Aktenzeichen M 7 K 15.255
Leitsatz
Bayerische Gemeinden können – anders als nach den Kostenersatzvorschriften anderer Länder – auch im Pflichtaufgabenbereich die allgemeinen Vorhaltekosten (Abschreibung) über die auf die tatsächlichen Einsatzstunden anteilig entfallende Abschreibung hinaus in die Kostenkalkulation einfließen lassen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Bescheid der Beklagten vom 17.2.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Landratsamts M1 vom 10.12.2014 wird aufgehoben, soweit er einen Betrag von 641,20 Euro übersteigt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin 2/5, die Beklagte 3/5.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Der Bescheid war aufzuheben, soweit er einen Betrag von 641,20 Euro übersteigt, da er insoweit rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO). Im Übrigen war die Klage abzuweisen, da der Bescheid in Höhe von 641,20 Euro rechtmäßig ist.
Die Beklagte hat dem Grunde nach Anspruch auf Ersatz der Kosten, die ihr durch den Feuerwehreinsatz am 6. Februar 2014 entstanden sind.
Der Kostenersatzanspruch findet seine Rechtsgrundlage in Art. 28 BayFwG, der den Kostenersatz für das Tätigwerden der gemeindlichen Feuerwehren im Pflichtaufgabenbereich des abwehrenden Brandschutzes und des technischen Hilfsdienstes regelt. Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayFwG können die Gemeinden in den unter Absatz 2 aufgezählten Fällen Ersatz der notwendigen Aufwendungen verlangen, die ihnen durch Ausrücken, Einsätze und Sicherheitswachen gemeindlicher Feuerwehren (Art. 4 Abs. 1 und 2 BayFwG) oder durch Einsätze hilfeleistender Werkfeuerwehren (Art. 15 Abs. 7 BayFwG) entstanden sind und diesen Anspruch durch Leistungsbescheid geltend machen (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 BayFwG). Gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayFwG besteht der Kostenersatzanspruch für Einsätze der Feuerwehr im technischen Hilfsdienst, bei denen die Gefahr oder der Schaden durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs veranlasst war. Einen solchen entgeltlichen technischen Hilfsdienst hat die Feuerwehr der Beklagten bei dem Verkehrsunfall am 6. Februar 2014 geleistet. Die Klägerin ist als Halterin des Fahrzeugs, durch das der Feuerwehreinsatz veranlasst war, zum Ersatz der Kosten verpflichtet (Art. 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BayFwG).
Nach Art. 28 Abs. 4 Satz 1 BayFwG können die Gemeinden Pauschalsätze für den Ersatz der Kosten bei der Erfüllung von Aufgaben nach Art. 4 BayFwG durch Satzung festlegen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bestimmt in seiner grundlegenden Entscheidung (B.v. 18.7.2008 – 4 B 06.1839 – juris Rn. 25 ff. m.w.N) unter Heranziehung der gesetzlichen Bestimmungen inhaltliche Maßstäbe für die Festlegung der Pauschalsätze. Die Gemeinden können demnach nach Art. 28 Abs. 4 Satz 1 BayFwG im Interesse einer Vereinfachung des Verwaltungsvollzugs Pauschalsätze aufstellen und werden durch diese Bestimmung der Notwendigkeit enthoben, zur Geltendmachung eines Ersatzanspruchs nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayFwG die bei dem einzelnen Feuerwehreinsatz entstanden Aufwendungen konkret zu ermitteln. Die Pauschalsätze müssen sich der Höhe nach in etwa an den Kosten messen lassen, die tatsächlich angefallen sind. Art. 28 Abs. 4 BayFwG ordnet die entsprechende Geltung der Art. 2 und 8 KAG mit der Maßgabe an, dass bei der Erfüllung von Pflichtaufgaben nach Art. 4 Abs. 1 und 2 BayFwG eine Eigenbeteiligung der Gemeinden an den Vorhaltekosten vorzusehen ist, die die Vorteile für die Allgemeinheit angemessen berücksichtigt (Satz 2). Damit können bayerischen Gemeinden – anders als nach den Kostenersatzvorschriften anderer Länder – auch im Pflichtaufgabenbereich die allgemeinen Vorhaltekosten (Abschreibung) über die auf die tatsächlichen Einsatzstunden anteilig entfallende Abschreibung hinaus in die Kostenkalkulation einfließen lassen.
Die Klägerin hat vorliegend Kalkulationsrügen erhoben und insbesondere bemängelt, dass für die eingesetzten Fahrzeuge keine Kalkulationsgrundlagen vorgelegt worden seien, die eine Überprüfung der in der Satzung aufgeführten Pauschalsätze ermöglichten. Damit dringt sie durch. Die von der Beklagten in der Anlage zu ihrer Satzung über Aufwendungsersatz und Gebühren für Einsätze und andere Leistungen ihrer gemeindlichen Feuerwehren vom 24. Januar 2011 festgelegten Pauschalsätze lassen sich hinsichtlich der Strecken- und Ausrückstundenkosten für die eingesetzten Fahrzeuge nicht nachvollziehen, da keine Kalkulationen für diese Pauschalsätze und nur teilweise Belege vorgelegt worden sind. Damit fehlt es für den Betrag in Höhe von 1.046,15 Euro, den die Beklagte für ihre eingesetzten Fahrzeuge und die Anhänger als Ausrückstunden- und Streckenkosten verlangt, an einer wirksamen Rechtsgrundlage.
Die Beklagte hat eine Kostenkalkulation für das Löschgruppenfahrzeug „LF8“ vorgelegt, die derjenigen entspricht, die der Bayerische Gemeindetag empfiehlt. Die darin errechneten Beträge für die Streckenkosten (6,10 Euro) und die Ausrückstundenkosten (102,50 Euro) stimmen bereits schon nicht mit den in der gemeindlichen Satzung gelisteten Beträgen für die Streckenkosten (5,70 Euro) und die Ausrückstundenkosten (95,40 Euro) überein. Weiter zeigt sich bei einer überschlägigen Zusammenrechnung der für das Fahrzeug vorgelegten Belege aus dem Jahr 1994, dass die Summe aus dem Kaufpreis und den Kosten für Beladung und Aufbau einen Betrag von etwa 300.000 DM ausmacht; die von der Beklagten vorgelegte (Muster-)Kosten-berechnung hingegen setzt als Kaufpreis, aus dem abgeschrieben wird, einen Wert von 250.000 Euro an. Daraus wird deutlich, dass – selbst bei Berücksichtigung der etwas niedrigeren Ausrückstunden- und Streckenkosten in der Satzung als denjenigen in der Musterberechnung – die Pauschalsätze nicht annähernd aus einer Abschreibung aus den tatsächlichen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten resultieren können, was nach dem Wortlaut des Art. 8 Abs. 3 Satz 1 KAG jedoch erforderlich ist (vgl. BayVGH, B.v. 18.7.2008 – 4 B 06.1839 – juris Rn. 29).
Gleiches gilt für das Mehrzweckfahrzeug. Die vorgelegten Berechnungen entsprechen den Musterberechnungen des Bayerischen Gemeindetags (Streckenkosten 3,17 Euro; Ausrückstundenkosten 27,94 Euro), decken sich aber bereits nicht mit den Pauschalsätzen in der Satzung (Streckenkosten 2,95 Euro; Ausrückstundenkosten 26,20 Euro). Es zeigt sich im Übrigen auch hier, dass die vorgelegten Kaufbelege für dieses Fahrzeug sich auf lediglich ca. 50.000 Euro belaufen und damit hinter dem in der Musterberechnung aufgeführten Kaufpreis von 65.000 Euro zurück bleiben.
Aus diesem Grund kommt es nicht mehr auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage an, ob eine Eigenbeteiligung der Gemeinde von 10% an den Vorhaltekosten die Vorteile für die Allgemeinheit angemessen berücksichtigt (vgl. Art. 28 Abs. 4 Satz 2 BayFwG).
Für den eingesetzten Rüstwagen sowie die zwei Anhänger (ÖSA-Ölanhänger, Sicherungsanhänger) wurden überhaupt keine Belege und Berechnungen vorgelegt, um die in der Satzung aufgeführten Pauschalsätze nachzuvollziehen. Auch wenn die Anhänger durch Eigenarbeit hergestellt wurden, müssen die Grundlagen des festgesetzten Pauschalsatzes nachvollziehbar dargelegt werden können. Daher kann die Beklagte auch für den Rüstwagen und die Anhänger mangels wirksamer Rechtsgrundlage keine Kosten verlangen.
Im Übrigen war die Klage abzuweisen, da der Kostenersatz in Höhe von 641,20 Euro nicht zu beanstanden ist und hierfür eine wirksame Rechtsgrundlage besteht. In dieser Höhe hat die Beklagte insbesondere Arbeitsstunden- und Personalkosten geltend gemacht. Die Nichtigkeit der Satzungsteile für Streckengebühren und Ausrückstundenkosten führt nicht zur Gesamtnichtigkeit der Satzung. Die Entscheidung, ob ein Rechtsmangel zur Gesamtnichtigkeit einer Satzung oder nur zur Nichtigkeit einzelner Vorschriften führt, hängt grundsätzlich davon ab, ob die Beschränkung der Nichtigkeit eine mit höherrangigem Recht vereinbare sinnvolle (Rest-)Regelung des Lebenssachverhalts belässt und ob zudem hinreichend sicher ein entsprechender hypothetischer Wille des Normgebers angenommen werden kann (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2008 – 9 B 42/08 – juris Rn. 13).
Dies zugrunde gelegt, berührt die dargelegte Ungültigkeit der Festsetzungen der Streckenkosten (unter 1. der Anlage zur gemeindlichen Satzung) und der Ausrückstundenkosten (unter 2. der Anlage zur gemeindlichen Satzung) für die eingesetzten Fahrzeuge nicht die unter „3. Arbeitsstundenkosten“, „4. Sonstige Kostenansätze“ und „5. Personalkosten“ festgelegten Kostensätze. Die aufgezeigten unwirksamen Festsetzungen in der Anlage zur Satzung bilden keine untrennbare Einheit mit den übrigen in der Anlage zur Satzung gelisteten Pauschalsätzen, vielmehr bestehen die einzelnen Pauschalsätze unabhängig voneinander (vgl. BayVGH, U.v. 19.9.2002 – 23 B 02.970 – juris Rn. 37 zu Abgabensatzungen).
Rügen gegen die geltend gemachten Arbeitsstunden-, Personal- und sonstigen Kosten wurden nicht erhoben und sind im Übrigen auch nicht ersichtlich. Die Beklagte hat je 1,5 Arbeitsstunden für den Einsatz von Beleuchtung (Stundensatz Beleuchtung 6,00 Euro) und Stromerzeuger (Stundensatz Generator 38,80 Euro) entsprechend der in der Satzung dafür festgelegten – angemessenen – Beträge abgerechnet. Ferner hat sie für die neun eingesetzten Feuerwehrleute je 2,5 Stunden mit einem satzungsgemäßen Stundensatz von 20,00 Euro berechnet, was nicht zu beanstanden ist, ebenso wenig der Betrag von 124,00 Euro für das eingesetzte Bindemittel und dessen Entsorgung.
Der Bescheid ist demnach in Höhe der Arbeitsstundenkosten von 67,20 Euro, der Personalgebühren von 450,00 Euro, und der sonstige Gebühren i. H. v. 124,00 Euro, insgesamt in Höhe eines Betrags von 641,20 Euro rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klage war daher in dieser Höhe abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 1.687,35 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-)
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.