Verwaltungsrecht

Fristlose Entlassung eines Soldaten auf Zeit wegen unentschuldigten Fernbleibens vom Praktikum

Aktenzeichen  M 21 K 16.292

Datum:
24.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SG SG § 55 Abs. 5
WDO WDO § 36 Abs. 1, § 145 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Auch das Absehen von einer Disziplinarmaßnahme nach § 36 Abs. 1 WDO entfaltet hinsichtlich des festgestellten Dienstvergehens Bindungswirkung (§ 145 Abs. 2 WDO) für eine auf denselben Sachverhalt gestützte nachfolgende Entlassungsverfügung. (Rn. 33 und 34) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das schuldhafte unentschuldigte Fernbleiben eines Soldaten auf Zeit von einem studienvorbereitenden Praktikum rechtfertigt die fristlose Entlassung nach § 55 Abs. 5 SG, weil diese Verletzung der Dienstpflicht die militärische Ordnung gefährdet. Denn die strikte Erfüllung der Anwesenheitspflicht ist für die Erhaltung der Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr unverzichtbar. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid und der Beschwerdebescheid sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 55 Abs. 5 SG kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde.
Diese Voraussetzungen liegen vor.
Das Dienstverhältnis des Klägers bestand weniger als vier Jahre.
Der Kläger hat zudem seine Dienstpflichten im Zusammenhang mit dem unentschuldigten Fernbleiben vom Praktikum am 23. und 24. Oktober, 28. bis 31. Oktober und insbesondere dem nach Auffassung der Kammer entscheidungserheblichen Zeitraum von 4. bis 12. November 2014 schuldhaft verletzt.
Das ergibt sich zum einen bereits nach § 145 Abs. 2 WDO aus der Bindungswirkung des bestandskräftigen disziplinarrechtlichen Bescheids vom 20. Januar 2015, mit dem festgestellt wurde, dass der Kläger zu den o.a. Zeiten nicht zum Dienst bei der ihm zugewiesenen Praktikumsstelle erschienen sei und damit ein Dienstvergehen begangen habe. Der Bindungswirkung steht nicht entgegen, dass von der Verhängung einer Disziplinarmaßnahme in Anbetracht der Absicht der Entlassung abgesehen wurde. Ein solches Absehen von einer Disziplinarmaßnahme im Rahmen des disziplinaren Ermessens nach § 36 Abs. 1 WDO zählt zu den Entscheidungen, die nach § 145 Abs. 2 WDO im Fall ihrer Wirksamkeit für die Beurteilung der vor einem Gericht geltend gemachten Rechte aus dem Dienstverhältnis bindend und mithin vom Verwaltungsgericht bei der Beurteilung der auf denselben Vorwurf gestützten Entlassungsverfügung zu beachten sind (BayVGH, B.v. 1.3.2016 – 6 C 15.1364 – juris Rn. 5 m.w.N.; vorausgehend VG München, B.v. 15.6.2015 – M 21 K 13.5314 – n.v.; ebenso VG München, U.v. 5.4.2013 – M 21 K 11.4664 – juris Rn. 28; Lucks, NZWehrR 2006, 145 ff.). Während der Vorwurf des Dienstvergehens im verwaltungsgerichtlichen Verfahren lediglich eine Vorfrage für die Rechtmäßigkeit der Entlassung darstellt, bildet er im disziplinarrechtlichen Verfahren den „eigentlichen“ Gegenstand und wird dort mit – in ihrem konkreten Umfang allerdings streitiger – Bindungswirkung entschieden (BayVGH a.a.O.). Aus der von der Klägerseite in Bezug genommenen Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. März 2011 (BayVGH, B.v. 25.3.2011 – 6 ZB 10.200 – juris Rn. 6) lässt sich ungeachtet der aktuelleren Entscheidung vom 1. März 2016 auch inhaltlich nichts Gegenteiliges herleiten. Die Entscheidung beruhte ohne inhaltliche Bewertung der Frage der Bindungswirkung darauf, dass die Darlegungen der Beklagten den Anforderungen an die Darlegung eines Zulassungsgrunds nicht genügten.
Die Bindungswirkung nach § 145 Abs. 2 WDO beschränkt sich zwar lediglich auf den Entscheidungsausspruch, nicht auf die diesem zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen (BVerwG, U.v. 27.6.1984 – 6 C 78/82 – juris Ls. 1 und Rn. 16). Insbesondere disziplinarrechtliche Feststellungen über den Grad des Verschuldens nehmen nicht an der Bindungswirkung teil (BVerwG, U.v. 27.6.1984 a.a.O. – juris Ls. 2, Rn. 18). Das ändert aber nichts daran, dass mit der disziplinarrechtlichen Entscheidung feststeht, dass der Soldat durch den zugrunde gelegten Sachverhalt ein Dienstvergehen begangen hat (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.1984 a.a.O. – juris Rn. 17; BVerwG, B.v. 28.5.1984 – 2 B 33/84 – juris Rn. 4). Die Bindung bezieht sich damit jedenfalls (auf den Tenor und) auf die disziplinarrechtliche Würdigung des Sachverhalts (BVerwG, B.v. 14.11.1973 – I WB 159.71 – juris Rn. 106; BVerwG, B.v. 28.5.1984 a.a.O. – juris Rn. 4). Da aber der Entscheidungsausspruch und der zu Grunde gelegte Sachverhalt eine untrennbare und das Tatgeschehen erst identifizierende Einheit bilden, kann nur bei einer Einbeziehung des den Entscheidungsausspruch tragenden und diesen identifizierenden Sachverhalts dem Zweck von § 145 Abs. 2 WDO Rechnung getragen werden, einander widersprechender Entscheidungen im disziplinarrechtlichen und in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu vermeiden. Damit nimmt auch der einer disziplinarrechtlichen Entscheidung zu Grunde gelegte und das Dienstvergehen bezeichnende und abgrenzende Sachverhalt als Bestandteil des Entscheidungsausspruchs an der Bindungswirkung teil (BayVGH, B.v. 26.11.2010 – 6 C 10.1980 – juris Rn. 5; VG München, B.v. 15.6.2015 a.a.O.; VG München, U.v. 3.3.2014 – M 21 K 12.1532 – juris Rn. 30; Lucks, NZWehrR 2006, 145 ff.; vgl. auch OVG Lüneburg, B.v. 2.3.2007 – 5 ME 252/06 – juris Rn. 22 ff.; a.A.: OVG Sachsen-Anhalt v. 23.4.2009 – 1 L 29/09 – juris Rn. 10; offen lassend BVerwG, B.v. 14.11.1973 a.a.O. – juris Rn. 109). Dies zugrunde gelegt gelten bei einem Absehen von einer Disziplinarmaßnahme nach § 36 Abs. 1 WDO keine Besonderheiten und die festgestellten Dienstvergehen einschließlich des sie bezeichnenden und abgrenzenden Sachverhalts erwachsen in Bindungswirkung.
Die disziplinarrechtlichen Feststellungen werden auch nicht durch die Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nach § 153 Abs. 1 StPO in Frage gestellt. Der Einstellung eines strafrechtlichen Verfahrens nach § 153 Abs. 1 StPO kommt keine Bindungswirkung oder auch nur indiziell entlastende Wirkung zu. Die Einstellung erfolgt nicht wegen fehlenden Tatnachweises, sondern wegen geringer Schuld und fehlendem Verfolgungsinteresse.
Ungeachtet der Bindungswirkung der disziplinarrechtlichen Absehensverfügung ist der Kläger den Feststellungen des disziplinarrechtlichen Verfahrens auch nicht substantiiert entgegengetreten und hat die erhobenen Feststellungen – soweit er sie bestreitet – nicht durch eine schlüssige und stimmige abweichende Darstellung erschüttert.
Im Hinblick auf die vom Kläger bestrittene Abwesenheit vom 4. bis 11. November 2014 (die Abwesenheit am 12.11.2014 bestreitet auch der Kläger nicht) steht im Gegenteil zur Überzeugung der Kammer fest, dass er dem Praktikum ferngeblieben ist und – motiviert durch die Auffassung, die Praktikumsausbildung sei unsachgemäß – das Praktikum auf der Grundlage einer Absprache mit dem Geschäftsführer des Ausbildungsbetriebs (die zudem hinsichtlich eines als Abwesenheitsgrund geltend gemachten, aber nicht wahrgenommenen MRT-Termins zu Beginn der Woche ab 10.11.2014 auch auf falschen Angaben des Klägers beruhte) vorzeitig faktisch beendet hat. Die Abwesenheit des Klägers ab 4. November 2014 ergibt sich aus dem Monatsjournal der elektronischen Zeiterfassung, an dessen Richtigkeit keine Zweifel bestehen.
Die Einlassung des Klägers, die Zeiterfassung habe nicht funktioniert, ist wirklichkeitsfremd und stellt eine Schutzbehauptung dar. Das Monatsjournal weist für den betreffenden Zeitraum keinerlei Fehlermeldungen auf, was bei einer Fehlfunktion eines elektronischen Zeiterfassungssystems zu erwarten wäre. Der Kläger konnte auch niemand benennen, der die Störung bestätigen hätte können. Der vom Kläger im disziplinarrechtlichen Verfahren benannte Geschäftsführer des Praktikumsbetriebs hat eine solche Störung in seiner Stellungnahme an den Disziplinarvorgesetzten mit keinem Wort erwähnt. Zudem fällt die angebliche Störung der Zeiterfassung unmittelbar zeitlich mit der Anfrage des Klägers vom 5. November 2014 an den Geschäftsführer des Ausbildungsbetriebs bzgl. einer Absenz für das verbleibende Praktikum zusammen. Nach dem Wortlaut der übermittelten Antwort des Ausbildungsbetriebs spricht auch nichts für die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung aufgestellte Behauptung, er habe die Antwort erst nach Ablauf des Praktikums erhalten. Die entsprechende Einlassung des Klägers weicht zudem von seiner ursprünglichen Aussage im disziplinarrechtlichen Verfahren ab, wonach er von dem Praktikumsbetrieb gar keine Antwort zu seiner Anfrage erhalten habe. Es ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb der Geschäftsführer des Praktikumsbetriebs falsche oder unvollständige Angaben gemacht haben sollte. Ein entsprechendes Motiv ist nicht ersichtlich – dem Praktikumsbetrieb könnten im Gegenteil eher durch die Angabe, dass der Kläger das Praktikum in Absprache mit dem Betrieb vorzeitig beendet habe, Schwierigkeiten im Hinblick auf die Pflichten der Praktikumsausbildung entstehen. Mangels Motiv ist auch der Hinweis auf die Möglichkeit einer Fälschung des Monatsjournals der Zeiterfassung durch den Praktikumsbetrieb völlig aus der Luft gegriffen.
Das festgestellte unentschuldigte Fernbleiben begründet ein Dienstvergehen in Form einer schuldhaften Verletzung gegen die Pflicht zum treuen Dienen nach § 7 SG. Ein Soldat verstößt gegen diese Pflicht bereits dann, wenn er seiner Anwesenheits- und Dienstleistungspflicht während einer kurzen Zeitspanne nicht nachkommt. Damit ist gleichzeitig eine Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG (achtungs- und vertrauenswürdiges Verhalten) verbunden (vgl. BVerwG, U.v. 2.12.1986 – 2 WD 48/85 – juris Rn. 21). Zugleich liegt ein Verstoß gegen die Wahrheits- und Gehorsamspflicht (§ 13 und § 11 SG) vor. Der Kläger hat seine Vorgesetzten durch die Beendigung seines Praktikums mehr als eine Woche vor dem abgestimmten Praktikumswechsel über seine Verwendung während dieses Zeitraums getäuscht und ihnen bewusst seine Dienstleistung vorenthalten.
Im Hinblick auf die mit der Abwesenheit ab 4. November 2014 verbundene faktische Beendigung des Praktikums mehr als eine Woche vor dem abgestimmten Praktikumswechsel zum 13. November 2014 ohne Benachrichtigung seiner Vorgesetzten ist davon auszugehen, dass der Kläger Kenntnis über die offensichtliche Unzulässigkeit seines Handelns hatte und insofern vorsätzlich handelte.
Auch die Auffassung der Beklagten, dass das Verbleiben des Klägers in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde, ist nicht zu beanstanden.
Für die Frage, ob durch das Verbleiben des Soldaten auf Zeit, der die Dienstpflichten verletzt hat, in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung ernstlich gefährdet würde, ist nicht entscheidend auf die Schwere der Dienstpflichtverletzung an sich, sondern auf eine ernstlich Gefährdung der militärischen Ordnung ohne die fristlose Entlassung abzustellen. Die fristlose Entlassung stellt ein Mittel dar, um eine Beeinträchtigung der uneingeschränkten Einsatzbereitschaft zu vermeiden. Bereits aus dem Wortlaut des § 55 Abs. 5 SG ergibt sich, dass diese Gefahr gerade als Auswirkung einer Dienstpflichtverletzung des Soldaten drohen muss. Die entsprechende Beurteilung ist von den Verwaltungsgerichten in einer objektiven nachträglichen Prognose nachzuvollziehen (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 9.6.1971 – VIII C 180.67 – juris Rn. 10; BVerwG, B.v. 28.1.2013 – 2 B 114/11 – juris Rn. 8 m.w.N.). Mit dem Erfordernis, dass die Gefährdung der militärischen Ordnung ernstlich sein muss, entscheidet das Gesetz selbst die Frage der Angemessenheit der fristlosen Entlassung im Verhältnis zu dem erstrebten Zweck und konkretisiert so den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Dienstpflichtverletzungen können auch dann eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung herbeiführen, wenn es sich um ein leichteres Fehlverhalten handelt oder mildernde Umstände hinzutreten. Jedoch ist im Rahmen der Gefährdungsprüfung zu berücksichtigen, ob die Gefahr für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr durch eine Disziplinarmaßnahme abgewendet werden kann (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2013 a.a.O. – juris Rn. 9 m.w.N.).
Auf dieser Grundlage haben sich in der Rechtsprechung Fallgruppen herausgebildet, bei denen eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung im Sinne des § 55 Abs. 5 SG regelmäßig anzunehmen ist. Dies gilt vor allem für Dienstpflichtverletzungen im militärischen Kernbereich, die unmittelbar die Einsatzbereitschaft beeinträchtigen. Unter Dienstpflichtverletzungen im militärischen Kernbereich können schon begrifflich nur (schwere) innerdienstliche Dienstpflichtverletzungen fallen, oder außerdienstliches Verhalten, das unmittelbar hierauf gerichtet ist. Nicht jeder schuldhafte Pflichtenverstoß eines Soldaten beeinträchtigt unmittelbar die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2013 a.a.O. – juris Rn. 12).
Entsprechend diesen Maßstäben ist die Beklagte bereits im Hinblick auf die eigenmächtige Abwesenheit des Klägers vom 4. bis 12. November 2014 zu Recht von einer ernstlichen Gefährdung der militärischen Ordnung ausgegangen.
Anwesenheit und Dienstleistung gehören zum fundamentalen Pflichtenkreis eines Soldaten. Unerlaubte Abwesenheit von einigem Gewicht stellt daher i.d.R. einen Entlassungsgrund i.S.v. § 55 Abs. 5 SG dar. Der betriebsbezogene Schutz der Funktion der Bundeswehr im Sinne des Erhalts der Verteidigungsbereitschaft erfordert, dass sich die Soldaten auf die strikte Erfüllung der Anwesenheits- und Dienstleistungspflicht eines jeden Kameraden verlassen können. Dabei kommt es nicht auf die konkreten Auswirkungen einer unentschuldigten Abwesenheit an. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Tolerierung eines unentschuldigten Fernbleibens von Soldaten vom Dienst im Hinblick auf mögliche Nachahmungshandlungen anderer Soldaten die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr gefährden würde. Zugleich würde durch die Hinnahme solcher Disziplinlosigkeiten auch das Ansehen der Bundeswehr ernsthaft gefährdet.
Der Kläger hat durch seine Absprache mit dem Praktikumsbetrieb sein Praktikum vorzeitig beendet, gleichzeitig seine Vorgesetzten über seine Verwendung bis zum abgestimmten Praktikumswechsel getäuscht und dem Dienstherrn seine Anwesenheit und Dienstleistung vorenthalten. Dieses Verhalten des Klägers zeugt von einer für einen militärischen Betrieb nicht hinnehmbaren Unzuverlässigkeit, bei der dem Kläger auch nicht die Sondersituation eines Praktikums sowie eine unterbliebene Einweisung über Abläufe und Meldepflichten bei Abwesenheiten im Praktikum zu Gute gehalten werden kann. Die eigenmächtige und abstimmungswidrige vorzeitige Beendigung eines Praktikums, zu dessen Ableistung ein Soldat kommandiert und vom regulären Dienst freigestellt ist, unterscheidet sich nicht von einem eigenmächtigen Fernbleiben im regulären soldatischen Betrieb bzw. geht im Hinblick auf die damit verbundene Täuschung von Vorgesetzten noch über ein bloßes unentschuldigtes Fernbleiben hinaus und betrifft den militärischen Kernbereich. Mit Blick auf die Dauer der unerlaubten Abwesenheit handelt es sich auch nicht um einen untergeordneten Zeitraum.
Die für die Prognose der Beklagten maßgeblichen Gesichtspunkte sind ausreichend erkennbar und können nach Maßgabe der in Bezug genommenen Ermittlungsergebnisse und der Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden ausreichend nachvollzogen werden. Der Umstand, dass die Beklagte bei ihrer Prognose nicht zwischen den unentschuldigten Abwesenheiten während des Praktikums und der deutlich schwerwiegenderen eigenmächtigen Beendigung des Praktikums ab 4. November 2014 differenziert hat, spielt vor dem Hintergrund, dass bereits die eigenmächtige Abwesenheit ab 4. November 2014 für sich gesehen die Prognose trägt, keine Rolle.
Schließlich leidet die Entscheidung nach Maßgabe von § 114 Satz 1 VwGO auch nicht an Ermessensfehlern, insbesondere auch nicht im Hinblick auf die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Alleiniger Zweck der fristlosen Entlassung gemäß § 55 Abs. 5 SG ist es, eine – sich im Grunde bereits aus der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift ergebende – drohende Gefahr für die Bundeswehr abzuwenden. Die Frage der Angemessenheit des Eingriffs im Verhältnis zu dem erstrebten Zweck ist hier in Gestalt einer Vorabbewertung durch den Gesetzgeber jedenfalls im Wesentlichen bereits durch die Vorschrift selbst – und zwar auf der Tatbestandsebene – konkretisiert worden. Für zusätzliche Erwägungen zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist somit nach der Gesetzeskonzeption im Rahmen des § 55 Abs. 5 SG (grundsätzlich) kein Raum (OVG NW, B.v. 20.1.2005 – 1 B 2009/04 – juris Rn. 34 m.w.N.). Die Ermessensentscheidung ist insofern intendiert und bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristlose Entlassung ein Abweichen nur bei besonderen Umständen veranlasst (vgl. OVG NW, B.v. 20.1.2005 a.a.O. – juris Rn. 36; BayVGH, U.v. 25.7.2001 – 3 B 96.1876 – juris Rn. 58). Solche Umstände liegen hier nicht vor.
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO, § 708 ff. ZPO

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen