938 – juris, Rn. 32).
b) Unklar ist darüber hinaus Sinngehalt und Reichweite von Satz 5 der Ausschreibung, wonach „bei der Bestellung Beamtinnen/Beamte, welche die besondere fachliche Ausbildung besitzen, bevorzugt werden“.
Denkbar ist insoweit eine Besserstellung von Bewerbern, die ein einschlägiges Fachstudium dergestalt vorzuweisen haben, dass diese Bewerber anderen Bewerbern ohne diese Qualifikation stets vorgehen. Diese Auslegung erscheint dann sinnvoll, wenn der Dienstherr primär Wert auf eine einschlägige akademische Vorbildung legt und nur dann – wenn kein Bewerber diese erfüllt – andere Bewerber in Betracht ziehen möchte.
Denkbar ist aber auch, dass Bewerber mit einem einschlägigen Fachstudium nur im Falle eines Gleichstandes im Leistungsvergleich mit Bewerbern, die (nur) eine praktische Unterweisung (IT) vorzuweisen haben, vorgezogen werden sollen (vgl. hierzu: BayVGH, B. v. 13.3.2008 – 3 CE 08.53 – juris, Rn. 31 ff.). Entscheidend ist dabei wiederum, dass der Dienstherr eine insoweitige Klarstellung weder in der Ausschreibung, noch in den entsprechenden Auswahlerwägungen der Auswahlvermerke vorgenommen hat. Die in der Stellungnahme vom 5. September 2016 gegenüber dem Gericht abgegebene Erläuterung ist insoweit unbehelflich. Denn erst nach dem für die Auswahlentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der Besetzungsentscheidung (7.6.2016, Bl. 114 BA) im Schriftsatz vom 5. September 2016 hat das Ministerium Erörterungen dazu angestellt, dass der Begriff „bevorzugt“ nur bei einem Gleichstand der Endergebnisse der Beurteilungen zum Tragen kommt. Das ist aber ein wesentlicher Umstand der Auswahlentscheidung, mit der sich der Dienstherr im Zeitpunkt Auswahlentscheidung auseinandersetzen muss.
c) Da es bei dem nicht eindeutig objektivierbaren Anforderungsprofil denkbar und möglich erscheint, dass der Antragsteller bei auch möglichen Auslegungen (wenn für den Beigeladenen – wie auch vom Antragsgegner ursprünglich angenommen – eine praktische Unterweisung (IT) nicht angenommen wird oder wenn der Antragsteller – für den der Antragsgegner in seiner Stellungnahme vom 5. September 2016 ein einschlägiges Fachstudium angenommen hat – als Bewerber mit einem solchen Fachstudium anderen Bewerbern mit (nur) einer praktischen Unterweisung (IT) stets den Vorrang hätte) dem Beigeladenen vorzuziehen wäre, hat der Antrag Erfolg.
d) Lediglich der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass auch Satz 6 der Ausschreibung – der entgegen dem bisherigen eine Nachholungsmöglichkeit für die fachliche Ausbildung eröffnet. – hinsichtlich Sinn und Regelungsgehalt im Gesamtkontext unklar bzw. mehrdeutig erscheint.
5. Der Antragsgegner hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Es entspricht der Billigkeit, dass der zum Verfahren nach § 65 Abs. 2 VwGO beizuladende ausgewählte Beamte seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben