Verwaltungsrecht

Feststellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage

Aktenzeichen  M 5 S 16.5798

Datum:
23.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 1 S. 1, Abs. 5

 

Leitsatz

Die Klage gegen einen Bescheid zur Rückforderung von überzahlten Beamtenbezügen hat aufschiebende Wirkung, wenn die Behörde die sofortige Vollziehung nicht ausdrücklich angeordnet hat. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Es wird festgestellt, dass die Klage vom 22. Dezember 2016 gegen den Rückforderungsbescheid vom … Juli 2016, geändert am … August 2016, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom … November 2016 aufschiebende Wirkung hat.
II.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 156,91 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 13. Mai 2013 (M 19 DK 13.729) wegen eines Dienstvergehens aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Die hiergegen eingelegte Berufung wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Mai 2016 zurückgewiesen.
Mit Rückforderungsbescheid vom … Juli 2016 forderte das Landesamt für Finanzen von der Antragstellerin die Rückzahlung eines Betrages von 670,19 EUR. Der Besoldungsanspruch der Antragstellerin ende mit Ablauf des 10. Mai 2016. Die Rückforderung umfasse den Zeitraum vom 11. Mai 2016 bis 30. Juni 2016 und belaufe sich auf eine Forderungshöhe von 2.195,99 EUR. Die ohne Rechtsgrund geleisteten Bezüge seien grundsätzlich zurückzuzahlen. Unter Berücksichtigung der Abhilfe gegen zwei bereits ergangene Rückforderungsbescheide verringere sich der Rückforderungsbetrag von 2.153,43 EUR ./. 1.525,80 EUR auf 670,19 EUR.
Am 9. August 2016 wurde Widerspruch gegen den Rückforderungsbescheid vom … Juli 2016 erhoben.
Das Landesamt für Finanzen teilte darauf mit Schreiben vom 11. August 2016 mit, dass unter Berücksichtigung der abgeholfenen Rückforderungsbescheide die Rückforderung der im Zeitraum vom 12. Mai 2016 bis 30. Juni 2016 erfolgten Bezüge 627,63 EUR betrage. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Widerspruch gegen die Rückzahlungsverpflichtung keine aufschiebende Wirkung entfalte. Daher habe die Verpflichtete den noch ausstehenden Betrag bis 31. August 2016 zurückzuzahlen.
Gegen den Bescheid vom … Juli 2016 wurde auch in der Fassung vom 11. August 2016 am 16. August 2016 Widerspruch eingelegt.
Das Landesamt für Finanzen wies die Widersprüche vom 9. August 2016 bzw. 16. August 2016 gegen den Bescheid vom … Juli 2016 in der Fassung des Schreibens vom 11. August 2016 mit Widerspruchsbescheid vom … November 2016 zurück und bot Ratenzahlung an.
Am 22. Dezember 2016 erhob die Antragstellerin Klage gegen den Rückforderungsbescheid vom … Juli 2016 in der Fassung vom 11. August 2016 sowie den Widerspruchsbescheid vom … November 2016. Über dieses Klageverfahren, das unter dem Aktenzeichen M 5 K 16.5788 geführt wird, ist noch nicht entschieden.
Mit gleichem Schriftsatz hat die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Rückforderungsbescheid vom … Juli 2016 in der Fassung vom 11. August 2016 sowie in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom … November 2016 anzuordnen.
Die frühere Beamtin habe die ihr überwiesenen Bezüge verbraucht.
Das Landesamt für Finanzen hat für den Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag ist entsprechend dem erkennbaren Rechtsschutzziel (§ 88 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO) dahin auszulegen, dass in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 VwGO festgestellt wird, dass die Klage gegen den Rückforderungsbescheid vom … Juli 2016, geändert am 11. August 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom … November 2016 aufschiebende Wirkung hat. Denn der Antragsgegner berühmt sich der sofortigen Vollziehbarkeit des Rückforderungsbescheids. Dieser Antrag ist zulässig und hat Erfolg.
2. Die Klage vom 22. Dezember 2016 gegen den Rückforderungsbescheid vom …7.2016/11.8.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom … November 2016 entfaltet nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Demgegenüber ist die sofortige Vollziehbarkeit, von der das Landesamt ausdrücklich in seinem Änderungsbescheid vom 11. August 2016 ausgeht, nicht gegeben. Bei einer solchen Sachlage ist ein Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage als Sonderform des Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 80 Rn. 109).
a) Die aufschiebende Wirkung entfällt zum einen nur, wenn die sofortige Vollziehung durch Bundes- oder Landesgesetz ausdrücklich angeordnet ist (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das ist für den Fall der Rückforderung zu viel gezahlter Besoldung soweit ersichtlich gesetzlich nicht angeordnet. Zum anderen hat die Behörde die Möglichkeit, durch Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit die aufschiebende Wirkung zu beseitigen. Das bedarf jedoch einer ausdrücklichen schriftlichen Begründung (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Eine solche Begründung ist den streitgegenständlichen Bescheiden nicht zu entnehmen. Von der Notwendigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit geht auch Nr. 15.2.12.4 der Verwaltungsvorschriften zum Bayerischen Besoldungsgesetz aus (zitiert nach: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: September 2016, Art. 15 BayBesG).
b) Es liegt auch nicht der Fall vor, dass die Rückforderung durch ein Aufrechnungs- oder Zurückbehaltungsrecht des Dienstherrn geltend gemacht wird. Das setzt grundsätzlich keinen Rückforderungsbescheid voraus. Gegen eine – um einen Rückforderungsbetrag – gekürzte Auszahlung kann sich der Betroffene mit einer Klage auf Auszahlung in voller Höhe wenden (BayVGH, B. v. 8.3.2013 – 3 CE 12.1928 – juris Rn.21 m. w. N.). Diese Form der tatsächlichen Geltendmachung kann im vorliegenden Fall schon deshalb nicht zur Anwendung kommen, da der der Antragstellerin vom Landesamt zugestandene Zahlungsanspruch gegen den Antragsgegner geringer ist als der von ihr noch geforderte Rückzahlungsanspruch. Denn die Behörde rechnet gegen den Rückzahlungsanspruch in Höhe von 2153,43 EUR einen Betrag aufgrund zweier Abhilfeentscheidungen, die nicht Gegenstand dieses Verfahrens sind, in Höhe von 1525,80 EUR auf und macht eine weitere Zahlung in Höhe von 627,63 EUR geltend. In Höhe auch dieses Betrages wird auch nicht die Aufrechnung erklärt, sondern von der früheren Beamtin eine Zahlung verlangt. Die Antragstellerin hat nach ihrer mit Verkündung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Mai 2016 rechtskräftigen (Art. 64 Abs. 2 des Bayerischen Disziplinargesetzes/BayDG) Entfernung aus dem Beamtenverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem die Entscheidung unanfechtbar wird (Art. 11 Abs. 2 Satz 1 BayDG) keine Ansprüche auf Besoldung mehr (Zängl, BayDG, Stand: August 2016, Art. 11 Rn. 9). Auch wenn der früheren Beamtin ein Unterhaltsbeitrag nach Art. 11 Abs. 3 BayDG zustehen mag, folgt daraus nichts anderes. Denn in den streitgegenständlichen Bescheiden wird von der Antragstellerin ausdrücklich die Zahlung der Summe von 627,63 EUR verlangt, zuletzt unter Anbietung einer Ratenzahlung. Eine Aufrechnung oder Zurückbehaltung wird in dieser Höhe nicht erklärt. In einer solchen Konstellation, in der von der Betroffenen die Zahlung eines Rückforderungsbetrags aufgrund eines Rückforderungsbescheids geltend gemacht wird, hat die Behörde das Grundmuster des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu beachten.
c) Für den Antrag besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Auch wenn das Landesamt in seiner Stellungnahme vom 11. Januar 2016 angegeben hat, dass „Vollstreckungsmaßnahmen seitens des Beklagten bis zur finalen Entscheidung des Verwaltungsgerichts ausgesetzt“ werden, kann dieser Formulierung nicht entnommen werden, dass die Behörde von der von ihr angenommenen sofortigen Vollziehbarkeit der Rückforderungsbescheide abrückt. Ein solcher weitreichender Erklärungsinhalt kann der Formulierung „bis zur finalen Entscheidung des Verwaltungsgerichts“ nicht entnommen werden. Diese Aussage ist vielmehr dahin zu verstehen, dass während des laufenden Eilverfahrens keine Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt werden.
3. Der Antragsgegner hat als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr.2, 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG) unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nr. 1.5: 1/4 des geforderten Betrags im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes).

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