Verwaltungsrecht

Fortsetzungsfeststellungsinteresse, Verwaltungsgerichte, besonderes Feststellungsinteresse, Wiederholungsgefahr, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Gerichtsbescheid, Widerspruchsbescheid, Rechtsmittelbelehrung, Prozeßbevollmächtigter, Rehabilitationsinteresse, Beurteilungszeitraum, Prozeßkostenhilfeverfahren, Erneute Beurteilung, Kostenentscheidung, Nach Aufhebung, Befähigung zum Richteramt, Erledigte Maßnahme, Berufungszulassung, Streitwert, Effektiver Rechtsschutz

Aktenzeichen  M 5 K 20.2047

Datum:
26.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6329
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4

 

Leitsatz

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.  
II.    Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Gründe

Über die Klage kann gemäß § 84 Absatz 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
1. Die zuletzt geltend gemachte Fortsetzungsfeststellungsklage ist unzulässig.
Es ist umstritten, ob eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auch auf allgemeine Leistungsklagen (da eine dienstliche Beurteilung keinen Verwaltungsakt darstellt) analog anwendbar ist (was wohl überwiegend verneint wird, vgl. zum Streitstand: NdsOVG, B.v. 17.8.2006 – 2 LA 1192/04 – NVwZ-RR 2007, 67, juris Rn. 10; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 113 Rn. 137). Eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist hier in jedem Fall unzulässig, weil die Klägerin kein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hat.
a) Es besteht kein besonderes Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt einer Wiederholungsgefahr.
Die Gefahr, dass die Behörde eine gleiche Maßnahme wie die erledigte erlässt, kann zwar grundsätzlich ein besonderes Fortsetzungsfeststellungsinteresse – das im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen muss (BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 14/12 – BVerwGE 146, 303, juris Rn. 20) – begründen.
Das gilt jedoch nicht im vorliegenden Fall. Ein besonderes Feststellungsinteresse aufgrund einer Wiederholungsgefahr wird aus der Überlegung abgeleitet, dass die gerichtliche Feststellung den Beteiligten eine Richtschnur für ihr künftiges Verhalten bieten soll (OVG LSA, U.v. 24.11.2010 – 3 L 91/10 – juris Rn. 23; VG München, Urteil vom 15.02.2017 – M 9 K 15.5262 – juris Rn. 25). Das ist vorliegend nicht der Fall, da die Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum … Juni 2016 bis … Mai 2019 eine neue dienstliche Beurteilung erhalten hat. Gegen diese Beurteilung vom … September 2020 hat die Klägerin Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist (M 5 K 20.6522). Die Feststellung der Rechtswidrigkeit der aufgehobenen dienstlichen Beurteilung ist für die Klägerin nutzlos. Denn sie kann und muss gegen die zwischenzeitlich erlassene neue dienstliche Beurteilung rechtlich vorgehen, um ihre Rechte wahrzunehmen (zum Ganzen auch: OVG LSA, a.a.O., juris Rn. 23). Das ist auch erfolgt. Die der Klägerin erteilte aufgehobene Beurteilung entfaltet für die neue Beurteilung für den strittigen Beurteilungszeitraum keinerlei Wirkung (vgl. auch BVerwG, B.v. 5.9.1984 – 1 WB 131/82 – NVwZ 1985, 266, juris Rn. 34; NdsOVG, U.v. 22.4.1997 – 2 L 2818/96 – juris Rn. 23; VG München, U.v. 27.7.2015 – M 21 K 13.3487 – juris Rn. 21 ff.).
b) Auch unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitierungsinteresses steht der Klägerin kein besonderes Feststellungsinteresse zu. Ein Rehabilitationsinteresse setzt voraus, dass die Klägerin durch die erledigte Maßnahme selbst, deren Begründung oder die Umstände ihres Zustandekommens noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in ihrer Menschenwürde, ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder in ihrem beruflichen oder gesellschaftlichen Ansehen objektiv erheblich beeinträchtigt ist. Dadurch muss sich eine bis zur Gegenwart fortdauernde Stigmatisierung des Betroffenen mit Außenwirkung ergeben (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 113 Rn. 119 ff.).
Bei der dienstlichen Beurteilung eines Beamten kommt es hierfür darauf an, ob die Beurteilung derart abwertende Bemerkungen enthält, dass dessen Ehre oder Menschenwürde verletzt wurde (BVerwG, U.v. 17.12.1981 – 2 C 69/81 – BayVBl 1982, 348, juris Rn. 25). Der Umstand, dass die Beurteilung nicht so ausgefallen ist, wie sie nach Auffassung der Klägerin hätte ausfallen müssen, stellt keinen diskriminierenden, ehrverletzenden Inhalt einer Beurteilung dar. Auch eine auf die Durchschnittsnote lautende dienstliche Beurteilung, die dem Beamten weder Pflichtverletzungen noch sonst die Achtung seiner Persönlichkeit Beeinträchtigendes zur Last legt und ihm beruflich die Erfüllung der an ihn zu stellenden Anforderungen bestätigt, führt nicht zu einem Rehabilitationsinteresse (vgl. zum Ganzen: OVG NW, B.v. 14.4.2004 – 1 A 3629/02 – juris Rn. 15 ff.).
Die Beurteilung der Klägerin vom … Juli 2019 mit dem Endurteil von 11 Punkten enthält lediglich eine Punktebewertung sowie einen Fließtext unter Nr. 3 „Ergänzende Bemerkungen“, dem auch im Ansatz keinerlei diskriminierende oder ehrverletzende Formulierungen entnommen werden können.
c) Auch der Gesichtspunkt der effektiven Rechtsschutzgewährung (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – Grundgesetz/GG) führt vorliegend nicht zu einem Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Handelt es sich bei der erledigten Maßnahme um eine sich typischerweise – entsprechend ihrer Eigenart – so kurzfristig erledigte Maßnahme, dass ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keine Überprüfung in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren erreichbar sein könnte, eröffnet Art. 19 Abs. 4 GG die Möglichkeit einer Klärung der Rechtmäßigkeit des erledigten Verwaltungsakts im Wege nachträglicher Feststellung. Um derartige tiefgreifende und sich typischerweise kurzfristig erledigende Grundrechtseingriffe handelt es sich etwa bei der Anordnung von Abschiebehaft, Abhörmaßnahmen, Hausdurchsuchungen, körperlichen Durchsuchungen, Demonstrationsverboten oder der Anwendung unmittelbaren Zwangs durch die Polizei (vgl. zum Ganzen auch: Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 113 Rn. 122). Das ist bei der Ersetzung einer dienstlichen Beurteilung durch eine andere Beurteilung gerade nicht der Fall. Denn die neue dienstliche Beurteilung kann zum Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung gemacht werden, was auch erfolgt ist.
2. Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung/ZPO.


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